‘Band Q’
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18.12.47
Man muß daran denken,
daß es einen Zustand der Sprache geben kann
(& wohl gegeben hat) in welchem der allgemeine Begriff der Sinnesempfindung nicht
existierte || existiert || sie den allgemeinen Begriff der
Sinnesempfindung nicht hat, in welchem man aber wohl || doch Wörter entsprechend unseren “sehen”,
“hören”, “schmecken”
hat. || aber doch Wörter entsprechend unseren
“sehen”, “hören”,
“schmecken”. |
Ein so verschwommenes
Wort || Einen so verschwommenen
Begriff wie unsern || den des
“Fühlens” gibt es dann etwa
nicht || braucht es auch nicht geben; &
es liegt den Leuten nichts ferner || nichts
Leuten ferner liegen, als zu sagen, sie
fühlten die Position ihrer Glieder,
u.dergl.¤ || .
|
Wenn
sie nun Sprachspiele mit den Wörtern
“sehen”, “hören”,
etc. haben, – wie kommen sie auf die Idee || es nun die Verwendung von “sehen”,
“hören”, etc. gibt, wie kommt
man auf die Idee … der
‘Sinneswahrnehmung’? |
“Ist er im
Zimmer? – Siehst Du ihn? Hörst Du
ihn? – Nimmst Du ihn wahr?”
|
Sinneswahrnehmung
ist was uns die Außenwelt kennen lehrt. – Aber
heißt das nun, daß dies das das Merkmal ist, das diesen
unsern Begriff deformiert? –
Wie, wenn ich sagte:
Sinneswahrnehmungen nennen wir Sehen,
1 Hören, …
Zwischen diesen Begriffen sind gewisse Zusammenhänge,
Analogien, & diese rechtfertigen mehr oder
weniger || sind || bestehen
Analogien & Zusammenhänge, sie sind unsre Rechtfertigung
für diese Zusammenstellung. || Zusammenfassung.
|
Man muß an einen Zustand der Sprache
denken, in welchem es den allgemeinen Begriff der Sinnesempfindung
nicht gibt, wohl aber Wörter analog unsern
“sehen”, “hören”,
“schmecken”, etc. Ein so vages Wort wie “fühlen”, wollen wir annehmen, gibt es nicht. Und nichts liegt den Leuten ferner, als zu sagen sie fühlten die Stellung ihrer Glieder. |
Das Wort || Den Begriff
“wahrnehmen” könnte man nun auf diese Weise
einführen: “Ist jemand in diesem
Zimmer? Siehst Du ihn? Hörst Du
ihn? Fühlst || Greifst Du ihn? – Allgemein:
nimmst Du ihn wahr? |
Sinnesempfindung
lehrt uns die Außenwelt kennen. Aber das heißt
nicht, daß dieser Begriff für uns so definiert ist || durch dieses Merkmal definiert ist. –
Wir nehmen eines schönen Tages “sehen”,
“hören” … zusammen & geben ihnen
einen gemeinsamen Namen. Dies
läßt sich durch verschiedene Analogien
2 & Zusammenhänge rechtfertigen. |
Man kann also
fragen: Was für Zusammenhänge &
Analogien bestehen zwischen Sehen & Hören?
zwischen Sehen & Greifen? zwischen Sehen
& Riechen? – |
Und fragt man das, so
rücken die Sinne sozusagen gleich weiter
auseinander. || als sie auf den ersten
Blick || dem ersten Anschein nach zu liegen
scheinen. Und doch sind Zusammenhänge da. |
Detail Sinnesempfindungen || Gesichts- & Gehörsempfindungen können zu gleicher Zeit anfangen & enden, in andere solche Empfindungen übergehen. Der Übergang kann plötzlich & || oder allmählich sein. Ein Ton kann von dort kommen, wo man etwas sieht. Es gibt Mischklänge & Mischfarben. Es gibt Intensitäten des Gehörten & Gesehenen. |
Detail Geht man von da || nun auf den Vergleich zwischen Gesicht & Tastgefühl über, so sehen wir sogleich die große Verschiedenheit zwischen den innern Beziehungen Sehen – Hören & Sehen – Fühlen. Es besteht z.B. in einer Weise die engste Verwandtschaft 2 zwischen Gesicht & Tastgefühl,
da ja beim Blinden das eine das andere geradezu
ersetzt. Ich kann, ob hier ein Buch liegt, durch Tasten
& durch Sehen erkennen. Aber wenn ich nun den
einzelnen Gesichtseindruck, das Gesichtsbild mit einem
Tasteindruck vergleichen soll, so verschiebt sich der vorige Vergleich
zwischen den beiden Sinneswahrnehmungen völlig.
|
Die
Begriffe der Psychologie sind eben Alltagsbegriffe || Begriffe des Alltags. Nicht
von der Wissenschaft zu ihren Zwecken neu gebildete Begriffe wie die
der Physik & Chemie. Die Begriffe der
Psychologie || Die psychologischen
Begriffe verhalten sich etwa zu denen der strengen
Wissenschaften wie die Begriffe der wissenschaftlichen
¤ Medizin zu denen
von Pflegeschwestern. || Pflegerinnen. || zu
denen von alten Weibern die sich mit der Krankenpflege
abgeben. |
Man
führt || wird nun freilich, um den Fall
des Tastens dem des Sehens anzugleichen
die kinästhetischen &
3
Positionsempfindungen || Lageempfindungen der Glieder
erwähnen, so daß, was der blind
Tastende hätte ein Konglomerat || Gemisch von Tastempfindungen & jener || der andern wäre. Aber mit dem Begriff der
kinästhetischen &
Positionsempfindungen || Lageempfindungen hat es wieder
andere Schwierigkeiten. |
Das wichtigste
Mittel um dem Andern das Gesichtsbild, das ich habe,
mitzuteilen, ist das Bild. Was
entspricht dem für die andern Sinne? Man denkt es
sich manchmal als die Wiedergabe der
Gesichtsempfindung. Was entspricht ihm für die andern
Sinne? Nun, wie ich Einem ein Bild zeige || ein Bild verwende, um zu zeigen, was ich sehe, so ahme ich den || einen Ton nach, um zu zeigen, was ich höre & ich könnte den Andern einen Gegenstand || z.B. eine scharfe Kante anfassen lassen um ihm mitzuteilen, was ich fühle. Was aber wäre ein Bild für den kinästhetischen Sinn? |
Nützlich aber noch
schlecht. Ich möchte nun einen Plan der Behandlung der psychologischen Begriffe entwerfen: Psychologische Verben charakterisiert dadurch 3 daß 3. Person des
Präsens durch Beobachtung zu verifizieren, 1. Person
des Präsens nicht.
Satz in der 3. Person Präsens: Mitteilung, in der 1. Person Präsens Äußerung. [Stimmt nicht ganz.] Sinnesempfindungen: ihre inneren Relationen || Zusammenhänge & Analogien. Alle haben echte Dauer. Möglichkeit der Angabe des Anfangs & Endes. Möglichkeit der Gleichzeitigkeit des zeitlichen Zusammenfallens. Alle haben Grade & qualitative Mischungen. Grad: kaum merkbar – nicht auszuhalten. In diesem Sinne gibt es nicht Lage- & || oder Bewegungsempfindung. Ort der Empfindung am Leib: unterscheidet sehen & hören von Druck-, Temperatur-, Geschmacks- & Schmerzempfindung. (Wenn Empfindungen die Lage der Glieder & die Bewegungen charakterisieren, so sind || ist ihr Gut jedenfalls nicht das Gelenk.) Die Lage der Glieder & Bewegungen weiß man. Man kann sie z.B. angeben wenn man gefragt wird. So wie man auch den Ort einer Empfindung (Schmerz) am Leibe weiß. Reaktion des Berührens der schmerzhaften Stelle. 4 Kein lokales Merkmal in || an der Empfindung. Sowenig wie ein zeitliches in || am Erinnerungsbild. (Zeitliche Merkmale an der Photographie.) Schmerz von andern Sinnesempfindungen unterschieden durch charakteristischen Ausdruck. Dadurch verwandt der Freude, || (die keine Sinnesempfindung). “Sinnesempfindungen lehren uns die Außenwelt kennen.” Vorstellung:
Gehörsvorstellung, Gesichtsvorstellung. Wie von der
Empfindung verschieden?
Nicht durch “Lebhaftigkeit”.
Vorstellungen lehren uns nicht die Außenwelt kennen || belehren uns nicht über die Außenwelt, weder richtig, noch falsch. (Vorstellungen sind nicht Halluzinationen.) Während ich einen Gegenstand sehe, kann ich ihn nicht vorstellen. Verschiedenheit der Sprachspiele: “Schau die Figur an!” & “Stell Dir die Figur vor!”. Vorstellung dem Willen unterworfen. Vorstellung nicht Bild. Welchen Gegenstand ich mir vorstelle, ersehe ich nicht aus der Ähnlichkeit des Bildes || Vorstellungsbildes mit ihm. Auf die Frage “Was stellst Du Dir vor?” kann man mit einem Bild antworten. 4 |
Man
möchte sagen, || : der
vorgestellte Klang sei in einem andern Raum, als der
gehörte. (Frage – Warum?)
|
Ich
lese ein Buch & stelle mir während des Lesens, also
im
eifrigsten || aufmerksamsten Schauen || während des
eifrigsten || aufmerksamsten Schauens alles
mögliche vor. || also während des
aufmerksamen Schauens auf die Zeilen, alles mögliche
vor. || … also mitten im aufmerksamen
Sehen alles mögliche
vor. |
Die
Beschreibung dessen, was er sich vorstellt, || des
Vorgestellten ist eine Beschreibung einer
Sinneswahrnehmung || hat die Form der Beschreibung
einer Sinneswahrnehmung. (Man
könnte sagen: Ich sehe vor meinem äußeren
Auge das & vor || & dabei
vor meinem innern Auge das.)
‒ ‒ ‒ |
(Das
Vorstellungsbild der Dorothea
schwebt dem Hermann
allerdings
vor wie ein Nachbild.) |
Wenn Du
darüber nachdenkst, schau nicht auf Deine eigene Vorstellung,
sondern lieber auf das Vorstellen des Andern. Auf die
Sprachspiele muß man sehen, & darauf, wie
5 man sie lernt.
|
Vorstellen. “Siehst Du sie, wie
sie zur Tür hereinkommt? & nun macht
man's nach. |
Er hat es gesehen
& hat es nicht gesehen. |
Er hat es sozusagen ganz
blaß gesehen. Aber blaß war es nur zur Erklärung
wie es kommt || dafür, daß man es
sehen konnte & auch zugleich das || mit dem, was man wirklich sah. Das || Unser Bild war das einer durch's
Fenster gesehenen Landschaft, in der man zugleich die Dinge im Zimmer
wahrnimmt, die sich in der Fensterscheibe spiegeln || schwach
spiegeln, ohne das Bild || den Eindruck der
Landschaft zu stören. || ohne die Landschaft
zu stören. |
19.12.
Ist Vorstellen geheimnisvoller, als
Sehen? |
Es ist eigentlich sehr
wenig Zusammenhang zwischen Vorstellen & Sehen.
Mir scheint es ist die Überschätzung
der || ihrer Ähnlichkeit, die unsre
Aufgabe erschwert. 5 |
Ja, es || Es könnte Leute geben, die nie
sagen, sie sähen etwas vor dem innern Auge, oder
dergleichen || den Ausdruck gebrauchen “etwas vor dem
innern Auge sehen”, oder einen
ähnlichen; & diese könnten doch
im Stande sein alles
Mögliche ‘aus der Vorstellung oder
Erinnerung zu zeichnen, zu modellieren, das
charakteristische Benehmen Anderer nachzuahmen,
etc.. Es könnte auch sein,
daß sie, || Sie mögen auch, ehe sie
etwa ein Gesicht || etwas aus der Erinnerung
zeichnen, die Augen
schlössen || schließen, oder wie blind vor sich
hin starren. Und doch würden || könnten sie leugnen, daß sie dann vor sich
sehen, was sie später zeichnen.
(Etwa zu || Zu
sagen, diese Leute müßten motorische Vorstellungen haben, ist
lächerlich.) |
‘Sehen’ ist nämlich
mit ‘Schauen’ unzertrennlich
verbunden. [D.h., das ist
eine Art der Begriffsbestimmung die eine Physiognomie
ergibt.] Die Wörter, die beschreiben, was man sieht, lernt man nicht mit Bezug auf des ‘innere Sehen’ || sind Eigenschaften der Dinge, man lernt sie || ihre Bedeutung nicht in Verbindung || im Zusammenhang mit dem ‘innern Sehen’ || Begriff des ‘innern Sehens’. |
“Ich sehe
& sehe doch wieder nicht” könnte der Ausdruck
eines Volkes || einer Sprache für
“Ich stelle mir vor” || das
Vorstellen sein. 6 |
Wenn man fragt
“Was ist der Unterschied zwischen Vorstellen
& Sehen?” so ist die Frage
irreführend || läßt das die Frage irreführen,
weil sie den Unterschied zu gering erscheinen
läßt. || Die Frage läßt den Unterschied zu
gering erscheinen. |
“Was ist der
Unterschied zwischen Vorstellen & Sehen?”
– In der Frage liegt schon ein Fehler. Es
scheint || ist als würde um den Unterschied zweier
Vorgänge gefragt. Als fragte man nach dem
Unterschied zwischen Sieden & Gefrieren. So
wäre es z.B. wenn
man fragte, was der Unterschied der
Vorgänge || zwischen den Vorgängen im
Nervensystem ist, wenn Einer || man
einmal einen roten Kreis sieht, ein andermal sich einen
vorstellt. |
Fragt man
aber, || :
“Was ist der Unterschied zwischen
einem Gesichtsbild & einem Vorstellungsbild?”
– so könnte die Antwort lauten: Es ist hier kein
Unterschied. Denn ich mag mir, einmal eben das
vorstellen was ich ein andres Mal sehe.
Oder auch so: Das gleiche
Gemälde || Die gleiche Beschreibung kann darstellen
was ich sehe & was ich mir vorstelle.’ 6
¤ Zu sagen es sei ein Unterschied
zwischen Gesichtsbild & Vorstellungsbild, heißt: man
stelle sich etwas anders vor als es ausschaut. |
Ich hätte
früher auch sagen können: Der
Zusammenhang zwischen Vorstellen & Sehen ist
eng; eine Ähnlichkeit aber gibt es nicht. |
(Denn) die Sprachspiele mit den beiden
Begriffen sind grundverschieden, – hängen aber
zusammen. |
Eine Ähnlichkeit ist
insofern vorhanden, als, wer etwas
sich vorstellt, sich manchmal ähnlich || so benimmt, als sähe er etwas vor sich.
(Als zeichnete er etwas ab, was nur er allein sieht,
z.B.¤) |
Er sucht sich etwa auf
des || eines Andern Gesicht zu besinnen & sagt
plötzlich “Ich hab's!”
& nun kann er's (etwa) zeichnen. |
Unterschied: ‘Trachten, etwas zu
sehen’ – ‘Trachten sich etwas
vorzustellen’. Im ersten Fall sagt man etwa
“Schau genau hin!”, im zweiten
“Schließ die Augen!” 7 |
Das Problem womit ich hier
im Grunde beschäftigt bin, ist eigentlich viel wunderbarer, als
es vielleicht dem erscheint, der diese Zeilen
liest. Denn es ist ein sehr allgemeines begriffliches Problem. (Ähnlich, glaube ich, einem großen Problem der Mathematik.) |
Wenn Einer die Augen
schlösse & sagte “Ich
sehe …”, wie wüßten wir ob er ein
Nachbild meint oder eine Vorstellung. || , wie
entschieden wir, ob er ein Nachbild meint oder
eine Vorstellung. || , wie
könnten wir entscheiden, ob er ein Nachbild
meint oder eine Vorstellung. Denn das
Wort “sehen” müßte uns nicht treffen. – Nun, es wäre die Art & Weise wie er von dem
‘Gesehenen’ redet, die das entschiede. |
So weißt Du
also nicht ob Gesehenes (z.B.
ein Nachbild) & eine Vorstellung im übrigen
nicht ganz gleich ausschauen? (Oder soll es
heißen: sind?) – Diese Frage
könnte nur eine empirische sein & etwa heißen:
“Kommt es vor, || (oder kommt es oft
vor, || ) daß Einer eine Vorstellung längere Zeit
ungestört vor der Seele erhaltenkann || , & sie so in allen
7 Einzelheiten beschreiben
kann, wie etwa ein Nachbild?” |
Nein, das Wort
“sehen” kann uns natürlich nicht lehren, womit
wir's zu tun haben. Es muß der
Zusammenhang sein, in dem es steht. |
(Im Englischen heißt
“I see” manchmal soviel wie die
Interjektion “Aha!”.)
|
“Kannst Du den Vogel
noch sehen?” “Ich bilde mir ein, ich
kann ihn noch sehen.” Das heißt nicht:
Ich stell ihn mir vielleicht vor. |
“Sehen & Vorstellen sind
verschiedene Phänomene.” – Die
Wörter “sehen” &
“vorstellen” werden ungleich || verschieden
verwendet.” “Ich sehe” wird
anders verwendet als “Ich stelle mir vor”,
“Sieh!”
wird anders verwendet als “Stell Dir
vor!”, “Ich versuche, es zu
sehen” anders als “Ich versuche
mir's vorzustellen.” –
“Aber die Phänomene sind eben:
daß sie || die
Menschen sehen & daß wir uns Dinge
vorstellen.” Ein Phänomen ist etwas, das man
beobachten kann. Wie
8 beobachtet man nun, daß
die Menschen sehen? “Menschen
sehen.” – Im Gegensatz
wozu? Dazu, etwa, daß sie alle blind
sind? Ich kann z.B. beobachten, daß die Vögel fliegen, oder Eier legen. Ich kann z.B. Einem sagen: “Siehst Du, diese Geschöpfe fliegen.” Schau, wie sie mit den Flügeln schlagen & sich in die Luft erheben.” Ich kann auch sagen: “Siehst Du, dieses Kind ist nicht blind; es sieht. Schau, wie es der Kerzenflamme folgt.” Aber kann ich mich sozusagen überzeugen || davon überzeugen, daß Menschen sehen? |
Kann ich mir den
Fall vorstellen, daß ich sagte: “Ja,
Du hast recht: Menschen sehen.” –
Oder: “Ja, Du hast recht: die Menschen
sehen, so wie ich auch.” |
Sehen &
Verstehen || Vorstellen sind
verschiedene Phänomene.” – Die
Wörter “sehen” &
“verstehen || vorstellen”
haben verschiedene Bedeutung! Ihre Bedeutungen beziehen
sich auf eine Menge wichtiger Arten & Weisen des
Verhaltens || menschlichen
Verhaltens, auf Phänomene des menschlichen
Lebens. Die Augen schließen, um sich etwas vorzustellen, ist ein Phänomen; 8 mit verkniffenen Augen angestrengt schauen || hinschauen, ist ein anderes Phänomen; einem
Gegenstand || Ding in einer Bewegung mit den Augen folgen,
ein drittes wieder eins. Denk, Einer
sagte: “Der Mensch kann sehen, oder blind
sein”! |
“Sehen”, “vorstellen”,
“hoffen” sind eben nicht
Phänomenwörter, könnte man sagen. (Das
heißt aber natürlich nicht, daß der Psychologe nicht
Phänomene beobachtet.) |
Wie soll ich
also Sehen, Vorstellen, etc. nennen?
“Fähigkeiten”?
“Potenzen”?
[Psychische Akte] |
Der
Ausdruck, das Vorstellen unterstehe dem Willen,
kann irreführen, weil er's erscheinen
läßt, als wäre || er den Schein erweckt, als wäre
… der Wille eine Art Motor & die Vorstellungen
mit diesem in Zusammenhang, so daß er sie hervorrufen, bewegen,
entfernen könnte. |
Soll ich sagen das Wort
“sich etwas vorstellen” habe zwei
Bedeutungen: die eine das
Hervorrufen, Erzeugen, des
Vorstellungsbildes, die andere das Sehen des Bildes?
Die Worte “Stelle Dir ihn vor wie er zur Tür hereinkommt” mögen die Vorstellung in mir wachrufen || hervorrufen, aber 9 dies Hervorrufen nennt man
nicht “sich etwas vorstellen”. |
Aber wäre
es nicht denkbar, daß bei einem
Menschen das gewöhnliche Sehen dem Willen unterworfen
wäre? – Würde ihn das Sehen dann über
die Außenwelt belehren? Hätten || Haben denn die Dinge
z.B. Farben, wenn wir sie sehen
könnten, wie wir wollten. || Könnten wir sagen, ein Ding habe eine Farbe,
wenn wir sagen, wir können es sehen, wie wir
wollen? || Haben die Dinge
Farben, wenn wir sie sehen können wie wir
wollen? |
Weil die Vorstellung dem
Willen untertan ist, lehrt || unterrichtet sie uns eben nicht über die
Außenwelt || Welt.
Insofern – aber nicht in anderer Beziehung || Weise – ist sie einer Tätigkeit wie dem Zeichnen verwandt. Und doch ist es nicht leicht, das Vorstellen eine Tätigkeit zu nennen. |
Wie ist es aber wenn ich Dir sage: “Stell Dir
eine Melodie vor”. Ich muß sie mir
‘innerlich vorsingen’. Das wird man
ebenso eine Tätigkeit nennen, wie
Kopfrechnen. 9 |
Denke
auch daran, daß man Einem befehlen kann:
“Zeichne den N.N. nach dem
Gedächtnis” || nach der
Vorstellung” & daß, ob er dies
tut oder nicht, nicht nach der Ähnlichkeit des Bildnisses
entschieden wird. Und dem ist analog, daß ich mir den
N.N. vorstelle, auch wenn ich mir ihn falsch
vorstelle. |
Wenn ich sage die
Vorstellung sei dem Willen unterworfen, so heißt das nicht, sie sei
gleichsam eine willkürliche Bewegung im Gegensatz zu einer
unwillkürlichen. Denn eine || dieselbe Bewegung des Armes etwa, die in
Wirklichkeit || jetzt
willkürlich ist könnte auch unwillkürlich
sein. – Ich meine: Es hat Sinn
einen Befehl zu geben: “Stell Dir
das vor”, oder auch “Stell Dir das nicht
vor”. |
Aber betrifft die
Verbindung mit dem Willen nicht nur, sozusagen, die Maschinerie, durch
die die Vorstellung (das Vorstellungsbild) erzeugt,
geändert wird? – Es wird hier kein Bild
erzeugt; es sei dann Einer fertige ein Bild, ein wirkliches
Bild, an. 10 |
Man sagt
“Ich hab ihn in diesem Augenblick vor mir
gesehen” & meint dabei natürlich,
man habe ihn nicht gesehen. |
Der Dolch den
Macbeth vor sich sieht ist kein
vorgestellter Dolch || ist keine
Vorstellung. Eine Vorstellung kann man
nicht für Wirklichkeit halten noch Gesehenes für
Vorgestelltes; aber nicht, weil sie einander so
unähnlich sind. |
Warum zählt man die
Vorstellung nicht zu den Sinneseindrücken? Das
heißt nicht: “Warum
unterscheidet man zwischen wirklich Gesehenem &
Vorgestelltem?” Sondern: Warum nennt
man die Gesichtsvorstellung nicht auch einen
Sinneseindruck, wenn auch einen
andern? |
Ich möchte
sagen: Weil sie uns nicht über die
Außenwelt || Dinge unterrichten. –
Und warum unterrichten sie uns nicht über die Dinge?
Weil sie von uns abhängen. 10 |
Aber
dagegen kann man sagen, daß Vorstellungen oft gegen unsern Willen
sich uns aufdrängen & bleiben, sich nicht verscheuchen
lassen. Doch aber kann der Wille gegen sie ankämpfen. [Das ist, als nennte ich eine Armbewegung willkürlich, zu der ein Anderer meinen Arm gegen meinen Willen zwingt.] |
Sag Dir
wieder: Wenn || ,
wenn Einer darauf besteht, was er
“Gesichtsvorstellung” nennt, sei ähnlich dem
Gesichtseindruck, – || : daß
er sich vielleicht irrt! Oder: Wie,
wenn er sich darin irrte? Das heißt: Was
weißt Du von der Ähnlichkeit seines Gesichtseindrucks
& seiner Gesichtsvorstellung?! (Ich
rede vom Andern, weil was von ihm gilt, auch von mir gilt.)
Was weißt du also von dieser || der Ähnlichkeit? Sie äußert
sich nur in den Ausdrücken, die er zu
gebrauchen geneigt ist; nicht in dem, was er mit diesen
Ausdrücken sagt. |
20.12.
“Es ist gar kein Zweifel: die
Gesichtsvorstellung & der Gesichtsausdruck sind von
derselben Art!” Das
mußt Du aus Deiner eigenen Erfahrung wissen; & dann
ist es also etwas, was für Dich stimmen mag & für
Andere nicht. (Und das gilt natürlich
11 auch für mich, wenn
ich es sage.) |
Nichts ist schwerer, als den Begriffen vorurteilslos
gegenübertreten || gegenüberstehen.
(Und das ist die Hauptschwierigkeit der
Philosophie.) |
∣ Wenn wir uns
etwas vorstellen, beobachten wir nicht.
Daß die Bilder kommen & vergehen geschieht uns
nicht. Wir sind nicht überrascht von diesen Bildern
& sagen “Sieh'
da!” …”. |
Wir
verscheuchen nicht Gesichtseindrücke,
aber Vorstellungen. |
Könnten wir
sie || die Eindrücke verscheuchen
& vor unsre Seele rufen, sie könnten uns nicht über
die Wirklichkeit informieren. – So unterscheiden sich
Eindrücke von Vorstellungen nur dadurch, daß wir diese bewegen
können & jene nicht? Da scheint ja der
Unterschied empirisch zu sein! || So ist
also der Unterschied
empirisch?! So ist es eben
nicht. |
Aber ist es denn
undenkbar, daß 11 Gesichtseindrücke sich verscheuchen, oder
zurückrufen ließen? Ja, ist es nicht
wirklich möglich? Wenn ich meine Hand ansehe
& dann bewege ich sie aus dem Gesichtsfeld, habe ich ihren
Gesichtseindruck nicht willkürlich abgebrochen. – Aber, wird man mir sagen, so etwas nennt man doch nicht
das Bild der Hand verscheuchen! Freilich nicht; aber wo
ist der Unterschied? Man möchte sagen: der
Wille bewegt die Vorstellungen viel
direkter || unmittelbar.
Denn wenn ich meinen Gesichtseindruck willkürlich ändere, so gehorchen || folgen die Dinge meinem Willen. |
Wie aber
wenn die Gesichtseindrücke sich eben unmittelbar regieren
ließen? Soll ich sagen: “Dann
gäbe es keine Eindrücke, sondern nur
Vorstellungen”? Und wie wäre das?
Wie wüßte || erfühle ich
z.B., daß der Andre eine bestimmte
Vorstellung hätte? Er würde es mir
sagen. – Aber wie würde er die dazu nötigen
Worte lernen – sagen wir “rot” &
“rund”? Denn ich könnte sie ihn
doch nicht lehren, indem ich auf etwas Rotes
& Rundes zeige. Ich
könnte mir nur die Vorstellung hervorrufen, daß ich auf
etwas 12 derartiges zeige.
Und ich könnte auch nicht prüfen ob er mich
versteht. Ja, ich könnte ihn natürlich auch nicht
sehen, sondern ihn mir nur vorstellen. |
Ist die || meine Annahme nicht
überhaupt so wie die, es gäbe in der Welt
nur Dichtung & nicht Wahrheit? |
Und ich selbst könnte
natürlich auch keine Beschreibung meiner Vorstellungen
lernen, noch sie auch selbst erfinden. Denn was hieße es z.B., daß ich mir (jetzt) ein rotes Kreuz auf weißem Grunde vorstelle? Wie sieht denn ein rotes Kreuz aus? So?? – Aber könnte nicht ein höheres Wesen durch Intuition wissen, was ich mir vorstelle, & dies in seiner Sprache beschreiben, wenn sie mir auch unverständlich wäre? – Angenommen dies höhere Wesen sagte “Ich weiß, was sich dieser (Mensch) jetzt vorstellt; es ist dies: …” – aber wie kann || konnte ich das “wissen” nennen? Es ist ja ganz anders, als das, was wir nennen “wissen, was sich der Andre vorstellt”? Wie vergleicht man denn unsern || denn den gewöhnlichen Fall mit jenem erdichteten? Wenn ich mich in diesem Fall als Dritten 12 denke, so wüßte ich gar nicht, was das höhere
Wesen damit meint, wenn es sagt, || :
es wisse, welche Vorstellung der Mensch hat, der
nur Vorstellungen & keine Eindrücke hat. |
“Aber kann ich mir
nicht doch so einen Fall vorstellen? Vor allem kannst Du
über ihn reden. Aber das zeigt nicht daß
Du ihn ganz durchgedacht hast. (5 Uhr auf der
Sonne.) |
Man möchte davon
reden, wie ein Gesichtseindruck & wie eine Vorstellung
ausschauen. Und etwa fragen:
“Könnte nicht etwas so ausschauen wie
z.B. mein gegenwärtiger
Gesichtseindruck, sich aber im übrigen benehmen
wie eine Vorstellung?” Und hier ist offenbar ein
Fehler. |
Aber denk dir
dies: Wir lassen jemand durch ein Loch in eine Art
Guckkasten schauen, & in diesem bewegen wir nun
verschiedene Gegenstände, Figuren, & zwar durch Zufall,
oder mit Absicht so, daß die Bewegung gerade die ist die
unser Beobachter wollte, so daß er sich
einbildet, was er sieht, gehorche seinem Willen. –
Konnte der 13 sich nun täuschen; glauben, seine
Gesichtseindrücke seien Vorstellungen? Das klingt
ganz absurd. Ich brauche ja den Guckkasten gar nicht,
sondern muß nur, wie oben, meine Hand betrachten, oder mein
Gesicht im Spiegel & sie bewegen.
Könnte ich aber auch den Vorhang dort drüben
willkürlich bewegen, oder zum Verschwinden
bringen || Gehorchte aber auch der
Vorhang dort drüben meinem Willen, so daß er sich bewegte,
oder verschwände, so würde ich das doch
nie || nicht als
einen Vorgang in meiner Phantasie
deuten.(﹖) |
Ich halte eben von Haus aus einen
Eindruck nicht für eine Vorstellung. || Ich kann eben
von Haus einen Eindruck nicht für eine Vorstellung
halten. Aber was heißt das?
Könnte ich mir denn den Fall denken, daß ein
Anderer es täte || könnte? Wie kommt es,
daß das nicht denkbar ist? |
“Wie kannst Du denn glauben, daß Du Dir das da drüben vorstellst (dabei
zeige ich mit der Hand) oder glaubst Du
daß Du auch mich Dir vorstellst?”
|
Denk Dir aber nun
dennoch einen Menschen, der sagte “Meine
Vorstellungen sind heute so lebhaft, wie wirkliche
Gesichtseindrücke” – müßte der lügen,
oder Unsinn reden? Nein, gewiß nicht. Ich
müßte freilich erst von ihm erfahren, wie sich denn dies
zeigt. Sagte er mir aber “Ich weiß oft nicht, ob ich etwas sehe, oder es mir nur vorstelle”, so wäre ich geneigt zu sagen, daß hier ein ganz anderes Phänomen vorliegt als lebhafte || überlebhafte Vorstellung. || so würde ich das nicht einen Fall überlebhafter Vorstellung nennen. || so wäre das nicht die Folge über-lebhafter Vorstellung. |
Muß man aber hier nicht
unterscheiden: 14
sich, z.B., || , sagen
wir, das Gesicht eines Freundes vorstellen, aber nicht im Raum
der mich umgibt – & anderseits:
mir || sich an dieser Wand dort ein Bild,
etwa, vorstellen? Man könnte z.B. auf die Aufforderung “Stell Dir dort drüben einen Kopf || runden Fleck vor” sich einbilden, wirklich einen dort zu sehen. |
Freilich, wenn ich sage
“Ist dort nicht wirklich ein Fleck?”
& also etwa genauer hinschaue, so gehorcht,
was ich hier Vorstellung nenne,
nicht meinem Willen. Und eine
Einbildung gehorcht ja nicht meinem Willen. |
21.12.
∣ Die “materielle
Implikation” behauptet keinen Zusammenhang zweier
Geschehnisse. Unser “Wenn … so
…” tut dies aber.
Das hängt, wie ich
einmal sagte, damit zusammen, daß es im sprachlichen
Zusammenhang mit “Wenn … so
…” den Konjunktiv gibt, in der
Ausdrucksform der “Principia
Mathematica” || im Zusammenhang mit
p ⊃ q aber
nicht. |
Ist der Konjunktiv an die
Zeit gebunden? – Gibt es in der Mathematik
einen Konjunktiv? Nein. Stützt sich
nicht der indirekte Beweis auf 14 einen Konjunktiv? “Angenommen es
wäre nicht so.” … Aber diesen
Konjunktiv kann man wegschaffen. Denn man muß nicht
sagen “Aus dem Gegenteil würde …
folgen” sondern aus dem Gegenteil folgt … ; es
läßt sich daraus ableiten. |
Man darf (hier)
nicht vergessen, daß die materielle Implikation
tatsächlich auch ihre Verwendung, ihre praktische
Verwendung, hat; wenn sie auch nicht häufig ist. || vorkommt. |
Wer
den “Satz”
“Wenn p so
q” verneint, verneint einen
Zusammenhang. Er sagt: “Es muß
nicht so sein”. Und das Wort
“muß” deutet auf den Zusammenhang. |
Aus
~p ∙ ~q
folgt nicht “Wenn p, so
q”. Es ist nicht aus
~p ∙ ~q
zu erschließen. Der Sinn von
“Wenn p so
q” ist von dem des Satzes
p
⊃ q grundverschieden.
Wenn auch ein Zusammenhang besteht.
Dieser: p . q welches die
Implikation wahr macht, bewahrheitet || tut dies
auch für den Satz “Wenn
– so … ”, oder spricht doch für seine
Wahrheit. p.~q
widerspricht der Implikation, & auch
dem Wenn-so-Satz, oder ist doch seiner Wahrheit nicht
günstig. ~p . q &
~p
. ~q
bewahrheiten 15
die Implikation & entscheiden nichts
über die Wahrheit von “Wenn … so
…”. |
Ich sagte der Satz “Wenn … so
…” behaupte einen Zusammenhang. Aber man
könnte ihn auch anders verwenden, & in
gewisser Beziehung ähnlicher der
materiellen Implikation. |
Ich || Man könnte z.B. sagen:
“Wenn dies eintrifft, so wird das
eintreffen. Habe ich recht, so zahlst Du mir einen
Schilling, habe ich unrecht, so zahle ich Dir einen, bleibt es
unentschieden, so zahlt keiner.” Und das || Das
könnte man auch so ausdrücken: Der Fall, in
welchem die Prämisse nicht eintrifft, interessiert uns
nicht, wir reden nicht von ihm. Oder auch: es ist uns hier nicht natürlich die
Wörter “Ja” &
“Nein” so zu gebrauchen, wie in dem Falle
(& solche Fälle gibt es || kann
man sich ausdenken) in welchem uns die
materielle Implikation interessiert. Mit
“Nein” wollen wir hier sagen
“p.~q”,
mit “Ja nur p . q”.
|
Es ist
z.B. ganz gewöhnlich, auf die
Wahrheit einer Vorhersage zu wetten. Wetten wir nun
auf die Behauptung “Wenn p eintrifft,
so wird q eintreffen”, so wird man
einerseits || zwar auch
sagen “Wenn Du recht hast 15 gebe || zahle ich Dir … , wenn nicht
… ”; aber beim
Nicht-Eintreffen von p wird die Wette
nicht gelten. |
Wenn nun aber Einer
sagte: “Aber der Satz, die Voraussage,
muß doch wahr, oder aber falsch sein!”
‒ ‒ ‒ Das sollte doch eine Tautologie
sein. Ob es aber eine ist, kommt doch darauf an, wie
das Gegenteil des Satzes zu verstehen
ist. – Wenn jemand sagt “Wenn p
eintrifft, so wird q eintreffen”, & ein Andrer
sagt darauf “Das ist nicht wahr”, – soll
er damit sagen || behaupten p
wird || werde
eintreffen, oder soll er es damit nicht
behaupten? |
Es
handelt sich doch hier um zwei verschiedene Arten der
Verwendung der Verneinung eines Satzes. Und so,
wie ~~p nicht
p behauptet || ist, wenn die
Verdopplung der Verneinung eine Verstärkung der Verneinung
bedeutet, so ist auch “p ⌵
~p”, wie wir die
Verneinung gebrauchen, nicht unbedingt eine
Tautologie. In dem obigen Falle sollte
die Behauptung
p ⌵
~p || der
Bedingungssatz sei wahr oder aber falsch eigentlich das
unbedingte Eintreffen von p || des
Ereignisses behaupten. jede || obigen Falle sollte die Behauptung jener Bedingungssatz
sei wahr, oder falsch eigentlich der Behauptung
gleichkommen, p werde eintreffen.
Denn 16 jene Behauptung ist ja, der Bedingungssatz werde
nicht unentschieden bleiben. |
Der Satz
“Die Vorstellung ist dem Willen unterworfen”
ist kein Satz der Psychologie. |
Ich lerne den Begriff
“sehen”, d.h. die
Verwendung des Worts, in Verbindung mit
“schauen”. Die Verwendung des einen Worts
verbunden mit der des andern.
|
Wenn man
sagt “Der Erlebnisinhalt des Sehens & des
Vorstellens sei || ist wesentlich
derselbe”, so ist das wahr daran, daß ein
gemaltes Bild wiedergeben kann, was man sieht & wiedergeben
kann, was man sich vorstellt. Nur darf man sich nicht vom
Mythus des inneren Bildes täuschen
lassen. |
Das
“Vorstellungsbild” tritt nicht dort ins Sprachspiel
ein wo man es vermuten könnte || möchte.
|
Ich
lerne den Begriff “sehen” mit dem Beschreiben
dessen, was ich sehe. Ich lerne beobachten & das
Beobachtete beschreiben. Ich lerne den Begriff
“vorstellen” in einer gänzlich andern
Verbindung. Die Beschreibungen 16 des Gesehenen & des Vorgestellten sind
allerdings von derselben Art & eine Beschreibung könnte
sowohl das eine, als auch das andere sein; aber sonst sind
die Begriffe durchaus verschieden. Der Begriff des
Vorstellens ist von der Art ||
wie der eines Tuns, nicht eines
Rezipierens || ist eher wie der
eines Tuns, als eines Rezipierens. || als eines Empfangens. Das
Vorstellen könnte man einen schöpferischen Akt
nennen. (Und nennt es ja auch so.) |
“Ja
aber die Vorstellung selbst sowie der Gesichtseindruck ist
doch das Bild || das
innere Bild || das Bild vor dem
geistigen || inneren
Auge; & Du redest nur von den
Verschiedenheiten der Erzeugung, Entstehung, Behandlung des
Bildes.” Die Vorstellung ist nicht ein Bild,
noch ist der Gesichtseindruck eines. Weder
“Vorstellung” noch “Eindruck” ist
ein Bildbegriff, obwohl in beiden Fällen ein Zusammenhang
mit einem Bild besteht, & jedesmal ein anderer. |
∣ Es
kommt mir vor als könne ein religiöser Glaube nur
wie || (etwas wie) das
leidenschaftliche sich entscheiden zu einem
Koordinatensystem || einem
Bezugssystem sein. Also
obgleich es Glaube ist, doch eine
Art 17 des Lebens, oder
eine Art das Leben zu beurteilen. Ein
leidenschaftliches Ergreifen dieser
Auffassung. Und die Instruktion in einem religiösen
Glauben müßte also die Darstellung, Beschreibung jenes
Bezugssystems sein & zugleich ein
In's-Gewissen-reden.
Und diese beiden müßten am Schluß bewirken, daß der
Instruierte selber, aus eigenem, jenes Bezugssystem
leidenschaftlich erfaßt. Es wäre als ließe mich Einer || jemand auf der einen Seite meine hoffnungslose Lage sehen, auf der andern stellte er mir den Rettungsanker || den Rettungsstab || das Rettungswerkzeug dar bis ich mich, aus eigenem, oder doch jedenfalls nicht || (aber) gewiß nicht || gewiß aber nicht von dem Instrukteur an der Hand geführt, auf den Anker zustürzte & ihn ergriffe. ∣ |
Aber könnte
ich mir nicht ein Erlebnis || einen
Erlebnisinhalt denken von der Art der visuellen Vorstellung, aber
dem Willen nicht unterworfen, in dieser Beziehung also wie der
Gesichtseindruck?” Hier ist das
Irreführende das Reden vom Erlebnisinhalt.
Wenn wir von einem fürs visuelle Vorstellen typischen
Erlebnisinhalt 17 reden, so muß dieser Inhalt etwas sein,
was wir in mir & in Dir || im Einen & im
Andern vergleichen können. || so muß
der Inhalt in mir || im Einen mit dem Inhalt in
Dir || im Andern verglichen werden
können. Und, so seltsam es klingt,
müßte man, glaube ich, sagen, der
Erlebnisinhalt, || – wenn man
überhaupt diesen Begriff hier gebrauchen will – sei
für visuelle Vorstellung & visuellen Eindruck der
Gleiche. Und das klingt paradox, weil Jeder
sagt || ausrufen möchte: Du willst mir
doch nicht sagen, daß man je diese beiden, Vorstellung
& Eindruck, miteinander verwechseln könnte!
So wenig, könnte ich antworten, wie z.B. zeichnen & sehen. Aber was gezeichnet & was gesehen wird, mag doch dasselbe sein. Vorstellung & Eindruck “schauen” eben nicht verschieden ‘aus’. |
Man könnte aber
eben auch sagen, daß “Erlebnisinhalt” für
Vorstellung & Eindruck nicht die gleiche
Bedeutung hat, sondern nur verwandte Bedeutungen.
Wenn ich mir z.B. ein
Bild || Gesicht ganz so || ganz
genau so vorstelle, wie es ausschaut, wenn ich's
später sehe, hätte mein Eindruck
& meine Vorstellung den gleichen
Erlebnisinhalt. Man kann nicht sagen, es sei nicht 18 der gleiche, da Vorstellung & Eindruck nie gleich
aussähen. Der Inhalt der beiden ist also dies – (indem ich etwa auf ein Bild zeige). Aber ich müßte es nicht beide Male “den Inhalt” nennen. |
Wenn ich aber nun doch den irreführenden
Vergleich machte & anfinge: “Wir haben
also im einen Fall Bilder die ich bewegen kann, im andern
Bilder, die ich nicht bewegen kann”, –
welche Rolle soll nun dies Hilfsmittel des Vergleichs || der Vergleichung spielen? |
Ich sagte, die
Vorstellung sei schöpferisch; aber
sie ist es doch nicht immer: wie wenn Dir
z.B. plötzlich eine Erinnerung vor die
Seele tritt. – Ist es da nicht wirklich, als
würde Dir, von außen, ein Bild gezeigt? –
Aber es gibt auch hier wieder kein Schauen. |
Vorstellung & Intention. Auch in sofern ist vorstellen dem Schaffen eines
Bildes zu vergleichen, als ich mir nicht den vorstelle dem mein
Vorstellungsbild ähnlich ist, sondern den, den ich mir vorstellen
will. 18 |
Nichts ist schwerer als den Begriffen vorurteilsfrei
gegenüberstehen! – Denn das Vorurteil ist ein
System, – also eine Form des Verständnisses, wenn auch nicht
das richtige Verständnis. Vorurteilsfrei sein
heißt aber: das Gewicht nirgends || nicht
irgendwo abstellen, sondern es in der Schwebe
zu halten. |
∣ Einmal wird
vielleicht aus dieser Zivilisation eine Kultur entspringen.
Dann wird es eine wirkliche Geschichte der Erfindungen des 18., 19. & 20. Jahrhunderts geben, die voll von tiefem Interesse sein wird. ∣ |
Kann man auf Nachbilder schauen? Man kann
sie beobachten; sie können uns überraschen; wir können
abwarten, ob sie sich so, oder so verändern werden.
|
22.12.
Ich glaube, wenn man Vorstellen mit einer Körperbewegung
vergleicht, wie das Atmen, das manchmal willkürlich, manchmal
unwillkürlich geschieht, so darf man den Sinneseindruck
gar nicht mit einer Bewegung vergleichen. Nicht
so kann der Unterschied gefaßt werden, daß
19 das eine geschieht, ob
wir's wollen, oder nicht, während wir das andere
regieren. Vielmehr ist der eine Begriff dem einer
Handlung ähnlich, der andre nicht. Der Unterschied ist
eher wie der zwischen dem Sehen, daß meine Hand sich bewegt
– & Wissen (ohne sie zu sehen) daß ich sie
bewege. |
Ich muß erst Logik
lernen. |
“Wenn
ich die Augen schließe, steht er vor mir.” –
Man könnte sich denken, daß solche Ausdrücke nicht
gelernt, sondern poetisch spontan
gebildete sind. Daß sie uns also
“treffend scheinen’. || Daß sie
dem Einen ‘treffend scheinen’ & dann
dem Andern auch.” |
“Ich sehe ihn
deutlich vor mir!” – Nun, vielleicht
steht er wirklich vor Dir. – “Nein, dazu ist
mein Bild zu wenig lebhaft.” – |
Wenn ich sage, “die Vorstellung untersteht dem
Willen” (oder dergleichen) so verführt das zu der
Frage, ob nicht auch der Sinneseindruck dem Willen unterstehen
könnte. Und da bin ich offenbar auf
falscher Fährte. || auf falsche Fährte
geraten. 19 |
Könnten wir uns nicht diese Erscheinung
denken: Wir seien im
Stande indem wir einen Lichtschirm
anschauen auf ihm nach Willkür, ‘durch
den bloßen Willen’, Bilder zu erzeugen, zu bewegen,
verschwinden zu lassen, etc. Bilder
die nicht bloß, der sie erzeugt, sondern auch der Andre sieht. – Wäre, was ich auf diesem Schirm sehe, so etwas wie
eine Vorstellung? Oder vielleicht richtiger
gefragt:
Hieße “ich sehe … auf dem
Schirm” etwas ähnliches wie: “ich stelle
mir … vor”? – oder soll ich sagen, der
Satz “Auf dem Schirm zeigt sich jetzt
… ” entspreche “Ich stelle mir
… vor”? Nein; so ist es
nicht. Die Schwierigkeit ist hier, daß ich keinen klaren
Begriff davon habe ‘die Bilder durch den Willen zu
erzeugen’ etc.. Denn eigentlich
ist ja der Fall nicht ganz phantastisch: Ich kann mir ja
wirklich auf einer fleckigen Wand alles Mögliche vorstellen;
& wenn der Andre, wenn er auf die Wand schaut immer
wüßte was ich mir vorstelle, so
wäre der Fall nun ähnlich dem
früher || oben
beschriebenen. “Durch den bloßen Willen bewegen” was heißt es? Etwa daß die Bilder meinem Willen immer genau folgen, während meine 20 zeichnende Hand, mein Bleistift, das nicht tut?
Immerhin wäre es ja dann doch möglich zu sagen:
“Für gewöhnlich stelle ich mir ganz
genau vor, was ich will; heute ist es anders
ausgefallen”. Gibt es denn “ein
Mißlingen der Vorstellung”? |
Wenn nicht, so will man
das etwa so erklären, daß die Vorstellung || das Vorstellungsbild masselos ist
& dem Willen keinen Trägheits-
oder andern Widerstand entgegensetzt. |
Nein, || ; “ich sehe auf dem
Schirm … ” kann nicht meinem Vorstellen
entsprechen. Auch nicht “ich projiziere auf den
Schirm … ” – denn dann könnte es gelingen
& mißlingen. Eher noch das:
“Für mich ist, was auf diesem Schirm ist,
jetzt ein Bild von …” || “Für mich stellt, was auf diesem
Schirm ist, jetzt das dar.”. |
Es gibt freilich ein Sprachspiel mit dem Befehl
“Stell Dir …
vor!” – aber ist es denn wirklich
ohne weiteres gleichzusetzen dem: “Dreh
Deinen Kopf nach rechts!”? Oder auch
so: Hat es denn ohne weiteres Sinn, zu sagen,
Gesichtsbilder, innere Bilder, folgten meinem Willen?
(Wohlgemerkt: nicht 20 “meinem Wunsch”.) |
Denn
das wovon man normalerweise sagt es folge, oder folge nicht,
dem Willen sind nicht “innere Bilder”. Es
ist also nicht klar daß man den Begriff dieses Folgens ohne
weiteres auf die andere Kategorie anwenden
kann. |
(Daß man
nämlich die
“Willkürlichkeit” der
Vorstellung nicht mit der der Bewegung von Körpern
vergleichen kann, ist klar, denn, ob die Bewegung stattgefunden
hat, das zu beurteilen sind auch Andere befähigt; während es
bei der Bewegung meiner Vorstellungen immer nur darauf ankäme,
was ich zu sehen behaupte, was immer irgendein Anderer
sieht. Es würden also die sich bewegenden
wirklichen Gegenstände aus der Betrachtung herausfallen,
da es auf sie gar nicht ankäme.) |
Sagte man also:
“Vorstellungen sind innere Bilder, ähnlich, oder
ganz so, wie meine Gesichtsempfindungen || Gesichtseindrücke, nur meinem
Willen untertan” – so hätte das bis auf
weiteres noch keinen Sinn. || so wäre das bis
auf weiteres noch ohne Sinn. 21 |
Denn wenn Einer zu
berichten gelernt hat, was er dort sieht, oder was ihm dort zu
sein scheint, so ist es doch noch nicht klar, was der Befehl
bedeute, er solle jetzt das dort sehen, oder es
solle ihm jetzt das dort zu sein scheinen. |
Es ist
freilich eine gewisse Verwandtschaft zwischen
dem Vorstellen & einer Handlung, die sich eben in der
Möglichkeit des Befehls ausdrückt; aber der Grad
dieser Verwandtschaft muß erst untersucht werden. |
“Bewege Dein inneres Bild” könnte
heißen: bewege den Gegenstand. |
“Bewege
was Du siehst” Es könnte auch heißen: Nimm etwas ein, was Deine Gesichtseindrücke beeinflußt. |
Welches
merkwürdige Phänomen, daß ein Kind wirklich die
menschliche Sprache lernen kann! Daß ein Kind ohne
irgend etwas zu wissen anfangen kann &, auf sicherem Wege,
diese ungeheuer komplizierte Technik erlernt.
Dieser Gedanke kam mir als ich daran dachte || mir, in einem bestimmten Fall, zum Bewußtsein kam wie ein Kind mit 21 nichts
anfängt, & eines Tages die Negation gebraucht, wie
wir! |
23.12.
Mit dem Satz
“Vorstellungen sind willkürlich, Empfindungen
nicht” unterscheidet man nicht Empfindungen von
Vorstellungen, sondern die Sprachspiele mit dem Begriff
‘Empfindung’ von denen mit dem Begriff
‘Vorstellung’. || ,
sondern die Sprachspiele, die mit diesen Begriffen operieren.
¤ || , sondern
die Sprachspiele, in denen diese Begriffe
auftreten. || , sondern
die Sprachspiele, in denen wir's mit diesen Begriffen
zu tun haben. |
Es gibt, was man
Phänomene ||
Erscheinungen des Sehens &
◇◇◇ was man Erscheinungen des Vorstellens
nennen kann; & den Begriff des Sehens & den Begriff
der Vorstellung. Man kann von
‘Unterschieden’ innerhalb
beider || dieser Paare reden. |
“Die Vorstellung ist willkürlich” heißt
nicht; || : sie kommt, wenn man sie
ruft; die andere nicht. Denn es heißt auch nicht, || : das Phänomen des Vorstellens ist mit dem Phänomen des Wollens anders verbunden, als … |
Betrachte den Unterschied zwischen 22 dem Begriff ‘Bewegung’ & dem
Begriff ‘Handlung’. – |
Wenn man sagt || sagte “Die Vorstellung hat es mit dem
Wollen || Willen zu tun”,
so meint man dieselbe Art des Zusammenhangs, die man mit dem
Satz “Die Vorstellung hat es nicht mit
der Betrachtung zu tun” meint. || meint
“Die Vorstellung hat es nicht mit der Betrachtung zu
tun”. |
Ich sagte, es gebe
Phänomene des Sehens, – was meinte ich damit?
Nun etwa alles das was sich auf Gemälden || Bildern darstellen läßt
& mit “sehen” beschrieben
würde. Das genaue Beobachten; das Anschauen einer
Landschaft; ein Mensch vom Licht geblendet; der freudig
überraschte Blick; das Wegwenden um nicht sehen zu
müssen. Alle die Arten des Benehmens, die den
Sehenden || sehenden Menschen vom Blinden
unterscheiden. (Es hat doch einen Grund warum mir
gerade diese Situationen || Dinge hier
einfallen) || gerade diese Bilder des
menschlichen Lebens hier einfallen. || Bilder aus dem menschlichen Leben hier
einfallen. |
Phänomene
des Sehens, – das ist was der Psychologe
beobachtet. 22 |
Einer
sagt: “Ich sehe ein Haus mit grünen
Fensterläden. Und Du sagst:
“Er sieht es nicht, er stellt es sich nur
vor. Er schaut ja gar nicht;
siehst Du, wie er vor sich hin starrt?” Man
könnte sehr
beiläufig auch sprechen: || sich sehr
beiläufig auch so ausdrücken:
“So sieht es nicht aus, wenn jemand etwas sieht;
sondern wenn er sich etwas vorstellt.” Hier
vergleichen wir Erscheinungen des Sehens mit Erinnerungen des
Vorstellens. So auch, wenn wir zwei Leute eines fremden Stammes beobachteten, die während einer bestimmten Tätigkeit ein Wort gebrauchen, welches wir für ein Äquivalent unseres “sehen” erkannt haben. Und wie wir nun ihren Gebrauch dieses || jenes Worts bei dieser Gelegenheit beobachten || verfolgen, finden || schließen wir, es müsse hier “vor dem innern Auge sehen” bedeuten. Ebenso könnte man auch zur Überzeugung || zu dem Schluß kommen das Wort müsse hier verstehen bedeuten.) || zu den Meinung kommen das Wort müsse hier verstehen bedeuten.) |
Anders ist es, wenn man
die Begriffe unterscheidet. || die
Begriffe von einander
scheidet. |
Was heißt es
z.B., daß ‘sehen’ mit
‘beobachten’ zusammenhängt? –
Wenn wir “sehen” gebrauchen lernen, so lernen
23 wir es zugleich,
& in Verbindung, mit
“schauen”,
“beobachten”, etc.. || gebrauchen, mit “beobachten”
etc.. |
Wie wir den
Schachkönig in Verbindung mit den Bauern gebrauchen lernen,
& das Wort “König” zusammen mit dem
Wort “Schachmatt”. [oder
“Ziehen”] |
Ein Sprachspiel
umfaßt ja doch den Gebrauch mehrerer Wörter.
|
Nichts
kann falscher sein, als zu sagen, Sehen & Vorstellen
seien verschiedene Tätigkeiten, das ist, als sagte man,
Schachspielen & Verlieren seien verschiedene
Tätigkeiten. || im Schach ziehen &
verlieren seien verschiedene
Tätigkeiten. |
Die Worte
“Vorstellen ist willkürlich, sehen nicht”, oder
ähnliche, können einen irreleiten.
Wenn wir lernen, wie wir es als Kinder tun || als Kinder lernen, die Worte “sehen”, “schauen”, “vorstellen” gebrauchen, so spielen dabei Willenshandlungen & Befehle eine Rolle. || hinein. Nur ist diese || Aber ganz anders || in andrer Weise für jedes der drei Wörter. Das Sprachspiel mit dem Befehl “Schau!” & mit dem Befehl “Stell Dir vor …!” – wie soll ich sie nur vergleichen? 23 – Wenn wir
jemand abrichten wollen, daß er auf den Befehl
“Schau … !” reagiert &
wenn wir ihn dazu abrichten wollen, daß er den Befehl
“Stell dir … vor!” versteht, so
müssen wir ihn doch offenbar ganz anderes lehren.
Reaktionen, die zu diesem Sprachspiel gehören,
gehören zu jenem nicht. Ja, ein enger
Zusammenhang der Sprachspiele ist natürlich da; aber eine
Ähnlichkeit? –
Stücke des einen sind Stücken des andern zu
vergleichen¤ ähnlich, aber die ähnlichen
Stücke sind nicht homolog. |
Ich könnte mir
etwas ähnliches bei wirklichen Spielen || für
wirkliche Spiele denken. Es könnte etwa in zwei
grundverschiedenen || wesensverschiedenen Spielen –
Spielen die in gewissem || wichtigem
Sinne einander viel unähnlicher wären, als
Dame & Schach – ein und dasselbe Brett mit
genau denselben Zügen vorkommen, nur, wenn ich so
sagen darf, in einer andern Position || Stellung. Im einen Spiel könnte es
z.B. die Aufgabe sein, den Andern mattzusetzen;
im andern wäre der ganze Verlauf des Mattsetzens
zum voraus gegeben, & die beiden Spieler hätten
mit Bezug auf
ihn eine Aufgabe (ganz) anderer Art. Es
wären den Spielern z.B. zwei Wege des
Mattsetzens gegeben, & sie müßten die beiden in
psychologischer 24 Hinsicht vergleichen. So
gibt es ein Spiel: ein Kreuzworträtsel auflösen;
& ein (ganz) anderes:
die
mir gegebenen || mehrere mir gegebene Auflösungen
eines Kreuzworträtsels in irgendeinem Sinne auf ihre Güte zu
prüfen. |
Wenn man versucht,
Vorstellen & Sehen miteinander zu vergleichen – wobei
uns aber nicht klar ist, daß es sich da
nicht um die Vergleichung zweier
Erscheinungen handelt – so kommt uns sehr stark zu
Bewußtsein, es sei eben das Vorstellen || das Vorstellen
sei etwas Spezifisches, was sich nicht durch etwas
anderes, (Bilder, Willkürlichkeit &
Unwillkürlichkeit, etc.)
erklären lasse. || begreiflich
machen lasse. |
Das Sehen
untersteht dem Willen in anderer Weise, als das
Vorstellen. Oder: ‘sehen’ & ‘vorstellen’ haben zum ‘wollen’ verschiedene Beziehungen. || Beziehung. |
Nun scheint es
aber doch als wäre Vorstellungen matte Spiegelungen der
Sinneseindrücke. Wann scheint es so, &
wem? Es gibt natürlich ein klar & unklar in
den Vorstellungen. Und wenn ich sage “Mein
Vorstellungsbild 24 von ihm ist viel
vager || unbestimmter als mein Gesichtseindruck,
wenn ich ihn sehe, so ist das wahr, denn ich kann ihn aus der
Vorstellung auch nicht annähernd so
genau beschreiben, als wenn ich ihn vor uns
habe. || als nach der
Natur. Es könnte || kann aber doch sein || geschehen daß eines Menschen Gesicht sich so trübt,
daß er den || einen Andern viel unschärfer sieht, als er sich
ihn vorstellen kann. |
I.A. Richards spricht davon, daß beim Verstehen eines Satzes
die Bewegungsempfindungen, angefangener || keimender Bewegungen, ja
vielleicht die Vorstellungen solcher Empfindungen eine Rolle
spielen. |
Kann ich mir
z.B. die Empfindungen in meinen Füßen
beim Gehen vorstellen? |
Ich finde, ich kann mir
einen stechenden Schmerz im || in einem Zahn
vorstellen; dazu ist nötig daß ich meine Zähne
leicht zusammenschlage. – Warum nenne
ich nun, was ich habe eine ‘Vorstellung’ eines
stechenden Schmerzes’; in
wiefern ist sie einer Gesichtsvorstellung zu
vergleichen? Hat sie wirklich
dieselbe Beziehung zu einer Schmerzempfindung wie eine
Gesichtsvorstellung 25 zu einem
Gesichtseindruck? |
Wenn ich mir, & ein Andrer sich, einen Schmerz vorstellen
kann, oder wir doch sagen, daß wir's
können, – wie kann man herausfinden, ob wir uns ihn
richtig vorstellen || oder genau,
vorstellen? || ob wir ihn
uns richtig vorstellen, & wie genau? || oder wir doch sagen, daß wir's können,
– läßt sich herausfinden, ob wir ihn uns richtig oder
genau vorstellen?
|
Wenn ich das
Gesicht meines Freundes nach der Vorstellung sehr genau zeichnen kann,
wird man sagen, ich habe ihn mir genau vorgestellt. Ich mag
aber eine Menge über seine Züge wissen, ohne sie
mir vorstellen zu können. Wenn ich mir nun einen
Schmerz vorstelle & ich kann ihn sehr genau beschreiben,
– gibt es ein Kriterium dafür, daß ich nicht nur das
& das von ihm weiß, sondern es auch in der Vorstellung
empfinde? |
Und wie ist es dann mit
der Vorstellung einer Bewegungsempfindung? |
Oder denken wir
an die Erinnerung an einen
Geruch. Wie oft 25 geschieht es, daß wir ausrufen, wir
hätten uns gerade an den Geruch dieses & dieses
Raumes, Kleidungsstückes etc. erinnert. – Gibt es hier ein Kriterium dafür, daß unsre
Erinnerung richtig war? – Nun man könnte sich
denken, daß einem dann eine Probe einer Substanz
gezeigt || gegeben würde von der wir wüßten
sie habe jenen Geruch bewahrt, & man könnte uns
fragen: War es dieser Geruch, den Du Dir
vorgestellt hast. Denn sich auf jene Weise an den Geruch
erinnern, heißt nicht zu wissen, er sei so oder so gewesen,
stechend, oder süßlich, etc.
etc.. Vielmehr kommt es uns vor als
hätten wir irgendwie eine Nase voll || (whit) von diesem Geruch
bekommen. || eine Andeutung dieses Geruchs
gerochen. |
24.12.
Könnte es nicht Leute geben, die die Züge
eines Menschen aus dem Gedächtnis höchst genau beschreiben
könnten, ja, die auch sagen, jetzt wüßten sie
plötzlich wie er ausschaut, – die aber die Frage, ob
sie den Menschen in diesem || jenem Augenblick in
irgend einem Sinne ‘vor sich
sähen’ (oder dergleichen) unbedingt
verneinten? Leute also denen der Ausdruck
“ich sehe ihn vor mir” durchaus nicht
passend 26 vorkäme?
Dies scheint mir eine sehr wichtige Frage. Oder auch: die wichtige Frage ist, ob diese Frage Sinn hat. – Denn, was für einen Grund habe ich, zu glauben, daß das nicht unser Aller Fall ist? Oder, wie kann ich die Frage entscheiden, daß der Andre (ich lasse || nehme mich einstweilen aus) sich den andern || jemand wirklich ‘visuell vorstellt’, oder nur im Stande ist ihn visuell zu beschreiben (zu zeichnen, etc.)? plus dem Faktum, daß er, wenn ich so sagen darf, eine ‘Erleuchtung’ kennt, oder einen Zustand der Erleuchtung, ähnlich dem ‘jetzt weiß ich's’?. (Echte Dauer.) |
Die
visuelle Vorstellung ist eben nicht nur durch das
Zeichnen-Können
& dergl.
charakterisiert, sondern auch durch feinere
Abschattungen des Benehmens. |
Was sehen wir als Kriterium dafür an, daß Einer sich ein
Gesicht, oder eine Haltung z.B.
lebhaft vorstellt?
Doch, daß er sie beschreiben, nachahmen, zeichnen
kann. Er gibt freilich auch
Äußerungen von sich, wie den Ausruf
“Jetzt sehe ich ihn deutlich”
u. dergl. aber diese sind doch nur zusammen mit
jenen Fähigkeiten maßgebend. |
D.h., es könnte sein, daß die
Unterscheidung, die || der Unterschied, den, ich
oben || früher
machte, zwischen eigentlichem Vorstellen & einer
26 Erleuchtung mit der
Fähigkeit zu beschreiben, – daß dieser Unterschied
gar nicht existiert. Oder, daß es hier zwar Unterschiede
gibt, aber von anderer Art als jene Unterscheidung es erwarten
ließe. Und zwar denke || zwar
meine ich nicht nur den Unterschied:
daß gewissen Leuten der Ausdruck “vor dem innern
Auge sehen” höchst passend, Andern nicht passend
erscheint, sondern auch sehr wichtige Unterschiede in der Art
& Weise, wie sie das ‘Vorgestellte’
beschreiben, zeichnen, etc. Ich meine
Unterschiede, aus denen man etwa geneigt wäre,
(meiner Meinung nach
irreführend || irre)
den || einen Schluß zu
ziehen: “in ihnen muß eben etwas anderes
vorgehen”. |
Anderseits eben kann die Unterscheidung zwischen den
verschiedenen ‘innern Vorgängen’ eben die
Wichtigkeit der Unterschiede der || zwischen
den äußeren
betonen. || hervorheben. |
Zu dem
Sprachspiel mit “vorstellen” gehört jedenfalls
die Beschreibung der Vorstellung. (Das
heißt nicht, daß nicht in
Grenzfällen eine Äußerung vorkommen kann:
“Ich kann mir's 27 genau vorstellen, aber absolut nicht
beschreiben. Ein Spiel läßt Grenzfälle
zu – eine Regel Ausnahmen – aber Ausnahmen
& Regel könnten nicht ihre Rolle vertauschen, ohne das
Spiel zu vernichten || zerstören.
Der ‘Übergang von der Quantität zur
Qualität’?) |
“Wenn Ausnahme
& Regel ihre Rolle vertauschen, so ist es eben nicht mehr
dasselbe!” – Aber was heißt
das? Etwa, daß sich dann mit einem Schlage unsre
Stellungnahme || Einstellung zu dem
Spiel ändert? Ist es, als kippte, nach
einem allmählichen Beschweren der einen &
Erleichtern der andern Schale, der
Waagebalken, nicht allmählich,
um? |
Wie könnte nun die
Beschreibung der Vorstellung einer Bewegungsempfindung
ausschauen? |
Ich möchte
nun mit der früher unterbrochenen Klassifizierung der
psychologischen Begriffe fortfahren. |
Nützlich.
Gemütsbewegungen. Ihnen gemeinsam
27 echte Dauer, im
Verlauf. (Zorn flammt auf, läßt nach,
verschwindet.) ebenso Freude, Depression, Furcht.
Unterschied von den Empfindungen: sie sind nicht lokalisiert (auch nicht diffus!) Gemeinsam: sie haben ein charakteristisches Benehmen (Gesichtseindruck) & daraus folgt schon – auch charakteristische Empfindungen. So geht die Trauer oft mit dem Weinen einher & mit dem Weinen verschiedene charakteristische Empfindungen. (A lump rising in the throat. Die tränenschwere Stimme.) Aber die Empfindungen sind nicht die Gemütsbewegung (in dem Sinne wie die Ziffer 2 nicht die Zahl 2.) Unter den Gemütsbewegungen konnte || kann man gerichtete von ungerichteten unterscheiden. Furcht vor etwas, Freude über etwas, etc. Dies etwas ist das Objekt, nicht die Ursache, der Gemütsbewegung. Das Sprachspiel “ich fürchte mich” enthält schon das Objekt. Angst könnte man ungerichtete Furcht nennen, insofern ihre Äußerungen eng verwandt mit denen der Furcht sind. Der Inhalt einer Gemütsbewegung – darunter stellt man sich so etwas vor, wie 28 ein Bild, oder
etwas wovon ein Bild gemacht werden kann. (Die
Finsternis der Depression, die sich auf einen
herniedersenkt, die Flammen des Zornes.)
Man könnte auch das menschliche Gesicht ein solches Bild nennen & den Verlauf der Leidenschaft durch seine Veränderungen darstellen. (Zum Unterschied von den Empfindungen:) Sie unterrichten uns nicht über die Außenwelt. (Grammatische Bemerkung.) Liebe & Haß könnte man Gemütsdispositionen nennen; auch Furcht in einem bestimmten Sinne. Es ist eines, akute Furchtempfindungen, & ein anderes, jemand ‘chronisch’ fürchten. Aber Furcht ist keine Empfindung. ‘Schreckliche Furcht’: sind es die Empfindungen, die so schrecklich sind? Könnte man die Furcht medizinisch behandeln, wie den Schmerz? Indem man alle Furchtempfindungen lindert? Typische Ursachen des Schmerzes einerseits, der Depression, Trauer, Freude anderseits. Ursache dieses zugleich ihr Objekt. Das Benehmen des Schmerzes & das Benehmen der Traurigkeit. – Man kann diese nur mit ihren äußeren Anlässen beschreiben. (Wenn die Mutter das Kind alleinläßt mag es vor Trauer weinen; wenn es 28 hinfällt, vor
Schmerz.) Benehmen & Art des Anlasses gehören zusammen. || Benehmen & Anlaß gehören zusammen. |
∣ Eine blaugrüne Flamme: der starke einzigartige
Eindruck, aber nicht der Eindruck der reinen, primären
Farbe. Auch einprägsam. Primäre
Farbe: die Wasserscheide im Farbenkreis. ∣ |
Du
mußt bedenken, wie man zum Begriff der Trauer kommt.
(Seelenloser Stamm.) Und anderseits zum Begriff
des Schmerzes. |
Vielleicht wird man
sagen: Wie kann man den Begriff ‘Schmerz durch
die Schmerzanlässe charakterisieren? Schmerz
ist doch was er ist! – was immer ihn
veranlaßt! Frage jedoch: Wie
identifiziert man Schmerz? |
Aber der Anlaß
bestimmt den Gebrauch || Nutzen des Schmerzsignals.
|
Die Verwendung des Schmerzbegriffs ist || Der
Schmerzbegriff ist … eben auf bestimmte Weise in unserm
Leben eingebettet. Ist charakterisiert durch ganz
bestimmte Zusammenhänge. Wie es einen Zug mit dem Schachkönig 29 nur in einem bestimmten
Zusammenhang gibt. Er läßt sich aus diesem
Zusammenhang nicht lösen. – Denn dem Begriff
entspricht eine Technik. (Der
Mund || Das Auge lächelt nur in einem
Gesicht.) |
Nur inmitten gewisser normaler
Lebensäußerungen gibt es eine Schmerzäußerung; nur
inmitten von, noch viel weitgehender, bestimmter
Lebensäußerungen den Ausdruck der
Trauer, oder der Zuneigung.
U.s.f.. |
Gemütsdispositionen || Gemütseinstellungen (Liebe
z.B.) kann man prüfen,
Gemütsbewegungen nicht. |
Die Gemütsbewegungen haben || besitzen ihre charakteristischen Gedanken. || haben ihr Gefolge charakteristischer
Gedanken. (Vom Schmerz kann man dies
aber auch sagen.) Was man
‘Schmerzgedanken’ nennen könnte, wird sich
also || z.B. mit der
Abhilfe, oder der Ursache des Schmerzes beschäftigen.
Von solchen Gedanken sagt man aber nicht sie seien
‘schmerzlich’.
Vergleiche aber ‘traurige
Gedanken’, ‘fröhliche Gedanken’,
‘Furchtgedanken’. Die Furchtgedanken
gehören zum Bild 29 der Furcht, wie das
Furchtbenehmen. Was einer in seiner Furcht spricht,
gehört ja zum Furchtbenehmen. |
Ich will sagen, daß typische Gedanken mit der Furcht,
dem Zorn, etc. anders verbunden sind, als
(typische Gedanken) mit dem Körperschmerz. Hier
aber wären die Trauer, oder der Gram, oder die Sorge,
oder die Sehnsucht, die Hoffnung bessere Beispiele als
Furcht & Zorn. Furcht &
Zorn ist auch tierisch, nicht (aber) Gram.
|
Ich möchte aber sagen: Gemütsbewegungen
können die Gedanken färben, der Schmerz
nicht. Und darum rede man von traurigen Gedanken nicht aber
in diesem Sinne || in der || analoger
Weise von schmerzlichen. Es ist
als könnte man sagen: Furcht oder gar Hoffnung
könne geradezu ‘aus Gedanken bestehen’,
aber doch nicht Schmerz. Nun Schmerz hat vor allem die
Merkmale der Empfindung & Furcht nicht.
Furcht hängt mit Befürchtungen zusammen &
Befürchtungen sind Gedanken. |
Die Hoffnung
kann man eine Gemütsbewegung nennen.
D.h., sie mit Furcht, Zorn, Freude
zusammenstellen. Sie 30 ist verwandt mit dem Glauben, der
keine Gemütsbewegung ist. Es gibt keinen typischen
Ausdruck || Körperausdruck des Glaubens.2 Der Glaube hat nicht echte Dauer. Es ist aber die Frage, ob man nicht von der Hoffnung dasselbe sagen muß. Vergleiche die Bedeutung von “ununterbrochener Schmerz” – mit: “ununterbrochener Zorn”, “– Jubel”, “ununterbrochene || – Trauer”, “– Freude”, “– Furcht”; & anderseits “ununterbrochener Glaube”, “– Hoffnung”. Die Hoffnung mag im Gesicht aufzucken, aber es gibt keinen dauernden Gesichtsausdruck der Hoffnung. |
Heißt “hoffen” nicht: mehr oder weniger
bestimmt glauben, || erwarten, es werde
eintreffen, was man wünscht? Aber man
fürchtet sich, sehnt sich von Früh bis
abends, erwartet von Früh bis Abends, hofft
ebenso, aber glaubt nicht von Früh bis
abends. Weil die Furcht, die Sehnsucht, die
Erwartung, die Hoffnung mit ihnen einhergehende
Äußerungen haben, nicht aber der Glaube.
[Lauter grammatische Bemerkungen]
|
Aber auch Furcht, Hoffnung, Sehnsucht, Erwartung sind schwer
mit einander zu vergleichen.
Die Sehnsucht ist eine 30 Beschäftigung in Gedanken mit
einem bestimmten Objekt. Die Furcht vor einem
Ereignis (apprehension) scheint von
ähnlicher Art zu sein, nicht aber die Furcht vor dem Hund, der
mich anbellt. Es könnten hier zwei verschiedene Worte
gebraucht werden. Ebenso kann
“erwarten”
bedeuten: glauben das & das werde geschehen– || , aber auch: die Zeit mit
erwartenden Gedanken & Tätigkeiten hinbringen, also
harren. |
Ist es aber nicht ein
wichtiger Unterschied zwischen Furcht, Hoffnung, Gram &
Zorn, daß “ich fürchte” &
“ich hoffe” zwar Äußerungen von
Furcht & Hoffnung sind, nicht aber “ich bin
zornig” & “ich gräme mich”
Äußerungen von Zorn & Gram? |
Vergleiche: den Zornanlaß & das Zornbenehmen
mit dem Gramanlaß & dem Grambenehmen
& mit dem Furchtanlaß &
dem Furchtbenehmen. Und tu das Gleiche,
wenn es möglich ist, für Freude, Trauer, Sehnsucht,
Hoffnung, Erwartung, Verzweiflung, Mißtrauen, Vertrauen,
u.a. (Welche von ihnen wird man “Leidenschaften 31 nennen können || wollen?) |
Der Glaube
ist keine Beschäftigung mit dem
Objekt || Gegenstand des
Glaubens. Die Furcht beschäftigt || die
Sehnsucht die Hoffnung aber beschäftigen sich mit ihrem
Objekt. |
Beschäftigen sich Sehnsucht
& Zorn im gleichen Sinne mit ihrem Objekt || ihren
Objekten? [Die Vieldeutigkeit des
Ausdrucks” sich mit etwas beschäftigen”]
|
∣ Wir sagen in einer
wissenschaftlichen Untersuchung alles
Mögliche; machen viele
Aussagen, deren Rolle in der Untersuchung wir nicht
verstehen. Denn wir sagen ja nicht etwa alles mit einem
bewußten Zweck, sondern unser Mund geht eben. Wir gehen
durch herkömmliche Gedankenbewegungen, machen, automatisch,
Übergänge || Gedankenübergänge
gemäß den Techniken || Formen, die wir
gelernt haben. Und nun müssen wir erst
unsere Sätze || was wir gesagt
haben sichten. || Und nun muß
ich erst, was ich gesagt habe, sichten.
Ich habe eine ganze Menge
unnütze, ja unzweckmäßige || zweckwidrige
Bewegungen gemacht, muß nun meine || Wir haben eine ganze
Menge unnütze, ja zweckwidrige Bewegungen gemacht, müssen
nun unsre Gedankenbewegungen philosophisch
klären. ∣ 31 |
25.12.
Wenn ich Furcht naiv beschreiben sollte, würde ich
sagen: sich vor etwas fürchten, heißt: daran
denken mit einem sonderbaren Gefühl im Magen & vielleicht
in den Gliedern. – Oder ich würde das ganze
Furchtbenehmen eines Menschen beschreiben: Wie er von dem
Gefürchteten redet, was er denkt, was er fühlt, wie er
handelt. |
Denk wieder an das
seelenlose Volk: Was ist es in ihrem Benehmen, das uns den
Begriff ‘Furcht’ bei || in einem
Bericht über sie anwenden läßt. Denk an die
Zeichen der Furcht vor einem Objekt, das Zurückweichen, Fliehen,
etc.; & an die Zeichen der Furcht vor dem
Kommenden || vor dem, was
bevorsteht Haben sie
den Begriff der Furcht so müssen sie sagen können
“ich fürchte mich” & “er
fürchtet sich”. Es ist für uns hier
gleichgültig, ob sie beide Male
das gleiche Wort gebrauchen. (Wir tun es ja
übrigens auch nicht, da die Endungen verschieden
sind.) |
Wenn ich nun sage, ich
fürchte 32 mich, – tu || sag
ich's, weil ich, wenn auch nicht an mein Benehmen, so
doch an die organischen Gefühle denke, an die Furchtgedanken, an
meine Unfähigkeit mich mit andern Dingen zu befassen,
etc.? Ist “Ich fürchte mich!” ein Bericht? Ebensowenig, wir das ängstliche Zurückweichen, oder das Wimmern der Furcht. |
Aber
wie, wenn einer sagt || erzählt:
“Ich fürchte mich vor Hunden”?
Es ist dann ein Bericht keine Furchtäußerung.
Und doch hängt es mit der Furchtäußerung
zusammen. Ich könnte Einem sagen
“Ich fürchte mich vor Hunden”; dann kommt
uns ein Hund entgegen & ich sage “Siehst Du,
ich fürchte mich!” Das ist eben die
komplizierte Verwendung des Worts
“fürchten”. |
Wenn ich aber
nun sage || erzähle: “Ich habe
mich den ganzen Tag vor seinem Kommen gefürchtet” –
da könnte ich doch ins einzelne gehen (&
sagen): Ich habe gleich beim Erwachen
gedacht: … Dann überlegte ich mir
… Ich sah immer wieder zum Fenster
32 hinaus,
etc. etc.. Das könnte
man einen Bericht über die Furcht nennen. Wenn ich
aber damals zu jemand sprach
“Ich fürchte mich … – ist das
gleichsam ein Schrei || Stöhnen
der Furcht, oder eine
Betrachtung über meinen Zustand? – Es könnte das eine & || aber auch das andere sein: Es mag einfach ein
Schrei || Stöhnen der Furcht sein; es
mag aber auch sein, daß ich dem Andern berichten will, wie ich den
Tag verbracht habe. Wenn ich ihm nun sagte:
“Ich habe den ganzen Tag in Furcht verbracht (nun
folgen vielleicht Einzelheiten) & auch jetzt bin ich voll
Angst” – was sollen wir nun über dieses Gemisch
von Bericht & Äußerung sagen? – Nun, was sollen wir sagen, || – als, daß wir hier die Verwendung des Wortes
“Furcht” exemplifiziert
sehen. || “Furcht” vor uns
sehen. |
Wohl; aber daß der Begriff der Furcht der Begriff eines
Seelenzustandes ist, liegt doch darin, daß wir von uns selbst
(nicht auf Grund einer Beobachtung)
dasselbe sagen, wie vom Andern (den wir beobachten).
Das ist es, was diesen Begriff zum Begriff des Seelenzustandes
macht. 33 |
? ∫ Aber Du
siehst eben, daß es unter den Begriffen der
Seelenzustände große Unterschiede gibt. |
? ∫
Denk Dir den Fall, wenn ich, bei einer bestimmten
Gelegenheit, nur einen furchtvollen Gedanken habe; eine
furchtvolle Minute. (A pang of fear.)
– Ich sage vielleicht:
“Gott! wenn er nur nicht
…!” – Worin lag es, daß der
Gedanke furchtvoll war? In einem Gefühl, das ihn
begleitete? Und was ist so ein
Gefühl? Ist es körperlich, wie ein
Schmerz? Und wenn nicht, – warum nennt
man's dann
“Gefühl”? Wo
ist die Ähnlichkeit? – Und wenn man mir
dann sagt: “Du hast Dich gefürchtet, er
könnte …” & ich sage “Ja,
ich habe für einen Moment große Angst gehabt” –
wenn ich da ein Gefühl meinte, – wie bezog es sich
auf das, was ich befürchtete?
Wenn es Leute gäbe, die, in den Fällen, wo wir Befürchtungen mit Angstgefühlen aussprechen, einen stechenden Schmerz in der linken Seite empfänden, – würde dies Stechen bei ihnen den Platz unsres Furchtgefühls einnehmen? – Wenn wir also diese 33 Leute beobachteten, &, sooft
sie eine Befürchtung aussprächen, d.h.
etwas sagten was bei uns jedenfalls eine
Befürchtung wäre, & sie zuckten dabei
zusammen & hielten sich die linke Seite,
– würden wir sagen: Diese Leute empfinden ihre
Furcht als stechenden Schmerz? Offenbar nicht. – |
Nein: Schmerzbenehmen ist nicht Furchtbenehmen, &
Furchtbenehmen ist nicht das, des Menschen, der sich mit irgend einem körperlichen Leiden
beschäftigt. Es könnte wohl ein Wort dafür
geben, daß ich typische Furchtempfindungen, oder
auch Furchtreaktionen (Zittern, Schwäche)
habe. |
Das
Furchtsignal ist eine bestimmte Reaktion in bestimmten
Lagen. Aber ist nicht die Furcht wie ein geistiger Krampf?! Nun, warum soll ich sie nicht einen geistigen Krampf nennen ‒ ‒ ‒ aber, wie verwendet man nun dies Wort? Was ist denn ein geistiger Krampf? wie weiß ich, daß Einer einen hat? Wie nimmt man ihn wahr – d.h.: was heißt in diesem Falle “ihn wahrnehmen”? – Und wenn ich selbst sage “Ich habe ihn”, was meine 34 ich damit? & das
heißt ja wieder: Wie verwende ich das
Wort? – |
Wie wird der Ausdruck
“ein geistiges || seelisches
Leiden” verwendet? – Ist ein
‘geistiges Leiden’ in
Wirklichkeit ein körperliches Leiden?
– Unsinn! – Aber
natürlich ist es nicht ein Unwohlgefühl, das woanders lokalisiert ist, als im
Körper. |
Wenn ich sage
“Ich bin traurig” betrachte ich mich
& mache eine Bemerkung über mich? Nein, die
Verwendung ist ganz anders. Aber was meine ich, wenn ich's sage? Nun, nichts, worauf ich denken könnte, weder außen noch in mir. Der graue Schatten der Trauer ist, (möchte ich sagen,) eine Personifikation. Ich meine nicht dies – weder in mir noch außer mir. |
Es ist mir
nicht leicht von einem Träger des Worts abzusehen
& den Blick auf die Verwendung zu richten!
|
Denn man
will sagen: “Wir haben also ein
Leiden. Nun, ist es nicht da,
so ist es eben woanders.” 34 |
Warum verwendet
man aber das Wort “Leiden” für die Furcht
& auch für den Schmerz? Nun, es sind ja
Verbindungen genug. – |
Denke, man
sagte: Fröhlichkeit wäre ein Gefühl, &
Traurigkeit bestünde darin daß man nicht
fröhlich ist. – Ist denn die Abwesenheit eines
Gefühls ein Gefühl? |
Ich fühle mich
traurig”, sagt man. Was meint man
damit, || : worauf spielt man an? – Nun, ich möchte sagen: auf gar nichts.
|
Vor allem kann es doch selbstverständlich einen Bericht
über meine Furchtgedanken &
Furchthandlungen, || – sagen wir,
während des heutigen Tages– || ,
& mit Bezug auf ein bestimmtes Ereignis – geben.
|
Wenn ich sage “Ich habe immer mit Furcht daran
gedacht” – hat die Furcht meine Gedanken
begleitet? – Wie stellt man sich die
Trennung des Begleiteten & der Begleitung vor?
Man könnte fragen: Wie durchdringt 35 die Furcht den
Gedanken? Denn sie scheint nicht nur mit ihm
entlang zu gehen. || mit ihm
einherzugehen. |
Wenn ich sage
“Ich denke mit Beklemmung daran” so
könnte es allerdings so scheinen, als ob der Gedanke, etwa die
Worte, mit einem besondern Gefühl in der Brust einhergingen
& darauf angespielt würde. Aber die
(weitere) Verwendung dieses Satzes ist eben
anders. Man sagt auch: “Es beklemmt mir den Atem, daran zu denken” & meint nicht nur, daß erfahrungsgemäß die & die Empfindung & Reaktion diesen Gedanken begleiten. Wer z.B. Einem auf jene Äußerung antwortete, “Es tut mir leid, daß Du immer dieses unangenehme Gefühl in der Brust hast, wenn Du von … redest” – der hätte die Klage mißverstanden. |
Auf die
Äußerung “Ich kann nicht ohne Furcht
daran denken … ” antwortet man etwa:
“Es ist kein Grund zur Furcht, denn
…”. [Das ist jedenfalls
ein Mittel, Furcht zu beseitigen, im Gegensatz zu
Schmerzen.] |
Ist Ekel eine Empfindung? –
Hat 35 er einen Ort? – Und er hat einen Gegenstand, wie die
Furcht. Gibt es dem Ekel charakteristische
Empfindungen? Gewiß! |
(Man kann diese
Probleme nur mit irgendwelcher Hoffnung auf Erfolg
behandeln, indem man ein weites Feld
behandelt.) |
∫ / ? ∫
Wenn Einer sagt “Mir ekelt unaussprechlich bei
dem Gedanken …”, so wünscht er nicht, daß man
ihm eine Medizin, z.B. Magentropfen,
gebe. |
Worin bestehen denn Furchtgedanken? Sind es
solche, die den meisten Menschen Furcht einflößen
würden? || , die bei den meisten Menschen
Furcht hervorrufen
würden? Ich nehme an, ich teile
Einem mit, ich hätte mit Bezug auf
eine bestimmte Sache heute viele Furchtgedanken gehabt.
Was hat er von dieser Mitteilung, wie kann er sie
verwenden. Es hätte auch sein können, daß ich
meine Furchtgedanken alle geändert
hätte || habe.
Unter diesen Furchtäußerungen fingen auch einige mit
“Ich fürchte mich …” an.
|
Wenn ich einem mitteile: “Ich habe den ganzen
Tag gefürchtet …”, so kann er
36 sich ausmalen,
wie, etwa, ich den Tag verbracht habe. |
Ja, Du mußt
Dich immer fragen: Was wird dem Andern durch
diese Aussage || Mitteilung
mitgeteilt || übermittelt ‒ ‒ ‒ & das heißt:
welche Verwendung kann er nun davon machen? || : Was wird durch diese
Äußerung || Konstatierung dem Andern
mitgeteilt? || :Was
wird durch diese || die Mitteilung dem Andern
gegeben? || :
Was wird durch diese Sätze || Konstatierung
dem Andern mitgeteilt? & das heißt:
Welche Verwendung kann er nun
davon machen? |
“Ich
fürchte mich” kann natürlich unter Umständen
(einfach) soviel heißen wie der Schrei
“Nicht! – Nicht!”
– aber es kann auch sein, daß Einer mich vor
meinem Gang zum Zahnarzt fragt “Fürchtest Du
Dich?” & ich antworte “Ja, ich
fürchte mich.” Und dies ist gewiß
kein Angstschrei; man wird es einen Bericht über meine
Stimmung nennen. |
Wenn Einer sich vor einer
Operation fürchtet, so kann er wünschen, daß man ihm
Morphium gibt, das || eine
Morphiuminjektion gibt, die ihm die Furcht
wegnimmt || nimmt.
Hier behandelt er also Furcht wie einen Schmerz. 36 |
Ich sagte
früher: die Gemütsbewegungen, im Gegensatz zu
den Empfindungen, lehrten uns nichts über die
Außenwelt. Aber wie belehrt mich der Magenschmerz
über die Außenwelt, es sei denn über meinen Magen
& über das was ich gegessen habe. Aber so kann
mich ja auch meine Furcht über den Zustand meines Nervensystems
belehren & tut dies auch oft. Man kann oft
sagen: Ich bin jetzt so schreckhaft, mein Körper
braucht Schlaf, oder Vitamine, etc..
Nein, hier ist mir noch viel unklar! |
Ich
konstatiere, ich habe Furcht: besinne ich mich dazu
meiner Gedanken in der letzten halben Stunde, oder laß ich mir
rasch einen Gedanken an den Zahnarzt durch den Kopf gehen, um zu
sehen, wie er mich affiziert? || ; oder
konnte mir ein Zweifel kommen, ob es wirklich Furcht vor dem Zahnarzt
ist & nicht ein anderes organisches
Unwohlgefühl? |
Oder ist das
Konstatieren, ich habe Furcht, wie ein äußerst gemildertes
Stöhnen der Furcht? Nein; denn mit dem Stöhnen
will ich dem Andern nicht unbedingt etwas mitteilen. Die
Konstatierung ist, sozusagen, ein Teil eines
37
Gesprächs. |
Wenn ich Einem
erzähle “Als er auf mich zukam, wich ich vor
Furcht zurück”, so || da
teile ich ihm nicht nur das mit, was
dieser || der Satz ohne die Wörter
“vor Furcht”
mitgeteilt || besagt
hätte. || ausgesagt
hätte. |
Kann man
sagen: “Ich fürchte mich vor der Operation
nur, während ich gerade an sie denke”? Kann
mir nicht vor etwas grauen, auch während ich nicht, sozusagen,
ausdrücklich darüber nachdenke. Kann ich
Einem nicht sagen “Mir graut vor diesem
Zusammentreffen”, obwohl ich das Ereignis
nur || sozusagen nur aus dem Augenwinkel
sehe. (“at the
back of my mind.”) |
Was ich
nicht weiß ist, ob man so einen Zustand der Seele ein
Konglomerat von Zuständen nennen kann.
Prima facie ist es wahrscheinlich, daß
es || uns solche Konglomerate interessieren,
daß wir von ihnen reden. || Von vornherein
sollte man glauben, daß uns solche
Konglomerate interessieren, daß wir von ihnen
reden. |
Mir scheint, ich
bin noch weit von dem Verständnis dieser Dinge, nämlich von
dem 37 Punkt, wo ich weiß,
worüber ich sprechen muß, & worüber ich nicht zu
sprechen brauche. Ich verwickle mich immer noch in
Einzelheiten, ohne zu wissen, ob ich über diese Dinge
überhaupt reden sollte; & es kommt nur vor daß ich
vielleicht ein großes Gebiet begehe, nur um es
dann || einmal aus der Betrachtung
auszuschließen. Auch in diesem Falle aber wären
diese Betrachtungen nicht wertlos; wenn sie sich nämlich nicht
etwa nur im Kreise herumbewegen. |
1.1.1948
Vergessen wir doch einmal ganz, daß uns der
Seelenzustand des Fürchtenden
interessiert. Gewiß ist, daß uns auch sein
Benehmen unter gewissen Umständen, als Anzeichen für
weiteres Benehmen || zukünftiges
Verhalten interessieren kann. Warum sollten wir
also nicht dafür ein Wort haben. Es kann dies ein
Verbum, oder Adjektiv sein, der Ausdruck kann analog dem
sein “Er fürchtet …”
oder “Er hat Furcht vor
…”, oder “Er ist
furchtsam vor …”. Man könnte nun fragen, ob dies Wort sich wirklich einfach auf das Benehmen, einfach auf die Veränderungen des Körpers, bezöge. Und das können || wollen wir verneinen. Es liegt uns ja nichts daran, den 38 Gebrauch dieses Worts so || derart zu vereinfachen. – Es bezieht
sich auf das Benehmen unter gewissen äußern
Umständen. Wenn wir diese & jenes
beobachten, sagen wir Einer sei …
Wenn das Wort in der ersten Person gebraucht wird, ist die Analogie mit dem Gebrauch in der dritten Person dieselbe, wie die von || zwischen “ich heiße” & “er heißt”. || “ich schiele” & “er schielt”. |
Der Behauptungssatz mit dem Verbum in der ersten Person
“Ich … ” ist natürlich nicht
gleichbedeutend unserm “Ich fürchte
…” Ob die dritte Person mit der dritten Person
“Er fürchtet …” gleichbedeutend
ist, ist ein Problem. Vor allem könnte man nun fragen
ob man jene dritte Person auch dann anwendet wenn einer
‘Furcht heuchelt’ oder auf dem Theater
darstellt. Nun auf dem Theater fehlen ja die
‘Umstände’ unter denen die Behauptung
gemacht werden soll. Wenn Einer aber unter
‘furchtbaren’ Umständen ‘Furcht
heuchelt’ so werden wir
unser Wort anwenden. Wir könnten uns aber auch
eine noch kompliziertere Anwendung 38 denken. Und zwar wäre
dies eine solche, daß das spätere Benehmen auch noch
einen Schluß darauf zuließe, ob die Behauptung
“Er … ” richtig war. Wer
z.B. in einer bestimmten Lage zuerst
Furchtbenehmen zeigt gleich darauf aber lacht von dem
könnte man dann leugnen er habe ein echtes
Furchtbenehmen gezeigt. Man könnte also zwischen echtem & unechtem Furchtbenehmen unterscheiden. |
Ich will nun
sagen, daß Menschen, welche einen solchen Begriff gebrauchen,
seinen Gebrauch nicht müßten
erklären || beschreiben
können. Und sollten sie es versuchen, so könnten
sie eine ganz unzulängliche Erklärung || Beschreibung geben. (Wie die
meisten, wenn sie versuchen wollten die
Verwendung des Geldes || Papiergeldes richtig zu
beschreiben.) Es ist z.B. möglich, daß sie diese Aussage von einem Menschen machen, ohne doch recht sagen zu können, welches Benehmen in ihm sie dazu veranlaßt. Sie könnten sagen “Ich sehe es; aber 39 ich weiß nicht genau,
was ich sehe.” Wie wir sagen:
“Es hat sich etwas an ihm verändert, aber ich
weiß nicht genau, was”. Und die
künftige Erfahrung mag ihnen Recht geben.
|
Es könnte nun sein, daß Leute ein Verbum hätten,
dessen dritte Person sich genau mit unserm
“Er fürchtet sich …”
deckt.
Dessen erste Person sich aber nicht mit unserm
“Ich fürchte mich” deckt. || ;
dessen erste Person aber nicht mit unserm “Ich
fürchte mich”. Denn
jene || die Behauptung in der ersten Person würde
sich auf Selbstbeobachtung stützen. Sie
wäre nicht die Äußerung der Furcht, &
es gäbe ein “Ich glaube, ich
…”, “Es kommt mir vor, ich
…”. Diese erste Person hätte nun,
glaube ich || so scheint es mir, keine oder
eine sehr geringe || seltene Verwendung.
Würde mein Benehmen in einer bestimmten
Situation gefilmt, so könnte ich, wenn nur der Film
vorgeführt würde || wird
sagen: “Mein Benehmen macht den Eindruck
…”. |
Das
“Ich glaube, er fühlt, was ich unter
solchen Umständen fühle” gibt es hier noch
nicht: Die Interpretation, daß
39 ich in mir etwas sehe, was
ich in ihm vermute. Denn in Wahrheit ist das eine rohe Interpretation. Ich vermute – im allgemeinen – || zumeist – die Furcht nicht in ihm, – ich sehe sie. Es ist mir nicht, als schlösse ich aus einem Äußeren auf die wahrscheinliche Existenz eines Innern, sondern als sei das menschliche Gesicht quasi durchscheinend, & ich sähe nicht an an ihm nicht reflektiertes, sondern durchscheinendes || eigenes Licht. || & ich sähe es, sozusagen, nicht im auffallenden || reflektierten, sondern im durchscheinenden || eigenen Licht. |
“Mir graut
davor.” – Das ist nicht ein Konterfei || eine Wiedergabe || Abbildung von etwas was ich sehe.
Ja, so wie ich schaue, sehe ich nichts, oder nicht
eigentlich, was ich meinte. Es ist dann, es || ,
als wäre dies ein so feiner Schleier, daß von ihm
wissen, aber ihn nicht eigentlich sehen könnte.
Als wäre das Grauen ein ganz feines dumpfes Geräusch
neben den Tagesgeräuschen, das ich nur merken
& nicht eigentlich hören könnte. |
Denk
Dir, ein Kind, das lange nicht 40 recht sprechen lernen
konnte, gebrauche plötzlich den Ausdruck, den es von den
Erwachsenen gehört hatte, “Mir graut vor
…”. Und sein Gesicht & die
Umstände & was folgt lassen uns sagen:
Es hat das wirklich gemeint. (Man könnte ja
immer sagen: “Eines schönen Tages
gebraucht nun das Kind das Wort.”)
Ich habe den Fall des Kindes herangezogen, weil hier, was
in ihm vorgeht, uns noch fremder erscheint als im
Erwachsenen. Was weiß ich, so möchte ich
sagen – von einem Hintergrund der Worte
“Mir graut …”?
Läßt das Kind mich plötzlich in sich
hineinschauen? |
Die Worte
“Mir graut” werden wohl zuerst
Träger eines bestimmten Tonfalls sein &
einer bestimmten Miene. |
Wenn man nun sagt:
“Mir graut sooft ich daran denke” – so
ist das || klingt es als sagte man so etwas
wie “Ich fühle … , sooft ich daran
denke”. Aber es ist eben doch nicht so
aufzufassen, als hätte man dann immer die & die
Empfindungen. Und doch ist es wahr, daß ich im Zustand der Furcht bestimmte, & 40 charakteristische
Empfindungen, im Magen || in Brust &
Magen z.B., haben kann! Und
doch wieder sind diese nicht die Furcht! Aber das
heißt nun nicht, daß die Furcht etwas außer || neben ihnen, im selben Raum wie sie ist.
(Wenn
Bunyan berichtet
seine religiöse Angst sei mit einem furchtbaren Gefühl in
der Magengegend einhergegangen, so kann man nicht sagen, er
hätte nicht so wehleidig sein sollen.) |
Diese Sache erinnert
auch an das Hören eines Geräusches aus einer bestimmten
Richtung. Es ist beinahe als
fühlte man die Beschwerde in der
Magengegend aus der Richtung der
Furcht. D.h. eigentlich daß
“Mir ist schlecht vor
Furcht” nicht eine Ursache der Furcht
angibt. |
“Du machst
Dir's leicht” könnte man sagen –
“Du erklärst einfach, alles,
was Du nicht analysieren kannst, als eine spezifische
Erscheinung.” Nun, das ist wahr, insofern ich
nicht mehr tun kann, als das gemeinsame der
psychologischen 41 Sprachspiele
anzudeuten. || als auf das Gemeinsame
der || von psychologischen Sprachspielen
hinzuweisen || als auf Gemeinsames
von psychologischen Sprachspielen
hinzuweisen; es zum mindesten
anzudeuten. |
Daß es ein
Furchtkonglomerat (z.B.) gibt, heißt
nicht, daß Furcht ein Konglomerat ist. |
Zustände: “er hat jetzt
Schmerzen” “er hat jetzt wieder
Anfälle”, “Hörst Du: der Vogel
singt”, “Der Vogel singt jetzt
wieder,” “Er pflegt jetzt
wieder zu singen”. Vielleicht das Harren aber
nicht das Erwachen. |
Gibt es
psychologische Konglomerate; & ist das Erwarten
eines? Irgend etwas spricht in mir gegen das
Letztere. Es ist wohl wahr: wenn ich jemand den
ganzen Tag erwarte, auf ihn harre so tue ich eine Reihe
charakteristischer Handlungen. Wenn ich
z.B. jemand vor der Haustür höre,
schau ich aus dem Fenster. Aber, fragte mich jemand
“Warum schaust Du hinaus” so würde ich
ihm antworten “Ich will sehen, ob es nicht so &
so ist”. Die Intention der verschiedenen
Handlungen ist immer dieselbe & ist das
richtige. – Es ist nun nicht
41 so, als hätte ich
manchmal das
reine Gefühl der Erwartung; manchmal wieder
handelte ich auch erwartend. |
Der Unterschied
zwischen meinem Philosophieren & dem Andren ist
eigentlich, || : daß, was ich als
(eine || die) Vorbereitung
zur Klärung betrachte || hinschreibe,
sie als philosophische Erklärung
ansehen. |
Ich fange
an: “Ich bin geneigt, zu sagen:
…” – Und das heißt: die rechte
Formulierung ist noch nicht gefunden. Denn ist sie
gefunden, so nehmen wir den
Ausdruck als selbstverständlich
hin, & weder
Zuneigung || Neigung
noch Abneigung ist mehr vorhanden. |
Jemand erwarten, kann
natürlich einfach heißen: glauben, er werde
kommen. – In diesem
Sinne würde ich auch Einen erwarten während ich nicht an
ihn denke. – Es kann aber auch
heißen: im Hinblick auf sein Kommen,
d.h. mit dieser Intention, handeln, reden,
denken. So 42 daß man Einem der sagt
“Ich habe ihn sehnsüchtig den ganzen Tag
erwartet” widersprechen kann:
“Du hast ja gar nicht an ihn gedacht”.
Welches kein Widersprechen wäre, hätte er
gesagt, || : “Ich habe sein
Kommen erwartet” – oder “Ich wußte,
daß er kommen wird”. |
Sage ich
“Ich erwarte sehnsüchtig sein Kommen”, so
heißt das: ich beschäftige mich mit seinem
Kommen (in Gedanken – & man kann auch sagen: in
Gedanken & Handlungen.) Den Zustand des
sehnsüchtigen Erwartens kann man also ein Konglomerat
nennen. Aber es ist nicht, sozusagen, ein Konglomerat von
Handlungen einer bestimmten Art sondern es geht um die Intention
der Handlungen, also um ein
Motiv, nicht eine Ursache.
|
Wer nun sagt “Ich erwarte sehnsüchtig
sein Kommen”, teilt der mir mit, er denke immer an so
& so, handle in diesen Gedanken
etc.? Stattet er mir einen Bericht ab
42 über diese
seine Gedanken & Handlungen? –
Sagte er z.B. “Du findest mich
in sehnsüchtiger Erwartung des
N.N. || so &
so”, dann wäre es so. Er
könnte nun amplifizieren & was er tat & dachte
beschreiben.” Ich erwarte ihn
sehnsüchtig” aber kann einfach heißen:
“Ach, wenn er doch || nur schon
käme!” |
Nun, hier haben wir eine
Wortreaktion, zu der Blick & Stimme
gehören. Und Blick & Stimme könnten unter
den geeigneten Umständen das Gleiche ausdrücken.
Wenn einer das Bild eines Menschen liebend an seine Brust drückt – was empfindet || fühlt der? ‒ ‒ ‒ Das ist ein Liebesausdruck. Ob er echt ist, zeigt sich, wie es sich eben zeigt. Wenn Du ihn fragst, was er dabei empfunden hat, wird er vielleicht sagen “Liebe”. Aber diese Antwort ist doch selbst verwandt, wenn auch nicht identisch, mit einer Liebesäußerung. Und hier kommen wir allerdings zu einem wichtigen Punkt: 43 Nämlich dazu,
daß der Äußerung, die der ursprünglichen, primitiven
Reaktion entspringt || entspricht || zunächst verwandt ist,
auch ein
Bericht || Berichten, eine Mitteilung, ein Konstatieren,
entspricht. Ich sage dem Doktor “Ich habe
Schmerzen” & das ist kein Schrei oder
Stöhnen. [Das heißt etwa: es kann ein
Teil eines ruhigen Gesprächs sein.] |
Was aber macht
diese Worte zur Mitteilung, zum Bericht, & unterscheidet
sie von der Schmerzäußerung? Der Schmerz ‘erpreßt’ sie nicht. Sie ist || sind etwa die Antwort auf eine Frage, sie ist || sind nicht, vor allem Träger einer Intonation. – Was aber verknüpft sie dann trotzdem mit einer Schmerzäußerung? |
Wenn ich sage, ich
verwende die Worte “Ich habe
Schmerzen”, “Ich sehne mich nach
ihm”, etc., als || zur Mitteilung nicht als Naturlaut || nicht als Naturlaut, sondern zur Mitteilung, zum
Bericht so
charakterisiert dies meine Intention. Ich will
z.B. daß der Andre darauf in bestimmter Weise
reagiere. Hier bin ich aber noch die Erklärung des Begriffs der Intention schuldig & die Intention ist nicht etwa nur 43 eine Art Empfindung auf die
ich alles reduzieren will, der ich, sozusagen, alles in
die Schuhe schiebe. (Denn die Intention ist
keine Empfindung.) |
Wenn wir Furcht,
Trauer, Freude, Zorn, etc. Seelenzustände nennen,
so heißt das, daß, der
Furchtvolle, Trauervolle, etc., die
Mitteilung machen können || kann:
“Ich befinde mich || bin im
Zustand der Furcht”, etc., daß diese
Mitteilung – sowie || ganz wie die primitive
Äußerung – nicht auf einer Beobachtung
beruht. |
Es gibt doch
nun Furchtgedanken, Trauergedanken, Schmerzgedanken, Hoffnungsgedanken
etc., oder auch Sätze, die der Ausdruck dieser
Gedanken sind. Ich könnte auch sagen Furchtreden,
Trauerreden etc. Damit meine ich aber
nicht die Sätze “Ich fürchte mich
…” etc., sondern Sätze aus denen
man, sozusagen, meine Furcht etc. erraten
kann. Oder auch: Im Reden dessen der sich in einem dieser Zustände befindet wird sich sein Zustand äußern; einerseits dadurch, daß er ihn mitteilt, 44 anderseits aber auch durch seine
anderweitigen Reden (z.B.
durch sein Verweilen bei gewissen
Gesprächsthemen.) Diese Anzeichen seines
Seelenzustands sind analog denen in seinem übrigen
Benehmen. |
Gemütsbewegung
& Stimmung. Gemütsbewegung = Wallung
des Gemüts. Furcht, Sehnsucht, Trauer,
u.a. können aufwallen. Zorn ist
eine Wallung. || u.a., sind
Stimmungen, welche aufwallen können; Zorn ist eine
Wallung. |
Absicht,
Intention, ist weder Gemütsbewegung, Stimmung, noch
Empfindung oder Vorstellung. Sie ist kein
Bewußtseinszustand. Sie hat nicht echte
Dauer. Die Absicht kann man eine seelische
Disposition nennen. Dieser Ausdruck ist nur insofern
irreführend, als man eine solche Disposition in sich nicht durch
Erfahrung in sich wahrnimmt. Die
Neigung zur Eifersucht dagegen ist eine Disposition im
eigentlichen Sinne. Erfahrung lehrt mich, daß ich
sie habe. 44 |
“Ich
beabsichtige” ist nicht die Äußerung eines
Erlebnisses. Es gibt keinen Schrei der Absicht, sowenig wie des Wissens oder Glaubens. |
Wohl aber könnte man den
Entschluß, mit welchem oft eine Absicht beginnt,
ein Erlebnis nennen. |
Der Entschluß ist
ein Gedanke. || Ist der Entschluß ein
Gedanke? Er kann das Ende eines Gedankenganges
sein. (﹖) |
Die Intention kann einen
plötzlichen Anfang nehmen, sich
plötzlich ändern. Ich kann mich plötzlich daran erinnern, daß ich das & das tun sollte. Man zuckt zusammen & erklärt dann: “Es ist mir gerade eingefallen, daß ich …” |
Einer sagt mir
etwas, ich schaue ihn erstaunt an; er erklärt … Mein
fragender Blick war gleichbedeutend der Frage:
“Wieso?” oder “Was
meinst Du?” oder
“Warum?” oder
“Das willst Du tun, wo Du doch immer
…?”¤ Der plötzliche
Gedanke. 45 |
Absichtlich
– unabsichtlich. Willkürlich –
unwillkürlich. Was ist der Unterschied zwischen einer Handbewegung ohne besondere Absicht, & der gleichen Handbewegung als Wink || Zeichen gemeint. |
2.1.48.
Denken wir uns daß Einer eine Arbeit verrichtet, in
der ein Vergleichen,
Versuchen, Wählen vorkommt || es ein Vergleichen, Versuchen,
Wählen gibt. Er stellt etwa einen
Gebrauchsgegenstand aus gegebenen || gewissen Materialstücken mit gegebenen Werkzeugen
her. Immer wieder entsteht gleichsam die
Frage || das Problem “Soll ich
dies Stück dazu nehmen?” –
Es || Das Stück wird
vielleicht verworfen, ein anderes versucht.
Stücke werden versuchsweise zusammengestellt,
auseinandergenommen; es wird nach einem geeigneten
Stück || passenden gesucht, etc.
etc.. Ich denke mir nun diesen ganzen
Hergang gefilmt. Der Arbeitende gibt etwa Laute von sich
wie “Hm –”, oder
“Ha!”. Es sind
sozusagen || Sozusagen Laute des Zögerns, des
plötzlichen Findens, des Entschlusses, der Zufriedenheit, der
Unzufriedenheit; aber er redet dabei kein Wort || kein Wort wird
geredet. Die || Jene Laute mögen auch || im
Film 45 aufgenommen werden.
Der Film wird mir
vorgeführt; & ich erfinde nun ein
Selbstgespräch des Arbeitenden, welches zu seiner Arbeitsweise,
dem Rhythmus seiner Arbeit, seinem Mienenspiel, seinen
Gebärden & Naturlauten paßt, welches all dem
entspricht. Ich lasse ihn also manchmal sagen
“Nein das Stück ist zu lang. Vielleicht
paßt ein andres besser.” – oder
“Was soll ich jetzt tun? – – Ich
hab's!” – oder “Das ist
ganz gut.” etc. Wenn der Arbeitende reden kann, – wäre es eine Verfälschung des wirklichen Vorgangs wenn er ihn genau beschriebe & dabei || etwa sagte: “Dann dachte ich: Nein, das geht nicht; ich muß es anders versuchen” u.s.w. – obwohl er während der Arbeit nicht gesprochenhatte || , & sich auch diese Worte nicht vorgestellt hatte? Ich will sagen: Kann er nicht seine wortlosen Gedanken später in Worten wiedergeben? So zwar, daß wir, die den Arbeitsvorgang sähen, mit dieser Wiedergabe einverstanden sein könnten? – Umsomehr, wenn wir dem Mann nicht nur 46 einmal, sondern öfters bei der
Arbeit zugesehen hätten? |
Wir könnten
natürlich sein ‘Denken’ von der Arbeit || Tätigkeit nicht trennen.
(Sowenig wie den Gedanken vom Satz den Einer
spricht). Das Denken ist eben keine Begleitung der
Arbeit; sowenig, wie der denkenden Rede. |
Es ist unrichtig, zu
sagen, || – wie ich einmal
schrieb, || – das Denken sei eine Art des
Redens || Sprechens. Kann man
sagen, es sei ein Operieren mit Zeichen? Ich glaube
kaum. Es ist auch schwer zu sagen, was man noch
“Zeichen” nennen kann, & was nicht. – Das
Überlegen, möchte
ich sagen, bedarf einer Art der Zeichen.
Denk Dir, Einer pausiert in der Arbeit, blickt, wie nachdenkend, vor sich hin, in einer Situation, in der wir an uns selbst eine Frage richten würden || richten || uns selbst eine Frage stellen, Möglichkeiten erwägen würden, – würden wir von ihm unbedingt sagen, er überlege? Ist dazu nicht auch nötig, daß er eine Sprache beherrscht, also nötigenfalls die Überlegung auch aussprechen könnte? 46 |
Nun, wenn wir
Wesen bei der Arbeit sähen, deren
Arbeitsrhythmus, deren
Mienenspiel, etc. dem unsern ähnlich wäre,
nur daß diese Leute nicht sprächen,
dann würden wir vielleicht sagen, sie
dächten, überlegten, machten Entscheidungen.
Das heißt: es wäre eben in so einem Falle
viel dem der uns bekannten || gewöhnlichen Menschen ähnlich.
Und es ist nicht klar wieviel ähnlich sein
muß, daß || damit wir den Begriff
“Denken”, der in unserm
Leben zuhause ist, auch bei ihnen anzuwenden ein Recht
hätten. || haben. || Und
wie soll man entscheiden, wie genau die Analogie sein muß,
damit wir ein Recht haben für diese Leute den Begriff
‘Denken’ zu verwenden, der in unserm
Leben seine Heimat hat? |
Und wozu sollen wir
auch diese Entscheidung fällen? Wir werden einen wichtigen Unterschied machen zwischen Wesen, die eine Arbeit, selbst eine komplizierte, ‘mechanisch’ zu verrichten lernen können, & solchen, die bei der Arbeit 47 probieren, vergleichen. –
Was aber “probieren” &
“vergleichen” zu nennen ist kann ich nur wieder an
Beispielen erklären, & diese Beispiele werden
unserm Leben, oder einem das dem unsern ähnlich ist,
entnommen sein. |
Nähme nun
das Probieren gar die Form der Herstellung einer Art von Modell
an || an des Herstellens einer Art von Modell
(oder gar einer Zeichnung), so würden wir, ohne zu
zweifeln, sagen, diese Wesen dächten. Freilich
könnte man hier auch von einem Operieren mit Zeichen
reden. |
“Aber
könnte nicht das Operieren mit Zeichen auch mechanisch
sein?” – Freilich;
d.h., auch es muß in einer
bestimmten Umgebung sein, damit wir sagen können || man sagen kann es
sei nicht mechanisch. |
Es ist also, als
wären unsere Begriffe, als wäre die Verwendung unserer
Worte, bedingt durch ein Framework || Gerüst von Tatsachen || Fakten || von
Tatsächlichem.
Aber wie kann das sein?! Wie
könnten wir denn das Gerüst beschreiben, wenn wir nicht die
Möglichkeit eines Andern || von etwas
Anderem zuließen? – Du
machst ja, möchte man 47 sagen, Unsinn aus jeder
Logik! || Dadurch würde ja –
möchte man sagen – Unsinn aus jeder
Logik! (Aber nein!) |
Gilt denn meine Bemerkung
für alle unsre Begriffe? Auch für die
Begriffe ‘rot’, ‘süß’,
‘Tisch’, ‘Kohle’?
Vielleicht doch. |
Ich möchte
sagen: “Wir lernen die Bedeutung, den
Gebrauch, der Wörter in || unter gewissen Umständen. Es
lernt z.B. jeder die
Farbwörter in einer Welt, in welcher …”
Aber wie würde also eine andere Welt aussehen?
Nun, wir können eine Beschreibung geben. –
Aber der ganzen Welt?? Wir könnten uns die
Beschreibung durch einen Film hergestellt || gemacht denken. Aber ist hier nicht
wieder eine Schwierigkeit? In der Anwendung
etwa? |
Muß ich aber die
Umstände beschreiben können? || die
Gesamtheit der Umstände beschreiben? Ist es
nicht genug, daß ich einmal sage: “Diese
Begriffe funktionieren hier nicht mehr”?
(Sowie man auf ein Wesen, das || welches das Nilpferd & das Krokodil geschaffen hat, die Moralbegriffe nicht anwenden kann. Hiob.) 48 |
Das Problem,
das || was uns hier beunruhigt, ist das gleiche,
wie das in der Betrachtung: “Du kannst
Menschen zählen lehren, wenn die Dinge
in ihrer Umgebung nicht im fortwährenden schnellen Entstehen
& Vergehen begriffen sind.” || : “Menschen könnten nicht
zählen lernen, wenn alle Gegenstände um sie in
schnellem Entstehen & Vergehen begriffen
wären.” |
Wenn Du von einer
‘Welt’ redest, ‘in der alle Dinge
rasch wie flimmernde Lichter entstünden || entstehen & vergehen’, – so
bist Du in der Gefahr Unsinn zu reden. (Etwas
ähnlich der Annahme einer Welt, die aus Schmutz
besteht, bei || besteht. Bei
Moore.) || Etwas ähnlich dem Fehler
Moores, wenn er
von einer Welt redet || hypothetisch eine
Welt annimmt, die aus Schmutz besteht. || Etwas ähnlich der unsinnigen Annahme
Moores: einer
Welt die aus Schmutz besteht. |
Man kann sich aber,
glaube ich, in solchen Fällen immer bescheiden & unsre
Annahme aus dem Unsinn in den || einen Sinn
zurückführen. || in das Reich des Sinnes
zurückführen. |
Es ist natürlich
möglich, zu sagen: “Lehre einen an
Fingern, Stäbchen, Bohnen, rechnen;
48 nicht an den Haaren eines
Fells, den Tropfen eines Regengusses, den Funken
einer Schmiede || eines
Schmiedefeuers Aber warum? Man
kann verschiedenes sagen. Eines ist: Er wird an
diesen Dingen nie die Begriffe der Anzahlen || den Begriff der Anzahlen nie erlernen || verstehen lernen.
D.h., nicht erlernen, die
Zahlwörter zu verwenden. || D.h., die Technik des
Verwendens der Zahlwörter nicht
erlernen. || D.h., das Verwenden der
Zahlwörter nicht erlernen. |
Du
kannst doch auch sagen: “Hast Du keine
Stäbchen, Steinchen, etc. zur
Hand, so kannst Du Einen nicht rechnen lehren”.
Ganz so wie: “Hast Du keine Schreibfläche
noch Schreibmaterial zur Hand so kannst Du ihn die
Differentialrechnung nicht lehren” (oder: so
kannst Du die Division
76570 : 319
nicht ausführen”). |
“In
einem Land, in dem der Himmel beinahe ununterbrochen bewölkt ist,
werden sie nicht auf die Idee kommen Astronomie zu
studieren || betreiben.” || astronomische Studien zu
betreiben.” |
Man sagt vom
Tisch & Stuhl nicht, daß sie denken, auch von der Pflanze
nicht, auch vom Fisch nicht, kaum vom Hund, aber vom Menschen.
Und auch nicht 49 von allen Menschen.
Wenn ich aber sage “Der || Ein Tisch denkt nicht” so ist das nicht ähnlich einer Aussage, wie “Ein Tisch wächst nicht”. Denn ich wüßte gar nicht ‘wie das wäre wenn’ ein Tisch dächte. Und hier gibt es offenbar einen graduellen Übergang zu dem Fall des Menschen. |
“Denken ist eine geistige
Tätigkeit”– || : Denken
ist keine körperliche Tätigkeit. Ist
Denken eine Tätigkeit? Nun, man kann sagen || Einem befehlen “Denk darüber
nach!”. Wenn aber nun Einer in Befolgung
dieses Befehls zu sich selbst, oder auch zum Andern spricht,
verrichtet er da zwei Tätigkeiten?
Denken & Sprechen? Also ist Denken
doch wieder nicht recht einer Tätigkeit zu
vergleichen. Denn man kann auch nicht sagen, Denken
sei: in der Vorstellung zu sich sprechen; dies kann man
tun auch, ohne zu denken. Ich kann mir
z.B. ein Gedicht in der Vorstellung aufsagen
ohne seinen Sinn im mindesten zu verstehen.
|
Wann sage ich von einem Menschen “Er
denkt”? Nun, wenn er denkend spricht, denkend
arbeitet, über etwas nachdenkt?
49 Wann sage ich “Ich denke”? (Diese Worte heißen für gewöhnlich so viel wie “Ich glaube.”) Ich sage etwa: “Laß mich in Ruh! ich denke darüber nach.” Ich könnte auch sagen || Auch: “Stör mich nicht! ich kann diese Arbeit nicht mechanisch machen; ich muß dabei denken.” Und das heißt etwa: vergleichen, probieren, wählen, auch zu mir selber sprechen. |
Das Denken ist gleichsam
ein Zug || Charakterzug einer
Tätigkeit. |
Es fehlen mir in diesem
Gebiet noch besondere, & auch sehr allgemeine
Einsichten. Ich muß mich mit speziellen
epistemologischen, aber auch mit (allgemein) logischen Problemen
befassen. |
Man darf nie vergessen,
daß “denken” ein
Altweiberausdruck ist, wie auch alle anderen psychologischen
Termini || Bezeichnungen.
Es ist von diesem Wort nicht zu erwarten, daß es eine einheitliche Verwendung habe; es ist vielmehr zu erwarten, daß es sie nicht habe. (In manchen Teilen Österreichs gebrauchen die Bauern das Wort “klug” 50 im Sinn von
“sparsam” & sagen dann “Die
Butter ist klug”, & das heißt: es ist nicht
viel Butter da, sie ist spärlich.) |
“Ich
ärgere mich darüber,” – Man
wäre geneigt zu sagen, der Ärger sei Stimmung der
Seele & zwar in dem Sinne, wie man bei einem Instrument
von einer Stimmung reden könnte. So, wie das Gesicht
des Geärgerten zusammengezogen, seine
Stirn gerunzelt ist, so ist es auch seine Seele. Sie gibt
nur raue, heisere Laute von
sich. Man sagt auch: “Ich bin
dadurch verstimmt”. Die Sache, die mich
ärgert, wirkt wie ein Gift in mir. Was geschehen ist,
hat mir meine Lust vergällt, hat mich mit Bitterkeit
erfüllt. Und doch sind das alles nur
Metaphern. – Ist nun “Ich
ärgere mich über ihn” ein Ausdruck des Ärgers
oder ein Bericht über einen Vorgang in meiner Seele?
Man kann die Worte offenbar geärgert & auch nicht
geärgert sagen. Man kann sie knirschend sagen,
& dann sind sie doch gewiß ein Ausdruck des
Ärgers. Sage ich aber etwa “Leider
ärgere ich mich darüber” so ist es, als
spräche man zum Arzt von einer Krankheit, man berichtet ihm
50 darüber. |
“Ich
ärgere mich darüber” kann manchmal wie ein
Fluchen sein; manchmal aber auch, wie der Satz
“Ich möchte am liebsten fluchen”.
|
Wenn einer über ein Problem nachdenkt & ich
zeige ihm plötzlich eine gewisse Zeichnung, so wird er vielleicht
ausrufen “Ach so ist es!”,
oder “Jetzt weiß ich's”.
Und gefragt, was dabei in ihm vorgegangen ist, wird er in diesem
Falle wohl einfach sagen “Ich habe die Zeichnung
gesehen”. Ich beschreibe diesen Fall, um
einen Vorgang in der Vorstellung durch einen des Sehens zu
ersetzen. Wird er nun sagen: “In dem
Augenblick, als ich die Zeichnung sah, stand mir die ganze
Lösung vor Augen”? Er könnte auch,
wenn ich ihm mit der Zeichnung zu Hilfe komme, sagen:
“Ja, jetzt ist es leicht!” |
“Mir stand die Benützung des Wortes vor der
Seele” – wird man das auch dann sagen wenn einem
mit dem Wort ein charakteristisches Bild des
Gegenstands 51 gezeigt
wird? || wenn einem mit dem Wort ein
für seine Bedeutung
charakteristisches Bild gezeigt
wird? Wenn mir mit dem
Wort “weiche” etwa das Bild Eines gezeigt wird,
der gegen einer Andern eine verbannende Gebärde
macht? || der einen Andern mit verbannender
Gebärde von sich weist? || der
¤
3.1.
mit verbannender Gebärde jemand || einen
Andern || Einen von sich
weist? [Das Bedeutungserlebnis
scheint hier vom Gesehenen übertönt zu
werden.] |
Kann ich Einem
beschreiben wie Menschen für gewöhnlich
leben? – Nun, ich kann ihn unter Menschen leben
lassen. – Aber vielleicht ist dazu nötig, daß
er selbst ein Mensch sei, & unter ihnen
aufwächst? |
Wenn er ein Mensch ist & in dieser Umgebung, sage
ich er denkt, wenn er so & so spricht. Vom
Grammophon sage ich's nicht, obwohl es vielleicht weit
gescheiter redet. |
Beim Philosophieren muß man in's
alte Chaos hinabsteigen, & sich dort
wohlfühlen. |
Von einem Wesen, das ausschaut wie ein Mensch, sich aber so
& so & 51 so benähme, wüßte ich
nicht ob ich sagen sollte, “es denkt,”
oder es denke nicht. |
Wir sagen:
Gras ist grün, Kreide weiß, Kohle schwarz,
Blut rot etc. – Wie wäre es in einer
Welt, in der dies unmöglich wäre, in der also die
übrigen Eigenschaften eines Dinges mit seiner Farbe nicht
zusammenhingen? || aus seiner Farbe nicht
erschlossen werden könnten? Dies
ist, ob richtig, oder falsch gestellt, eine ungeheuer wichtige
Frage, & nur ein Exempel unzähliger ähnlicher
Fragen. |
Denk Dir, ich
käme in ein Land, wo die Farben der Dinge, wie ich sagen
würde, unaufhörlich wechselten, etwa durch eine Eigenheit
der Atmosphäre. Die Einwohner sehen nie ruhige
Farben. Ihr Gras sieht bald grün, bald rot,
etc. aus; u.s.f..
Könnten diese Leuten ihren Kindern die Farbwörter
beibringen? – Vor allem einmal könnte es sein || könnten wir
finden, daß ihrer Sprache die Farbwörter
fehlen. Und wenn wir dies fänden, so
würden wir's vielleicht dadurch || damit
erklären, daß sie für 52 dies Sprachspiel || diese || gewisse
Sprachspiele wenig, oder keine Verwendung
hätten. |
Daß Menschen, denen
es, aus irgendwelchen Gründen, unmöglich ist ein Schachbrett
& Figuren herzustellen, – daß sie das Schachspiel
nicht kennen, würde uns nicht wundern. |
Wie könnten denn
Leute, in einem Land in, welchem || dem alles nur
eine Farbe hätte, den Gebrauch der Farbworte
lernen? Kann ich aber nun sagen: “Nur weil in unsrer Umgebung Dinge verschiedener Farbe existieren & weil … können wir Farbnamen gebrauchen”?? Es wird hier zwischen logischer & physischer Möglichkeit kein || der Unterschied nicht gesehen. – Nicht das interessiert uns, || : unter welchen Umständen das Sprachspiel mit den Farbnamen physisch nicht möglich – also eigentlich, nicht wahrscheinlich ist.4 |
Ohne
Schachfiguren kann man nicht Schach spielen – das ist die
Unmöglichkeit, die uns interessiert. 52 |
Wo es
keine Pferde, oder sonst lastbare Tiere¤ gibt,
dort können die Menschen nicht reiten.
(Logisch.) – Aber auch: Wo
Pferde, & derartige Tiere, sich nur schwer züchten
lassen, & wo das Reiten aus den & den & den
Gründen schwer möglich, oder nicht
praktisch || nützlich ist, dort ist es
prima facie unwahrscheinlich, daß Menschen die Kunst des
Reitens erfinden werden. |
Man lernt das Wort
Denken, d.i. seinen Gebrauch, unter gewissen
Umständen, die man aber nicht beschreiben lernt.
|
Man
lernt es etwa nur vom Menschen sagen, es von ihm behaupten, oder
leugnen. Die Frage “Denkt ein
Fisch?” erhebt sich gar nicht. || tritt gar nicht im sein Leben ein. || existiert unter seinen Sprachanwendungen nicht,
wird nie gestellt. (Was kann
natürlicher sein als so ein Zustand; als so eine
Sprachverwendung!) |
“An
diesen Fall hat niemand gedacht” kann man
sagen. Ich kann zwar nicht die Umstände || Bedingungen aufzählen unter denen das Wort
“denken” zu gebrauchen ist, – aber, wenn ein
Umstand 53 den Gebrauch zweifelhaft macht,
so kann ich's sagen, & auch, wie die Lage
von der gewöhnlichen abweicht. |
Und hier
müßte man etwas über mein
⇒Sprachspiel
№ 2 sagen. – Unter welchen Umständen würde man die
Laute des Bauenden, etc., wirklich eine Sprache
nennen? Unter allen? Gewiß
nicht! – War es nun falsch, ein Sprachrudiment zu
isolieren & es Sprache zu nennen? Soll man etwa
sagen, daß dies Rudiment nur in der Umgebung des Ganzen, was wir
unsre Sprache zu nennen gewohnt sind, ein Sprachspiel
ist?? |
Nun vor allem
ist die Umgebung nicht die geistige Begleitung des Sprechens
(das ‘Meinen’ &
‘Verstehen’) das man sich als der Sprache
wesentlich vorzustellen geneigt ist. |
Man hat natürlich ein Recht, das
⇒Sprachspiel
№ 2 als eine
degenerierte Sprache zu erklären, aber das sind ja auch
die Sprachspiele mit denen die Kinder zu sprechen anfangen.
|
Gefährlich wäre es mir nur, wenn
53 einer sagte:
“Du setzt eben stillschweigend schon
voraus, daß diese Menschen denken; daß sie in
dieser Beziehung den uns bekannten Menschen gleichen; daß
sie jenes Sprachspiel nicht rein mechanisch betreiben.
Denn stelltest Du Dir vor, sie täten's, so
würdest Du's selbst nicht ein Sprechen
nennen.” Was soll ich nun dem antworten? Es ist natürlich wahr, daß das Leben jener Menschen dem unsern in vieler Beziehung gleichen muß, & daß ich über diese Ähnlichkeiten nichts gesagt habe. || & daß ich diese Ähnlichkeiten nicht weiter erwähnt habe. Das wichtige aber ist eben daß ich mir ihre Sprache, wie auch ihr Denken rudimentär vorstellen kann; daß es ein ‘primitives Denken’ gibt, das || welches durch ein primitives Verhalten zu beschreiben ist. |
Ich sage von
jemandem, || : er vergleicht zwei
Gegenstände. Ich weiß, wie das ausschaut, wie man
das macht. Ich kann es Einem
vorführen. Aber was ich so
vorführe, würde ich dennoch nicht unter
allen Umständen “vergleichen”
nennen. || ein
‘Vergleichen’ nennen.
Ich kann mir nun etwa Fälle vorstellen, 54 in welchen ich nicht geneigt
sein würde zu sagen, daß verglichen wird; aber die
Umstände unter welchen dies ein Vergleichen ist,
beschreiben: das könnte ich nicht. – Aber
ich kann einen Menschen den
Gebrauch des Wortes lehren! denn dazu ist ein
Beschreiben jener Umstände nicht nötig. |
Ebenso kann ich Einem zeigen, was “Schach
spielen” heißt, ich kann ihn also den Gebrauch dieses
Ausdrucks lehren. Aber ich würde auch die
Züge einer Schachpartie auf dem Schachbrett kein Spiel nennen
wollen, wenn nicht Menschen die Steine bewegten, & es
gibt noch mancherlei Bedingungen, die erfüllt sein
müssen, damit ich's ein
Spiel nennen würde, || ; & wären sie
nicht erfühlt, so könnte ich dies || das erkennen & sagen was fehlt. || sein müssen; & die mir auffielen, wenn sie
nicht erfüllt wären. |
Ich
lehre ihn eben das Wort – unter bestimmten
Umständen. || Den Gebrauch des
Worts lernt er eben unter bestimmten
Umständen. 54 |
Manchmal ist es
wirklich, als ob ein Denken neben dem Reden, Lesen
z.B., einherliefe. Nicht aber,
daß man's dann von den
Sätzen || von dem
Lesen isolieren könnte || ablösen könnte.
Vielmehr ist, was die Worte begleitet, wie eine Reihe kleiner
Nebenbewegungen. Es ist als werde
man eine Straße entlanggeführt, würfe aber
Blicke rechts & links in alle
Nebengäßchen. |
Das stumme Beten: oft nur eine Reihe von Andeutungen von
Gedanken. Gleichsam nur Winke.
Denk Dir ich zeigte jemand eine Liste von den Gängen, Besorgungen, die er für mich zu machen hat. Wir kennen uns gut & er braucht nur Andeutungen um zu wissen was er für mich zu tun hat. Die Liste enthält nun lauter solche Andeutungen. Er liest sie durch & sagt nach jeder solchen Andeutung immer “Ich versteh”. Und er versteht; er könnte jeden dieser Punkte erklären, wenn er gefragt würde. Ich könnte ihn dann auch fragen, wenn er zu Ende 55 gelesen hat:
“Hast Du alles verstanden?”
Ich könnte auch || Oder
sagen: “Geh die Liste genau durch & sieh
ob Du alles verstehst? || .” Oder
ich frage ihn bei einem bestimmten Punkt
“Weißt Du, was Du hier zu machen
hast?” – Was aber
hat || hatte er zu tun || mußte
er tun, um sich davon zu überzeugen,
daß er die || diese Andeutungen verstanden
hat? Ist es hier als müßte er bei jedem Punkt
eine Kopfrechnung machen? Beinahe scheint es so.
Wäre das nötig so könnte er später von der
Rechnung laut Rechenschaft geben & man
sähe || man würde sehen ob er
richtig gerechnet hat. – Aber das ist hier im
allgemeinen nicht nötig. Wir schreiben also
nicht vor, was der Andre beim
verständnisvollen Durchgehen
der Liste zu tun hat, & ob er wirklich verstanden hat, ersehen
wir nur aus dem, was er später tut, oder aus der
Erklärung die wir ihn uns etwa geben lassen. |
Wir
könnten nun sagen, || : Wer sich
so prüft, ob er verstanden habe, geht immer ein¤
Stück Weges der Straße nach, die er später gehen
soll. Und das könnte ja so sein. Obwohl
kein Grund ist anzunehmen, 55 daß es so sein muß || ist. Denn wenn er doch nur ein
Stück des Weges geht; warum soll er dann nicht
ohne zu gehen wissen || erkennen
können, daß er weiß, welchen Weg er zu gehen hat?
Damit ist aber nicht gesagt, daß nicht wirklich die Wege ein
Stück begangen werden. Aber es kommt auch
vor, daß, was uns später wie ein
Keim des Gedankens oder der Tat erscheint || wir
später als den Keim des Gedankens oder der Tat
ansehen, dies, seiner Natur nach, nicht ist. |
Es könnte z.B. sein, daß auf
der Liste ein Name angedeutet ist. Auf die Frage
“Weißt Du wen ich meine?” sage ich
“Ja”, wobei mir das Bild eines Andern
vorschwebt. || das Bild eines Menschen
vorschwebt, der nicht gemeint war; &
doch hatte ich richtig verstanden; & es kommt mir
etwa beim Nachdenken über diesen Fall so vor, als
hätte jenes Vorstellungsbild doch irgendeine, wenn auch nicht die
direkte Beziehung zu dem wirklich gemeinten. –
Ähnlich ist es ja, wenn man auf eine Frage den richtigen Namen
zur Antwort geben kann, sich aber verspricht & einen falschen
sagt. |
Wer nun die Liste gewissenhaft 56 durchgeht, von dem wird man sagen er
habe beim Lesen gedacht. – Und was mußte
er nun tun um dabei zu denken? Und wie konnte
er's lernen, oder wissen, was wir von ihm verlangen,
& wie können wir wissen, ob er's tut?
Und wie weiß ich, was der Andre in so einem Fall von
mir verlangt? || , & daß ich
jetzt seinen Befehl auf die gleiche Weise befolge, wie damals, als ich
dies lernte? |
Und frage ich denn Einen der die Liste durchgehen soll:
“Was hast Du Dir bei diesem Punkt
innerlich gesagt?”
– oder.
“Was || , “was hat Dir
vorgeschwebt?” – |
Und wenn nun
Einer sagte: Das heißt eben nur, daß
“Denken” das heißt, was einen bestimmten
Enderfolg hat, einen bestimmten Zweck erfüllt.
Wie Jeder es macht, & ob heute so, wie das
vorige Mal, ist gleichgültig. – So
könnte ich antworten: Wenn es aber zweckmäßig
sein sollte gar nichts zu tun, dann wäre also hier das
Denken: gar nichts tun. || So
könnte ich antworten: Und wenn es zum richtigen
Enderfolg führt gar nichts zu tun, so
bestünde also hier das Denken darin daß ¤ Einer
56 nichts
tut. || : Und wenn also
nichts zu tun den richtigen, wie es ja wohl sein
mag¤, so besteht das Denken darin, daß man nichts
tut. |
Man sagt:
Überzeug Dich, daß Du jeden Punkt
verstehst!” Wenn man mich || ich nun fragte: “Wie soll ich mich überzeugen?” Welchen Rat würde man mir geben? Man würde mir sagen: “Frag Dich, ob …” |
Ist es hier nicht wie beim Kunstrechnen? –
Er hat richtig gerechnet, wenn das Richtige
herauskam. Was in ihm vorging kann er vielleicht selbst
nicht sagen. Und hörten
wir's so erschiene es vielleicht wie ein seltsames
Zerrbild einer Rechnung. |
Wir sagen dann
von dem, er habe in einem Keim gedacht, dessen Keim sich zum
Richtigen auswächst. |
4.1.8
Man sagt auch:
“Denk! Hast Du wirklich alles
verstanden?” |
“Geh in das Geschäft
… Weißt Du welches ich
meine?” – Wenn ich nun antworte
“Ich weiß”, so scheint mir's, als
habe ich mich 57 geprüft, & gefunden,
daß ich es wisse. Man wird sich das etwa so denken,
daß mir dabei das Bild des Geschäfts vorgeschwebt habe, oder
ich mir im Innern etwas darüber gesagt habe;
etwa: es ist dasjenige in der & der Straße.
Das wäre, als hätte ich mich gefragt
“Weiß ich auch, wie das Geschäft
ausschaut?” oder “Weiß ich, in
welcher Straße es ist?” & auf diese Fragen
geantwortet. Statt mir's vorzustellen
hätte ich's dann zeichnen können & die
Straße konnte ich laut sagen || nennen. Man wird hier freilich noch bemerken,
daß das bloße Zeichnen eines Geschäfts, oder das
Nennen einer Straße kein Beweis des Wissens wäre; es
käme doch drauf an ob die Zeichnung & Beschreibung
die richtigen wären. – Aber
nicht einmal ein solches Zeichnen & Beschreiben, oder was ihm
analog wäre, geht zumeist vor sich. – Ich sage vielleicht, es habe mir das
Geschäft in höchst verschwommener Weise
vorgeschwebt, || es habe mir irgendeine Andeutung
des Gesichtsbildes || eines Bildes des Geschäfts
vorgeschwebt, || in der leisesten
Andeutung vorgeschwebt, || Ich sage vielleicht: die leiseste
Andeutung eines Bildes der Lokalität habe mir
vorgeschwebt. aber es wäre z.B. ganz
unmöglich 57 ein Bild anzufertigen || zu
zeichnen oder zu malen, das ich das Bild dieser Vorstellung
nennen könnte. Ja, wenn ich fassen möchte, worin
die Andeutung bestand, die mir zeigte, ich wisse, welches
Geschäft gemeint sei, so kann ich's nicht tun.
Ich weiß zwar wirklich, welches gemeint ist; ich kann, werde,
auch nötigenfalls eine Beschreibung davon geben, – aber wie
jene Vorstellung dies verbürgen konnte, verstehe ich
nicht. |
Wäre es nun möglich, daß – wie von Manchem
behauptet wurde || wird – ich in
Wirklichkeit gar kein Bild vor mir sehe; daß dies nun eine
Art Einbildung ist, hervorgerufen vielleicht durch unsre || die gebräuchliche Ausdrucksweise? – Aber was ist hier der Unterschied zwischen Einbildung
& Wirklichkeit? Vielleicht sagt man:
“Wenn wir uns wirklich prüfen, ob wir ein
visuelles Vorstellungsbild haben, so müssen wir gestehen, daß
keins da ist” – nun, Mancher mag
das sagen, & Mancher nicht. – Wichtig
scheint nur, daß wir geneigt sind, zu sagen, wir haben
uns überzeugt, wir wüßten, || –
wie das & das aussieht,
etc., || –, & daß
wir die Art & Weise dieses Überzeugens nicht angeben
können. 58 |
Soll ich nun sagen:
“Wir pausieren || halten inne –
& es geschieht hier || da irgend etwas,
was uns überzeugt”? Nein. Es
geschieht nichts, || geschieht nicht etwas, was uns
überzeugt; aber wir sind dann überzeugt, &
geneigt zu sagen, etwas habe uns überzeugt.
|
Ich frage
ein Kind “Wieviel ist … +
…?” Es will
antworten;
ich || . Ich sage: “Denk
nach!” – Nun sagt es eine Rechnung vor sich
hin, & dann laut das Resultat. Ich werde hier
sagen, || : es hat nachgedacht.
Natürlich hätte es auch eine ganz falsche Rechnung, oder etwas Rechnungsähnliches, vor sich hinplappern können, & wir hätten dann nicht gesagt, es habe gedacht. |
Man sagt in so einem Fall
manchmal, es || , der Mensch habe ‘laut
gedacht’. |
Wenn Einer sagt
“Man kann auch wortlos denken”,
so ist das irreleitend. Es handelt sich hier nicht darum
das man im Stande ist etwas
bestimmtes zu tun, ohne dabei etwas || das
& das andere zu tun; wie man
z.B. sagen kann || z.B.: “Man kann
auch lesen, ohne die Lippen zu bewegen”. 58 |
Wenn es
z.B. nur ganz wenige Menschen gäbe, die
die Antwort auf eine Rechenaufgabe finden könnten
ohne zu sprechen, oder zu schreiben, könnte man diese nicht
zum Zeugnis dafür anführen, daß man auch ohne
Zeichen rechnen könne. Weil es nämlich nicht klar
wäre, daß diese Leute überhaupt
‘rechnen’.
Ebenso kann auch das
Zeugnis des
Ballard
(bei James) einen nicht davon überzeugen, daß man
denken könne ohne Sprache. Ja, warum soll man, wo keine Sprache gebraucht wird, von ‘denken’ reden? Tut man's, so zeigt das eben etwas über den Begriff das Denkens. |
Man könnte
z.B. zwei (oder mehr als zwei)
verschiedene Wörter besitzen: eines für's
‘laute Denken’, eines für's denkende
Sprechen in der Vorstellung, eines
für's ‘Innehalten’, wobei
irgend etwas uns vorschwebt (oder auch nichts), woraufhin
wir aber die Antwort mit Sicherheit geben können.
Wir könnten zwei Wörter haben: eines für den Gedanken, der im Satz ausgedrückt ist; eines für den Gedankenblitz, den ich etwa erst später ‘in Worte kleiden’ kann. 59 |
Wenn man an's denkende Arbeiten
ohne alles Sprechen denkt, so || auch das denkende Arbeiten noch in
unsre Betrachtung einbezieht, so erkennt man, daß unser
Begriff ‘denken’ eben eine Menge in sich
begreift. || ein weitverzweigter Begriff ist.
Daß ihm sozusagen ein weitverzweigtes Verkehrsnetz
entspricht. || Wenn man auch das
denkende Arbeiten, ohne alles Reden, in unsre Betrachtung
einbezieht, so sieht man, daß unser Begriff
‘denken’ ein weitverzweigter ist. Wie ein
weitverzweigtes Verkehrsnetz, das viele entlegene
Orte mit einander
verbindet. |
In allen diesen
Fällen reden wir von einem ‘Denken’.
In allen diesen weit entlegenen Fällen reden wir von einem ‘Denken’. |
In allen diesen
Fällen sagen wir, der Geist sei nicht untätig, es gehe etwas
in ihm vor; & unterscheiden sie dadurch von einem Zustand der
Dumpfheit, des mechanischen Tuns. |
∣ Genie
ist das Talent, worin der Charakter sich ausspricht.
Darum, möchte ich sagen, hatte Kraus Talent, ein außerordentliches Talent, aber nicht
Genie. Es gibt freilich Genieblitze, bei denen man dann,
trotz des großen Talenteinsatzes,
59 das Talent nicht
merkt.
Beispiel: “Denn tun
können auch die Ochsen & die Esel
… …”. Es ist merkwürdig, daß das
z.B. so viel größer ist, als
irgendetwas, was Kraus je
geschrieben hat. Es ist hier eben nicht ein
Verstandesskelett, sondern ein ganzer Mensch. ∣
Das ist auch der Grund, warum die Größe dessen, was Einer schreibt, von allem Übrigen abhängt, was er schreibt & tut. ∣ |
Wenn ich mich vorsichtig
an Einen heranschleiche, um ihn umzubringen, wird man nicht
leugnen wollen, ich denke an ihn. Wenn
aber die Katze sich an einen Vogel heranschleicht, wird man zwar
sagen, sie merke auf den Vogel auf, aber nicht, sie
denke. || sie habe ihre Aufmerksamkeit auf ihn gerichtet, aber
nicht, sie denke. |
‘Denken’, ein weitverzweigter
Begriff. Könnte man dasselbe nicht auch vom
‘glauben’,
‘tun’, ‘sich
freuen’ sagen? Und wo gehört die Bemerkung eigentlich hin, dieser Begriff sei weitverzweigt? – Nun, man wird sie dem sagen, der darangeht, sich die Verzweigungen dieses Begriffs zu überlegen. 60 |
Es ist doch sehr
merkwürdig, daß man keinerlei Schwierigkeit hat in einer Figur
wie ein
Gesicht zu sehen, obwohl doch die
Unähnlichkeit des einen Winkels mit einer Nase,
des andern mit einer Stirn, etc. unglaublich groß
ist, oder eine Ähnlichkeit kaum noch vorhanden. Man
hat – wie gesagt – keinerlei Schwierigkeit hier || in diesen Strichen ein menschliches Gesicht zu sehen;
man möchte sagen || möchte geradezu
sagen, || : “so ein
Gesicht gibt es”. Oder auch:
“es ist dies zwar die Karikatur eines menschlichen
Gesichts, aber eben eines bestimmten wirklich || in der Wirklichkeit
möglichen (Gesichts). – Ganz so, wie
man keine Schwierigkeit hat im Grau & Weiß der Photographie
das menschliche Gesicht zu sehen. – Und was
heißt das? Nun, wir betrachten
z.B. einen Film & folgen allen
Vorgängen mit Anteilnahme; als hätten wir wirkliche
Menschen vor uns. |
Gott bewahre mich vorm
Wahnsinn! |
‘Denken’, ein weitverzweigter Begriff, der
viele Lebensäußerungen in sich
begreift || verbindet.
Die Denkphänomene
60 liegen weit
auseinander. |
Und willst Du
nicht sagen, Du sähest doch ein Gesicht in allen diesen
Wortverwendungen, einen echten Begriff? || einen einheitlichen, echten
Begriff? – Aber was will das
sagen? Kann nicht Gewohnheit all das
zusammenschweißen? |
∣ Im Traum,
& auch lange nach dem Erwachen, können uns
Traumworte die höchste Bedeutung zu haben scheinen.
Ist nicht die gleiche Illusion auch im Wachen
möglich? Es kommt mir so vor, als unterläge
ich ihr jetzt manchmal. Bei Verrückten
scheint es oft so. ∣ |
Wer mir etwa
irgend einen Vorfall erzählt, oder
eine gewöhnliche Frage an mich richtet (wie
viel Uhr es ist, z.B.), den
werde ich nicht fragen, ob er gedacht habe. Oder so:
Es wäre nicht ohne weiteres klar, unter welchen
Umständen man gesagt hätte, er hätte dies ohne zu
denken getan – obwohl sich solche Umstände ausdenken
lassen. (Hier ist eine Verwandtschaft mit
dem
Problem || der Frage, || : was eine
“willkürliche”
Handlung 61 (zu nennen)
sei.) |
Man kann sagen:
Wenn der normale Mensch so etwas erzählt, fragt,
etc., so sagen wir, er vollführe einen
Denkakt. – “Aber ist das nicht eben,
weil hinter seinen Worten die Lebensflammen
stehen || glühen?
(Gleichsam wie hinter der Wand eines
Ofens.)” || … weil hinter seinen
Worten das warme Leben glüht?
Aber kommt es mir so vor, wenn ich selbst so berichte, oder frage, || – ich meine: während ich's tue; nicht, wenn ich später darüber philosophiere. Und was weiß ich vom Andern? Frage ich ihm, ob er wirklich bei jenen Worten gleichsam vom Leben durchglüht war? Ja kann ich's denn überhaupt von den Leuten sagen, die tagtäglich zu mir reden? oder nehm ich's als gewiß an? |
Aber
unterscheidet sich nicht jeder Mensch, den Du etwa auf der
Straße siehst, ganz & gar von einer
Maschine. Was er tut, ganz & gar von etwas
Maschinellem || Maschinenhaften?
Ganz gewiß. Ich würde nie einen Menschen
für eine Puppe halten. Würde etwa die Bewegungen
des Mechanismus sofort als solche erkennen. What of
it? Was weiter? 61 |
Ich kann auch die
typische Beweglichkeit des menschlichen Gesichts
nicht mit geometrischen oder kinetischen
Begriffen beschreiben. (Obwohl der es vielleicht
könnte, der einen Zeichenfilm herstellen kann.) |
Wenn gefragt
würde, ob ein bestimmter Mensch, etwa einer der
geistesgestört ist, oder war, jetzt wieder denkt, so könnte
man antworten: “Ja; man sieht es, wenn er
arbeitet”, oder auch “Ja, er spricht wieder
normal”. |
Der
denkende Gesichtsausdruck, der Gesichtsausdruck des Idioten.
Das Stirnrunzeln des Nachdenkens, der
Aufmerksamkeit. |
Das Denken
– möchte man sagen – ist das, welches mich zum normalen
menschlichen Reden & Tun || Arbeiten befähigt.
Und dabei stellt man sich gleichsam ein
gasförmiges || ätherisches
Sprechen oder Räsonieren vor, was diese Tätigkeiten
begleitet.5 |
Die Fähigkeit des Denkens sei eine geistige
62 Beweglichkeit.
Und das ist sie ja. Ist denn die
Fähigkeit die Sprache zu gebrauchen
keine || nicht geistige
Beweglichkeit? |
Was ich hier
schreibe, mag
‘soft’ || nur
schwächlich || schwächliches Zeug
sein; nun, dann bin ich nicht im Stande, das
große, Wichtige, herauszubringen. Aber es liegen
in diesen schwächlichen Bemerkungen große Ausblicke
verborgen. |
5.1.
Nun denke Dir einen Menschen, oder
einen von Köhlers
Affen, der eine Banane herunterholen || von der Decke
holen will, sie nicht erreichen kann, auf Mittel & Wege
sinnt, & endlich zwei Stöcke
auseinandersetzt, etc. Denk man fragte
“Was muß dazu in ihm vorgehen?”
– Die Frage scheint irgendeinen Sinn zu
haben. Und es könnte vielleicht Einer antworten,
der Affe, wenn er nicht durch (bloßen) Zufall, oder aus einem
Instinkt heraus handelte, müsse den ganzen
Vorgang vor dem geistigen Aug gesehen haben. Aber das
wäre nicht genug, & auch || anderseits wieder zuviel. Ich will,
der Affe solle sich etwas überlegen.
Zuerst springt & läuft er vergebens nach der Banane, dann gibt er's auf & ist etwa niedergeschlagen 62 – aber diese Phase kann
wegbleiben. – Wie kann er nun
innerlich dazu kommen überhaupt einen Stock zu
ergreifen? Es könnte ihm ja ein Bild gezeigt werden,
das einen Affen darstellt, der
mit einem Stock etwas herunterholt || so etwas, &
er könnte daraufhin so handeln; oder so ein Bild könnte ihm
einfach vorschweben. Aber, das wäre doch wieder
Zufall. Er hätte dies Bild nicht durch Nachdenken
gewonnen. Und hilft es uns, wenn wir sagen, er
müsse || brauche nur seinen Arm & den
Stock irgendwie als eines || eine Einheit
gesehen haben? – Aber nehmen wir doch einmal einen
günstigen Zufall an! Die Frage ist dann:
Wie kann er aus dem Zufall
lernen. Vielleicht hatte er also den Stock
zufällig in der Hand & berührte mit ihm
zufällig die Banane. – Und was muß nun weiter
in ihm vorgehen? Er sagt sich, gleichsam,
“So
geht's!” & tut es nun
mit den Zeichen der Absichtlichkeit. || Absicht. || mit den
Zeichen des vollen Bewußtseins –
Wie kann er nun drauf kommen zwei Stöcke
aneinander zu setzen? Denk es käme ihm wieder ein
Zufall zu Hilfe. So zwar, daß er
irgendwie || irgendeinmal zwei Stücke
aneinander63
setzt & mit ihnen nun als längeren Stab spielt; &
daß er nun einmal, sozusagen den Vergleich zieht zwischen
diesem Spiel & der Situation beim Herunterlangen der Banane,
& nun entsprechend zu Werke geht. –
Hat er etwa spielend eine Kombination gemacht &
verwendet sie nun als Methode das & jenes zu tun, so werden
wir sagen, er denkt. || er
denke. – Beim
Überlegen könnte || würde er Mittel & Wege
an seinem geistigen Auge vorbeiziehen lassen. Aber dazu
muß er schon welche im Vorrat haben. Das Denken gibt ihm
die Möglichkeit zur Vervollkommnung seiner
Methoden. Oder vielmehr: Er
‘denkt’, wenn er in bestimmter Art & Weise
seine Methoden vervollkommnet. |
Man könnte auch
sagen: er denkt, wenn er in bestimmter Weise
lernt! |
Und
auch dies könnte man sagen: Wer bei der Arbeit
denkt, der wird Hilfstätigkeiten in sie
einschalten. Das Wort “denken” nun
bezeichnet nicht diese Hilfstätigkeiten, wie
Denken ja auch nicht Reden ist. Obwohl
63 der Begriff
‘denken’ nach Art einer imaginären
Hilfstätigkeit gebildet ist. (Sowie man sagen
könnte, der Begriff des Differentialquotienten sei nach Art eines
imaginären Quotienten gebildet.) |
Diese
Hilfstätigkeiten sind nicht das Denken; aber man stellt sich das
Denken vor als das || dasjenige, was unter der
Oberfläche dieser Hilfsmittel laufen || fließen || strömen muß || als den Strom der
unter der Oberfläche dieser Hilfsmittel fließen
muß, wenn sie nicht doch nur mechanisches
Tun || mechanische Handlungen sein sollen. |
Denken
ist die imaginäre Hilfstätigkeit; der unsichtbare Strom der
alle diese Arten des Handelns trägt & verbindet.
– Die Grammatik von “denken” aber
läuft der von “sprechen” parallel. || aber gleicht sich der von “sprechen”
an. |
Man könnte
also zwei Schimpansen mit Bezug auf ihre
Arbeitsweise || Arbeitsweisen unterscheiden
& von einem sagen, er denkt, vom andern, er denke
nicht. |
Aber hier
hätten wir freilich nicht 64 die volle Verwendung von
“denken”. Das Wort bezöge sich auf
ein Benehmen. Die Bedeutung der geistigen || seelischen Tätigkeit
erhält es erst durch
den besondern Gebrauch || die besondere
Verwendung in der ersten Person. |
Es ist, glaube ich,
wichtig zu bemerken, daß das Wort
eine erste Person der Gegenwart (in der Bedeutung
auf die es uns ankommt) nicht hat. Oder soll ich
sagen: daß seine Verwendung in der Gegenwart nicht mit der
z.B. des Verbums “Schmerz
fühlen” parallel läuft? |
“Ich dachte …” kann man sagen, wenn man
den betreffenden Ausdruck des Gedankens wirklich gebraucht
hat; aber auch wenn diese Worte gleichsam die Entwicklung
aus einem Denkkeim sind. |
Nun gibt es aber doch
denkendes Reden & gedankenloses, ja gänzlich
gedankenloses. – Hier muß man wieder fragen:
Was 64 ist der Nutzen des
‘Denkens’ beim Reden, warum interessiert
uns, || : ob Einer dabei
denkt? || , oder nicht?
|
Nicht
nach der Begleitung des Wortes ist zu suchen, sondern nach dem
Gebrauch. |
Und es ist ungemein
schwierig, dies einzusehen. Warum? |
Es gibt eben
Denkgewöhnungen. |
Wie lernt
ein Kind den Ausdruck “gedankenlos
sprechen”? |
Nun, es gibt verschiedene
Fälle. Es kann einer einen Satzaussprechen, den er wohl
versteht, || , den er wohl versteht, aussprechen, aber
als Sprachübung, & er gibt nur
auf die Aussprache acht. Ja er kann ihr sagen & an etwas ganz anderes denken. |
Wenn er nun den Satz
einmal beim Sprechen denkt, ein andermal ihn als
bloße Sprachübung spricht || sagt, –
begleiten das Sprechen da verschiedene || andere Vorgänge? Der
Satz hat etwa ein halbes Dutzend 65 Wörter. Wenn
verschiedene Vorgänge ihn begleiten, – sind sie
z.B. für ein jedes Wort
verschieden? Oder geht || zieht ein
verschiedener Grundton durch den ganzen Satz? Und
müssen diese || jene Vorgänge unbedingt
während des Aussprechens statthaben, oder können
sie dem Satz folgen, oder vorangehen? Eine
allgemeingültige klare Antwort scheint es nicht zu geben.
|
Aber auf
die Aussprache achtgeben ist doch gewiß ein bestimmter
Seelenzustand oder Vorgang! – Was weiß ich von
seiner Bestimmtheit? Ich kann etwa sagen:
“Ich werde jetzt acht geben” &
jede Störung
fernhalten || halte jede Störung fern. Dann
sag ich “Ich hab's genau
gehört; es klang so: …” |
Der
Zusammenhang, im welchem ich auf die Aussprache
achte, oder aber den Sinn der Worte
meine, auf diesen scheint es hauptsächlich anzukommen.
|
Ich kann
einen Satz als Sprachübung aussprechen & dabei auf
seinen Sinn gar nicht achten, ich kann ihn zitieren
& es kommt mir dabei nun auf den exakten Wortlaut an, oder ich
lese 65 ihn in einer Novelle, oder
ich sage ihn Einem als Behauptung im Gespräch. Hat er
jedesmal eine andere Denkbegleitung? |
Wenn der
Satz “Sie hatte die schwarzen Augen der
Blidders” eine Novelle anfängt, ist seine
Denkbegleitung eine andere als sie wäre, wenn man
von ‘ihr’ schon etwas wüßte? |
Denk Dir,
jemand hätte in normaler Weise irgendein Gespräch mit uns
geführt, & dann versichert er uns, er habe ganz
mechanisch, oder ganz ohne zu denken, gesprochen? (Es
wäre sehr ähnlich, wie wenn er uns nach einem
gewöhnlichen Spaziergang versicherte er habe alle seine
Bewegungen unwillkürlich gemacht.) Unter diesen Umständen reden wir eben nicht von mechanischem, oder ganz gedankenlosem Reden. |
Nur unter ganz
bestimmten || speziellen Umständen tritt
die Frage auf || hat die Frage einen
Sinn, ob denkend geredet wurde, oder
nicht. |
Die Verwendung so eines
Wortes wie “denkend” ist eben viel
erratischer, als 66 es zuerst den Anschein hat. || als man geneigt wäre, zu
glauben. Man kann das auch so sagen: der Ausdruck dient einem viel spezielleren Zweck, als seine Form es vermuten läßt. || als man's seiner Form ansieht. Denn diese ist eine einfache, regelmäßige Bildung: Wenn das Denken oft, oder zumeist, mit dem Reden zusammengeht, so ist natürlich die Möglichkeit vorhanden, daß es einmal nicht mit ihm läuft || geht. || , daß es einmal nicht die Begleitung bildet. |
Ich lerne eine fremde Sprache
& lese die Satzbeispiele in einem Übungsbuch.
“Meine Tante hat einen schönen
Garten.” Er hat ein Übungsbuch
Aroma. Ich lese ihn & frage mich
“Wie heißt ‘schön’ auf
…?” dann denke ich an den Fall. –
Nun, wenn ich jemandem mitteile, meine Tante habe … , so
denke ich an diese Dinge nicht. Der Zusammenhang, in dem
der Satz stand war ein andrer. || ein ganz anderer. –
Aber konnte ich nicht jenen Satz im Übungsbuch lesen &
bei ihm trotzdem an den 66 Garten meiner Tante denken?
Gewiß. Und soll ich nun sagen die Denkbegleitung ist
jedesmal eine andere, jenachdem ich den Satz einmal als reine
Übung sehe, einmal als Übung mit dem Gedanken an jenen
Garten, einmal wenn ich ihn jemandem einfach als Mitteilung
sage? – Und ist es unmöglich, daß mir Einer
mitten im Gespräch diese Mitteilung macht &
dabei in ihm ganz das gleiche stattfindet, wie wenn er den Satz
als Sprachübung behandelt? Kommt es
mir denn darauf an, was in ihm geschieht? Erfahre
ich's denn? |
Und wie kann ich denn
überhaupt mit irgendwelcher Sicherheit darüber
schreiben? Denn, während ich dies tue, lerne ich ja
keine Sprache & mache niemand jene Mitteilung. Wie
kann ich dann also wissen was in so einem Falle in jemand
vorgeht? Erinnere ich mich denn
jetzt an das was in diesen Fällen in mir vorging?
Nichts dergleichen. Ich glaube nur, mich jetzt in diese
Lagen hineindenken zu können. Aber da mag ich
doch ganz & gar irregehen. Und dies ist ja die Methode, die 67 man im solchen Fällen
immer anwendet! Was man dabei an sich
erfährt ist charakteristisch nur für die Situation des
Philosophierens. |
Was weiß ich von den
inneren Vorgängen Eines, der mit Aufmerksamkeit einen
Satz liest? Und kann er mir sie beschreiben, nachdem
er's getan hat & ist was er etwa
beschreibt eben der charakteristische Vorgang der
Aufmerksamkeit? |
Welche Wirkung will ich
denn erzielen, wenn ich jemand sage,
“Lies
aufmerksam!”? Etwa daß ihm das
& jenes auffällt, er davon berichten kann. –
Wieder könnte man, glaube ich, sagen, daß wer
einen Satz mit großer Aufmerksamkeit liest, dann von Vorgängen
in seinem Geist, Vorstellungen etwa, im allgemeinen
wird berichten können. Aber das heißt nun nicht
daß diese Vorgänge die Aufmerksamkeit
ausmachten. |
Was tue ich mit einer
Mitteilung, er habe beim Lesen des Satzes an etwas ganz anderes
gedacht? Welche Schlüsse, die mich interessieren,
kann ich aus dieser || 67 so
einer Mitteilung ziehen? Nun, etwa,
daß ihn jene Sache beschäftigt; daß ich nicht zu erwarten
habe, er wisse wovon das Gelesene gehandelt hat; daß ihm das
Gelesene keinen Eindruck irgendwelcher Art gemacht hat;
u. dergl.. |
Darum
hat || hätte
es ja auch keinen Sinn wenn jemand, der mit mir ein angeregtes
Gespräch hatte mir danach versicherte, er
habe ganz ohne zu denken gesprochen || geredet. Und zwar nicht, weil es aller
Erfahrung widerspricht, daß Einer der so reden kann,
es ohne die Begleitvorgänge des Denkens tue. Sondern,
weil es sich hier zeigt, daß uns die Begleitvorgänge
überhaupt nicht interessieren & nicht das Denken
ausmachen. Wir kümmern uns den
Teufel um seine Begleitvorgänge
wenn er ein Gespräch mit uns
hätte. || führt. || wenn er mit uns ein Gespräch in normaler Weise
führt. |
“Es zuckte mir
durch den Sinn: …” Nun, diesen Ausdruck
lernt der Mensch gebrauchen. Fast nie frägt man Einen
“Wie zuckte es Dir durch den Sinn? Hast Du
etwas || gewisse Worte gesagt, hast Du
etwas in der Vorstellung vor Dir 68 gesehen; kannst Du
überhaupt sagen, was in Dir
vorging?” |
Wenn man erkennen will
wie Verschiedenes “Gedanke” heißt, braucht
man ja nur einen rein mathematischen Gedanken || einen Gedanken der reinen Mathematik
mit einem nicht-mathematischen vergleichen. Denk
nur was alles “Satz” heißt! |
Auf die
Versicherung des Denkenden, es sei gewiß
beim || im Denken etwas
während des Sprechens vorgegangen, ist natürlich
nichts zu geben. || Auf die Versicherung
dessen, der denkend gesprochen hat || des
Denkenden, es habe gewiß das Denken in einem
Vorgang während des Sprechens bestanden, ist natürlich
nichts zu geben. || … es habe
gewiß das Denken als Vorgang während des Sprechens
stattgefunden, ist natürlich nichts zu
geben. || … es habe gewiß
der Vorgang des Denkens während des Sprechens
stattgefunden, ist natürlich nichts zu
geben. |
6.1.
Wie lernt ein Mensch den Gebrauch von
“Ich dachte …”, dort wo es nicht
heißt “Ich glaubte …”.
Wie lernt er einen Wortausdruck gebrauchen
68 mit Bezug auf
einen plötzlichen Einfall? Nun es gibt Zeichen der plötzlichen Erkenntnis & diesem folgt ein Gedankenausdruck; & wir sagen dem Kind bei so einen Anlaß etwa “Wie Du zusammengezuckt bist hast Du plötzlich gedacht …” Das heißt: die Reaktion muß eben zuerst spontan kommen & dann können wir den Andern den gebräuchlichen Ausdruck lehren. Es ist hier natürlich nicht anders als wie im Falle, wenn der Mensch den Ausdruck “Ich habe geträumt” lernt. |
Ich sage hier freilich auch
etwas irrelevantes. Denn das || Das Kind
muß nicht zuerst einen primitiven Ausdruck
gebrauchen, den wir dann durch den gebräuchlichen
ersetzen. Warum soll es nicht sogleich den Ausdruck der
Erwachsenen gebrauchen, den öfters gehört hat.
Wie es “errät”, daß dies
der richtige Ausdruck ist, oder wie es
drauf kommt ihn zu gebrauchen ist ja ganz
gleichgültig. Hauptsache ist: es gebraucht
ihn – nach welchen Präliminarien immer – so wie
die Erwachsenen 69 ihn gebrauchen:
d.h., bei denselben Anlässen, in der
gleichen Umgebung. Er sagt || errät
auch: der Andre habe gedacht … |
Wie wichtig ist das
Erleben der Bedeutung im sprachlichen Verkehr?
Was wichtig ist, ist, daß wir beim Aussprechen eines Worts etwas intendieren. Ich sage z.B. “Bank!” & will damit jemand erinnern, er solle auf die Bank gehen, & ich meine dabei das Wort in der einen, & nicht in der andern Bedeutung. – Aber die Intention ist eben kein Erlebnis. |
Aber wie kann
sie kein Erlebnis sein, wenn sie sich doch auf einen Zeitpunkt
bezieht. – Da ist es ja fast, als sage man
nur man habe intendiert, während eben zu jener
Zeit nicht wirklich etwas eben zu jener Zeit nicht wirklich etwas
geschehen wäre! Als wäre diese Vergangenheit
nur, sozusagen, eine Konstruktion. Und sie ist es
(aber || dennoch) nicht.
|
Was
unterscheidet sie aber vom Erlebnis? – Nun, sie hat
keinen Erlebnisinhalt. Denn die Inhalte
(Vorstellungen z.B.), die mit ihr oft
Hand in Hand gehen, sind 69 nicht die Intention selbst. || … , die sie oft wie Illustrationen begleiten,
sind nicht die Intention
selbst. || , die sie oft,
gleichsam, illustrieren, sind nicht die Intention
selbst. – Und doch ist sie auch nicht
eine Disposition, wie das Wissen. Denn die Intention war
vorhanden als ich es sagte; sie ist jetzt nicht mehr vorhanden;
aber ich habe sie nicht vergessen. |
Soll ich die Intention
einen Bewußtseinszustand nennen? Kann sie die
Dauer eines Sinneseindrucks haben? || eines
Eindrucks haben? Also zugleich mit
ihm anfangen & enden? |
“Wissen” wie ich es gebrauche, heißt nicht
“sich einer Sache bewußt sein”. Das
Wissen ist von der Richtung der Aufmerksamkeit
unabhängig. Wende ich aber meine Aufmerksamkeit ganz
von einer Sache ab, so bin ich mir ihrer || etwas ab,
so bin ich mir seiner nicht mehr bewußt. |
Könnte ich
nun “Absicht” zweierlei nennen: etwas, was
andauern kann auch wenn ich mir seiner nicht bewußt
bin, & etwas anderes, was ein Bewußtseinszustand
ist? – Wenn ich einen Weg mache um in diese Stadt zu
kommen, so habe ich die Absicht insofern
ununterbrochen, 70 als ich sie nicht
geändert habe. Aber meine Gedanken müssen nicht
bei ihr sein, & insofern kann ich sie
vergessen. Was hier nicht heißt, daß ich um
mein Ziel gefragt, sagen werde, es sei mir entfallen.
|| Was hier nicht heißt,
es || sie sei mir
entfallen. Was soll ich aber von meiner Absicht sagen, als ich ihm befahl “Geh zur Bank!”? – Was nenne ich “an meine Absicht denken”, wenn ich auf dem Weg nach … bin, um das & das zu tun? – Wann sagt man “Die Absicht stand mir klar vor Augen”? |
Nimm an, ich trachtete,
jemand zu überreden, dort & dort hin zu gehen, das
& das zu tun –, kann ich leicht
sagen mir sei während dieser ganzen Unterredung
dringend darum zu tun er möge … ; habe ich nicht
die intensive || intensivste Absicht ihn dahin zu bringen? –
Diese Absicht könnte man einen Zustand meiner Seele
nennen. Man kann sie mit einem Feuer vergleichen, was in
mir brennt. Es ist auch schwer diesen Zustand eine
Disposition zu nennen; aber man kann ihn auch mit dem des Schmerzes,
z.B. nicht vergleichen. 70 |
Ich bin nicht geneigt zu
sagen “Ich habe beim Sprechen die Absicht
gefühlt”, “die Erfahrung der Absicht
gehabt”, oder dergleichen. – Ich würde
sagen: “Ich habe die feste Absicht
gehabt”, “Ich habe mich nicht
von ihr abbringen lassen”, “Ich habe an ihr
festgehalten”. Das Bild ist, man ergreift etwas,
& hält daran fest. |
Ist eine Absicht eine
Disposition? Bin ich mir meiner Absicht bewußt,
während ich ihn zu überreden trachte?
Doch gewiß! Man sagt: “die Absicht
stand von meiner Seele”. Also
gleichsam wie das Ziel auf das ich zulief.
“Ich habe diese Absicht nie aus den Augen
verloren”. |
Was ist nun der
Unterschied zwischen diesen beiden Fällen: Im
einen sage ich “Geh zur Bank!”
& meine dabei … – im andern, der also doch auch
möglich sein muß sage ich dasselbe, meine aber dabei nichts,
erkläre den Satz aber, wenn ich nach der Bedeutung gefragt
werde, so wie im ersten Fall. Kann ich mit Sinn sagen, ich habe das & das gemeint, damals 71 als ich es sagte, so muß
es ja auch den andern Fall geben, in welchem ich's
damals nicht gemeint habe, & nur den
Satz || meine Worte nachträglich durch eine
Erklärung ergänze. |
Ich könnte mir nur
zwei Fälle vorstellen. Den, ich habe beim Sprechen
nichts gemeint; & den, ich habe etwas anderes
gemeint. Im zweiten Fall ging eine
Änderung meiner Absicht vor
sich. Aber wie schaut der erste Fall aus??
Soll ich sozusagen im Halbschlaf geredet haben? Oder
bloß unaufmerksam? – Es gibt ja
wirklich den Fall, in dem man sagt “Ich habe
kaum daran gedacht, als ich's ihm sagte;
ich war zu sehr mit …
beschäftigt”. |
Denn es könnte doch
allerdings sein, daß ich Einem jenen Befehl
gewohnheitsmäßig & daher ganz mechanisch
gäbe, daß etwa der Reflex dieses
Befehls bei mir durch das Schlagen einer Uhr ausgelöst
würde; & in diesem Fall könnte man ja wirklich sagen
ich habe mit meinen Worten so wenig gemeint, wie eine
71 Maschine die sagt
“stand clear of the gates”. || Sprechmaschine. |
Denn wenn die Worte so
einer Maschine auch in einer bestimmten Weise gemeint sind,
& dementsprechend erklärt werden könnten, so
hat doch die Maschine sie nicht so gemeint. |
Es ist
wahr, || : ich konnte mich mehr, oder weniger
intensiv mit dem beschäftigen, was ich
sagte. Und hier handelt sich's offenbar
nicht um bestimmte Erlebnisse während des
Aussprechens der Worte. D.h.,
man könnte nicht sagen “Beim Aussprechen des
Wortes ‘Bank’ mußte das & das
vorsichgehen, wenn es wirklich so gemeint
war”. |
Daß man nun doch das
Wort isoliert, fern von jeder Intention, ‘einmal mit einer,
einmal mit einer andern Bedeutung aussprechen’ kann, das ist
ein Phänomen das nicht auf das Wesen der Bedeutung reflektiert;
so daß man sagen könnte “Siehst Du, auch
das || dies kann man mit einer
Bedeutung machen”. –
Sowenig wie man sagen
72 könnte:
“Schau, was man mit einen Apfel alles machen
kann: man kann ihn essen, sehen, zu haben wünschen, sich
vorzustellen versuchen.” Sowenig, wie es für
den Begriff ‘Nadel’ &
‘Seele’ charakteristisch ist, daß man
fragen kann || wir fragen können, wieviele
Seelen auf einer Nadelspitze Platz haben. – Es
handelt sich hier, sozusagen, um einen Auswuchs des
Begriffs. |
(Ich treibe, so
seltsam das klingen mag, in allen diesen Betrachtungen
Logik. Wenn ich's auch ungeschickt
mache & die logische Bedeutung dessen, was ich sage, noch
schwer zu sehen ist.) |
Statt
“Auswuchs des Begriffs” hätte ich auch sagen
können “Anbau an den Begriff.” –
In dem Sinne, im welchem es auch nicht zu einem
Personennamen || dem Wesen des Personennamens gehört,
daß er die Eigenschaften seines Trägers
zu haben scheint. –
“Schubert heiß
ich, Schubert bin
ich.” |
Ich redete von einem
‘Auswuchs’, oder
‘Anbau’ an einem Begriff. Das heißt
natürlich, daß ein neues Sprachspiel
72 an das alte
angebaut wurde (geradeso wie wenn man von den Farben der
Vokale redet.) |
Denk Dir eine Aufschrift, die schon ganz unleserlich wäre mit
Ausnahme des Wortes “Bank”, das man noch lesen
kann. Ich schaue die Aufschrift an,
lese das Wort & halte es für den Namen des
Sitzgeräts. Wenn jemand mit mir später
über die Aufschrift spricht, sage ich
“Ich habe es als selbstverständlich
hingenommen, daß es … bedeutet”.
Wann habe ich's so hingenommen?
Als ich die Aufschrift zu lesen trachtete. Aber das
bestand natürlich nicht darin, daß das Lesen des Worts
von einem bestimmten Erlebnis begleitet war. –
Nun, dieses unwillkürliche Auffassen des Worts
ähnelt dem ‘Erleben des Wortes in der
Bedeutung …’ Sowie das gewollte, oder ungewollte Sehen eines Dreiecks,
z.B., in dem & dem Aspekt dem
Halten des Dreiecks für das & das
ähnelt. |
Aber wenn nun der Befehl
“Geh zur Bank!” in einem
Theaterstück vorkäme, & ich ihn in einer Rolle
ausspräche, 73 könnte ich ihn nicht doch
meinen, auch abgesehen davon, daß er im Stück einen
bestimmten Sinn hat? Nun, was wäre der Gegensatz zu
‘ihn meinen’? Wäre es
nicht: ihn bloß sagen, aber ohne den entsprechenden, oder
ohne jeden, Gedanken? Was anderes sollte es heißen
wenn ich jemandem in so einem Falle versicherte ich habe dies in
meiner Rolle gesprochen, es aber nicht irgendwie gemeint?
Aber was würde, daß ich die Worte ‘bloß
gesprochen’ habe den Andern mitteilen?
Entweder, || : ich hätte dabei an
etwas anderes gedacht, oder mich in irgend einem abnormalen geistigen Zustand befunden
(Vergleich mit dem Begriff
‘willkürlich’.) |
Ich könnte mir hier
auch den Fall vorstellen, daß für den Schauspieler die Worte
“geh zur Bank” die Bedeutung hatten “geh zu
dieser Kulisse” & er an eine Bank gar nicht
dachte. Aber hier gibt es nun allerlei Übergänge & Schwankungen. |
Wie kann man den
Geisteszustand¤ dessen der einer
Befehl halb automatisch gibt, von dem unterscheiden in welchem er
den Befehl mit Nachdruck,
wohlüberlegt 73 || eindringlich,
gegeben wird? || nachdrücklich,
eindringlich gegeben wird?
“Es geht in dessen || dieses
Menschen Geist etwas anderes vor.” Denk an
den Zweck der Unterscheidung. – Was sind die Zeichen
des Nachdrucks? |
Kann man sagen
Einer habe eine Intention mehr oder weniger
nachdrücklich? |
Nach langer
Überlegung gibt man einen Befehl. Niemand wird sagen,
er sei halb automatisch gegeben worden. Der Ton in dem man
ihn gibt, wird wahrscheinlich ein anderer sein. |
Ich möchte sagen: Wenn ein Mensch mit seinen
normalen Fakultäten unter den & den Umständen so ein
Gespräch hat, dann hat er gedacht. |
Wenn
ein sonst normaler Mensch unter den & den normalen
Umständen ein normales Gespräch führt, & ich
gefragt würde wie sich in so einem Falle der Denkende vom
nicht Denkenden unterschiede, – ich wüßte nicht zu
antworten. Und ich könnte gewiß
nicht sagen, daß der Unterschied in etwas liegt was
während des Sprechens vorsichging, oder nicht
vorsichging. 74 |
Die Grenzlinie zwischen
‘denken’ & ‘nicht denken’,
die hier gezogen würde, liefe zwischen zwei Zuständen, die sich durch
nichts einem Spiel der Vorstellungen auch nur ähnlichem
unterschieden. Denn das Spiel der Vorstellungen
bleibt ja doch das, was man sich als das Charakteristikum
des Denkens denkt. |
“Er hat seine
Antworten auswendig gewußt” & sich
nichts bei ihnen gedacht.” Denk Dir, ich sage “Ich habe meine Antworten auswendig gewußt & mir nichts bei ihnen gedacht” wie unterschiede sich, was in mir damals vorging von dem beim denkenden Antworten. Allerlei Unterschiede fallen mir ein: Ich höre gar nicht genau hin auf das was der Andre sagt; Gedanken kommen in meinen Sinn, die sonst unmöglich wären; ich schaue auch den Andern ganz anders an; mit einem Wort benehme mich so, daß der || ein Andrer erraten könnte, ich wisse meine Reden auswendig, beim 74 auswendig Reden werde ich
auch gewisse Fehler machen, die ich sonst nicht machen
würde, oder eine Unsicherheit dort fühlen wo
ich sie sonst nicht fühlen würde, und umgekehrt;
u.s.f.. |
Ist “Ich
habe den Satz auswendig hergesagt” die Äußerung eines
Erlebnisses? Man wird (im allgemeinen) sagen,
Einer müsse wissen, ob er den Satz auswendig hergesagt,
oder ihn ad hoc gebildet habe. |
“Ich
habe diese Worte gesagt, aber mir gar nichts bei ihnen
gedacht”, das ist eine interessante Äußerung,
weil die Folgen interessant sind. Du kannst Dir aber immer
denken, daß wer dies sagte sich bei der Introspektion geirrt hat;
aber es würde uns gar nichts machen || aber
das würde nichts machen. |
Was aber soll ich nun
sagen: Ist dem, der gedankenlos geredet hat, ein Erlebnis
abgegangen? Waren es z.B.
Vorstellungen? – Aber wenn ihm die abgegangen
wären, hätte das für uns dasselbe Interesse
wie dies, daß er ohne zu denken
gesprochen hat? Sind es die Vorstellungen, die
75 uns in diesem Falle
interessieren? Haben wir in seiner Äußerung nicht
eine Art Signal von ganz anderer Bedeutung? |
Soll ich sagen:
“Wenn Du nicht automatisch gesprochen hast (was
immer das heißen mag) & wenn Du Deine Absicht
nicht erst später erhalten, oder geändert hast so
hattest Du sie, als Du sprachst”? |
“Er hat an
nichts anderes gedacht, als ihn davon abzubringen”.
Man könnte das auch von der Person eines Theaterstücks
sagen. Es drückt sich also im Benehmen & im
Reden aus. |
“Ich hatte die
ganze Zeit den dringenden Wunsch, er möchte sich
umstimmen lassen.” |
“Ich habe mit
dem Satz nichts gemeint, ich hab ihn nur vor mich hin
gesagt.” Wie merkwürdig, daß ich damit auf
kein Erlebnis während des Sprechens anspiele & daß ich
trotzdem keinen
bezweifelbaren Satz || nichts bezweifelbares
ausspreche. |
7.1.
Es ist sehr merkwürdig, daß
die Vorgänge beim Denken uns so gut wie
75 nie interessierten.
(Aber natürlich sollte ich nicht sagen, es sei
merkwürdig.) |
Nun,
das || Ähnliches könnte man in
andern Fällen auch sagen. Wenn mir jemand mitteilt
Einer habe geschmunzelt, so interessiere ich mich für die
genauen Veränderungen der Gesichtszüge auch
nicht. Und so könnte man meinen sei es, wenn ich nicht
wissen will genau welche Vorstellungen, etc.,
Einer hat wenn er, z.B., den
& den Satz nur wegen seines seltsamen Klangs wiederholt ihn
aber nicht eigentlich gemeint hat. |
Aber ich bezweifle,
daß man da auf der rechten Spur ist. |
Die Frage
“Was hast Du gemeint”, &
ähnliche können in zweifacher Weise verwendet
werden. Im einen Fall wird einfach eine
Sinn- oder
Bedeutungserklärung verlangt, damit man mit dem Sprachspiel
fortfahren kann. Im andern Fall interessiert uns
etwas, was zur Zeit, als der Satz gesprochen wurde,
vorsichging || geschah. Im ersten Falle würde uns ein psychologischer Bericht, wie dieser “Zuerst sagte ich's nur zu mir selbst, 76 dann wendete ich mich an
Dich & wollte Dich erinnern etc.”
nicht interessieren. |
Hast Du das
gemeint? Ja, es war der Anfang dieser Bewegung.
|
Ich
stelle noch nicht die richtige Frage. |
Denken wir uns diesen
Fall: Ich soll um 12 Uhr jemand daran erinnern, er solle
auf die Bank gehen, Geld holen. Ich
schaue || Mein Blick fällt um 12 Uhr auf
die Uhr & ich sage “Bank!”, || (zu ihm gewendet, oder auch nicht); vielleicht mache ich
eine Gebärde, die man manchmal macht, wenn man sich
plötzlich einer Sache, die zu tun ist,
besinnt || entsinnt. – Gefragt,
“Meinst Du die … Bank?” werde
ich's bejahen. – Gefragt
“Hast Du beim Sprechen die … Bank
gemeint”, auch. – Wie, wenn ich das letztere
verneinte?! Was würde das dem Andern
mitteilen? Etwa, daß ich beim
Sprechen den Satz anders gemeint, ihn aber dann doch
für deren Zweck verwenden wollte. Nun, das
kann vorkommen. Es könnte auch sein, daß ich,
als mein Blick auf die Uhr fiel, in seltsamer automatischer Weise das
Wort “Bank” ausspreche, so daß ich dann
berichte “Ich hörte mich plötzlich das Wort
sagen, ohne mit ihm 76 irgend eine
Bedeutung zu verbinden. Erst später || Erst nach einigen Sekunden erinnerte ich mich daran,
daß Du zur Bank solltest.” – Die Antwort,
ich hätte zuerst das
Wort anders gemeint, bezog sich doch
offenbar auf die Zeit des Sprechens; & ich hätte
mich auch so ausdrücken können: “Ich
habe zuerst || beim Reden an diese
Bank gedacht,” nicht an …”. – Die Frage ist nun: ist dieses
‘Denken an … ’ ein Erlebnis?
Es geht häufig, vielleicht immer, mit einem Erlebnis zusammen,
möchte ich sagen. Zu sagen man habe damals an
diese Sache gedacht, auf die man nun zeigen, die man
beschreiben kann, etc., ist förmlich als sagte
man: Dieses Wort, dieser Satz, war der Anfang von diesem
Gedankenzug, von dieser Bewegung. Nicht aber so, als ob ich
dies durch nachträgliche Erfahrung
wüßte; sondern die Äußerung “Ich habe
bei diesen Worten an … gedacht” knüpft eben
selber an jenen Zeitpunkt an. Und wenn ich
sie in der Gegenwart statt in der Vergangenheit machte,
hieße sie etwas anderes. |
Warum aber will ich
sagen, jenes Denken sei kein Erlebnis? – Man
kann an die ‘Dauer’ denken. Wenn ich
statt des einen Wortes einen ganzen Satz gesprochen hätte,
könnte ich nicht den || von einem
Zeitpunkt im 77
Aussprechen || Sprechen des Satzes sagen, er sei der Anfang des
Gedankens || Denkens gewesen, noch auch der
Augenblick in dem es stattgefunden hat. Oder, wenn man
den Anfang & Ende des Satzes, den Anfang
& Ende des Gedankens nennt, dann ist es nicht klar ob
man von dem Erlebnis des Denkens sagen soll, es sei während
dieser Zeit einförmig, oder es sei ein Vorgang, wie das
Sprechen des Satzes selbst. |
Ja, wenn man von einer
Erfahrung des Denkens spricht, so ist die Erfahrung des
Redens so gut wie jede andre. Aber der Begriff
‘denken’ ist kein Erfahrungsbegriff. Denn
man vergleicht Gedanken nicht, wie man Erfahrungen vergleicht.
|
Man
kann Einen im Denken stören, – aber im Beabsichtigen? – Allerdings || Wohl aber
im Planen. Auch im Festhalten einer Absicht, nämlich
im Denken oder Handeln. |
‘Sag
“a b c d e” & mein: Das
Wetter ist heute schön.’ Soll ich also sagen,
daß das Erlebnis des Aussprechens eines Satzes einer uns
geläufigen Sprache ein ganz anderes ist als das des Aussprechens
eines Satzes uns nicht in bestimmten Bedeutungen geläufiger
Zeichen? 77 Wenn ich also jene Sprache lernte
in welcher “a b c d e” den Sinn … hat,
würde ich nach & nach das uns bekannte Erlebnis beim
Aussprechen eines Satzes kriegen. Oder soll
ich sagen, wie ich geneigt bin zu sagen, die
Hauptverschiedenheit der beiden Fälle liegt darin, daß
ich mich im einen nicht bewegen kann. Es ist als wäre
eines meiner Gelenke in Schienen & ich wäre noch nicht an
sie gewöhnt & hätte
daher noch nicht ihre möglichen Bewegungen inne, stieße also
sozusagen in einem fort an. (Gefühl des
Weichen.) |
Denk Dir,
ich wäre mit einem Menschen beisammen, der diese Sprache
spricht, & mir wäre gesagt worden, “a b c d
e” heiße das & das, & ich solle
es || dies sagen, weil es höflich sei. Ich
würde es also etwa mit einem freundlichen
Lächeln & einem Blick zum Fenster hinaus sagen.
Wäre das nicht schon || allein genug, um
mir diese Zeichen weniger fremd fühlen zu
lassen? || zu machen? || allein
genug um mir diese Reihe von Buchstaben als Zeichen
näherzubringen. |
Denk Dir ein Verbum mit
der Bedeutung “denkend reden”. Für
diese Menschen sei dies ein einheitlicher Begriff || eine Begriffseinheit. Sie
78 haben (etwa) auch ein
Wort für das bloße Hervorbringen der Laute einer Sprache, aber
es wird nur sehr selten dort verwendet, wo wir
“sprechen” sagen. So ein Verbum wäre nicht ein rein psychologisches, d.h., entspräche nicht ganz unsern psychologischen. Betrachte die erste Person der Gegenwart. |
8.1.
Wir möchten oft sagen, wir
können uns den & den Fall vorstellen; wir sind aber
doch nicht darauf vorbereitet, ihn völlig zu beschreiben.
Wir glauben, wir könnten es, bleiben aber stecken.
Wir haben eine allgemeine Beschreibung des Falls nach Analogie anderer uns bekannter; aber es ist als wäre der Weg in den wir eingebogen sind, plötzlich || unerwartet zu einem || zu einem unerwarteten Ende gekommen. Aus diesem Vorgang könnte man viel lernen. |
Wie
sollen wir uns (nun) die Anwendung des Zeitworts für
“denkend reden” vorstellen? Man
könnte es natürlich für einen Papagei & ein
Grammophon anwenden. Wenn ich aber
z.B. einen Satz in einem Übungsbuch lese um
ihn in's … zu
78 übersetzen; kaum habe
ich ihn gelesen, so fällt mir ein, wie dumm er ist; ich mache
vielleicht eine Bemerkung über seinen
Inhalt. – Hab ich ihn gedacht?
Oder erst nach dem Lesen? Das könnte
man schwer sagen, wenn nicht das Lesen unter sehr seltsamen
Bedingungen vor sich gegangen ist || wäre. Ich lese
“Die Gärtnerin meiner Tante hat schöne
Rosen.” Ja; ich kümmere mich um den Inhalt
nicht, – aber habe ich nicht doch denkend,
d.h., verstehend, gelesen?
Was ich sagen will, ist: Ist irgend ein radikaler Unterschied zwischen diesem
Lesen, oder Sprechen des Satzes & dem Lesen dieses Satzes in
einer Geschichte, etwa? |
Man könnte von
‘Anteilnahme’ reden.
Und worin liegt die || meine Anteilnahme an einem
Satz den ich spreche? An dem, wird man sagen, was dabei
in mir vorgeht. Ich möchte
sagen: An den Verbindungen, Zusammenhängen, die ich
mache. Es ist nämlich die Frage: Was immer
beim Anteilnehmen in mir vorsichgeht, – wodurch ist es ein
Anteilnehmen an dem Inhalt dieses Satzes? Warum ist
es z.B. nicht eine pathologische Aufregung
in mir, die das Sprechen 79 begleitet? |
Kann ich wirklich sagen
es sei beim ‘gedankenlosen’ Lesen des
Übungsbuchsatzes in mir etwas ganz anderes, oder
einfach, etwas anderes geschehen, wie || als
beim verständnisvollen Lesen des Satzes in anderem
Zusammenhang? Ja; || , –
Unterschiede sind da. Ich werde
z.B. auf den gleichen Satz in gewissem
Zusammenhang sagen “Ja, so war
es?”, oder ¤ich werde
überrascht, enttäuscht, gespannt, befriedigt sein,
etc.. |
Wenn ich
nun, z.B., jenen Satz mit
Staunen las, – ist das Staunen ein Denken, ein
Empfinden?? Es ist klar, || : wir unterscheiden einen stumpfen Gesichtsausdruck beim Lesen & einen in dem sich der Sinn des Gelesenen spiegelt, also z.B. Staunen, Freude, Spannung. |
Es gibt Ausrufe des
Staunens, Mienen, Gebärden. Aber
‘staunen’ ist ein seelischer Vorgang, denn
“ich staune” bezieht sich nicht aufs Benehmen des
Staunens. (Übrigens: der Ausdruck des 79 Staunens ist nicht eine
gleichbleibende Miene, oder dergl.,
sondern eine Bewegung, wie der Ausdruck der Überraschung.
Unterscheidung zwischen Staunen & Depression || Traurigkeit z.B..) |
Wäre es
richtig zu sagen, || : das
Staunen über diesen Inhalt sei ein andrer
Vorgang als das Staunen über einen andern? |
Ich lese den
Dialog eines Dramas mit Anteilnahme. Ich lese eine Antwort
des unglücklichen Helden & nicke mit dem Kopf, als
wollte ich sagen, || um zu sagen
“Also dahin ist es gekommen!” –
Ich könnte auch nachher berichten, ich habe
das beim Lesen dieser Rede gefühlt.
(Und nun wird vielleicht jemand sagen ich habe die
das Nicken meines Kopfes gefühlt.) Man sagt
auch: die Antwort hat mir das Herz
zusammengezogen. Ich berichte also über
Erlebnisse, während des Lesens, oder Sprechens. Aber
wohlgemerkt, diese Erlebnisse sind gerichtet, sie
beziehen sich auf etwas. Und darum, will ich
sagen, sind 80 sie nicht Erfahrungen. |
∣ Schiller
schreibt in einem Brief (ich glaube an Goethe) von einer ‘poetischen
Stimmung’. Ich glaube, ich weiß was er meint,
ich glaube sie selbst zu kennen. Es ist die Stimmung
in welcher man für die Natur empfänglich ist & in
welcher die Gedanken so lebhaft erscheinen, wie die Natur.
Merkwürdig ist aber, daß Schiller nicht besseres hervorgebracht hat
(oder so scheint es mir) & ich bin daher auch gar nicht
sicher überzeugt, daß, was ich in solcher
Stimmung hervorbringe wirklich etwas wert ist. Es ist wohl
möglich, daß meine Gedanken ihren Glanz dann nur von einem
Licht, das hinter ihnen steht, empfangen. Daß
sie nicht selbst leuchten. ∣ |
Wo andre weitergehn, dort
bleib ich stehn. |
“Hast Du den
Satz denkend gelesen?” “Ja, ich habe
ihn denkend gelesen; jedes Wort war mir wichtig.”
|
“Ich habe sehr angestrengt dabei
gedacht.” Ein Signal. Ist dabei nichts vorgegangen? O ja, 80 allerlei! Aber
darauf bezog sich das Signal nicht. Und doch bezog sich das Signal auf die Zeit des Redens. |
James könnte
vielleicht sagen: Ich lese jedes Wort mit dem ihm
entsprechenden Gefühl. “Aber” mit
dem Abergefühl”,
u.s.w.. Und selbst wenn das
wahr ist, was bedeutet es eigentlich? was ist die
Grammatik des “Abergefühls’ || Begriffs
“Abergefühl’? Es wird ja
nicht ein Gefühl dadurch, daß ich es
“Gefühl” nenne. |
Wie seltsam, daß
etwas beim Sprechen vorgegangen ist, & ich doch nicht sagen
kann was! – Am besten: ich
sage, ich habe mich geirrt || sage, es
war eine Illusion, & es ist nichts
vorgegangen; & nun untersuche ich den
Zweck || Nutzen
der Äußerung. Und es wird sich auch fragen, welches der Nutzen des Bezugs auf den vergangenen Zeitpunkt ist. |
“Ich werde mich
sehr freuen, Dich zu sehen.” Ich habe es gemeint;
was ist (also) vorgegangen? Der Wunsch ist in mir
rege, er möge kommen. Und wie geschah
das? Habe ich mir sein Kommen deutlich
vorgestellt & dabei ein Gefühl der Freude
81 gehabt?
Unsinn! |
War der Wunsch in Dir rege, als Du
sprachst? Gewiß. Aber so
muß doch etwas vorgegangen sein! Es fragt
sich: Wie identifiziert man, was vorgegangen
ist? & die Zeit & Art des
Vorganges. |
∣
⇒[Zum
Vorwort.] Nicht ohne || Mit Widerstreben übergebe ich das Buch der
Öffentlichkeit. Die Hände, in die es geraten
wird, sind zumeist nicht diejenigen, in denen ich es mir gerne
vorstelle. Möge es – das wünsche ich
ihm – bald gänzlich von den philosophischen
Journalisten vergessen werden, & so vielleicht einer
edleren || bessern Art von Lesern aufbewahrt
bleiben. ∣ |
Ja;
“Ich habe bei diesen Worten gedacht … ”
bezieht sich allerdings auf die Zeit des Redens; aber wenn ich nun den
‘Vorgang’ charakterisieren || beschreiben soll,
der damals stattfand, so kann ich ihn nicht als ein Geschehen in
diesem Zeitraum beschreiben, z.B.
nicht sagen, die & die Phase des Vorgangs wäre zu
der Zeit geschehen, die andere zu jener. || Phase des Vorgangs habe in diesem
Zeitabschnitt stattgefunden. Also
nicht, wie ich z.B. das Sprechen
selbst beschreiben kann. 81 Das ist der Grund, warum man das
Denken nicht wohl einen ‘Vorgang’ nennen
kann. |
Von den
Sätzen, die ich hier niederschreibe
macht immer nur jeder zwanzigste, dreißigste || so & so vielte einen Fortschritt; die
andern sind wie das Klappern der Schere des Haarschneiders, der sie
unbedingt in Bewegung erhalten muß, um dann || mit ihr im rechten Moment einen Schnitt zu
machen. || machen zu können. |
Mit
‘denkend reden’ müßte ich eigentlich
meinen: reden & verstehen, was man sagt, & nicht
erst nachträglich
verstehen. |
Das Schreiben ist
gewiß eine willkürliche Bewegung, & doch ganz
automatisch. Und von einem Fühlen der
Schreibbewegungen ist natürlich nicht die Rede.
D.h. man fühlt etwas, aber könnte
das Gefühl unmöglich zergliedern. Die Hand
schreibt; sie schreibt nicht, weil man will, sondern man will, was sie
schreibt. Man sieht ihr nicht erstaunt oder mit Interesse beim Schreiben zu; denkt nicht “Was wird sie nun schreiben”. Aber nicht, weil man eben wünschte, sie solle das 82 schreiben. Denn,
daß sie schreibt, was ich wünsche, könnte mich ja erst
recht in Erstaunen versetzen. |
Denk dir jemand
hätte das Gefühl, er ließe die Muskeln seiner Hand
& des Arms gänzlich schlaff, aber die Hand schriebe
dennoch, also unwillkürlich || also nicht
durch seinen Willen bewegt. Er sagt
uns: Ich tue nichts, die Hand tut es ohne meinen Willen;
das heißt natürlich nicht: gegen meinen Wunsch; vielmehr
kann ich wünschen, daß sie sich ohne meinen Willen
bewegt. |
Wie prüfen wir, ob
jemand versteht, was es heißt, die Muskeln des Armes
entspannen, schlaff lassen? Doch dadurch,
daß wir prüfen, ob er
sie entspannt, wenn er sagt er tue es || sie entspannt sind, wenn er
sagt er habe sie entspannt etwa auf unsern
Befehl). Was würden wir nun zu dem sagen, der uns
sagt || mitteilt, er spanne seine Muskeln nicht an,
während sein Arm ein Gewicht hebt & es mit allen den
gewöhnlichen Anzeichen der willkürlichen || gewollten Bewegung tut. Wir würden hier von
Lüge, oder von einer merkwürdigen Illusion reden.
(Ich weiß nicht, ob es Verrückte gibt, die ihre
normalen Bewegungen für 82 unwillkürlich || ungewollt erklären.) Wenn es aber
jemand tut, so erwarte ich mir von ihm daß er der Bewegung seines
Arms in ganz andrer als der normalen Weise mit seiner Aufmerksamkeit
folgt; so nämlich, wie der Bewegung eines
Andern. || , wie der Bewegung des Zeigens eines
Instruments. || ; so nämlich,
wie einer Bewegung, die der Gegenstand eines Experiments
ist. |
Wenn unser Arm unter gewissen Bedingungen sich bewegt, obgleich wir
seine Bewegung nicht verursachen, da wir nämlich
geflissentlich den Arm schlaff
hängenlassen; & wenn eine Untersuchung in so einem
Falle zeigen würde, daß alle Muskeln so
gespannt sind, wie bei einer gewollten Bewegung –
– sollten wir
sagen, || : der Arm habe sich ohne
unseren Willen bewegt, weil wir fühlen, es sei || ist so? |
9.1.
Das Kind lernt gehen, kriechen,
spielen. Es lernt nicht willkürlich &
unwillkürlich spielen. Aber was macht das Spiel
zu einer willkürlichen Bewegung? || was
macht die Bewegungen des Spiels zu willkürlichen
Bewegungen? Nun, wie
83 wäre es denn, wenn sie
unwillkürlich wären? – Ich könnte
auch fragen: Was macht denn diese Bewegungen zu einem
Spielen? – Daß sie Reaktionen auf gewisse
Bewegungen, Laute, etc. des Erwachsenen sind, daß
sie einander so folgen, mit diesen Mienen
& Lauten (dem Lachen z.B.)
zusammengehn. |
Kurz, macht es die
Bewegungen so, so sagen wir sie seien
willkürlich. Bewegungen in solchen
Syndromen sind
willkürlich. || heißen
“willkürlich”.
|
Zu den Erscheinungen, die eine Bewegung zur
willkürlichen macht, gehört auch
die besondere Einstellung dessen, der sich bewegt, zu ihr;
nämlich die Abwesenheit des Staunens,
etc.. |
In den
Haupterscheinungen || Hauptcharakteren im Bereich der
willkürlichen Bewegungen gehört auch das der
Anstrengung, des Trachtens, eine Bewegung
auszuführen, oder nicht auszuführen. Endlich auch
die des absichtlich passiven Verhaltens. |
Ich sprach von denkendem
Reden. Aber 83 lies eine Geschichte mit
Verständnis, & sieh wieviel
verschiedene Arten von Reden darin vorkommen.
Berichte, Hilferufe, Drohungen,
Lachen & Stöhnen, wissenschaftliche
Betrachtungen. Und soll ich etwa nur die letzteren denkend
reden können? – |
Als ich sagte
“Bank!” dachte ich, meinte ich:
Er soll auf die Bank gehen. Ich sprach hier von einer
‘Intention’ & dachte daran, daß ich
auf die Frage “Was hast Du gemeint” die
& die Erklärung abgeben würde, die sich auf die Zeit
jener Äußerung bezöge & doch keine
Übersetzung dessen was damals geschah, in Worte
wäre. |
Ich gebe Einem mit den
Augen oder einer Miene ein Zeichen. Ich kann, was
es bedeutet hat, später erklären. Wenn ich sage
“Ich hatte dabei diese Intention” so
ist das, als bezeichnete ich den Ausdruck als Anfang einer
Bewegung. Ich erkläre ihn nicht mit Hilfe von
hergebrachten Regeln, noch durch eine Definition, die den
zukünftigen Gebrauch des Zeichens regeln soll.
Ich sage weder “Dies Zeichen bedeutet bei
uns das”, noch “es soll in Hinkunft
das bedeuten”. Ich gebe also
keine Definition. 84 |
“Bank!” –
“Ja?” – “Du
mußt auf die Bank gehen.” – Ist es nun
eine Illusion wenn mir, beim Nachdenken über so
einen Fall, vorkommt, als schwebten mir bei, & nach dem
Ausruf ganz zarte Schemen von Bildern oder dergleichen
vor? Aber wenn sie nun mir vorschweben & einem
Andern nicht – wo ist ihre Wichtigkeit? Wenn eine da
ist, so liegt sie nicht auf dem Gebiet, das mich hier
beschäftigt. |
Bei Gericht könnte
man um die || nach der Bedeutung jenes Ausrufs gefragt
werden. Wohl kaum nach den innern
Vorgängen, die die Gefolgschaft der Worte
bilden. || kaum nach den
Vorgängen, die die innere Gefolgschaft der
Worte bildeten. |
Aber ist die
‘Intention’ von der ich sprach, wenn ich
“Bank!” sagte, nicht dasselbe wie, daß ich
das damit meinte?
“Intention” nannte ich's
weil es mir wie der Keim, die Anlage, zu etwas
schien || vorkam || , die Anlage, des || alles
Weiteren erschien. |
Denk nun aber
an den Unterschied, den es macht, wenn ich jenen Ausruf
84 in seiner bestimmten
Situation nicht selbst || spontan || in eigener Person || aus
eigenem mache, sondern ihn in einer
Geschichte, oder in einem Schauspiel lese. Ich
nehme an, || : mit
Verständnis lese. Bin ich
aber da noch geneigt, von einer Intention (ich meine von
meiner Intention) bei diesem Wort zu reden?
|
Kann
ich aber sagen, es geht beim Lesen etwas anderes in mir vor
sich, als beim spontanen Ausruf? Nein. Ich
weiß nichts von so einer Verschiedenheit der
Vorgänge; obwohl die Art & Weise wie ich mich
ausdrücke auf so etwas schließen ließe.
Aber wenn Einer in's Zimmer käme, gerade wenn ich den Ausruf lese & er fragte mich, ob ich das & das wolle, würde ich ihm sagen, ich hätte es nicht so gemeint & bloß eine Geschichte || etwas gelesen. |
Und man könnte
glauben, auch das müsse einen Unterschied machen, ob ich
den Ausruf in einer Geschichte lese oder in einem
Theaterstück mit verteilten Rollen. Hier, wenn
ich mich in meine Rolle ‘einlebe’
könnte man sich denken, ich erlebte das Gleiche, wie in der
wirklichen Situation. 85 |
Aber auch bei dieser
Überlegung machen wir, glaube ich, einen Fehler.
|
Man
könnte etwa sagen, der Ausruf habe in den drei genannten
Fällen den gleichen Sinn, aber verschiedene
Intention. Und ich werde diese auch in jedem der
Fälle anders erklären, wenn eine Erklärung verlangt
wird. Oder auch so: die Erklärung des Ausrufs
wäre, in den verschiedenen Situationen, bis zu
einem gewissen Punkt || in einer in einer
gewissen Hinsicht immer die gleiche, in
andrer || einer andern
aber jedesmal eine
andre || anders. |
Ich
könnte aber auch sagen: die Intention
war jedesmal, || : von einem Geldinstitut,
& nicht von einer Sitzbank, zu reden. Und diese
Intention war kein Erlebnis während des
Sprechens. Ja, was immer ich erlebt hätte, nichts
hätte ich als so eine Intention anerkannt. Man
kann auch nicht sagen, sie fand während des Sprechens statt, weil
kein Zeitpunkt ihr
als Anfang, oder Ende, des Ganzen, oder eines Abschnitts,
zukommt || zugehört. 85 |
Ich sagte früher,
die Intention habe keinen Inhalt. Nun ihren Inhalt kann man
das nennen, was ihr Wortausdruck erklärt. Aber eben
davon kann man weder sagen, es sei ein amorpher || gleichförmiger Zustand, der von diesem
Zeitpunkt (bis) zu diesem || jenem andauert; also
etwa || z.B.
vom Anfang des ersten, bis zum Ende des letzten Wortes; noch kann man
Phasen in ihm unterscheiden & diese
dem Ablaufen des Wortausdrucks zuordnen. Wäre
dagegen der Satz von einem Spiel der Vorstellungen begleitet, so
könnte man eben dies tun. |
“Beschreibung” der Intention ist nur ihr
Wortausdruck, & den sollte man eben darum nicht “ihre
Beschreibung” nennen. |
Konnte man nun, was ich
hier “Intention” nannte, auch
“Absicht” nennen? Denn von der Absicht
sagte ich, sie sei eine Disposition, während die Intention ein
‘Keim’ ist. – “Er hat die
Absicht ausgedrückt, mich zu besuchen” – ist
dabei die Absicht gleichsam akut geworden? 86 |
Man kann aber doch
sagen: “Ich hatte in diesem Moment die Absicht
…”. Stehe ich z.B. auf & sage “Nein, ich halte es hier nicht länger aus”, so habe ich die Absicht aus dem Zimmer zu gehen. |
Eine
Disposition, das Wissen z.B. kann man Dir nicht
‘ansehen’; aber wohl in einem
Sinne, die Absicht. Und wenn man sagt
“Ich hatte für einen
Augenblick die Absicht …”, so ist dies gerade so
ein Fall. – Aber man kann doch auch sagen:
“Ich hab's Dir angesehen, daß Du
gewußt
hast || wußtest wovon die Rede
war’. Man sagt doch, Einer wälze eine Absicht im Geiste hin & her. Und das ist doch etwas was man einem ansehen kann! – Ist hier der Unterschied nicht der zwischen ‘die Absicht haben’ & ‘an die Absicht denken’? || Der Unterschied zwischen ‘die Absicht haben’ & ‘an die Absicht denken’.6 |
Wenn ich mir sage “Ich will
diesem Gespräch ein Ende machen”, so ist das doch der
Ausdruck einer Absicht & zwar im Moment ihres Entstehens; es
ist eigentlich der Ausdruck des Entschlusses. Und
dem Entschluß als einem Bejahen der Absicht entspricht auch ein hin
& her Schwanken zwischen Entscheidungen, ein
86 Ringen mit dem
Entschluß. |
Wenn ich bei mir denke
“Ich halt es nicht mehr aus; ich will
gehen!” so denke ich doch eine Absicht. Es
ist aber das Denken des Ausbruchs einer Absicht.
Während man von dem, der sagt || erzählt “Ich beabsichtige im
nächsten Jahr … ” auch sagen kann er denke eine
Absicht, aber in ganz anderem Sinne. |
Wer würde glauben,
daß ich hier, wenn auch sehr unbeholfen, Logik treibe.
|
10.1.
Wissen, || : eine
Disposition. Hier ist noch etwas sehr unklar.
Ich denke hier an Wissen, als ein Können;
z.B. ‘auswendig
wissen’ (ich kann das ABC
hersagen). Anders aber ist Wissen als ein Grad des Glaubens. – Wenn ich sage “Ich weiß bestimmt, daß heute Vollmond ist” so ist das natürlich nicht der Ausdruck eines Bewußtseinszustands; ich weiß es, auch wenn ich nicht dran denke. |
Teilt uns “Es regnet” &
“Ich weiß, daß es regnet” das gleiche
mit? Man könnte sie so
unterscheiden: Eine Art Barometer || Wetterglas könnte uns das Wetter draußen anzeigen,
wenn 87 wir in einem fensterlosen
Raum wären; es könnte das mittels eines Zeigers &
Zifferblatts tun, aber auch mittels einer Sprechmaschine, die, wenn
man auf einen Knopf drückt das Wetter ansagt;
z.B. “Es regnet”; aber
doch nicht “Ich weiß, daß es
regnet”. Aber das ist die Schwierigkeit: Wenn der Apparat || die Maschine spräche “Ich weiß daß es regnet”, – was sollte es anderes heißen als “Es regnet”? Und wenn ein Mensch sagt “Es regnet” so sagt er uns dasselbe wie mit den Worten “Ich weiß, daß …”. Ich meine: Weder für die Maschine, noch für den Menschen ist ein Unterschied zwischen den beiden Aussagen. |
“Wissen” wird gebraucht im gleichen
Sprachspiel, wie “Glauben”. Man fragt
“Glaubst Du das nur, oder bist Du
sicher?” & diese Frage, kann man an die
Maschine nicht stellen. Auch dann nicht, meine ich, wenn
sie so eingerichtet wäre, daß sie uns größere,
oder geringere Wahrscheinlichkeiten eines Geschehens
mitteilen könnte. |
Denn aus den Worten
“Ich bin sicher, daß …”,
“Ich bin nicht ganz sicher”,
“Ich halte es für möglich”,
u.s.f., ziehen
87 wir Schlüsse auf den
Zustand (oder die Folgen des Zustands) dessen der's
sagt; auch wenn wir keine Schlüsse auf die Gegenstände ziehen von
denen || den Gegenstand ziehen von dem er redet.
Denn wir können Einen auf sein Wissen & Glauben
prüfen, nicht um Information || Belehrung von ihm zu erhalten. (Und freilich
können wir auch die Aussagen eines Apparats nur dazu
benützen ihn zu prüfen.)
|
Worüber rede ich
nun, wenn ich sage “Es regnet”?
Über mich?
über's Wetter? über beides? – Und warum nicht über mich? Denn das
Vorkommen oder Nicht-Vorkommen eines
Worts im Satz (des Wortes “ich”,
z.B.) entscheidet das nicht. Ein
Wort deutet nur das Spiel an, in welchem
wir den Satz verwenden
können. |
Es könnte
eine Sprache geben, in welcher || der auf eine geschichtliche Frage
(z.B.) die Antwort anders lautete, wenn
sie zur Information des Fragenden, & anders, wenn sie bei der
Geschichtsprüfung gegeben wird. |
Man sagt nicht
“Ich weiß daß es regnet” einfach
als Mitteilung, es regne; sondern, 88 etwa wenn diese
Aussage angezweifelt wurde; oder auf die Frage ob ich auch sicher
sei. Aber ich könnte dann auch sagen
“Es regnet bestimmt”. || “Es ist ganz
gewiß, || : es
regnet.” |
Ich könnte auf die
Frage “Regnet es?” die Antwort
“Ja” erhalten, ohne zu erfahren, wer dies
glaubt, weil ich den Sprecher nicht sehe. |
Ich kann mit einer
Meldung eine Reihe von Sprachspielen spielen; eine ist
z.B.: nach ihr handeln; eine
andere, || : durch sie den Meldenden
prüfen. Aber ist nicht das erste sozusagen das ursprünglichere Sprachspiel; das wozu eine Meldung ursprünglich || eigentlich dient? || eigentlich dienen soll? || da ist? |
Man
könnte sagen: Die Intention der Prüfungsantwort
& der gleichlautenden informativen Antwort sei
verschieden. |
Ich könnte mir ein
Gedicht denken, in dem es heißt: “Es regnet
& ich glaube, daß es regnet!”
– Sozusagen: Gott hat
88 gegeben, daß es regnet,
& mir, daß ich es auch glaube. – Ich
glaube, wenn dies Unsinn ist, daß ähnlicher Unsinn oft
geschrieben worden ist. “Wie herrlich! es regnet, & es ist mir gegeben, es zu glauben!” Schwerer ist vorzustellen: “Schrecklich! Es regnet, & ich glaube es nicht!” || , & der Glaube daran ist mir versagt!” “Ich weiß es, aber ich glaube es nicht!” – Wichtig aber ist, daß ich mir alles das als Sprache des Gedichts, nicht des Alltags vorstelle. |
Man muß sich sagen,
daß es die erste Person “ich
glaube” sehr wohl auch ohne die || eine dritte geben könnte. Warum sollte nicht in der Sprache ein Verbum gebildet worden sein || werden das nur eine erste Person der Gegenwart hat? Es ist gleichgültig was dazu geführt hat, welche Vorstellungen. |
Ein Satz,
z.B. “Es regnet”, kann
sehr wohl einmal als Behauptung, einmal als Annahme ausgesprochen
werden (auch wenn ihm kein
“Angenommen” vorausgeht) – was
macht ihn zum einen, was zum andern? – Einerseits
89 möchte ich
antworten: Das Spiel, in dem er gebraucht wird.
Anderseits: die Intention, mit welcher er ausgesprochen
wurde || wird. Wie reimen sich diese
beiden zusammen? |
∣ Sowie ich auf entlegeneren Gebieten fortwährend
Fragen antreffe, die ich nicht beantworten kann, wird es klar || verständlich, warum ich mich in weniger entlegenen
auch nicht auskenne. ∣ Denn wie
weiß ich, daß, was hier die Antwort aufhält nicht eben das
ist, was
mich dort || dort mich hindert, den Nebel zu
zerstreuen? ∣ |
“Ich hatte den Satz als Annahme intendiert”
– Wie erkläre ich das? – Ich hatte
dies Spiel intendiert. Ich kann auch, daß ich diese
Bewegung als Anfang einer Schachpartie intendierte, nur dadurch
erklären, daß ich, was das Schachspiel ist, || das
Schachspiel erkläre. |
Was aber heißt
das: “Es
regnet & ich glaube es nicht” hat Sinn, wenn ich es
als Annahme meine, keinen Sinn wenn ich es als Behauptung,
oder Meldung meine? || . Man stellt sich das so vor, daß, wenn der Satz auf die erste Art intendiert wird, etwas von ihm ausgeht, etwas 89 aufleuchtet, wogegen alles
finster bleibt, wenn man ihn auf die zweite Art
intendiert. Und etwas ist ja wahr daran:
Denn sagt mir einer diese Worte & ich verstehe sie als
Annahme, so leuchtet etwa Verständnis in meinem Gesicht
auf; denke ich aber den Satz als Meldung, so werde ich
bewildered || am || an dem Sinn irre &
das Verständnis bleibt aus.7 |
“Es
regnet & ich glaube es nicht” ist eine Annahme, aber
keine Meldung. |
Warum ist die Meldung
“Ich glaube es regnet” so ähnlich
der: “Es regnet”; dagegen die
Annahme, ich glaube es regnet, ganz unähnlich der Annahme, es
regne? Nun, die Meldung “Ich glaube
…” ist eine Äußerung des Glaubens, aber die
Annahme ist keine Äußerung. Wie
das || ein Stöhnen die Meldung
“Ich habe Schmerzen” ersetzen kann, aber nicht
die Annahme. |
Die
Meldung “Ich glaube, es regnet” ist eine
Meldung über das Wetter. Die Annahme, eine über
mich. |
Man möchte auch
sagen: Die Annahme, 90 ich glaube das, ist die
Annahme einer Disposition in mir || Annahme, ich
sei so disponiert. Während
ich von der Meldung “Ich glaube
…” nicht sagen möchte, sie
melde || sei die Meldung || berichte
von meiner Disposition. Vielmehr ist sie
die || eine Äußerung
der || dieser Disposition. |
Aus
meiner || der hypothetischen Annahme,
“ich glaube, daß es regne”, kann ich
hypothetische Schlüsse auf mein Benehmen
schließen || ziehen. Aber ziehe ich auch
Schlüsse daraus, daß ich glaube, es
regnet? |
Der Meldung
“ich glaube” haftet eine gewisse
Unbestimmtheit an. Aber denke, es würde
gelehrt, || : Du kannst nur wissen,
daß Du etwas glaubst; jede Behauptung muß lauten
“Ich glaube …”. Dann also
wäre die Meldung “Es regnet”
identisch mit der “Ich glaube
…” Es
entspräche ihr aber || Diese aber hätte
eine dritte Person, der nichts in der einfachern Meldung
“Es regnet” entspricht. |
Alles das
hängt auch zusammen damit, || :
daß man sagen kann, “Ich glaube, er glaubt
…”, “Ich glaube,
90 ich glaubte
…” “Er glaubt, ich glaube
…”, Ich glaube, ich glaube
…”. |
In dem Fall
jenes || eines obligatorischen
“Ich glaube” zu || als Anfang jeder Behauptung wäre || hieße zwar
“Ich glaube, pist der Fall” dasselbe wie
“~~p” || “p ist der Fall” || “Ich glaube, es sei so” dasselbe wie
“Es ist so”, aber
“Angenommen, ich glaube, es sei
so” nicht dasselbe wie “Angenommen,
es sei so.” |
“Ich weiß die
Antwort zu dieser Frage, heißt ungefähr soviel wie
“Ich kann sie sagen”; dies könnte man
wohl eine Disposition nennen. Aber wie denn mein Wissen,
daß es draußen regnet? Wenn ich
mein || dieses Wissen einen Zustand meines
Geistes nennen will, so würde ich ihn mir so
vorstellen: mein Geist trage einen Abdruck des Faktums.
|
Man
möchte fragen: Wie kann ich denn wissen,
daß etwas Anderes so & so ist? Wie
kann ich's denn in mir haben. Die Idee:
etwas von innen her kennen. Den Willen
z.B.) |
Warum ich nicht sagen
will, das Wissen ist eine Disposition? – Weil
“Ich weiß, daß …” jedenfalls
nicht sagt, ich bin || sei so & so
disponiert. Wissen heißt etwas ähnliches wie
91 Besitzen. Oder
das ist doch das Bild, was da gebraucht wird. “Ich
bin im Besitz aller Fakten.” |
11.1.
“Ich rede nicht nur
daher. Ich weiß es.” Dies spielt im
Berichterstatten eine Rolle, d.h. dort, wo die
Evidenz von komplizierter Natur ist. Man sagt nicht
“Ich weiß, daß auf dem Tisch vor mir Bücher
liegen”, oder gar “… daß ich zwei
Hände habe”. Niemand sagt es, außer
wenn er philosophiert. (Und ausgenommen
in den ganz seltenen
Fällen || die ganz seltenen Fälle, in denen
wirklich ein Zweifel darüber bestehen
kann.) Die einen || Manche Philosophen sagen, diese Sätze näherten sich nur sehr der eigentlichen, wirklichen Gewißheit, die andern, & das Wort “ich weiß” sei hier noch immer nicht im strengen Sinne anwendbar; die andern, diese Sätze seien so || völlig gewiß & man könne sie also wissen. Ich bin versucht zu sagen: sie seien zu gewiß für's wissen. – “Ich weiß, daß 2 × 2 = 4 ist” würde nur ein Kind sagen, das es so eben gelernt hat. “Ich weiß, daß ich zwei Hände habe” sagt ein Philosoph nur, wenn er exemplifizieren will, was “wissen” heißt. Als hieße “wissen” etwa soviel wie “nicht bezweifeln” oder “nicht bezweifeln können”. || “nicht im Stande sein, zu bezweifeln.” 91 |
Ich
sage “Er ist jetzt im Nebenzimmer, ich höre
ihn.” – “Bist Du
sicher?” – “Ich weiß es, weil
er immer um diese Zeit in sein Zimmer geht”. Oder
bei Gericht: “Ich wußte, daß er zu
Hause war, weil …” Ist
das etwa ein Mißbrauch des Wortes
“wissen”? |
Ich habe mich von etwas
überzeugt, nun weiß ich es. “Ich weiß,
daß die Erdkugel in den letzten 10 Minuten existiert
hat” sagt man nicht; wohl aber “Man weiß,
daß die Erde viele tausende von Jahren
existiert hat”. Und das nicht, weil es
unnötig ist, so etwas zu versichern. |
“Ich weiß,
daß dieser Weg dorthin führt. “Ich weiß, wohin dieser Weg führt.” Im zweiten Falle sage ich, ich besitze etwas; im ersten, versichere ich eine Tatsache. In diesem könnte das Wort “wissen” auch wegbleiben. In jenem könnte man fortsetzen “aber ich sag's nicht”. |
Auf die Aussage
“Ich weiß, daß es so ist” folgt die
Frage “Wie weißt Du das?”, die Frage
nach der Evidenz. |
∣ Rosinen mögen das Beste an einem Kuchen sein; aber
ein Sack Rosinen ist nicht besser als 92 ein Kuchen; & wer im
Stande ist uns einen Sackvoll Rosinen zu
geben kann damit noch keinen Kuchen backen, geschweige
daß er etwas besseres kann. Ich denke an
Kraus & seine
Aphorismen, aber auch an mich selbst & meine
philosophischen Bemerkungen. Ein Kuchen das ist nicht gleichsam: verdünnte Rosinen. ∣ |
Wissen ist ein geistiger Besitz. Wer sagt
“Ich weiß, daß es so ist
“‘erlebt aber
dabei || bei diesen Worten das
Wissen’ nicht, denn er wird uns etwa sagen, er
habe es gewußt auch ehe er's sagte. || er habe es schon lange
gewußt. Er wußte es, seitdem er sich
davon überzeugt hatte. |
Jemand könnte das
Sprachspiel des Meldens wohl beherrschen, aber den Begriff
des ‘Wissens’ nicht gebrauchen. (Ein
Kind, z.B..) |
Das Moore'sche Paradox erscheint uns auf den ersten Blick
einfach als Widerspruch; dann aber sagen
wir || ist es klar, es könne keiner sein, da der
eine Satz, sagen wir, vom Wetter handelt, & der andere
von mir. So erscheint es nun als wäre das Paradox nur eine
psychologische Unwahrscheinlichkeit 92 || psychologische Unstimmigkeit.
So etwa, wie wenn Einer sagte “Der Apfel
schmeckt sehr gut, aber ich mag ihn nicht.” Aber
so ist es in jenem Fall auch nicht. – Es ist
als könne ihn die Logik nichts angehen, oder
als müsse es || es müsse
(zu unserem Schreck) eine Logik der Behauptung außer der
Logik der Sätze geben. Es müsse eine
Erweiterung der Logik geben mit Regeln die zwar die Annahme
p .
~q gestattet aber
unter gewissen Umständen nicht die Behauptung.
Und wo sollte das hinführen! Man stellt sich
nämlich eine Logik nach Art der
Aristotelischen
vor nur noch komplizierter. Und doch ist schwer
vorzustellen, wie so eine Logik begrenzt sein, wie sie die
klaren, einfachen Konturen der Aristotelischen haben kann. Es scheint also, daß die Gesetze der Aristotelischen Logik nur eine kleine Zahl logischer Gesetze, einer gewissen Gruppe sind.. || die Gesetze der Aristotelischen Logik seien nur eine kleine Zahl logischer Gesetze, eine kleine leicht zu übersehende Gruppe von ihnen. |
∣ Farben
regen zum Philosophieren an. Vielleicht
erklärt das die Leidenschaft Goethes für die Farbenlehre.
Die Farben scheinen uns ein Rätsel aufzugeben, ein Rätsel, das uns anregt, – nicht aufregt. ∣ 93 |
Der
Mooresche Widerspruch ist insofern kein
Widerspruch, als er nicht die gleiche Rolle in unsrer Sprache spielt
wie p
. ~p. Denn eine
widerspruchsvolle Behauptung, oder ein Befehl haben ja
eine || ihre bestimmte Wirkung. Wir
sagen hier nicht: “Das ist ja kein
Befehl”, sondern etwa: “Was willst Du
also?! daß ich … , oder
…?”
Widersprüche werden ja wirklich manchmal aus
Nachlässigkeit || Fahrlässigkeit,
manchmal aber absichtlich geschmiedet. – Von
dem Satz “Es regnet & ich glaube es
nicht” sage ich nur, er sei keine Behauptung || Meldung; ich wüßte in einem
Sprachspiel nichts damit anzufangen, wüßte
einfach nicht, was gemeint sei. |
Wie ist
so ein Paradox zu behandeln?
D.h. wie müssen wir seine Umgebung
gestalten || umgestalten || bestellen, damit es uns nicht mehr
paradox vorkommt? Wir müssen die Umgebung anders, als wir's gewohnt sind, ansehen lernen. |
“Es
brennt dort, aber ich glaub's nicht”
– “Ich glaube Dir, & werde
trachten Dich zu überzeugen, daß es brennt, – 93 wie Du gesagt hast.
Schau's doch an!” –
“Ja, es ist wahr, jetzt seh ich's, daß es
brennt.” Man würde in dem Fall sagen, die erste Mitteilung müßte automatisch geschehen sein. D.h., er würde, ehe wir ihn von ihrer Richtigkeit überzeugt haben, handeln wie einer, der sie nicht glaubt. |
Nun ist freilich das
“und” oder “aber”
in jenem || im
Satze sonderbar. |
“Es drängt
mich zu sagen ‘es brennt’, aber ich
glaub's nicht.” Es könnte (also) Menschen geben, die uns ‘automatische’ Mitteilungen machen, aber auch solche mit der Intention der Mitteilung. Und solche Menschen könnten also auch nicht nur den Moore'schen Widerspruch aussprechen, sondern auch p . ~p. |
Wie aber würde sich
eigentlich eine automatische von einer normalen Mitteilung
unterscheiden? |
In dem Sprachspiel der
Meldung gibt es den Fall, daß die Meldung angezweifelt wird,
daß man annimmt, der Meldende
glaube || vermute nur, was er
meldet, habe sich 94 nicht überzeugt. Hier
sagt er dann etwa: “Ich weiß
es”. D.h.:
Es ist nicht bloß Vermutung. – Soll ich da sagen, er teile mir die Sicherheit seines Geistes
mit? || die Sicherheit mit, die er bei
seiner Meldung fühlt? Das
möchte ich nicht sagen. Er spielt einfach das
Meldungssprachspiel, & das “Ich weiß
es” ist die Form einer Meldung. |
Heißt
“Ich weiß es”: Ich bin davon
durchdrungen? Manchmal ja.
“Dies ist für mich ein Axiom” Ich sage etwas über die Art & Weise meines Denkens, über die Einrichtung meines Geistes. || meiner Seele. |
“Ich
zweifle nicht daran.” “Es steht für mich fest.” |
Kann man nur wissen,
was wahr ist? Nun, man sagt ja auch “Ich
glaube es zu wissen” & hier kann dem Glauben
keine Unsicherheit anhaften. Man könnte nicht
sagen: “Ich bin nicht sicher: weiß
ich's, oder weiß ich's nicht.”
|
Mancher
wird sagen, daß mein Reden über den Begriff des Wissens
irrelevant sei, da zwar dieser Begriff, wie die
Philosophen 94 ihn auffassen,
allerdings nicht mit dem der alltäglichen Rede
übereinstimmt, aber eben ein wichtiger, interessanter
Begriff sei, der durch eine Art Sublimierung aus dem
landläufigen & nicht sehr interessanten
gebildet sei || ist. Aber jener
philosophische Begriff ist durch allerlei
Mißverständnisse entstanden &
befestigt Mißverständnisse. Er ist durchaus nicht
interessant, außer als Exempel, um daran
Mißverständnisse aufzuzeigen. || zu
demonstrieren. || Aber der
philosophische Begriff ist allerdings aus dem
landläufigen noch durch allerlei
Mißverständnisse gewonnen worden & er befestigt diese
Mißverständnisse. Er ist durchaus nicht
interessant; außer darum, weil || wenn wir
nicht an ihm gewisse Gefahren demonstrieren
können. || es sei denn
zur || als
Warnung.¤ |
Es könnte also
Menschen geben, die Sätze sagen, die wir übersetzen
müßten: “Es regnet & || aber ich weiß nicht, ob es regnet”, oder auch
“Es regnet. Regnet es
wirklich?” Und die Antwort wäre dann:
“Ja, Dein Unterbewußtes hat ganz || gewiß recht.” Man wird dann
auch sagen können: “Es regnet; &
weil ich's sage, wird's wohl wahr
sein.” 95 |
Du darfst wieder
nicht vergessen, daß “Ein Widerspruch hat keinen
Sinn “nicht heißt: der Sinn des Widerspruchs
ist ein Unsinn. – Für den || Den Widerspruch schließen wir
aus der Sprache aus; wir haben für ihn keine klare
Verwendung & wollen ihn nicht verwenden. Und
wenn “Es regnet, aber ich glaube es nicht”
sinnlos ist, so wieder, weil eine Verlängerung gewisser Linien
zur Sinnlosigkeit
führt. || zu dieser Technik
führt. Aber unter ganz
andern als den normalen Umständen könnte jener Satz
einen klaren Sinn erhalten. |
Wenn es ein
‘automatisches’ Reden gäbe, so könnten wir
z.B. nicht mit der || einer solchen Äußerung streiten, den, der
sie ausspricht, nicht eines Irrtums überweisen wollen.
Wir würden also nicht die gleichen Sprachspiele mit dem
automatischen, wie mit dem normalen Reden spielen. |
Wenn
ich ein Reden “automatisch” nenne, so
stellt man sich dabei etwas Inflexionsloses,
Maschinelles vor. Aber
95 das ist für uns gar
nicht wesentlich. Man braucht nur anzunehmen, daß
zwei Personen durch den einen Mund reden.
Und wir haben dann, was gesagt wurde auch als die Äußerung
zweier Menschen zu behandeln. Es könnten also
beide Sätze mit der Intention der Mitteilung
gemacht || gesprochen werden. Und
es würde sich nur fragen wie ich auf diese Mitteilungen
reagieren sollte. |
Kann “Ich
glaube, daß es so ist” oder “Ich glaube
nicht, daß es so ist” einmal gar nicht als Behauptung
eines äußeren Faktums, sondern lediglich als
Beschreibung meines eigenen Seelenzustandes gebraucht
werden? Nun, ich glaube das geschieht manchmal; wie
man etwa sagt || so ungefähr wie man manchmal sagt
“Ich lasse die Hoffnung noch immer nicht fahren
…” & damit nur eine Stimmung
ausdrücken || beschreiben,
& nichts über die Wahrscheinlichkeit
des Eintreffens eines || des Ereignisses sagen
will. |
“Ich wollte Dir
nichts mitteilen || melden, es ist
das nur so herausgerutscht.” Was herausgerutscht
ist, konnte wertlos sein, oder auch höchst wertvoll.
96 |
“Es regnet, aber
ich glaube es nicht” könnte sehr wohl
heißen || dasselbe heißen
wie: “Es regnet, aber ich weigre mich es
anzuerkennen”. |
“Ich wollte Dir
keine || nicht eine Mitteilung machen; es ist nur so
herausgerutscht.” – Wovon benachrichtigt
Einen das? Heißt es nicht soviel, wie
“Nimm das nicht als Mitteilung
auf!”; reagier darauf nicht als auf eine
Mitteilung!”? |
“Sagte ich
‘Ulme’? Ich habe die ganze Zeit
‘Esche’ gemeint.” Das
heißt: ich wußte, daß dieser || der Baum eine Esche war, versprach mich aber irgendwie
& sagte “Ulme”. Und hier
könnte das Problem auftauchen: Was geht in dem vor
der “Ulme” sagt & “Esche”
damit meint? – “Nun, er denkt eben
dabei an eine Esche.” || dabei, es
sei eine Esche.” Und wie tut man
das? Meine Aussage bezieht sich auf eine Potenz, auf ein
Wissen. |
“Ich weiß,
daß es so ist” kann so viel heißen, wie:
“Ich habe mich davon überzeugt”, auch
“Ich habe keinen Zweifel daran”, auch
“Es steht für mich fest”, auch
“Es ist keine Vermutung, sondern
Sicherheit”. || , auch “Es
ist so”. Was heißt: “Ich habe mich davon 96 überzeugt & seitdem
weiß ich's”? Es ist hier als
finge der Zustand des Wissens mit dem Überzeugen
an. “Ich habe mich davon überzeugt, daß er
ehrlich ist, & seitdem weiß ich's”
– ist damals eine Veränderung in meiner Seele hervorgerufen
worden, die dann angehalten hat? Ist das
“seitdem weiß ich's” nicht
irreführend? Heißt es im letzten Beispiel nicht
einfach: ich habe seitdem nie das Gegenteil angenommen,
ich habe seitdem nie wieder daran gezweifelt, es sind mir keine
Zweifel aufgestiegen? |
12.1.
Wohin gehört der Satz, daß
grün & rot, hell & dunkel, groß &
klein einander ausschließen? Man möchte
vielleicht sagen: Wenn die
Wörter “grün” &
“rot” das bedeuten, diese Farben, so
können sie einander nur ausschließen.
Du kannst || Man kann die
Bedeutungen nicht verstehen, ohne zu sehen, daß sie
unvereinbar sind. Und darin ist
etwas Wahres & etwas Falsches. – Was man Einem
vorführen möchte um ihm die Idee der
Unvereinbarkeit zu erklären wäre etwa dies:
Man hat einen Streifen rotes Papier; man läßt ihn etwa
von links nach rechts langsam grün werden & das Rot
weicht vor dem Grün zurück, dann läßt man das Rot
Raum gewinnen & das Grün muß weichen. So,
sagt man ihm, kann etwas nicht grün & rot zugleich
97 sein; sowie, wo der eine
Körper ist, der andre nicht sein kann. |
Aber die Demonstration könnte auch anders
ausschauen: Wenn das Grün die rote Fläche
insurgiert, || in die rote Fläche eindringt, sieht man
Schwarz, & erklärt: Siehst Du das Rot
ist nicht gewichen, es ist da & das Grün ist da,
& sie streiten mit einander
& dann sieht man sie nicht gut. Sowie man ja
auch Leute nicht gut hört, wenn sie
zusammen schreien. Aber,
wenn man ganz genau hinhört, so geht's; & wenn
Du ganz genau auf das Schwarze siehst, kannst Du das Rot drin sehen,
wie es mit dem Grün streitet. |
Einerseits
kann man sagen, daß Schwarz & Weiß in
Grau koexistieren können; & anderseits wird man
sagen: “Aber wo Grau ist, ist natürlich
weder Weiß, noch Schwarz. Was grau ist,
ist natürlich nicht wirklich weiß.” |
Ich will doch
sagen: Es liegt an den Begriffen; nicht an
‘Gegenständen’ (den Farben) welche
unsern Farbwörtern entsprechen. Das
heißt: Man könnte sehr wohl unsern Farbbegriffen
ähnliche durch hinweisende Erklärungen ganz wie die
von “rot”,
“weiß” etc. etc.
erklären || definieren, & dann doch
97 zulassen, daß rot
& weiß zugleich an einem Ort
bestehen || einen Ort einnehmen können.
Aber wie ist es mit “hellrot” & “dunkelrot”? Wird man auch sagen wollen, daß diese irgendwo zugleich sind? oder Lila & Violett? – Nun, denk Dir den Fall Hellblau & Dunkelblau & zwar ganz bestimmte Töne umgäben uns ständig & wir können nicht (wie es tatsächlich der Fall ist) leicht beliebige Farbtöne erzeugen. Es wäre aber unter Umständen möglich eine || die hellblaue Substanz mit einer || der dunkelblauen zu mischen & dann erhielten wir einen seltenen Farbton, den wir nun auffassen als eine Mischung von Hellblau & Dunkelblau. |
“Aber
wären dann unsre Farbbegriffe die gleichen wie sie heute
sind?” Sie wären diesen sehr
ähnlich. Ungefähr wie die Zahlbegriffe der
Völker, die nur bis 5 zählen können, den
unsern. |
Man kann sagen:
Wem ein Wort durch Hinweisen auf einen färbigen Fleck
erklärt wird, der weiß nur insofern, was gemeint
ist, als er weiß, wie das Wort anzuwenden ist.
Das heißt: Es gibt hier kein
Erfassen des || 98 Erfassen, Auffassen
des Gegenstandes, außer durch ein Erfassen
der || einer Technik.
Anderseits könnte man doch sagen, ein Erfassen, Ergreifen des Gegenstandes vor jedem Erfassen einer Technik sei möglich; denn wir können Einem einfach den Befehl geben “Kopiere dies!” & er kann nun z.B. die Farbe kopieren, oder die Form || Gestalt & Größe, oder nur die Gestalt, oder die Farbe aber nicht den genauen Ton, etc.. Und hier tut das Kopieren, was bei einem Körper etwa ein in die Hand Nehmen tut. – Es ist uns da, als könnten wir, was gemeint ist, die Farbe etwa, mit einer eigenen feinen geistigen Zange anfassen, ohne irgend etwas anderes mit zu ergreifen. || nehmen. |
Der Geist || Verstand, sage ich, ergreift den
einen Gegenstand; & dann reden wir von ihm
& seinen Eigenschaften, seiner Natur,
gemäß. |
Wie aber weiß
ich, daß Dein Geist den gleichen Gegenstand ergreift, wie
meiner? Doch eben z.B. dadurch, wie
Du auf meinen Befehl, “Kopiere die Farbe”
z.B. reagierst. Aber hier, wirst Du
sagen, können wir nur das Essentielle
98 dieser Reaktion erkennen,
indem wir ihn öfters Farben kopieren heißen.
Das heißt wohl, ich werde nach einigen dieser Reaktionen andere
vorhersehen können; & dies erkläre ich, indem ich
sage: ich weiß nun, ‘was’ er
eigentlich kopiert. Also die Farbe, oder die Form
z.B. – aber es gibt hier mehr solche
was, als wir für gewöhnlich anzunehmen geneigt
sind; d.h. man kann auch Begriffe bilden, die
uns ganz ungewohnt sind. Es kann auch sein, daß ich allerdings nach einigen Reaktionen des Kopierens andere richtig voraussehen & nun mit ihnen rechnen kann – also sage, wir hätten uns || einander nun verstanden – daß ich aber in einer etwas andern Situation eine Überraschung erlebe. – Und was soll ich nun sagen: Ich hätte ihn die ganze Zeit mißverstanden? oder, ich habe ihn zum Teil mißverstanden? Wenn Du ans Ergreifen eines Gegenstandes denkst, wirst Du vielleicht das erstere sagen, gemäß dem Bild, er habe eben nicht den Gegenstand ergriffen, den ich glaubte. Denken wir aber an Techniken || Methoden des Gebrauchs von Worten so werden wir sagen, es seien hier ungleiche, aber ähnliche, Methoden. 99 |
Hier ist es nun
freilich wichtig, daß eine Technik für uns eine Physiognomie
hat. Daß wir z.B. von einer
einheitlichen & einer uneinheitlichen Verwendung
sprechen können. – Und was bedeutet nun
“einheitlich” &
“uneinheitlich”? Was teilen wir Einem
durch diese Ausdrücke mit? |
Wir sagen von
Einem, der viel weiß, er habe seinen Geist bereichert, &
hier denken wir daran, daß er kann, was ein Andrer nicht
kann. Er hat sich Fähigkeiten
angeeignet. – Wer aber sagt “Ich
weiß, daß dieses Holz feucht ist” der will
‘über das Holz reden & nicht über
sich’ also nicht, wie der, der sagt “Ich
weiß, wie die römischen Kaiser geheißen & wann sie
gelebt haben.”. Statt dem ersten Satz
könnte man sagen “Das Holz ist feucht; verlaß
Dich drauf!” Man möchte also sagen, daß
“Ich weiß” in einem Falle heißt
“Ich kann …”, im andern Fall aber
“Es ist so, ich habe mich davon
überzeugt”. Im ersten Falle nun liegt es nahe
vom Wissen als einem Zustand des Geistes zu reden, in dem Sinne,
in welchem man ‘den Geist durch Lernen
bildet.’ || zu reden; der Geist
‘wird durch Lernen bereichert,
gebildet’.
Niemand 99
aber wird ausrufen, wenn ich ihm
sage “Ich weiß, daß er heute
kommt”: “Welches
Wissen!” “Wissen || Etwas
wissen” im Sinne von: sich davon
überzeugt haben, keinen Zweifel haben, alle Zweifel
definitiv erledigt haben, ist nicht mit dem gleichen Rechte
ein Zustand meines Geistes zu nennen. |
Aber es gibt
hier auch Grenzfälle, die verwirrend sind. Wissen im
ersten Sinn ist ein gelernt & nicht vergessen haben.
Es hängt so mit dem Gedächtnis
zusammen. – Nun kann ich also sagen:
“Ich weiß wieviel
97 × 78
ist” oder “Ich weiß, daß
97 × 78 432
ist.” Im ersten Falle, so wollte ich sagen, teile
ich jemand mit, ich könne etwas, habe einen gewissen Besitz; im
zweiten versichere ich dem Andern einfach
97 × 78 sei
432. Heißt denn
“97 × 78
ist ganz bestimmt 432” nicht, ich wisse, es sei
so? Man kann auch so sagen: Der erste Satz
ist sicher kein arithmetischer, noch kann ihn ein solcher irgendwie
ersetzen; den zweiten aber könnte ein arithmetischer
Satz aussprechen || statt des zweiten aber könnte man einen
arithmetischen Satz verwenden. |
Es könnte freilich
der Satz “Ich weiß, daß
100 den Beweis dieses
Satzes” – ein Wissen der besitzenden Art. |
Der
Unterschied ist der: Im Satze “Ich weiß,
wie es ist || sich verhält” kann das
“Ich weiß” nicht wegbleiben. Den
Satz “Ich weiß, daß es sich so
verhält” kann man ersetzen durch “Es
verhält sich so”. |
“Es wird
regnen”. – “Du glaubst, es
wird regnen?” – “Ich weiß, es
wird regnen.” Sagt der dritte Satz mehr als der
erste? Er ist die Wiederholung
des ersten & die || eine Abwehr des
zweiten. |
Aber gibt es
nicht ein Phänomen des Wissens, sozusagen ganz abgesehen vom Sinn
der Worte “Ich weiß”? Ist es
nicht merkwürdig, daß ein Mensch etwas wissen kann,
die Tatsache gleichsam in sich selbst haben kann? Aber
das ist eben ein falsches Bild. Denn sagt man, wissen ist
es nur, wenn es sich wirklich verhält, wie er sagt.
Aber das ist nicht genug. Es darf sich nicht nur
zufällig so verhalten. Er muß ja || nämlich wissen, daß er
weiß:
das || weiß. Das Wissen ist ja sein
eigener Seelenzustand; er kann darüber, außer durch eine
besondere Verblendung, nicht im Zweifel, oder Unrecht
sein. Wenn also das Wissen, daß es so
ist, nur ein Wissen ist, wenn es wirklich so ist; & wenn das
Wissen in ihm ist, 100 so, daß er
darüber, daß es ein Wissen ist, unfehlbar ist; dann ist
er also auch darüber unfehlbar, daß es ist, wie es das Wissen
weiß; & also muß die Tatsache, die er weiß,
so wie das Wissen, in ihm sein.
Also: Wenn ich sage || , ohne zu lügen, sage “Ich weiß, daß es so ist”, so kann ich nur durch eine besondere Verblendung im Unrecht sein. |
Man ist der Versuchung zu
sagen: “Ich habe jahraus jahrein ein
F gesehen, ohne zu
wissen, daß ich's in einer bestimmten Weise
sehe. Erst seitdem ich's jetzt auf
eine andere Weise gesehen habe, weiß ich jetzt, daß ich's immer auf
bestimmte || besondere Weise
sehe.” Ich bin mir jetzt erst meiner
Bekleidung || meines
Kleides bewußt. |
Oder soll ich so
sagen: Es gibt ein ‘die Figur so oder so
auffassen’ (Dauerzustand, Disposition), &
ein ‘die Figur so & so ansehen’, &
dann auch ein ‘die Figur so sehen’.
Wer z.B. sagen würde “Für mich hat dieses F jetzt ein dummes Gesicht, sieht es auf diese Weise. – Sieht er aber auch ein Gesicht als Gesicht? Nein. Man könnte das so erklären: Wenn ich einen Buchstaben, sagen wir eines Tages als Gesicht sehe, so könnte sich 101 das darin äußern, daß ich
den Buchstaben anglotze indem ich sein Gesicht
nachmache. Das würde ich aber doch beim Anblick eines
wirklichen Gesichts nicht machen. |
Auf einen Buchstaben
gesichthaft reagieren – könnte man sagen – heißt
nicht auf ihn wie auf ein Gesicht reagieren. |
Heißt
‘das Bild nicht so
sehen’, || : es anders
sehen? |
Denk Dir diesen
Fall: Ein Vexierbild wird mir gezeigt; ich sehe darin
Bäume, Leute
etc.. Ich untersuche es, &
plötzlich sehe ich eine Gestalt in den Kronen der
Bäume. Wenn ich es danach ansehe, sehe ich jene
Striche nicht mehr als Zweige, sondern als Teile der
Gestalt. || sondern zur Gestalt
gehörig. Nun stelle ich das Bild in
meinem Zimmer auf & sehe es tagtäglich, & da
vergesse ich zumeist ganz ¤ die
zweite Interpretation & es ist nun
zumeist || einfach ein Wald. Ich sehe
es also, wie jedes andere Bild eines Waldes. (Du
siehst die Schwierigkeit.) – Ich sage nun von jenem
Bild einmal, || : “Ich
hab es schon lange nicht 101 mehr, als Vexierbild
gesehen, (ja) beinahe vergessen,
daß es eins ist.” Da kann man natürlich
fragen “Wie hast Du's denn
gesehn?” & ich werde sagen
“Nun, als Bäume & …”
& das ist auch ganz richtig; aber hab ich also nicht nur
die Linien des Bildes gesehen & gewußt
was es darstellt, sondern sie || das Bild gesehen & gewußt
was es darstellt, sondern es auch immer gemäß || immer diesem Wissen gemäß einer bestimmten
Deutung gesehen || wahrgenommen? Lieber
möchte ich sagen: Für mich waren's
jetzt einfach immer Bäume, ich habe nie in anderm Sinne auf
das Bild reagiert. || Sinne an das Bild
gedacht. |
Ich spreche das
Bild nicht immer, wenn ich es sehe, als das & das an; aber
gibt es nicht einen Zustand, in welchen der eine Aspekt jedenfalls
ausgeschlossen ist, obwohl der andere
nicht lebendig ist. Kann man sagen: Wenn ich
überhaupt an das Bild als eine Darstellung von etwas denke, so
auf diese Weise. Oder: ich
bin mir schwach bewußt, daß dort das Bild von Bäumen
hängt. Oder sind es die Formen, die räumlichen
Formen die ich sehe & die mich dann zu einer
Interpretation konditionieren? Das klingt mir nicht
ganz wahrscheinlich. |
Ich möchte
sagen: “Soweit ich mich überhaupt mit dem
Bild beschäftigt habe, so als Bild von
Bäumen.” Aber das setzt voraus
102 daß ich es so
nur dauernd sehen könnte, ∣ wenn ich mich doch etwas
mit dem Bild ‘beschäftigte’. |
13.1.
Wenn sich ein philosophisches
Problem nicht gibt, so muß man sich immer sagen, daß
man es falsch angefaßt hat. || so muß man
sich stets wiederholen, daß das daher komme, daß man es
falsch angefaßt hat. Daß man noch
einen tiefen, || grundlegenden, nicht nur
einen oberflächlichen Fehler mache. (Dies ist
beinahe auch ein Trost.) |
Denk an den Fall der
rotierenden Trommel. Du betrachtest sie, sozusagen,
gedankenlos. Hast Du nicht den Eindruck sie bewege
sich in dieser, nicht in der andern, Richtung?
Hast Du nicht diesen Eindruck ebenso dauernd, wie den von ihrer
Farbe & Form? Und ist es nun mit den Bäumen
in jenem Bild nicht gerade so? Ebenso wie es nichts
macht, daß sich die Trommel tatsächlich nicht in der Richtung
bewegt wie Du es siehst, ebenso macht es auch nichts, daß das Bild
in Wirklichkeit flach ist. |
Lernt das Kind, das den
Buchstaben 102 F kennen
lernt, ihn, oder diese Form, als ein
F auffassen? – Es lernt diese Form so & so
gebrauchen. Der Ausdruck
“Etwas als ein F auffassen” hat
nur Sinn, wenn man die Form nicht für ein
F
hält. Ein F sehen, heißt nicht,
etwas was man sieht als ein F
auffassen. (Wie man zwar einen andern
Komponisten, aber nicht Beethoven für einen
Beethoven halten
kann.) – Das heißt: Erst muß es
ein F geben, ehe
man etwas als ein F auffassen
kann. |
Wenn ich einen Gegenstand
anschaue, einen Würfel, einen Baum, einen menschlichen
Kopf, & man fragt mich, was ich sehe, so kann ich zur Antwort
eine Zeichnung anfertigen, oder aber ein Modell
oder ich kann durch Worte & Gesten eine Beschreibung
geben. Ist es ein Gegenstand, der sich für zweierlei
halten läßt, etwa das Drahtgestell eines Würfels, so kann
ich wieder auf die Frage “Was siehst
Du?” mit einer Nachbildung, oder Beschreibung
antworten & ich kann dies tun ob ich mir nun der
Doppeldeutigkeit des Objekts bewußt bin, oder
nicht. || & ich kann dies tun, wenn ich mir
der Doppeldeutigkeit des Angeschauten bewußt bin, wie wenn
ich's nicht bin. Sagt man, ich
könne es einmal als das, einmal als jenes sehen,
so ist 103 das ‘es’
immer der Gegenstand vor meinen Augen (ob räumlich, oder
flach); & das das & jenes
bezieht sich auf die Zeichnung, das Modell, die
Beschreibung die ich anfertige; sie sind es auf die ich
dabei zeige, nicht etwas in mir, oder || und
der Gegenstand, den ich angeschaut habe. || der Gegenstand, der mir den || diesen
Eindruck lieferte. Wie vergleicht sich dieser Fall nun mit dem des F, das man auf zwei Arten sehen kann? – Gefragt, was ich sehe, wird die deutlichste Antwort eine genaue Kopie sein. Diese Darstellung || Antwort entspricht der im zuerst besprochenen Fall. Während die zwei ‘Arten des F zu sehen’ eine ganz andere Art der Darstellung erfordern. Vor allem ist hier eine andere Beziehung zwischen ‘dafür halten’ & ‘als das sehen’. |
Nehmen wir nun
an, ich habe das 103 F eines Menschen gesehen,
welches er so schreibt: , & habe es
immer für ein Spiegel F gehalten;
d.h. ich habe einen gewissen
Zusammenhang zwischen seinem Buchstaben & dem regelrecht
geschriebenen vermutet || angenommen. Nun machst Du
mich aufmerksam, daß dieser Zusammenhang nicht
besteht, sondern ein anderer der der verschobenen
Striche). Dies verstehe ich, & sage
nun: “Dann sieht es freilich auch anders
aus.” “Dann sieht es freilich auch anders
aus.” Gefragt “Wie
anders?”, sage ich etwa:
“Früher sah es ungeschickt aus, jetzt aber
kühn & energisch.” |
Denke Dir, es hätte Einer
Gesichter immer nur mit einem Ausdruck, sagen wir
lächelnd, gesehen. Und nun sieht er zum
ersten Mal ein Gesicht seinen Ausdruck
verändern. Könnte man da nicht sagen,
jetzt erst sehe er || bemerke er
einen Ausdruck des Gesichts? Erst der Wechsel
machte den Ausdruck bedeutsam, früher gehörte er eben zur
Anatomie des Gesichts. – Ist es so auch mit dem
Aspekt der Buchstaben? Ausdruck,
könnte man sagen, gibt es nur, wo es Mienenspiel gibt || gibt es nur im Mienenspiel.
|
Es ist
doch auch etwas anderes, ob 104 z.B. ein
Buchstabe so geschrieben ist wie er eben geschrieben sein soll || geschrieben gehört, oder ob
ich von dieser Schreibweise weiß, sie sei
eine sehr unkonventionelle || abnormale,
& dann kommt es darauf an: in welcher
Weise abnormal. Aber diesen
Eindruck kann doch nur erhalten, wem
nicht nur diese Form gezeigt wird, sondern wer auch das &
jenes über sie weiß. |
Man kann
also sagen, es werde der einen Buchstaben anders sehen, der ihn
immer so gelernt hat, als wer in ihm
eine bestimmte Abweichung von der Regel
erkennt. ||
als der, welcher in ihm eine bestimmte Abweichung von der Regel
sieht. Der Mund lächelt eben nicht der
immer lächelt. Ich sagte, –er wird ihn anders sehen –
d.h., || : er wird ihm
anders vorkommen. Er wird anders auf ihn
reagieren.
|
Wie mir ein
Buchstabe vorkommt hängt also davon ab, ob
er streng nach der Norm gebildet || geschrieben ist, oder ob, & wie
er von ihr abweicht. Dann ist auch das
begreiflich, daß es einen Unterschied macht, ob wir nur
eine, oder zwei Erklärungen der || einer
Buchstabenform kennen. 104 |
Wie konnte ich denn
sehen, daß diese Stellung || Gebärde zaghaft war, ehe
ich wußte, daß sie eine Stellung, & nicht die Anatomie
dieses Wesens war. |
Die gleiche Form
gehört jedesmal in ein anderes Bereich. Sie assoziiert
sich mit Anderem. |
Erst jetzt weiß man,
sozusagen, daß man Prosa schreibt. |
Das Sehen des
Buchstabens als Spiegel F entspricht einem
Gedanken “Das kann ja auch ein
Spiegel F sein”.
Jeder solche Gedanken “Es kann ja auch so
aufgefaßt werden” bringt, sozusagen, einen Aspekt zum
Aufleuchten. Zum Aufleuchten &
Nachleuchten. Ich will sagen:
ohne diesen Gedanken ist ein Aspekt nicht
da. || gibt es den Aspekt
nicht.
D.h. || Das hieße: die entstehende
Auffassung, also das Wechseln der Auffassung erzeugt das
Aufleuchten des Aspekts; d.h.: das
Aufleuchten, was wir “Aspekt”
nennen. Darum habe ich früher einmal
geschrieben, der Aspekt sei der Nachklang eines
Gedankens. |
Wo ich hier Fehler mache,
dort sind 105 es logische Fehler || Fehler in der Logik.
|
Das Bild der zwei gegen
einander rotierenden Räder.
Hier hat, was wir Aspekte nennen, nichts mit gewissen
Gedanken zu tun. Wir erkennen freilich, daß die
verschiedenen Beschreibungen, die wir abwechselnd von unserm
Gesichtseindruck geben wollen || müssen in einer
Beziehung dasselbe Gesichtsbild beschreiben. |
Ist der Aspekt
willkürlich, wie ich immer gesagt habe, oder läßt er sich
nur oft hervorbringen; durch wechselnde
Blickrichtung, z.B.? |
Sag
Dir, das Dreieck sei umgefallen, & Du siehst es
als umgefallenes. |
Du kannst neue Aspekte entdecken, oder erfinden, indem Du
eine neue Auffassung suchst || der Figur
suchst, an eine Dir neue Gruppierung der Striche
denkst; & nun wirst Du manchmal diese Gruppierung
sehen. Du suchst nach einer neuen || findest eine neue Interpretation, & als Folge davon siehst Du die Figur in dieser Interpretation. 105 |
Die Frage ist
nun: Wenn man eine Figur einer Interpretation
gemäß sehen kann, sieht man sie immer einer
Interpretation gemäß? Und ist da ein scharfer
Unterschied zwischen dem Sehen das mit
keiner Interpretation verbunden ist & jenem
andern? |
Ich will sagen:
Das Sehen einer Figur in dieser Interpretation ist ein Denken an
die Interpretation. Denn soll ich sagen es sei möglich
dies als ein Spiegel F zu sehen &
dabei nicht an die besondere Beziehung zu denken die
das Wort Spiegel-F bedeutet?
Ich sehe doch eine Deutung & eine Deutung ist ein
Gedanke. |
Es muß sich alles
darum handeln wie man den Gesichtseindruck, ich meine:
das, wovon man sagt, man sehe es, wenn man ein bestimmtes Objekt
anschaut – wie man die darzustellen hat.
Wenn ich die rotierende Trommel anschaue, so ist es leicht ein Modell zu machen was zeigt wie ich ihre Bewegung sehe. – Ähnlich auch beim Bild der beiden Räder, obwohl hier der Fall des nicht näher beschreibbaren Zitterns der Speichen ein Problem bildet. – Wie soll ich darstellen was ich im Vexierbild 106 sehe, vor & nach der
Lösung? Wenn es z.B.
Bäume darstellt, so wäre, was ich sehe durch ein
räumliches Modell darzustellen. Daß es aber
Bäume sind wird sich darin äußern,
wie meine Gedanken dieses Bild || diese Bilder
umspielen.
Sehe ich aber die Auflösung des Bildes, so wäre, was
ich sehe, nur durch das Bild eines Menschen darzustellen, wovon man
sagt, man sehe so etwas an dieser Stelle des
Bildes || Vexierbildes. Man könnte
aber, was man hier sieht, auch dadurch darstellen, daß man
das Vexierbild genau kopiert aber die Striche in besonderer
Reihenfolge zeichnet, so zwar, daß dadurch
z.B. die menschliche Gestalt in den Baumkronen
als Einheit zusammengefaßt würde. /
Oder man || Man
könnte das Vexierbild vor & nach der
Lösung beiläufig kopieren, & dann
würde hier der Fehler beim Kopieren
des ersten Aspekts verschieden sein von dem Kopieren des
zweiten. Ich könnte also sagen:
“Vor der Lösung sah ich ungefähr
das (& zeichne einen Wald), || ‒ ‒ ‒ nach der Lösung ungefähr das
(& zeichne einen Menschen in den
Baumkronen). |
Denk Dir auch ein
Vexierbild solcher 106 Art, daß sein erster Anblick
kein Bild zeigt, sondern bloß ein Gewirr von Strichen,
& man nach der Auflösung eine Gestalt in diesem Gewirr
wahrnimmt. Was wäre die Darstellung des ersten
Aspekts? Und was ist nun die Darstellung dessen, was man sieht, wenn man sieht, daß dieses Dreieck umgefallen ist? |
Der Beweis, daß meine
Fehler logische sind, || logischer Art sind,
ist, das || ein Vorführen der
psychologischen Erscheinungen, wenn ich über die
Philosophie der Begriffe nachdenke. || ¤ist, daß ich mir immer die
Erscheinungen || die Erscheinungen immer || die
Erscheinungen vorführe wenn ich
über die Philosophie der Begriffe
nachdenke. |
14.1.
Es geht doch darum, was alles zum
Zustand des Sehens zu rechnen ist. |
Und es muß da,
glaube ich, schon ein Unterschied zwischen dem
Sehen von Farben & Formen & dem räumlichen Sehen
gemacht werden. Aber nicht, als wäre das
letztere eigentlich kein Sehen, sondern ein Deuten, oder dergleichen;
aber die Darstellung, oder was wir eben die
“Darstellung des Gesehenen” nennen, unterscheidet
sich. – Du mußt überlegen, daß was
Einer sieht, in der wichtigsten Klasse
107 von Fällen, in einer
Meldung über das betrachtete Objekt zum
Ausdruck kommt. Und zu dieser Meldung gehört
natürlich auch die räumliche Anordnung. –
Wie ist es nun, wenn Einer zu melden hat, was er auf einer
Fläche sieht & wenn die Zeichnung auf ihr den Charakter
des Vexierbildes hat? Erstens, was das Räumliche
anbelangt so kann er, was er auf der Fläche sieht auch
räumlich beschreiben; ja das ist vielleicht die
einzige Art der Beschreibung, die er geben kann. |
Eine wichtige
Mitteilung || Meldung wird
z.B. sein: “Es hat sich in
dieser ganzen Zeit nichts verändert.” Sie
beruht eben auf andauernder Beobachtung. |
∣ Der Mensch kann alles Schlechte in sich als Verblendung ansehen. ∣ |
Wenn ich die
Lösung des Vexierbilds sehe || entdecke mache ich über das Bild
selbst eine Entdeckung. Die Entdeckung
z.B., daß durch diese
Camouflage ein Schiff verborgen wurde. Ich will Einem etwa
geheim mitteilen, wie ein gewisser Mensch ausschaut
& verberge meine Mitteilung, nämlich sein
Porträt in einem 107 Vexierbild. |
Ich will || möchte sagen, daß jemand, der ein Dreieck, sagen wir,
umgefallen, oder in der & der Richtung zeigend, &
dergl., sieht, sich
mit dem Bild auf diese Weise
beschäftigt, || .
Aber welchen Beweis habe ich davon. Denn ich brauche
einen Beweis. Angenommen jemand versicherte mir, er sähe das Dreieck in dieser Weise, geradeso, wie er es rot, oder rechtwinklig sieht, – was kann ich dem antworten? Oder warum versteh ich ihn nicht? |
Angenommen es wollte
Einer erklären: Wenn man das Dreieck so sieht, so
sagt man sich eben dabei, es zeige in der
Richtung. Aber er möge also diese Worte,
“Es zeigt …” beim
Anschauen der Figur aussprechen, – was nützt
das? Warum soll der Klang dieser Worte mehr in sich
haben, als die Figur selbst. Das ist
wahr, daß ich die Figur so sehe, wenn ich mir dies dabei
sage. |
Ich sage: Ich
sehe die Figur in allen solchen Fällen in einem bestimmten
Zusammenhang. Und kann ich also nicht sagen, daß ich
eben dadurch an diesen Zusammenhang denke?
Ein 108 ‘Zusammenhang’ ist
doch ein Gegenstand des Denkens (was immer das heißen
mag). |
Es ist ja ganz sicher,
daß, wenn ich an die Figur als das oder das denke, ich
sie dann (oft wenigstens) so sehe. (Aber diesen
Begriff selbst habe ich noch nicht erklärt.)
Ja, es ist als hätte der Gedanke eine Glocke angeschlagen, die nun weiter schwinge. (Ich mache noch immer einen schweren logischen Fehler!) |
Wenn ich ein Dreieck
anschaue & es als Berg sehe, – denk ich da nicht eben an
einen Berg? Ich könnte
doch drauf schauen & dabei über einen Berg nachdenken
wobei ich das Dreieck als eine Illustration verwende.
Ich könnte natürlich auch über einen Berg
reden & das Dreieck so verwenden. Und
kann nun nicht das Reden & auch das Nachdenken wegfallen
& das Dreieck für mich dennoch das Bild eines Berges
bleiben? |
Wenn ich die Figur eine
Gedankenhilfe nennte, so könnte ich sagen ich sehe sie als
diese Gedankenhilfe. 108 |
Man könnte
sagen: es knüpfen || hängen
sich Gedanken an die Figur in diesem Aspekt. |
Es scheint mir ich kann
nicht über das Dreieck als das & das denken
& es zugleich als etwas anderes
sehen, || : z.B. es als
dreieckiges Loch sehen & als dreieckigen Berg darüber
denken. Oder sagen wir: es als Illustration in einem
Gespräch über einen Berg dieser Form verwenden & es
dabei als Loch sehen. (Aber ist das ein
Erfahrungssatz?) |
Es ist
mir als müßte ich eine Anstrengung machen, um einen Aspekt
festzuhalten. Als wäre deshalb der Aspekt der
Zustand eines Tuns. Als müßte ich also die
Glocke immer wieder anschlagen, wenn sie weiterklingen soll.
Und wenn ich das sage, so scheint es mir merkwürdigerweise
nicht als ein Satz der Erfahrung über
mich selbst sondern als ein Satz über den
Begriff. |
Wenn ich ein dreieckiges
Loch in einem Papier anschaue, so muß ich doch nicht
über ein solches nachdenken. Wenn ich aber ein
Dreieck willkürlich als ein Loch sehe, so mach
ich es 109 zu einem Loch, & das
möchte ich “denken” nennen.
Ich will also sagen: Ich muß es dazu machen, damit es für mich das sei. |
Kann ich jetzt
in seinem Gesicht das seines Vaters sehen
& doch dabei nicht notwendigerweise an seinen Vater
denken? In seinem Gesicht das seines Vaters
sehen, war doch offenbar eine Art Vorstellen des Gesichts
seines Vaters. Und da muß man sich erinnern, daß man
die Vorstellung des so & so nicht als die des so & so
erkennt. |
Wenn ich mir nun N.N. in seinem Garten
vorstelle, soll ich da sagen, ich denke an
ihn? Nun man sagt es jedenfalls. |
Wenn ich also eine Vorstellung des so & so festhalten kann,
warum dann nicht ebenso einen Aspekt? |
Wie kann ich das nun auf das Hasen-Enten Bild
anwenden? Ich sage, daß zum Sehen der Aspekte meine
Bekanntschaft mit der Hasen- &
Entenform nötig ist || Bedingung
ist. Erkenne ich nun die Doppeldeutigkeit
nicht & halte || nehme es einfach für ein
Entenbild, so braucht doch hier von einem Aspekt nicht die
Rede sein, sondern erst wenn ich nun dieses Bild auch als Bild des
Hasen erkenne. Denn da sehe ich in ihm (nicht im
Hasenbild) plötzlich den Hasen. |
Nimm aber an ich hätte das Porträt, die
Photographie etwa, eines Menschen & sähe
plötzlich das Gesicht seines Vaters im
Bild. Nun, ich sagte, ich hätte mir da auf bestimmte
Art & Weise seinen Vater vorgestellt; sozusagen mit
einer Vorstellungshilfe. Wenn ich mich aber nun
daran gewöhnte das Bild als eins des Vaters zu
betrachten, & es nun ständig als solches
auffaßte, hätte 110 daran die Vorstellung noch
Teil? |
Wenn ich ein Bild,
welches als das des N.N. gemeint ist, als das
des N.N. erkenne, – ist dies Akt der
Vorstellung? |
“Aus seinem
Gesicht schaut mich das des Vaters an.”
“Ich habe einen Moment in seinem Gesicht das Gesicht des Vaters gesehen.” Das heißt mehr, als Ähnlichkeiten erkennen. |
Ich bin aber noch nicht
sicher wie viel ich durch diesen Vergleich vom
Sehen des Aspekts mit dem Vorstellen erreicht habe; obwohl er mir
wichtig erscheint. |
Was für eine seltsame Frage ist es aber ob ich nicht an
N.N. gedacht haben müsse,
als ich sein Gesicht in dem seines Sohnes
sah! || . Ich wollte natürlich nicht
fragen ob ich nicht gleichzeitig mit jenem Vorstellen an ihn
gedacht haben müsse, sondern ob das Vorstellen kein
Denken war. Wie entscheidet man das
aber? Ich sage z.B. “Ich habe gerade daran gedacht, ob es wohl auch in … angekommen ist”. Dieser Gedanke drückt sich in einem Satz aus. Jener andere etwa in 110 einem Anruf:
“Ach, der
N.N.!”. |
∣ Wenn es wahr
ist, wie ich glaube, daß Mahlers Musik nichts wert ist, dann ist die Frage, was er,
meines Erachtens, mit seinem Talent hätte tun sollen.
Denn ganz offenbar gehörten doch eine Reihe sehr seltener
Talente dazu, diese schlechte Musik zu machen.
Hätte er z.B. seine Symphonien schreiben
& verbrennen sollen? oder hätte er sich Gewalt
antun, & sie nicht schreiben sollen? Hätte
er sie schreiben, & einsehen sollen, daß
sie sie nichts wert seien? Aber wie hätte er das
einsehen können? Ich sehe es, weil ich seine Musik
mit der der großen Komponisten vergleichen kann.
Aber er konnte das nicht; denn wem das
eingefallen ist, der mag wohl gegen dessen Wert || den Wert des
Produkts mißtrauisch sein,
weil er ja wohl sieht, daß er nicht, sozusagen, die Natur der
andern großen Komponisten habe, – aber die
Wertlosigkeit wird er deswegen nicht einsehen, denn er kann sich immer
sagen, daß er zwar anders ist, als die übrigen
(die er aber bewundert) aber in einer anderen Art
wertvoll. Man könnte vielleicht sagen:
Wenn Keiner, den Du bewunderst, so ist wie Du, dann
glaubst Du wohl nur darum an Deinen Wert, weil
Du's bist. – Sogar wer gegen die
Eitelkeit kämpft, aber darin nicht ganz
111 erfolgreich ist, wird sich
immer über den Wert seines Produktes
täuschen. Am Gefährlichsten aber scheint es zu sein, wenn man seine Arbeit irgendwo in die Stellung bringt, wo sie, zuerst von einem selbst & dann, von Andern mit den alten großen Werken verglichen wird. An so einen Vergleich sollte man gar nicht denken. Denn wenn die Umstände heute wirklich so anders sind, als die frühern, daß man sein Werk der Art nach nicht mit den früheren Werken vergleichen kann, dann kann man auch den Wert nicht mit dem eines andern vergleichen. Ich selbst mache immer wieder den Fehler, von dem hier die Rede ist. Unbestechlichkeit ist alles! ∣ |
Konglomerat:
Nationalgefühl, z.B.. |
15.1.
Man kann in einem aufgehängten
Mantel & Hut ihren Besitzer erkennen, sozusagen sehen.
Man kann, auf sie deutend sagen “Schaut das nicht
ganz aus wie …?” || wie der
N.N.?”
|
Wenn Einer sagt
“Ich sehe die Figur jetzt als …”, so
ist natürlich auf die Aussage, er ‘sehe’,
nichts zu geben. Könnte er nun nicht ebensogut sagen
“Ich denke es mir jetzt als ein
…”? 111 Er kann doch auch sagen
“Für mich ist es jetzt ein
…”. Nun, das, was am Ausdruck
“denken” nicht paßt, ist, daß es
auf etwas wie einen Vorgang eine
Überlegung hinzuweisen scheint, nicht auf einen
Zustand. Ja; das Wort “sehen” drängt sich uns auf. Aber nicht weniger (eben) (auch) der Ausdruck: es sei nun für mich das, den wir ja auch gebrauchen, wenn wir von einem Bild sagen: “Das ist eine Landschaft”, etc.. |
Und
“Das ist eine Landschaft”,
“Das ist ein Berg” heißt natürlich
nicht: Das ist das. – Aber hier muß man
unterscheiden: Der Satz kann dem gesagt werden, || an den gerichtet sein, der das Bild noch nicht sieht, oder
aber an den, der es sieht, aber noch nicht als Landschaft
erkennt. Das “das” kann heißen
“das, was dort hängt”, oder “das was
Du jetzt siehst”. |
Was erfährt er, wenn
ich ihm mitteile “Ich sehe es jetzt als
…”? Wohl, || : ich sei
in einem bestimmten Zustand. In einem Zustand,
aus dem manches folgt || der manche
ähnlichen Folgen hat, wie der: ich betrachte jetzt die
& die Form. || Zustand, der manche
ähnlichen Konsequenzen hat, wie das
Sehen 112 bestimmter Formen &
Farben. |
Erinnere Dich daran,
daß Du ja auch das Wandern des Blicks durch ein Bild (oder
Modell) nicht wiedergeben kannst! Und würde
man den Eindruck den es || das erzeugt nicht sehr
natürlich zum Gesichtseindruck rechnen? |
Ich möchte doch
sagen: Ich sehe soviele verschiedene Bilder dieser
Figur. Ich sehe sie einmal so
zusammengesetzt, einmal so. |
Rätselhaft, wie ich
immer dasselbe, & immer wieder etwas anderes sehe.
|
Die verschiedenen Beschreibungen die ich von meinen Aspekten gebe,
sind tatsächlich verschiedene
mögliche Beschreibungen der Figur auf dem Papier.
In einem Sinne passen sie alle; sagen dem, dem sie
gegeben werden alle dasselbe. Die Meldung, welcher
Gegenstand vor meinen Augen sei, || – das
ist, die
des wichtigsten, ursprünglichen
Sprachspiels mit dem Ausdruck “Ich
sehe” – macht zwischen diesen Ausdrücken
keinen Unterschied. Nicht etwas, was ich
beobachte, hat sich geändert, wenn der Aspekt sich
112 ändert!
Etwas ‘in mir’ hat sich geändert:
Ähnlichkeit mit dem Vorstellen. |
Und beachte das
“als” in “Ich sehe es jetzt
als …”! Es ist ja hier doch ein
Unterschied im Wortausdruck. |
Denke nicht an das was
‘sich nicht
übermitteln
läßt’; sondern an das, was sich mitteilen
läßt! |
Es
wird, oder kann, sich auch der Aspekt in welchem ich
eine Figur sehe in der Art & Weise ausdrücken, wie ich
sie kopiere, also doch, in einem Sinne, in der
Kopie. Ich werde auch ein
Gesicht, je nachdem ich's auffasse anders in der
Zeichnung wiedergeben, obwohl die Photographie jedesmal das
gleiche zeigt. Also hier wieder ein Grund vom
“sehen” zu reden. |
“Das
Wesentliche ist das, nicht
das.” |
Daß ich eine
andere Kopie (als || ein anderes Resultat)
mache, das stimmt mit dem Begriff des Zustands || Sehzustands zusammen.
Daß ich die gleiche Kopie erzeuge, sie aber anders
erzeuge – die Striche in andrer
Reihenfolge 113 ziehe – weist auf den
Begriff des Denkens. |
Mit welchem
Recht gebraucht er da das Wort “sehen”?
Oder hat er keine Berechtigung & ist es nur eine
Sprachdummheit? Oder ist || liegt die einzige Berechtigung darin, daß ich
& andere geneigt sind, zu sagen: || auch geneigt
bin, zu sagen: einmal “ich sehe es als
das”, einmal “ich sehe es als
jenes”? Es könnte so sein. Aber
ich bin durchaus abgeneigt, das anzunehmen; ich fühle,
ich muß sagen “ich
sehe” etwas”. Was soll das aber
heißen? – Ich habe doch das Wort sehen”
gelernt. Was paßt ist doch nicht das
Wort, sein || der Klang oder das geschriebene
Bild. Der Gebrauch des Worts
“sehen” ist es, was mir die Idee aufnötigt, ich
sehe dies. Was ich über den Gebrauch des Wortes gelernt habe, muß mich zwingen, es hier zu gebrauchen. |
“Das
ist doch: etwas sehen –” möchte ich
sagen. Und es ist ja wirklich so: die Situation
ist ganz die, in welcher dieses Wort auch sonst gebraucht wird; –
nur ist die Technik hier etwas verschieden. |
∣ Tiere
kommen auf den Zuruf ihres Namens. Ganz wie
Menschen. ∣ 113 |
Der Gebrauch des
Wortes “sehen” ist ja durchaus kein
einfacher. – Man stellt sich ihn
manchmal wie den eines Tätigkeitswortes vor, –
& es sei nur schwer auf die Tätigkeit geradezu zu
deuten. Man stellt sich ihn daher einfacher vor,
als er wirklich ist, das Sehen sozusagen als ein
Eintrinken mit den Augen. || Eintrinken von
etwas mit den Augen. Wenn ich also
etwas mit den Augen eintrinke, so kann kein Zweifel mehr
bestehen, ich sehe etwas (wenn mich nicht Vorurteile
täuschen). |
Man könnte
sagen: Ich sehe die Figur einmal als den Grenzwert dieser
Reihe, einmal als den Grenzwert jener. Dieser
Wert könne der Grenzwert verschiedener Funktionen
sein. |
Das, als was ich
die Figur sehe, das kann sie immer, in einem gewissen Sinne
sein. Wenn das auch nicht in anderem Sinne
‘sichtbar’ wäre. Denn eine Figur
kann ja ihren Gebrauch, oder ihrer Entstehungsweise nach Grenzwert
verschiedener Reihen sein. Ein Dreieck kann wirklich
gebraucht werden, einen Berg darzustellen, oder als Pfeil um in
dieser Richtung zu zeigen, etc.,
etc.. 114 Die Beschreibung des Aspekts ist also immer auch eine richtige Beschreibung der Sehwahrnehmung. |
Es kann doch eine Figur, sagen wir ein Schriftzeichen, das korrekt
geschriebene, oder, in verschiedenen Weisen, ein fehlerhaft
geschriebenes sein. Und diesen Auffassungen
der Figur entsprechen
Aspekte. – Hier haben wir die größte
Ähnlichkeit mit dem Bedeutungserlebnis. || mit dem Erleben der Bedeutung eines isolierten
Worts. || mit dem Bedeutungserleben
beim Aussprechen eines isolierten
Worts. |
Man kopiert es anders, – aber die Kopie ist
dieselbe. Aber ich will sagen: Wenn etwas anderes || Anderes gesehen wird, muß die Kopie eine andere sein. Aber muß man sich || ich mich da nicht daran erinnern, daß ich z.B. ein gemaltes Bild eines Baums eine Kopie dessen nennen würde, was ich von dem & dem Standpunkt bei Betrachtung des Baumes sehe. Und doch schweifen bei dieser Betrachtung meine Blicke in allen Richtungen am Baum umher & dem entspricht nichts in der Kopie. Ich könnte also in der Kopie eines Schriftzeichens die ‘gesehene’ Art 114 der Zusammensetzung
anzeigen, obwohl dadurch in einem Sinne die Kopie
verfälscht wird. Bedenke auch dies: In
einem Sinne ist offenbar eine Zeichnung eine Kopie,
sagen wir des gesehenen Gesichts & man kann
z.B. in dieser Zeichnung den Ausdruck des
Gesichts ausgezeichnet wiedergeben, obwohl doch in
andrer Weise die Zeichnung weit entfernt von einer Kopie des
Angeschauten ist. – Ich will damit sagen,
daß unser Begriff von der Kopie des Gesehenen weniger einfach ist,
als ich anzunehmen geneigt bin. |
Wenn ich ihm
mitteile: “Ich sehe die Figur jetzt als
…” so mache ich ihm eine Mitteilung in mancher
Beziehung ähnlich der einer Gesichtswahrnehmung,
aber auch ähnlich der eines Auffassens, oder
Deutens || oder einer Deutung, oder eines
Vergleichens, oder eines Wissens. |
“Ich sehe
jetzt ein weißes Kreuz auf schwarzem Grunde & dann ein
schwarzes Kreuz auf weißem Grunde.” Aber
115 was ist denn das:
ein weißes Kreuz auf schwarzem Grunde, erklär es
doch! & was ist ein schwarzes Kreuz auf
weißem Grunde? Du darfst doch
für beide nicht etwa die gleiche Erklärung
geben! & || Und erklärt
müssen sie doch werden! Die Erklärung könnte doch ungefähr so lauten: “Ein weißes Kreuz auf schwarzem Grunde das ist so etwas –” & nun folgt eine Figur. Es darf aber natürlich nicht die doppeldeutige sein. Daher kann man dann statt zu sagen “Ich sehe die Figur einmal als ein weißes Kreuz auf … , einmal als …” auch sagen: “Ich sehe die Figur einmal so (folgt eine Figur), einmal so (folgt eine andere Figur). Und war der erste Satz ein erlaubter Ausdruck, so war es dieser auch. |
Und heißt das nicht
daß nun jene zwei Figuren eine Art von Kopien der
zweideutigen Figur waren? |
Einerseits sind
diese beiden Darstellungen Kopien des Gesehenen, anderseits
bedarf es auch noch einer begrifflichen
Erklärung. – Wenn ich
z.B. die Figur + einmal als liegendes
Kreuz, einmal 115 als stehendes Kreuz einmal als
schiefstehendes Diagonalkreuz sehe, – was sind die
entsprechenden Kopien? – Für
die ersten beiden Aspekte etwa
&
für den dritten Aspekt
etwa ein Gerät, welches normalerweise so
✕
steht. Aber zu diesen Illustrationen bedarf es Gedanken,
Erklärungen. Ein liegendes Kreuz ist eines das umgelegt worden ist & stehen sollte. Die Kopie wird also etwas sein was Kreuzform hat & wovon wir wissen ob es liegt oder steht. Es wäre daher auch möglich als Kopie ein Bild zu gebrauchen, worin die Kreuzform vorkommt & die oder die Rolle spielt. D.h., es gibt ein Bild welches, was ich als Aspekt sehe, zum Ausdruck bringt. Und das gibt dem Aspekt Ähnlichkeit mit einem durch Sehen Wahrgenommenen. |
Oder: Es
gibt ein Bild das für den Aspekt eine ähnliche
darstellende Rolle spielt, wie das Bild als Mitteilung des
Wahrgenommenen. |
“Was ich sehe
schaut so aus” & nun folgt das
Bild. Dieses “so”
charakterisiert den Zustand. Man könnte auf
das Bild so lange deuten, als der Zustand währt. Und
ebenso könnte man auch die Illustrationen der
Aspekte benützen. 116 |
Denk Dir ein
Gemälde, eine Kreuzabnahme etwa; was wäre es nur, wenn wir
nicht wüßten welche Bewegungen hier festgehalten
wurden. Und das Bild zeigt uns diese
Bewegungen & es zeigt sie uns auch nicht. (Das
Bild der Kavallerieattacke, wenn der Betrachter nicht
weiß, daß die Pferde nicht so stehen.) |
“Was ich sehe schaut so
aus”. Denk Dir das sagte jemand der
ein || das Bild eines rennenden Pferdes
betrachtet & als Kopie davon ein
wirkliches || ausgestopftes Pferd
benützt, was || das in laufender Stellung
steht! Die richtige Kopie wäre ein
laufendes Pferd. || Wäre nicht
die richtige Kopie ein laufendes Pferd?
|
Ist mir nun mit dem Aspekt ein
Gedanke vor Augen? || vorm
Auge? Ist mir mit dem
Gemälde einer vor Augen? (denn die als
… gesehene Figur ist ja wie der allein noch sinnlose
(wenn auch
sinnfähige) Bestandteil
eines Gemäldes). |
Wenn ich das
gute || ausdrucksvolle Bild eines
laufenden Pferdes sehe, – denke ich da an ein
laufendes Pferd? Und wie kann ich es denn laufen sehen, für eine Minute etwa laufen sehen? Weiß ich also nur, daß es läuft || ein Pferd läuft; & weiß ich 116 nur was bei der
Kreuzabnahme vor sich geht? |
Nun, man kann doch ein
Gemälde beschreiben, indem man Vorgänge
beschreibt; ja so würde man immer || es
beinahe immer beschreiben. “Er steht in
Schmerz versunken, sie ringt die Hände, …”
Ja, wer es so nicht beschreiben könnte, ob er es auch
als Verteilung von Farbflecken auf der Fläche haarscharf
beschreiben könnte, verstünde es nicht.
[Bild vom Mann der den Berg hinaufgeht.] |
Angenommen es
gäbe eine Geschichte von einem Reiter, dessen Pferd im Lauf
erstarrt ist: || , & nun macht
Einer dazu eine Illustration, – soll er
nun einfach ein laufendes Pferd malen? |
War es nicht ein grober
Fehler, als ich eben sagte ein laufendes Pferd sei die rechte
Kopie || sei eine Kopie eines
als laufend gemalten Pferdes? Ist nicht
eben das laufende Pferd keine Kopie mehr?
(Es sei denn eines laufenden Pferdes), oder eines
gefilmten.) Es ist mir nicht klar. [Und ob
ich wohl je Klarheit darüber erhalten werde?] |
Man sagt
“In diesem Bild ist eine wilde
Bewegung”. Wäre wirklich ein
‘lebendes Bild’ die richtige
Kopie so eines Bildes; & nicht vielmehr
tatsächliche wilde Bewegung?? |
Ich frage
unzählige irrelevante Fragen. Möge ich
durch diesen Wald mich durchschlagen
können! |
16.1.
Du siehst es also so,
wie wenn Du das & das || Du
das davon wüßtest.
Und wenn dies eine närrische Ausdrucksweise erscheint, so mußt Du || muß man eben im Auge behalten, daß der Begriff des Sehens hier modifiziert wird. || des Sehens durch sie modifiziert wird. |
Kann
ich aber auch sagen: “Er würde das Bild
(der Schlacht etwa) anders sehen, wenn er nicht wüßte,
was hier vorsichgeht”? Wie würde sich
das äußern?! Er würde nicht so
über das Bild reden, wie wir; er würde nicht sagen:
“Man sieht förmlich 117 wie diese Pferde
dahinbrausen” oder “So läuft doch ein
Pferd nicht!”, etc.. Er
würde Unzähliges nicht aus dem Bild
entnehmen was wir daraus entnehmen. |
Wir könnten uns doch entscheiden, das was wir jetzt
“die Figur als … sehen” nennen, sie als das
& das “anfassen” zu nennen. – Hätten wir das nun getan, so wären dadurch die
Probleme natürlich nicht zur Seite geschafft; sondern wir
würden nun den Gebrauch dieses || des “auffassen” studieren
& insbesondre die Eigentümlichkeit, daß
dieses Auffassen etwas Stationäres ist, ein
Zustand, der jetzt anfängt, jetzt
endet. |
Es ist mir also
zumute – könnte ich sagen – als müßte ich
im Stande sein, diese Auffassung durch ein
Bild der angeschauten Figur wiederzugeben. – Und das ist doch wirklich so: ich kann dann sagen,
das Bild das Einer von ihr macht, drücke eine Auffassung
des Gegenstands aus. Ganz so, wie man eben sagen
kann: Hör dieses Thema so …
& spiel es entsprechend. |
Wenn man, in der
Mathematik etwa, sagt “Faß diesen Ausdruck jetzt
so 118 auf: …”, so
fordert man den Andern nicht dazu auf, ihn so zu
sehen. Aber er muß freilich etwas
sehen. Man sagt: “Siehst Du:
das entspricht dem, das entspricht
dem, …”. Man könnte dem
Andern nun freilich durch Klammern, Projektionslinien,
u. dergl., helfen; aber er muß doch die
Ähnlichkeit des Ausdrucks ohne die Klammern mit dem
Ausdruck, in welchem Klammern gesetzt sind, sehen.
Ich habe etwa den Ausdruck zweimal, ohne & mit Klammern, geschrieben, & frage ihn: “Sieht Du, daß es beidemale derselbe Ausdruck ist? Um das zu erkennen muß er nun nicht den einen im andern mit einem Blick sehen, sondern er kann die beiden nach & nach || Stück für Stück vergleichen. So wie in der darstellenden Geometrie die Aufgaben mit & ohne ‘Raumvorstellung’ gelöst werden können || man mit & ohne ‘Raumvorstellung’ arbeiten kann, aber mit ihr leichter. |
“Faß diesen
Ausdruck jetzt so auf …!” Was
hier gefordert wird ist ein Vorgang || eine
Tätigkeit, kein stationärer
Zustand. Man sagt: “Denk Dir das Dreieck umgeklappt”. 118 |
Wer
bemerkt, daß diese Figur in jener enthalten ist, –
muß er die enthaltende jetzt anders
sehen? Muß er sie nicht zum mindesten anders sehen,
während er sie miteinander vergleicht? Es
fällt ihm etwa zuerst die Gleichheit eines gewissen
Stückes auf. Wenn sie ihm nun auffällt
muß || wird etwa der Blick von einer zur
andern schweifen; oder er wird doch auf dem besondern Stück
ruhen. Und er mußte etwa am Ende
sagen,
das || : Das ist ja die gleiche Form wie jene
dort!” – Dennoch aber scheint mir dies
nicht das Phänomen zu sein, wovon ich hier immer spreche.
Muß er nämlich das sagen:
“Ich sehe es jetzt
anders”? |
Die Situation
– & der Gebrauch: das macht hier
wieder die Schwierigkeit. |
Noch einmal: Wenn
Einer sagt “Ich sehe es jetzt so
…”, – fragt es sich, mit welchem Recht er das
sagt; || – das Wort “sehen”
anwendet. (Er könnte ja auch sagen “es ist
jetzt für mich …) |
Sagt er
“Es ist jetzt für mich …”, so
fragt es sich, was wir davon haben. – Denn es
könnte ja bloßer Wahnsinn sein. 119 |
Zu
dem “ || ‘die
Figur so zusammengesetzt
sehen” || ’ gehört doch
auch: sie mit diesem Ausdruck (stolz, demütig,
dumm, etc.) sehen; & diese Fähigkeit
geht mit der zusammen, Formen auf ihren
Ausdruck hin miteinander zu vergleichen.
(Z.B. die Formen von Fenstern &
Türen.) Wer etwa eine Tür so & so
sieht, wird sie in seiner Stellung & Gebärde nachahmen
können. Also sie doch kopieren. |
Ich möchte also so sagen: Das Wort
“sehen” für den Aspekt ist insofern
gerechtfertigt, als es eine Kopie gibt, die
zeigt, wie man's sieht. |
Sähe mich jemand an
& sagte “Jetzt seh ich ihn als den
Schwiegerneffen des so & so || N.N.”,
so würde hier das Wort “sehen”
seltsam || für mich unverständlich
gebraucht || für mich unverständlich sein, wie
es || dies mir unverständlich
wäre: “Er faßt mich in seinem
Porträt von mir als den Schwiegerneffen des
N.N. auf”. |
Ist es wichtig, daß
man eine Figur, die man ¤ sich vorstellt, in der Phantasie
so & 119 anders sehen,
den Übergang von einem Aspekt zum andern machen
kann. |
Die Frage
“Was habe ich davon?” klingt ganz
pragmatisch. Ist es natürlich
nicht. |
“Ich fasse es
so || als das auf.”
“Ich will es so betrachtet
wissen.” – Wie betrachtet man es denn
so? |
Es ist
ein Sehen, insofern … Es ist ein Sehen nur insofern, als … (Das scheint mir die Lösung.) |
Und inwiefern ist es ein
Denken? Ist es eins, da ich erkenne, daß
diese Figur so zusammengesetzt
werden || sein könnte? Ist es ein Denken, insofern ich an diese Zusammensetzung denken muß? – Aber muß ich über sie nachdenken? Aber ich kann doch auch an jemand denken, ohne über ihn nachzudenken. Oder stelle ich mir ihm dann nur vor? Aber es ist etwas gemeinsam zwischen diesem Vorstellen & dem Denken: die Beziehung || der Bezug auf ein äußeres Objekt, der Ausdruck des Erlebnisses nennt ein äußeres Objekt (einen bestimmten Menschen z.B.). 120 |
Wenn ich mir
etwas vorstelle in dem Sinn, in dem ich an etwas denke, so
ist das Charakteristikum dafür das, daß ein Bild
allein (eine Zeichnung || (färbig,
oder anders) || (gezeichnet, gemalt,
etc.) zur Darstellung meines
Vorstellens || meiner Vorstellung
nicht ausreicht. Stelle ich mir N.N.
in seinem Garten vor, so würde ein Gemälde,
zum Ausdruck meiner Vorstellung nicht
genügen. Ich brauche dazu auch die Worte, die den
Bezug zum Ausdruck bringen; die Intention der Vorstellung.
Aber warum soll das Gemälde das nicht können, warum soll es nicht ebensogut als Zeichen für N.N. stehen können, wie sein Name, den er ja übrigens auch mit Andern teilt? Nun wenn ich Einem mitteilen will, was ich mir vorgestellt habe & mache dazu ein Bild, so kann er, es sei denn, er erkennt es, fragen “Und soll das jemand bestimmter sein?”. Aber auch, wenn mein Bild dem N.N. ganz ähnlich ist & wenn der Andre es zu erkennen glaubt, kann er doch noch fragen, ob es ihn auch vorstellt. |
Insofern aber
unterscheiden sich die Aspekte die, sozusagen,
gesehene Bedeutungen || Deutungen der Figur sind, von den
Aspekten des räumlichen Sehens. || der räumlichen 120 Erscheinung.
Denn man kann eine Figur für einen Körper
halten. Und auch, wenn von einer
solchen Täuschung nicht die Rede ist, so
teilt, ich sehe diese Figur jetzt als Pyramide, anderes mit, hat
andere Konsequenzen als, daß ich die Figur jetzt als schwarzes
Kreuz auf weißem Grunde, & nicht umgekehrt
sehe. (Die Konsequenzen des räumlichen Sehens in
der Darstellenden Geometrie.) Es scheint aber auch
der Zusammenhang des Aspekts mit dem Denken geändert oder
gelöst. Denn ist hier die Kopie, die dem Andern zeigt,
wie ich die Figur sehe, von anderer Art. Und man darf hier
nicht vergessen, daß das Wort “Kopie” in
dieser ganzen Betrachtung eine
schwankende Bedeutung hat. |
Ich habe
das Wort “denken” gelernt || gebrauchen gelernt, um zu
entscheiden, ob dieser Mensch jetzt denkt oder nur redet
& sich nicht mit dem beschäftigt worüber er
redet, oder ob er darüber nachgedacht hat, oder nicht, und
anderes; aber nicht um zu entscheiden ob ein dem
normalen Menschen ganz unähnliches Wesen denkt, oder
nicht. D.h., ich mag die eine Technik
wohl beherrschen, aber nicht die andere. 121 |
“Es ist als
wären unsre Begriffe bedingt durch ein
Gerüst von Tatsachen.”
Das hieße doch: Wenn Du Dir gewisse Tatsachen anders denkst, sie anders beschreibst, als sie sind, dann kannst Du gewisse Begriffe in dieser andern Welt nicht mehr anwenden. || kannst Du die Anwendung gewisser Begriffe Dir nicht mehr vorstellen, weil die Regeln ihrer Anwendung kein Analogon unter den neuen Umständen haben. – Was ich sage kommt also darauf hinaus: Ein Gesetz wird für Menschen gegeben & ein Jurist mag wohl fähig sein, Konsequenzen für jeden Fall zu ziehen, der ihm gewöhnlich vorkommt, das Gesetz hat also offenbar seine Verwendung, einen Sinn. Trotzdem aber setzt seine Gültigkeit allerlei voraus; & wenn das Wesen, welches er zu richten hat, ganz vom gewöhnlichen Menschen abweicht, dann wird z.B. die Entscheidung, ob er eine Tat mit böser Absicht begangen hat, nicht etwa schwer, sondern unmöglich werden. || einfach unmöglich werden. |
Schach in der
Vorstellung spielen – Fußball in der Vorstellung
spielen. Zusammenhang mit dem Unterschied zwischen
Mathematik 121
& Physik. Man
kann im Kopf rechnen, aber nicht im Kopf chemische
Experimente machen. || chemisch
experimentieren. || aber nicht im
Kopf das spezifische Gewicht bestimmen.
Wie grundlegend ist nun der Unterschied im Begriff des Spiels auf diese beiden Spiele angewendet; & wie verhalten sich die Spielregeln zum Spiel? |
“Wenn die
Menschen nicht im allgemeinen über die Farben der
Dinge übereinstimmten, wenn Unstimmigkeiten nicht Ausnahmen
wären, könnte es unsre Farbbegriffe || unsern Farbbegriff nicht
geben.” Nein; gäbe es unsern
Farbbegriff nicht. Heißt das also: Was als
Regel denkbar ist, muß es nicht als Ausnahme
sein? |
17.1.
Denk Dir diesen
Fall: Leute haben unsre Farbwörter gelernt &
angewandt, wie wir es tun; plötzlich aber – aus welcher
Ursache immer – stimmen ihre Farbenteile im Allgemeinen nicht
mehr überein. So daß, was Einer jetzt rot sieht,
der Andre blau sieht, etc. Aber halt, –
warum beschreibe ich den Fall so & sage nicht, daß sie die
Farben nach wie vor sehen, aber ihre Bezeichnung wechseln || ändern? Wie ließen
sich diese Fälle unterscheiden? – Man
könnte eine Veränderung in ihren Augen gemerkt
haben. 122 Es könnte aber auch sein,
daß sie bezüglich der Farben gewisser Farbparadigmen
übereinstimmten. Werden diese Leute nun unsre
Sprachspiele spielen || ausführen
können? Es ist vor allem auch hier nicht klar,
daß wir den Fall so beschreiben sollen: diese Leute
sähen beim Anblick eines Gegenstandes nicht die gleiche
Farbe. Denn dies sagen wir eben jetzt nur
unter ganz bestimmten Umständen: wenn nämlich gewisse
Reaktionen die Regel, andere die Ausnahme sind. |
Ich möchte
da natürlich sagen: “Wenn Regel &
Ausnahme ihre Plätze wechseln, so würde ich das Sprachspiel
nicht mehr so & so nennen.” Aber das
genügt doch nicht. Ob ich es noch so nennen
möchte darauf kann's nicht ankommen.
Ich drücke mich also noch falsch aus. |
Der Fall ist
doch ähnlich diesem: Ich habe gelernt
Versuchsresultate durch eine Kurve darzustellen & werde, wenn
die aufgenommenen Punkte so liegen
, wissen, ungefähr
welche Kurve zu ziehen & weitere Schlüsse aus den
Experimenten ziehen können. Liegen aber die
Punkte so: 122 ,
so wird, was ich gelernt habe mich hier im Stiche lassen;
ich weiß gar nicht mehr, welche
Linie ich ziehen soll. Und käme ich zu Leuten,
die, ohne mir
verständlicher Methode & ohne Bedenken eine Kurve
durch dies Sternbild legten || durch diese
Konstellation legten, so könnte ich
diese || ihre Technik nicht nachahmen; sollte ich aber
sehen, daß bei ihnen irgend
eine plausible Linie als die
richtige anerkannt wird & diese dann zu weiteren
Folgerungen verwendet wird || zur Basis von weiteren Folgerungen
dient; &, wenn diese
Folgerungen dann, wie wir sagen würden, mit der
Erfahrung in Widerspruch kämen, die Leute sich
irgendwie darüber hinwegsetzten, – dann würde
ich sagen, es sei dies gar nicht mehr die mir bekannte Technik,
sondern eine
‘äußerlich’
ähnliche, im Wesen aber ganz verschiedene. Sage ich
das aber, so gebe ich mit den Worten
“äußerlich” & Wesen” ein
Urteil ab. |
Was heißt
das: “Das ist doch ein ganz anderes
Spiel!” Wie verwende ich diesen Satz?
Als Mitteilung? Nun, etwa als
Einleitung zu einer Mitteilung, die die Unterschiede angibt || aufzählt & ihre Wichtigkeit || Folgen erklärt. Aber auch, um
auszudrücken, daß ich eben darum hier nicht mehr
123 mittue, oder
(doch) eine andere Stellung zu dem Spiel
einnehme. |
Wenn ich sagte
“Ich würde es nicht mehr … nennen”
so heißt das eigentlich: die Waage meiner
Stellungnahme schlägt um. || schlägt
nun um. || ist
umgeschlagen. |
Ich könnte doch
auch sagen: “Ich kann mich mit diesen Menschen
nicht mehr verständigen.” |
Ich sagte einmal es
könnte einen Begriff geben der links von einer gewisser
wichtigen Linie unserm ‘Rot’, rechts von ihr unserm
‘Grün’ entspräche. Und es kam
& kommt mir vor, als könnte ich mich in so einen
Begriff hineindenken || in diese Begriffswelt
hineindenken; als könnte ich wohl geneigt sein
rot auf der einen Seite das Gleiche zu nennen, wie grün auf der
andern. (Und zwar geht es mir besonders so mit den
Farben Rot & Grün.) || so mit einem
ziemlich dunkeln Rot & einem ziemlich dunkeln
Grün.) Als wäre ich also
nicht ungeneigt das Grün nur einen andern Aspekt des Rot zu
nennen; als liefe was ich “Farbe” nenne
unverändert weiter & nur die “Schattierung
123 änderte sich.
Es besteht also hier die Neigung zu einer Ausdrucksweise,
die, unter gewissen Umständen für Grün &
für Rot dasselbe Eigenschaftswort, mit einem Bestimmungswort wie
“beschattet” “unbeschattet”
verwendet. ¤ “Aber willst Du
also wirklich sagen, daß hier nicht zwei verschiedene
Farben vorliegen?” Ich will sagen:
Ich sehe genug Ähnlichkeit in der von
mir beschriebenen Ausdrucksweise mit dieser & jener
Ausdruck, die wir tatsächlich verwenden, daß ich die
ungewöhnliche unter Umständen sehr wohl hinnehmen
könnte. Aber würden also die Leute
die Ähnlichkeit oder Gleichheit nicht
sehen, die wir sehen: nämlich zwischen Grün
links & (nach unsrer Ausdrucksweise)
grün rechts? – Wie wenn sie sagten, diese seien
‘äußerlich gleich’. Ich stelle
mir die Lage ähnlich vor, wie in der Zeichnung
, wo ich die Winkel
α, β, γ einander gleich,
obwohl äußerlich ungleich nennen kann; die Winkel
δ & α, so wie ε & γ ungleich
aber äußerlich gleich. |
Ich könnte
auch sagen: Rot links & Grün rechts sei || habe die gleiche Natur, aber eine andere Erscheinung.
124 |
Bei allem dem habe ich
aber doch eine Konfusion angerichtet. Das Wichtige an der
Sache war doch zu zeigen, daß man in einer Reihe so
fortfahren kann, daß man, nach unsern
Begriffen, sie nach dem alten Gesetz
abbricht & nach einem neuen fortsetzt; || sie, der alten Regel gemäß || nach
der alten Regel, abbricht, & nach einer neuen
fortsetzt; || war doch zu zeigen,
daß man in einer Folge (sagen wir von Ziffern) so
fortfahren || fortschreiten kann, daß man,
nach unseren Begriffen || für
unsere Begriffe, sie nach dem einen Reihengesetz
abbricht & nach einem neuen fortsetzt;
daß man aber nach einer andern Auffassung ihr Gesetz nicht
ändert || ¤ daß aber nach einer
andern Auffassung sich ihr Gesetz nicht
ändert, die scheinbare
Änderung aber durch die Umstände ||
durch eine Änderung der Umstände
gerechtfertigt || begründet wird. |
Aber das
kommt eigentlich darauf hinaus, daß, was das folgerechte
Weiterschreiben || Weitergehen in
einer Reihe ist, nur durch das Beispiel gezeigt werden
kann. |
Und hier ist man, immer
wieder in der Versuchung, weiterzureden, wo man Halt machen
sollte; mehr zu reden, als Sinn 124 hat. || Versuchung, mehr zu reden, als noch Sinn
hat. Weiterzureden, wo man Halt machen
sollte. |
Und zwar vergißt man immer, wo das Reden noch
Mitteilung, & wo es keine
ist. || keine mehr ist. || ist, & wo nicht
mehr. |
Ich kann || mag Einem sagen:
“Diese Zahl ist die folgerechte Fortsetzung
dieser Folge”; dadurch kann ich ihn dazu bringen,
daß er in Zukunft das “folgerechte Fortsetzung”
nennt, was ich so nenne. D.h. ich
kann ihn eine Reihe (Grundreihe) fortsetzen lehren, ohne einen
Ausdruck des ‘Gesetzes der Reihe’ zu
verwenden; ja vielmehr um ein Substrat zu haben || erhalten für die Bedeutung algebraischer
Regeln, oder was ihnen ähnlich ist. |
Er muß ohne
Grund so fortsetzen; aber || . Aber nicht, weil
man ihm den Grund noch nicht begreiflich machen kann, sondern weil es
– in diesem System – keinen Grund gibt.
(“Die Kette der Gründe hat ein
Ende.”) Und das so (in
“so fortsetzen”) ist durch eine Ziffer,
eine Stufe || einen Wert,
bezeichnet. Denn auf dieser Stufe wird der
Regelausdruck durch die Ziffer || den Wert erklärt,
nicht die Ziffer || der Wert durch die Regel.
|
Denn
dort, wo es heißt “Aber siehst
125 Du denn nicht
…!” nützt ja eben die Regel nichts, sie
ist Erklärtes, nicht
Erklärendes. |
“Er erfaßt
die Regel intuitiv.” – Warum aber die
Regel? & nicht, was || wie er jetzt
schreiben || fortsetzen soll? || Warum aber ‘die Regel’, –
& nicht, was || wie er jetzt schreiben || fortsetzen soll? |
“Hat er nur
das Richtige gesehen, diejenige der unendlich vielen
Beziehungen, die ich ihm nahezubringen trachte, – hat er sie nur
einmal erfaßt, so wird er jetzt ohne weiteres die Reihe
richtig fortsetzen. Ich gebe zu, er kann diese
Beziehung, die ich meine, nur erraten (intuitiv erfassen)
– ist es aber gelungen, dann ist das Spiel
gewonnen.” – Aber dieses
‘Richtige” von mir Gemeinte, gibt es gar
nicht. Der Vergleich ist falsch. Es gibt hier
nicht quasi ein Rädchen, das er erfassen soll, die richtige
Maschine, die ihn, einmal gewählt, automatisch weiter
bringt. Es könnte ja sein,
daß sich in unserm Gehirn so etwas
abspielt, aber das interessiert uns nicht. |
Könnte man auch so
sagen: “Die Zahlen der
Kardinalzahlenreihe bestimmen was “gleicher Abstand”
heißen soll; nicht umgekehrt”? 125 |
“Tu
dasselbe!” Aber dabei muß ich ja auf die
Regel zeigen. Die muß er also schon
anzuwenden gelernt haben. Denn was bedeutet ihr
Ausdruck sonst für ihn? |
Die Bedeutung
der Regel erraten, sie intuitiv zu erfassen, könnte doch
nur heißen: ihre Anwendung erraten. Und
das kann nun nicht heißen: die
Art, die Regel ihrer Anwendung
erraten. Und vom Erraten ist hier
überhaupt keine Rede. |
Ich könnte
z.B. erraten, welche Fortsetzung dem Andern
Freude machen wird (etwa nach seinem Gesicht).
Die Anwendung der Regel erraten könnte man nur, sofern man
bereits aus verschiedenen Anwendungen wählen
kann. |
Man könnte
sich ja dann auch denken, daß er, statt die
‘Anwendung der Regel zu erraten’ sie
erfindet. Nun, wie sähe das aus? – Soll er etwa sagen: “Der Regel
‘+1’ folgen möge
einmal heißen, zu schreiben: 1, 1 + 1, 1 + 1 + 1,
u.s.f.? Aber was meint er
damit? Das
“u.s.f.” setzt ja eben
schon das Beherrschen einer Technik voraus. 126 |
Wie kann man denn, was jemand tut, der
jene Reihe fortsetzt, beschreiben? – Man kann die
Regel angeben; dem nämlich, der sie schon gebrauchen
kann. Und wer kann sie gebrauchen? Der,
welcher auf 1 + 1 1 + 1 + 1 schreibt,
& darauf
1 + 1 + 1 + 1
– & || Und kann ich jetzt
enden
“u.s.f.”?
Das würde ja heißen: “und überhaupt
nach dieser Regel weitergeht”. |
Ich kann nicht
beschreiben, wie Regeln (allgemein) zu gebrauchen sind || eine Regel (allgemein) zu verwenden ist, als indem
ich dich lehre, abrichte, eine Regel zu
gebrauchen || verwenden. |