Band ‘R’


   
2.2.48.


     Man sagt nicht “Es dürfte sich so verhalten; verhält sich aber anders.” Oder: “Ich nehme an er kommt morgen; er wird aber tatsächlich nicht kommen.”

   
     In das Sprachspiel der Meldung tritt eben der Meldende mit ein, ob er in ihr erwähnt ist, oder nicht.
     Nun spricht man aber doch von einem Sinn des Satzes (der Meldung), & tritt in diesen der Meldende ein, auch wenn seiner im Satz nicht gedacht wird? – Wenn die Meldung ist “Der Feind rückt heran”, so bezieht sie sich doch auf etwas, was etwa in einem Bilde dargestellt werden kann || könnte worauf der Meldende jedenfalls nicht erscheint. – Welches Bild entspräche dann aber der Meldung “Ich glaube, der Feind …”? Muß auf ihm der Meldende zu sehn sein? – Ich will sagen: es kommt auf's Bild nicht an, sondern auf seine Verwendung || auf die Art || Weise seiner Verwendung.

   
     Aber kann man sich nicht eben eine Verwendung denken, in welche der Meldende nicht hineinspielt? Wenn etwa die Stimme vom Himmel heruntertönte. – Und wie, wenn diese Stimme nun sagte: “Ich glaube, daß …”?

   
3.2.48.
     Denken wir uns, das Ausrufen der Züge auf unsern Bahnhöfen würde durch eine Maschine besorgt, die die Meldungen von draußen erhält & verarbeitet. – Hätte es Sinn wenn sie ausriefe “Ich glaube, der Zug …”?
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     Man könnte es als ein Zeichen der || einer Unsicherheit der Situation auffassen. Wenn sie aber ausriefe “Der Zug … wird nun … eintreffen; ich glaube es nicht” – daraus könnten wir gar nichts machen.
     Wenn ein menschlicher Ausrufer dies sagte, könnte man es so auffassen: “Den Meldungen entsprechend wird der Zug um … ankommen, aber ich glaube (vielleicht ohne Grund), daß es nicht geschehen wird.” Der Ausrufer muß also pflichtgemäß das eine ausrufen, sagt aber,, inoffiziell, er habe eine Ahnung, es werde nicht geschehen.

   
     Das heißt; man könnte den Behauptungssatz “p, & ich glaube daß ~p” in einem Sprachspiel gebrauchen || verwenden, man tut es aber nicht. – Denn selbst wenn der Ausrufer dies sagte, so würden wir ihn nicht ohne weiteres verstehen, könnten nur für seine Worte eine Deutung finden.

   
     Man sagt nicht “Dies wird wahrscheinlich eintreten, tatsächlich aber nicht”, || , obwohl der Sinn davon leicht zu erraten wäre.

   
     Was ich sagen will, || zu sagen hätte, fällt mir sehr schwer auszudrücken: Das ist unser Begriff vom ‘glauben’ – so setzen wir die Linie von der Annahme zur Behauptung fort. Nun versuchen wir eine andere Fortsetzung, wir verändern die Linie des Begriffs & sagen nun “Das ist ja garnicht mehr derselbe!” Das heißt: das Wort “glauben” paßt
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nun auch nicht mehr für den Teil der Linie, den wir unverändert ließen.
     Wenn ich mir nämlich sage: “Angenommen, ich glaube daß … , es ist aber nicht so” –, so frage ich mich etwa: “Was nehme ich da eigentlich an, wenn ich annehme, ich glaube das & das?” Darauf scheint eine Antwort möglich, indem ich mir vorstelle, wie das ist: zu glauben. (Freilich ist das alles nur Mißverständnis) Ich richte also meinen Blick in der Vorstellung || Phantasie in mich um dort das Glauben an den Sachverhalt zu entdecken. – Nun frage ich: Warum kann ich diesen Seelenzustand des Glaubens, den ich in diesem Falle annehme, nicht auch als gegenwärtig behaupten? wenn auch diese Behauptung freilich unserm “Ich glaube … ” nicht gleichkommt. – Kaum will ich nun – in diesem neuen Sinne – aussagen, ich glaubte … obwohl es nicht der Fall sei, so verliert diese Aussage jeden Sinn. Und ich fühle, || : ich kann, was ich früher annahm, nicht für die Gegenwart behaupten.
     Als ich aber die Annahme aussprach, war sie wohl für mich ganz verständlich, ich konnte mir beiläufig eine Verwendung für sie denken, wußte daß ich bei ihrer Verwendung nicht in Verlegenheit kommen würde, aber das war auch alles. Ich hatte kein klares Bild von dem Unterschied der Anwendung von “Angenommen es regnet” & “Angenommen, ich glaube, daß … ”.

   
     Die Sinnlosigkeit der Behauptung,
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wo doch die Annahme Sinn hatte, überraschte mich, weil ich in der Annahme nicht ihre Grammatik sah, sondern bloß den wohlbekannten Wortlaut hörte & wußte, daß er zu brauchen sein werde.

   
     Die Linie liegt schon in der Annahme anders, als Du glaubst || Dir denkst.

   
     Ich möchte sagen: In den Worten “Angenommen ich glaube das” setzt Du schon die ganze Grammatik des Wortes. “Glauben” voraus. Du nimmst nicht etwas an, was Dir, sozusagen, eindeutig durch ein Bild gegeben ist, so daß du dann eine Andere als die gewöhnliche Behauptung an diese Annahme anstückeln kannst. Du wüßtest garnicht, was Du hier annimmst, wenn Dir nicht schon die Verwendung von “glauben” geläufig wäre.

   
     Es ist die unsichtbare Anwendung, die (uns) hier ihr Gesicht zeigt.
     Der besondern Technik sind wir uns nicht bewußt, sie fließt, sozusagen, unterirdisch, ohne daß wir sie merken dahin; & wir werden uns ihrer nur dort plötzlich bewußt, wo sie mit unsrer falschen Vorstellung offen in Widerspruch tritt. Wo wir etwa merken, ein Satz habe etwa keinen Sinn. Wir wissen gar nicht was wir mit ihm anfangen sollen von dem dies nicht ohne weiteres zu vermuten war.

   
     Ja, wenn ich zum Fenster hinaus schaue, so sehe ich, || so nehme ich wahr, daß es regnet; wenn ich aber in mich schaue, sehe ich,
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daß ich es nicht glaube. – Sehe ich denn wirklich in mir, ob ich etwas || das oder jenes glaube? Nun wenn es so ist, so kann ich den paradoxen Satz auch sagen. || ich die paradoxe Aussage auch machen. Es wird dann ein Teil als Meldung über's Wetter, der andere über einen seltsamen Zustand meines Geistes aufzufassen sein. Das versteht sich aber nicht von selbst nach der normalen Technik des Gebrauchs jener Worte.

   
     Vergleiche: “Ich rate Dir, daß Du … , aber der Rat ist schlecht.” – anderseits: “Angenommen: ich riete Dir … , aber der Rat wäre schlecht –”.

   
     Er meldet, er habe Schmerzen & glaube, der Feind rücke heran.

   
     Kann man dem Arzt als Symptom einer geistigen Erkrankung mitteilen “Ich glaube …”? – Wohl aber etwa: “Ich glaube immer Stimmen zu hören”.
     “Ich nehme immer an, er sei mir untreu, er ist es aber nicht.”
     Die Linie des Begriffs scheint jäh abgebrochen || scheint gebrochen! –

   
     Wenn ich die Meldung “Der Feind rückt heran” durch ein Bild des heranrückenden Feindes darstelle || wiedergebe, wie soll ich die Meldung “Ich glaube, der Feind … ” darstellen? Wieder durch ein Bild des heranrückenden Feindes, aber vielleicht nebelhaftig || nicht so deutlich gemalt, – oder durch ein Bild von mir & in meinem Kopf etwa ein Bild des heranrückenden Feindes? – Wie aber wenn ich auch die Meldung “Der Feind rückt heran” auf diese Weise, durch
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ein Bild in meinem Kopf zur Anschauung || Darstellung brächte? Wäre denn das falsch? So wenig, wie wenn ich gelernt hätte vor jede meiner Meldungen die Worte “Ich glaube” zu setzen. Es ist der ewige Widerstreit zwischen dem Bild der Bedeutung, des Sinnes, & der Technik der Sprache.

   
     “Der Satz ‘Ich glaube es, & es ist nicht wahr’ kann doch die Wahrheit sein. Wenn ich es nämlich wirklich glaube, & sich dieser Glaube als falsch herausstellt.”

   
     “Ich glaube es, aber Gott gibt mir ein, zu sagen, es ist nicht so.”

   
     Denk dir eine Sitte, nach welcher man ein Recht nur hat, über den eigenen Zustand etwas auszusagen. Alles andere gilt als Vermessenheit. Die Leute leben aber, in praktischer Hinsicht, doch so wie wir.

   
     “Es regnet heute gewiß” “Angenommen, es regnet heute gewiß.” Ebenso: ‘vielleicht’.

   
     Ich sage vom Andern “Er scheint zu glauben … ” & Andere sagen es von mir. Nun warum sagte ich's nie von mir, auch wenn die Andern es mit Recht von mir sagen? Ebenso: “Es ist offenbar er glaubt … ”
     Sehe ich mich selbst denn nicht? – Man kann es sagen.

   
     A: “Ich glaube, es regnet.” – B: “Ich glaube es nicht.” Nun, sie widersprechen einander (ja) nicht; Jeder sagt nur || bloß etwas über sich selbst aus.
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     Ich nehme an, : ich sehe zum Fenster hinaus & sage zu mir selbst “Ach, es regnet.” – Das ist doch so etwas wie die Annahme: ich glaube, daß es regnet. – Was entspricht nun dem Behauptungssatz “Ich glaube daß es regnet”? Soll ich sagen; || , der: Behauptungssatz || Ist es der: “Ich sage zu mir selbst ‘Ach, es regnet’”, oder der: “Ach es regnet”? – In der Behauptung kann ich das “Ich sage zu mir selbst” weglassen, aber nicht in der Annahme.
     Aber da schiene es ja, als gehörten eigentlich diese Behauptung & diese Annahme gar nicht zusammen! Oder wenn ich doch sage, sie passen, so möchte man jetzt die Behauptung finden, die im gewöhnlichen Sinne zu jener Annahme paßt. Das wäre aber ‘wie ein Versuch, aus der eignen Haut zu fahren’ (Frege).

   
     Nehme ich an, daß Einer glaubt … , so kann ich auch annehmen, daß er seinem Glauben Ausdruck verleiht || gibt & sagt “Ich glaube, es ist so” oder auch “Es ist so”; ich nehme an, daß er diese als ungefähre Äquivalente gebraucht.

   
     Was spricht überhaupt dafür, daß der, der sagt “Ich glaube … ”, etwas über den Zustand seiner Seele sagt? Dies soll ein Zustand unsrer Seele sein, & Ekel auch, & Sinnesempfindungen auch.

   
     Jemand könnte vorschlagen, der Sinn von “Ich glaube, es wird … ” sei: “Meine Reaktion ist ziemlich eindeutig ‘Es wird regnen’”. Als wäre also die Äußerung ein Ablesen des innern Instrumentes. – Aber nun
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müßte er doch noch hinzufügen, daß diese Ablesung || dies Ablesen so verwendet wird || werden muß wie die Behauptung: es verhält sich so, || d.h.: daß das zur Analogie mit der Äußerung “Ich glaube” gehört. Denn dies würde aus dem Bild vom Ablesen eines Instruments nicht folgen.

   
     “Der Begriff ist nicht nur eine Technik sondern auch eine Physiognomie”.
     Heißt “Physiognomie” hier: “etwas Einprägsames”? Etwas, was ein guter Bekannter werden kann? Das Zentrum einer Menge von Assoziationen? –

   
Fühle mich unwohl. Nicht körperlich, aber geistig. Fürchte den Ausbruch eines Wahnsinns. Gott allein weiß ob ich in Gefahr bin.

   
4.2.
     Sinneseindrücke. Sie scheinen ihrer Natur nach ähnlich. Was meinen wir damit?
     “Kann es denn Unähnlicheres geben als einen Ton & eine Farbe?” möchte man fragen. Aber auch hier macht man einen seltsamen Fehler. Denn was ist die Funktion dieser Aussage? Wem macht man diese Mitteilung? Vielleicht Einem, dem unsre Sprache & dessen Sprache uns fremd ist, & dem wir ein großes Mißverständnis erklären wollen. Es handelt sich also um eine Erklärung einer Bedeutung.

   
     Nun, & wem machen wir die Mitteilung, es sei da doch eine Verwandtschaft vorhanden; & wozu? Wir wollen erklären || darüber ins Klare kommen, von welcher Art der Verwandtschaft hier
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die Rede sein kann.

   
     “Es gibt kein bläuliches Gelb” ähnlich dem Satz “Es gibt kein regelmäßiges Zweieck” eine Aussage der Farbengeometrie könnte man es nennen, d.h. ein begriffsbestimmender Satz.

   
     Wenn ich Einen gelehrt hätte, die 6 primären Farbnamen zu gebrauchen & die Silbe “lich”, so könnte ich ihm Befehle geben, wie “Male hier ein grünliches Weiß!” – Einmal aber sage ich ihm “Mal ein rötliches Grün!” Ich beobachte seine Reaktion. Vielleicht wird er Grün & Rot mischen & von dem Resultat nicht befriedigt sein; vielleicht endlich sagen: “Es gibt kein rötliches Grün.” – Analog hätte ich ihm dazu bringen können mir zu sagen “Ein regelmäßiges Zweieck gibt es nicht!” oder “Eine Quadratwurzel aus – 25 gibt es nicht”.

   
     Soll ich nun sagen: “Es liegt in der Natur der Farben Grün & Rot, daß sie keine Zwischenfarben haben”? – ‘In ihrer Natur’ – das würde sagen: Wenn Du weißt, was unter “Grün” & “Rot” verstanden wird, also mit der Natur dieser Gegenstände bekannt bist, so weißt Du, daß sie Zwischenfarben nicht haben. – Aber die Redewendungen, die ich hier gebraucht & die von andern Fällen aus der Umgebung geborgt sind || hier gebraucht sind sind von Fällen aus der Umgebung geborgt & ihre Anwendung || Verwendung schwer durchführen.
     Der Satz sagt etwa: “Schau Grün & Rot nur an, & Du weißt, daß es sich so verhält”; & das ist wahr, sofern der die Bedeutung jener Wörter versteht, dem
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etwas Grünes & etwas Rotes gezeigt wird.
     Aber worauf schaue ich, um die Bedeutung von “lich” zu verstehen? Etwa auf ein grünliches Gelb? – Und wie werde nun die Anwendung auf grünliches Rot!? Ich könnte doch auch sagen: “Ich weiß nicht, was mit ‘gründlichem Rot’ gemeint ist”.

   
     “In der Natur der Farben”, d.h. eigentlich: im innern Bau, in der Struktur. Aber haben denn Farben eine Struktur? Die Anwendung des Farbworts hat eine. Und insofern hat der Begriff eine.

   
     Zu sagen “Es liegt am Begriff || an den Begriffen” klingt wie: “Nichts leichter, als uns einen anderen Begriff zu schmieden.” || andere Begriffe schmieden.”

   
     Zwischen grün & rot, will ich sagen, ist || sei eine geometrische Leere, nicht eine physikalische.

   
     Aber entspricht dieser also nichts Physikalisches? Das leugne ich nicht. (Und wenn es bloß unsre Gewöhnung an diese Begriffe, an diese Sprachspiele wäre. Aber ich sage nicht, daß es so ist.)

   
     Ist denn, daß wir die Dinge in dieser Weise (miteinander) vergleichen, sie so im Gebrauch zusammennehmen, ist dies denn willkürlich? Nicht mehr, als daß wir uns von diesem & nicht von jenem nähren.

   
     Wenn wir einem Menschen eine bestimmte || Einer eine bestimmte Technik || die & die Technik durch Exempel beibringen – daß er dann in einem bestimmten neuen Fall so & nicht so geht, oder daß er dann stockt, daß für ihn als dies & nicht jenes die (natürliche)
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Fortsetzung ist, ist allein schon ein höchst wichtiges Naturfaktum.

   
     Vielleicht erklärt Einer: “Ich kann mir unter bläulich-gelb nichts vorstellen, es handelt sich also hier um eine Tatsache der Psychologie.” Und es ist daran etwas Wahres. || etwas richtig Grün könnte man ja “bläulich-gelb” nennen, & wenn Dir das aus welchen Ursachen immer, sei es durch Deine Abrichtung || besondere Erziehung, sei es aus irgendwelchen andern Ursachen, unnatürlich erscheint, || , nicht natürlich ist, so ist dies eine wichtige Tatsache.

   
     “Aber wenn ich mit ‘bläulich-gelb’ grün meine, so fasse ich eben diesen Ausdruck anders als nach der ursprünglichen Weise auf. Die ursprüngliche Auffassung bezeichnet einen andern & eben nicht gangbaren Weg.”
     Was ist aber hier das richtige Gleichnis? das vom physisch nicht gangbaren Weg, oder vom Nicht-Existieren des Weges? Also das Gleichnis der physikalischen oder der mathematischen Unmöglichkeit?

   
5.2.
     Wir haben ein System der Farben wie ein System der Zahlen.
     Liegen die Systeme in unserer Natur, oder in der Natur der Dinge? Wie soll man's sagen? – Nicht in der Natur der Zahlen oder Farben.

   
     Kann, oder will man sich unter bläulich gelb ‘nichts vorstellen’? Seltsame Frage.
     “Bläulich-gelb” fällt auf ein Loch.

   
     Hat denn dieses System etwas Willkürliches? Ja & nein. Es ist mit Willkürlichem verwandt &
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mit Nicht-Willkürlichem.

   
     Das Farben-Oktaeder, ist es ein Bild der Natur der Farben?

   
     Denke, ich zeigte Einem eine Reihe bunter Farben & sagte “Schau, hier zeige ich Dir einige von den Einrichtungsgegenständen der Welt; schau Die sie gut an, wie schön sie sind” – könnte man wirklich sagen, Gott habe diese Farben erschaffen; nicht vielmehr diese farbigen Gegenstände, auf die ich zeige?
     Wenn ich Einem Farben (also Farbmuster) zeige & sage “Schau, das sind die bunten Farben; andre gibt's nicht” zeige ich ihm die Natur der bunten Farbe? Sieht er denn ein Faktum? er sieht ja nur ein Bild! (Mathematischer Beweis.)

   
     Ich könnte mir denken daß Einer das Farbenoktaeder ansieht || betrachtet & sagt: “Es ist herrlich, wie hier alles der Natur der Farbe entspricht!”
     So wäre also ein anders eingerichtetes Schema nicht so gut. – Oder wäre es ebensogut, würde aber etwas Anderes darstellen? (D.h. einem anderen Begriff entsprechen?) Oder soll ich von manchem Schema sagen es entspräche gar keinem, oder einem nicht wichtigen Begriff?
     Soll ich also sagen: “Das Farbenoktaeder bringt einen ungemein wichtigen Begriff zur Darstellung”?

   
     Es leuchtet auf den ersten Blick ein, daß man nichts als Zwischenfarben zwischen || von Rot & grün
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anerkennen will. (Und ob es dem Menschen immer so einleuchtet, oder erst nach Erfahrung & Erziehung ist hier gleichgültig.)

   
     “So will ich die Dinge zusammennehmen!” könnte man sagen.

   
? /      Man könnte auch sagen: “Diese Zusammenstellung leuchtet mir ein!” – Aber was leuchtet mir an ihr ein? Ist es nicht als ob einem der Abakus einleuchtete?!

   
     Ist der Begriff des “ … lich” nicht eben durch das Farbenoktaeder || durch dieses Farbenschema bestimmt? (D.h.: gibt es nicht den Wörtern “ … lich … ” ihre Bedeutung? im Gegensatze nämlich zu der Idee, daß es etwas über die Farben ‘ … lich … ’ aussagte ∖)

   
     Was würden wir von Menschen denken, die ein ‘rötlichgrün’ kennten (etwa Olivgrün so nennen)? Und was heißt es wenn man sagen würde: || das: “Die haben dann überhaupt einen andern Begriff der Farben”? Als wollten wir sagen: “Es wäre eben dann nicht dieser Begriff sondern ein andrer” || , indem wir auf unsern zeigen. Als gebe es also einen Gegenstand der dem || dem der Begriff eindeutig angehörte.

   
     Die Leute kennen ein Rötlichgrün. Aber es gibt doch gar keins! – Welcher sonderbare Satz. – (Wie weißt Du's nur?)

   
     (Das Bild, das den Begriff charakterisiert, wäre etwas wie eine algebraische
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Formel.)

   
     Sagen wir's doch (einmal) so: Müssen denn diese Leute die Diskrepanz merken? Vielleicht sind sie zu stumpf dazu. Und dann wieder: vielleicht auch nicht. –

   
     Ja aber hat denn die Natur hier gar nichts mitzureden?! Doch – Nur macht sie sich auf andere Weise hörbar.
     “Irgendwo wirst Du doch an Existenz & Nichtexistenz anrennen!” – Das heißt aber doch an Tatsachen, nicht an Begriffe.

   
     Gibt es eine Naturgeschichte der Farben? – Die wäre zeitlos. – Warum aber ist man versucht, von einer solchen zu reden &, z.B., das Farbenoktaeder wie || als ein Schema zu ihr zu betrachten? (Eine Mineralogie der Farben.) Doch weil ihm nichts Willkürliches anhaftet.
     Aber das || dies macht es freilich nicht zur Darstellung einer Naturerscheinung; sondern weist nur daraufhin, daß viel an dieser Darstellung hängt.

   
     “Wenn er das tut, dann hat er eben überhaupt einen andern Charakter.” Den Begriff des ‘Charakters’ aus welchem alles übrige springt; die Quellen dieses Begriffs.

   
     Es ist eine Tatsache von der höchsten Wichtigkeit daß eine Farbe, die wir (z.B.) “rötlich gelb” zu nennen geneigt sind, sich wirklich durch Mischung (auf verschiedene Weise) von Rot & Gelb erzeugen läßt. Und daß wir nicht im Stande sind, eine Farbe, die durch
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Mischen von Rot & Grün entstanden ist, ohne weiteres als eine zu erkennen, die sich so erzeugen läßt. (Was aber bedeutet “ohne weiteres” hier?)
     Es könnte Leute geben, die ein regelmäßiges 97-Eck ohne zu zählen, auf einen Blick als solches erkennten.

   
     Wenn die Türe nach innen aufgeht, & ich nicht daran denke, sie könnte so aufgehn, so bin ich eingesperrt.

   
     Begriffe mit einer Malweise verglichen: Ist denn auch nur unsre Malweise willkürlich? Können wir uns einfach entscheiden, die der Ägypter anzunehmen? Oder handelt sich's da nur um hübsch & häßlich?

   
6.2.
     Ein Land in dem jede Form ihre eigene Farbe hat & jede Farbe nur diese Form.
     Käme einmal ein Stein vor der grün wäre (wie sonst nur Gras), so würden ihn die Leute “Stein-Gras” nennen.
     In der Natur scheinen Farbe & Form vielmehr Eins als im Zimmer.

   
     Aber sind denn ‘die Form betrachten’ & ‘die Farbe betrachten’ (oder genießen) nicht immer verschieden.

   
     Willst Du also annehmen, daß jene Leute nicht im Stande wären verschiedene Naturgegenstände nach ihrer Farbe in eine Reihe zu ordnen? || in eine Folge zu ordnen? daß es bei ihnen dieses Sprachspiel nicht gibt? Ich will sagen: Sie brauchen gar keine Farbnamen zu haben, können aber doch etwas sagen, was darauf hinaus kommt, || :
daß dieser Stein diesem Blatt in farblicher Beziehung näher liegt || dieser Stein liege diesem Blatt in farblicher Beziehung näher als jenem. Russell Ja, sie brauchen natürlich auch das nicht zu sagen, sondern nur ihre Freude daran haben Gegenstände, || wie wir sagen würden: nach ihren Farbabstufungen – im Reihen zu legen.
     Müßte ich aber von diesen Leuten sagen, sie hätten die Farbbegriffe von den Erscheinungen abstrahiert?

   
     Denn uns scheint es manchmal, als hätten wir den Gegenstand Grün (z.B.) aus den Dingen um uns gleichsam extrahiert, wie eine Essenz.

   
     Es wäre bedenklich, zu sagen, unsre Begriffe zeigten, wie wir die Welt ansehen. Aber es ist etwas Wahres daran; nur handelt sich's nicht um's Ansehn so sehr als um's Behandeln. Sind die Möbelstücke in einem Zimmer ‘Einheiten’ für uns, weil wir sie so ‘sehen’? Ist nicht das wichtig, daß sie fest gefügt sind, daß ich im allgemeinen ihre Teile nicht einzeln & in neuen Zusammenstellungen zu verschiedenen Zwecken gebrauchte (& alles was damit in Zusammenhang steht)?

   
     Was will ich aber sagen? Daß || – daß wir andere Begriffe hätten, wenn unsre Umgebung & unser Leben anders wären? Und wäre das eine wissenschaftliche || naturgeschichtliche Hypothese?
     Oder will ich sagen: Andere Begriffe – das heißt: andre Sprachspiele, also ein anderes Leben. Ein anders Leben aber ist || heißt eines, das dem unsern ähnlich ist sonst würden wir's nicht mehr als ‘Leben’ ansehen, d.h.,
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es würde für uns das bestimmte Interesse verlieren. – Wie nahe muß es also unserm Leben sein? Diese Frage kann nicht richtig gestellt sein; denn in ihr vergesse ich den Zweck den dieses Vorstellen überhaupt hat warum will ich denn überhaupt Variationen unsrer Begriffe konstruieren? || unsrer Begriffswelt konstruieren? Geschieht es nicht, um Unterschiede, & manchmal Ähnlichkeiten, zu betonen, die bisher verwischt waren?
     Wir bauen || ziehen neue Grenzen || Grenzmauern, reißen alte nieder, um (?) der Hypnose durch eine gewohnte Art der Darstellung zu entgehen(?)

   
     Haben wir denn die menschliche Sprache erfunden? Sowenig wie das Gehen auf zwei Beinen.

   
     Die Begriffe der Sternbilder. Hier würde Köhler sagen: Da siehst Du, daß Sinnesempfindung sie zusammennimmt & also für unsre Begriffe verantwortlich ist.

   
     Es ist eine wichtige Tatsache, daß wenn es sich || sich's so verhält, daß Menschen, die eine Konstellation || den großen Bären etwa in Strichen wiedergeben sollen, dies wenn sie sich selbst überlassen sind immer, oder meistens, auf eine bestimmte Weise & nie auf eine bestimmte Weise & nie auf eine bestimmte andre Weise tun.
     Aber heißt das, || : die Konstellation so sehen? Liegt darin z.B. schon die Möglichkeit eines Umschlages des Aspekts? Denn es ist ja das Umschlagen das || welches wir als analog dem || mit dem Wechsel eines Bildes empfinden. || das Umschlagen, dessen Analogie mit dem || einem Wechsel des gesehen || anschauten Bildes uns beeindruckt. || das Umschlagen, dessen Vergleichbarkeit || Ähnlichkeit mit einem
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Wechsel des angeschauten Bildes uns in die Augen fällt. || Wechseln des Gesichtsobjekts wir empfinden.


   
     Wenn nicht der Wechsel des Aspekts vorläge, so gäbe es nur Auffassung, nicht ein so oder so sehen.

   
     Das scheint absurd. Als wollte man sagen. “Wenn ich nur immer mit Kohle heize, & nicht auch manchmal mit etwas anderem, so heize ich auch mit Kohle”
     Aber kann man nicht sagen: “Wenn es nur eine Substanz gäbe, so hätte man keinen Gebrauch für das Wort ‘Substanz’”? Aber das heißt doch: Der Begriff ‘Substanz’ setzt den Begriff ‘Unterschied der Substanz’ voraus. (Wie der des Schachkönigs den des Schachzuges;) oder wie der der Farbe den der Farben.)

   
     Das charakteristische des Aspekts ist seine Vergleichbarkeit mit dem Sehen dieses & nicht jenes Objekts || Objekts & nicht jenes, obschon beide in unserer Wahrnehmung enthalten sind.

   
     Wir müssen nun immer daran erinnern daß wir ja nicht ein psychologisches Phänomen aus einem andern erklären wollen; sondern sie nur, so wie wir sie finden, gruppieren wollen. || zu gruppieren versuchen || ordnen haben || finden, in eine(r) Ordnung zusammenstellen sollen.

   
     Wir wollen also nicht sagen, daß dies eigentlich jenes ist, sondern nur, soweit wir es vermögen, auf Ähnlichkeiten & Unähnlichkeiten weisen.

   
7.2.
     Ich teile Einem etwas anderes mit, wenn ich ihm sage:
a) daß in der Zeichnung, die er nicht
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sieht; die & die Form enthalten ist –
b) daß in der Zeichnung, die er sieht,
      die Form enthalten ist, die er noch
      nicht bemerkt –
c) daß ich gerade entdeckt habe, die
      Zeichnung, die mir wohl bekannt war
      enthielte diese Form –
d) daß ich jetzt gerade die Zeichnung
      in diesem Aspekt sehe. Jede dieser Mitteilungen hat ein anderes Interesse.

   
     Die erste ist eine teilweise Beschreibung eines wahrgenommenen Gegenstands, etwa analog der “Ich sehe dort etwas Rotes”.
     Die zweite ist, was man || ich eine “geometrische Mitteilung” nennen kann || will. Sie ist im Gegensatz zur ersten zeitlos. Die Entdeckung daß es sich so verhält, ist von der Art mathematischer Entdeckungen.

   
     Aber könnte die Mitteilung nicht auch in zeitlicher || temporaler Form gemacht werden? Etwa so: “Wenn Du diese Zeichnung hin & her wendest wirst Du diese 7-Eck || Form in ihr sehen, ohne daß sich ihre || die Linien geändert || bewegt zu haben scheinen.”
     Daß wir dies Faktum begriffsbestimmend verwenden, ist damit noch nicht gesagt.

   
     Wie macht man denn die Entdeckung? Etwa so: Man zeichnet || zieht auf durchscheinendem Papier – vielleicht rein zufällig – gewisse Linien der Zeichnung nach. Dann sieht man: das ist ja ein Gesicht! Oder man macht diesen Ausruf einmal beim Anblick der Zeichnung & zieht danach || dann jenen Linien nach. – Und wo ist hier die Entdeckung? – Dies muß erst als Entdeckung, & insbesondere als geometrische
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Entdeckung, interpretiert werden.

   
     Die Entdeckung, das Erkennen dieser Form in jener, mußte nicht so vorsichgehen, als habe das wohlbekannte Bild plötzlich seine Natur verändert – so wie es ist, wenn wir das Würfelschema plötzlich in anderer räumlicher Lage sehen. (Es könnte ja wieder , z.B., so vor sich gehen, daß der Entdecker die || eine Figur zufällig aus der Zeichnung herauspaust.) Ein Spielen mit dem Umschlagen des Aspekts ist dabei jedenfalls nicht nötig.

   
     Wie ist es damit? || . Ich sehe || Einer sieht eine Fläche mit regellosen Strichen bedeckt; plötzlich bemerke ich || bemerkt er in ihnen eine Schrift, die er nun verfolgt & liest. Was soll ich sagen: Sieht er die Schrift in jenen Strichen? Freilich. Aber ist es der gleiche Fall, wie das Sehen der Gestalt im Vexierbild? Es ist ein verwandter.
     Die Schrift fiel ihm auf. Zuerst etwas Schriftähnliches an den Strichen, dann, daß es wirklich eine Schrift sei.
     ‘Die Schrift fing an aufzuleuchten & nun leuchtet sie ganz auf.’

   
     Ein Aspekt kann in mir dadurch hervorgerufen werden || mir dadurch erscheinen, daß mich Einer auf ihn aufmerksam macht. Wie sehr verschiedenen ist doch dieses ‘Sehen’ || Wie sehr unterscheidet das doch diesesSehen’ vom Wahrnehmen der Farben & Formen!

   
     Das Philosophieren ist ein systematisches Erinnern.
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     Denke an den Prozeß, Dir eine bestimmte Konstellation unter einer größern Anzahl von Punkten einzuprägen. So daß Du sie beim nächsten Hinsehen sofort wieder findest.
     Während Du nun dies tust – ändert sich nicht fortwährend was Du siehst?
     Es gibt da z.B. ein Zusammenstellen der Konstellation mit dem Blick, ehe sie als Ganzes gesehen wird.

   
     Die Frage ist nicht “Wie macht man das?”, “was geht da vor?”, sondern: Was teilt man Einem mit, denn man sagt …?

   
     Bemerken & Sehn: || . Man sagt nicht “Ich habe es 5 Minuten lang bemerkt”.

   
     Folgt daraus, daß man es nicht in dieser Weise gesehen hat, daß man es in einer andern Weise gesehen hat?
     Folgt daraus, daß man es nie damit verglichen hat, daß man es mit etwas anderm verglichen hat? (Oder gar mit sich selbst?)

   
     Es wäre möglich daß Einer, dem ich eine Form in einem Bild durch Nachziehen zeige, sie immer gleich wieder verlöre, & sie ihm vom Frischen gezeigt werden müßte.

   
     Schwarzes & weißes Kreuz. “Der eine Aspekts verschwindet nun ganz, als wär es nie dagewesen. Ich sehe auch kein Bißchen von ihm.”

   
     Es ist für mich jetzt das, & jetzt daswas immer das heißen mag.
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     Schwarzes & weißes Kreuz. “Einmal schwebt mir das vor, einmal das.”

   
     Du mußt bedenken, daß die Beschreibung “Ich sehe jetzt ein schwarzes Kreuz … ” nicht verstanden werden müßte. Wer sagte “Jetzt sehe ich ein Schwarzes Kreuz … – jetzt ein weißes … ”, dem könnte ja einer antworten: “Du beschreibst ja jedesmal das Gleiche!”

   
     “Das ist doch kein Sehen!” – “Das ist doch ein Sehen!” – Beide müssen sich begrifflich rechtfertigen lassen.

   
     “Wenn ich ein Gemälde ansehe, so sind die menschlichen Gestalten darauf menschliche Gestalten für mich; ich sehe sie als solche; ich sehe nicht Farbfläche & deute sie etwa nur in dieser Weise.” Und wie weiß ich, daß || wenn der Andre es auch so empfindet? Was sind die Anzeichen dafür? Wie benähme er sich wenn's anders wäre?
     Nun, er redet z.B. über das Bild, wie über die & die menschliche Situation.

   
     Es ist unrichtig zu sagen: “Es verhält sich damit ganz, || so, wie der gesunde Menschenverstand es || dies sagt.” (Köhler, Moore.) Der gesunde Menschenverstand trifft hier überhaupt keine Entscheidung. Nicht so ist es: Wir sehen eben das, was der gesunde Menschenverstand immer für das Gesehene hält. Denn dieser gibt hier keine Meinung ab. Vielmehr ist es so: Begriffliche Mißverständnisse das ‘Sehen’ betreffend rühren davon her daß wir unsern alltäglichen Begriff des Sehens nicht richtig erfassen. An diesen
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muß man sich halten.

   
     “Aber sehen wir die menschlichen Gestalten auf dem Bild wirklich?” Wonach fragt man nur??
     Es geht hier offenbar eine Störung eines Begriffs durch einen etwas verschiedenen vor sich. Ich sollte etwa fragen: “Sehe ich dann die Gestalten wirklich in demselben Sinne wie …?” Oder auch: “Welchen Grund habe ich, hier von ‘sehen’ zu sprechen? & was lehnt sich etwa in mir dagegen auf?”

   
     Denn das ist die beständige philosophische Frage: “Was lehnt sich in mir dagegen auf?”

   
     Ich möchte etwa die Frage stellen: “Bin ich mir der Räumlichkeit (Tiefe) dieses Buches, z.B., während ich es sehe immer bewußt? Fühle ich sie sozusagen die ganze Zeit? – Aber stell die Frage in der dritten Person. Wann würdest Du sagen, er sei sich ihrer immer bewußt, wann das Gegenteil? – Angenommen, Du fragtest ihn, – aber wie hat er gelernt Dir auf diese Frage zu antworten? – Nun, er weiß z.B., was es heißt ununterbrochen Schmerzen zu fühlen. Aber das wird ihn hier nur verwirren, wie es auch mich verwirrt.

   
     Wenn er mir nun sagt, er sei sich der Tiefe fortwährend bewußt, – glaub ich's ihm? Und wenn er sagt, er sei sich ihrer nur von Zeit zu Zeit bewußt || , wenn er etwa von ihr redet, – glaub ich ihm das? Es wird mir vorkommen,
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als ruhten diese Antworten auf falscher Grundlage. – Anders aber, wenn er mir sagt, der Gegenstand käme ihm manchmal räumlich, manchmal aber flach vor.

   
     Schwarzes & weißes Kreuz. Man könnte sich vorstellen, daß die Zeichnung des Würfelschemas automatisch alternierende Aspekte annähme. Die rotierende Trommel ändert bisweilen plötzlich ihre scheinbare Bewegungsart, ohne daß man weiß, warum.

   
     “Aber Du wirst doch nicht leugnen, es ist ein anderer Gesichtseindruck, es ist ein anders subjektives Gesichtsobjekt vorhanden!” – Wie z.B. in welchem andern Fall? Wie wurden diese (Deine) Worte zuerst erklärt? – Und nun müssen wir sehen, wie || in wiefern jene Erklärung auf den gegenwärtigen Fall paßt.

   
     Ich könnte Einem eine wichtige Botschaft übermitteln || mitteilen || zukommen lassen, indem ich ihm das Bild einer Landschaft übersende. Liest er dieses, wie eine Werkzeichnung; ich meine: entziffert er es? Es sieht es an & richtet sich danach. Er sieht darauf Felsen, Bäume, ein Haus, etc..

   
8.2.
     (Die Situation ist hier die der praktischen Notwendigkeit, aber das Verständigungsmittel eines, dem nichts von Verabredung, Definition, u. dergl. anhängt, & das sonst nur poetischen Zwecken dient.) Aber es dient eben auch die gewöhnliche Wortsprache poetischen Zwecken.) [Diese Bemerkung ist äußert unklar.]

   
     Wenn ich, wie es vorkommt, in einer Landschaft
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etwas erst für das, dann für das halte; es erst so, dann anders sehe: – Es ist als ob die Einrichtung meines Gesichtseindrucks nun eine andere wäre.
     “Ich habe etwas anderes” (oder auch “Es ist etwas anderes”) möchte ich sagen.
     Das Theater meines Gesichtsraumes.

   
      Die Aspekte des : Es ist quasi, wie wenn eine Vorstellung mit dem Gesichtseindruck in Berührung käme & für eine Zeit in Berührung bliebe.

   
     Der Fall des schwarzen & weißen Kreuzes aber ist anders & ähnlich dem der räumlichen Aspekte (z.B. der Prismenzeichnung).

   
     Wir haben nun verschiedene Beschreibungen, die auf die verschiedenen Fälle des ‘Sehens von Aspekten’ besser oder weniger gut passen. || , die auf das Sehen der Aspekte in seinen verschiedenen Abarten || Varianten hier besser, hier weniger gut passen.

   
     Das Aufleuchten des Aspekts ist das, was unsre Aufmerksamkeit fesselt. || ist das uns fesselnde Erlebnis.

   
     Die Versuchung, zu sagen “Ich sehe es so”, indem man bei “es” & “so” auf das Gleiche zeigt.

   
     Wenn wie uns versprochen haben, oder im Gespräch ein Wort nicht finden können, sagen wir oft “Du weißt schon? || ”. Geht also dabei das Meinen des nicht-genannten Gegenstands || Dings vor? Es ist das Wort “dabei” welches das Problem verursacht. || Es ist das Wort “dabei”, das das Problem erzeugt. ||
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Geht also dabei das Meinen des nicht Genannten vor? Es ist das Wort “dabei”, welches hier das Problem erzeugt.


   
     Im Vordergrunde des Bildes steht ein Kreuz. “War es für dich immer ununterbrochen ein Kreuz?” – Ich kann's nicht sagen; ich bin in Verlegenheit, was ich darauf antworten soll. Nun ändert sich (irgendwie) der Aspekt & ich sehe es nicht mehr als Kreuz, & dann noch einmal wie früher. Nun sage ich: “Ich habe es also doch immer ununterbrochen als Kreuz gesehen, denn jetzt ist mein Aspekt zum ersten Mal unterbrochen worden.” – Wie aber, wenn man darauf antwortete: “Du hast es immer als Kreuz aufgefaßt (Disposition), dann es zum ersten Mal als etwas andres gesehen, & darauf || dann wieder gesehen Deiner ersten Auffassung gemäß.” Was aber spricht für diese Darstellung? Um sie zu rechtfertigen, muß ich ihm eine Frage stellen, deren Antwort die Rechtfertigung sein wird. || Um sie zu rechtfertigen, muß ich ihm auf etwas aufmerksam machen; ich muß ihm eine Frage stellen, deren Antwort die Rechtfertigung sein wird. Aber welche?

   
     Die Probleme sind sozusagen alle sehr ernst. Warum? Weil sie wichtige Institutionen der Menschen anbelangen?
     Weil sie wichtige Dinge im menschlichen Leben anbelangen, & wichtig ist, ob man wahres, oder falsches über sie sagt, am meisten also, ob man Aufrichtiges oder Unaufrichtiges über sie sagt.
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     “Ich sehe das Bild die ganze Zeit als Vogel.” Wie siehst Du es? als was? Worauf mußt Du zeigen um dies || es zu erklären? Und wenn Du nun einen wirklichen Vogel anschaust, worauf dann?

   
     Wenn er das gewöhnliche Bild eines Hasen als einen Hasen sieht, das Bild einer Ente als eine Ente, dann ist es ja nicht gar so erstaunlich, daß jener Übergang, gegeben eine gewisse Art von Bild, stattfinden kann. denn dann ist es eben einfach das Übergehen || Überspringen von einem normalen Zustand in einen andern normalen Zustand.
     Das Merkwürdige || uns Unverständliche aber ist, daß es ist, als würde das Bild dabei ausgewechselt – & doch nicht geändert || verändert.

   
     Ich neige dazu zu sagen: Im Aspektwechsel sehe || sähe ich das Bild lebhafter als das, oder das. Entsprechend z.B. dem Ausrufe “Eine Ente!”.

   
     Ich sehe ein Bild an, auf dem ich zuerst nichts erkenne. Plötzlich sage ich: “Ach, das ist ein …”. Ich sah es nun als das & das. Oder erkannte ich nur, daß es sich als Projektion der & der Dinge auffassen läßt? Wo ist der Unterschied?
     Ich spreche das Bild als das & das Tier an. || als dieses Tier, z.B., an. Ich rede über das || verhalte mich zu dem Bild ganz anders als über || zu einer Werkzeichnung || Blaupause, die ich verstehe.

   
     Nun habe ich das Bild längst als
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das eines Vogels, etwa, erkannt & sehe es immer als solches. Da könnte man fragen: Ist dies Sehen nun einfach eine Fortsetzung dessen, was bei jenem plötzlichen Erkennen anfing? Oder war das akute Sehen etwas anderes || ein anderes Erlebnis als das Chronische? – Wieder Verlegenheit. –
     So ist diese Frage nicht zu beantworten, also nicht zu stellen.

   
     Auch so möchte man fragen: Ist, was hier das akute vom chronischen Sehen unterscheidet bloß die Überraschung bei jenem? oder auch etwas am Seherlebnis selbst? – Ja auch: Ist das akute Erlebnis || Seherlebnis beim Übergang von sinnlosen Strichen zum sinnvollen Bild dasselbe wie das beim Umschlagen des Entenkopfes in den Hasenkopf und umgekehrt?
     Und das erste was ich sagen möchte ist, || : daß das Letztere erstaunlicher ist als das Erkennen des Bildes im Gewirr von Strichen.

   
     Wir staunen das Bild an. Sagen: Wie ist es jetzt so ganz verschieden! –

   
     Nun: Wir sagen “Eine Ente!”, wenn wir's nämlich früher als Hasen (in irgend einem Sinn) || (in welchem Sinne immer) gesehen haben. Wir staunen es als Ente || in dem neuen Aspekt an. Wir fragen uns: Wie kann es denn jetzt so ganz verschieden sein? Wie kann denn das Auge jetzt dahin schauen, & jetzt dorthin?

   
     Ich frage “Ist das Sehen in beiden Fällen das gleiche Erlebnis?” Ja, wie will ich's
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denn vergleichen? Ich führe mir beide vor – nun sie sind eben verschieden; aber zu einem Isolieren & Betrachten des ‘Erlebnisses des Sehens’ kommt es || gelange ich gar nicht || aber zu einem Isolieren des Erlebnisses des Sehens, um es zu betrachten, dazu kommt es gar nicht.

   
     Es heißt sehr verschiedenerlei “das Gesehene”, oder “die Beschreibung des Gesehenen.”

   
     Es sind || Es ist hier eben mannigfache Verwandtschaften.

   
9.2.
      ‘Organisation’ des Gesichtsbilds. Mit den Worten “Dies gehört zusammen, dies nicht” lassen sich Aspekte beschreiben; aber doch nicht alle.

   
     Die Vorgänge beim Suchen der Lösung des Vexierbildes. In einem Sinne könnte man sagen, das Gesehene wechsle dabei fortwährend. Was man aber nicht sagen würde, ist, daß man jetzt plötzlich etwas ganz anderes sieht, das Alte verschwunden ist.

   
     Man muß eben den Begriff ‘sehen’ nehmen, wie man ihn findet; ihn nicht verfeinern wollen. – Warum aber eigentlich nicht. – Weil es nicht unsre Aufgabe ist ihn zu ändern, einen für irgend welche Zwecke geeigneteren einzuführen (wie es die Wissenschaft macht), sondern ihn zu verstehen; d.h., uns von ihm nicht ein falsches Bild zu machen.

   
     Der Begriff ‘sehen’ macht einen wirren Eindruck. Nun, so ist er. – Ich sehe in die Landschaft; mein Blick schweigt, ich
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sehe allerlei klare & unklare Bewegung, dies prägt sich mir klar ein, jenes nur ganz verschwommen. Wie gänzlich zerrissen uns doch erscheinen kann, was wir eine Beschreibung des Gesehenen nennen! || eine Beschreiben des Gesehenen” heißt! Aber das ist es, was wir so nennen. Wir haben nicht einen wirklichen, respektablen Fall so einer Beschreibung & sagen: Nun, das Übrige ist eben noch unklar, harrt noch der || auf Klärung oder muß einfach als Abfall zur Seite || in den Winkel gekehrt werden.

   
     Es ist hier für uns die ungeheure Gefahr, feine Unterschiede machen zu wollen.
     Ähnlich ist es, wenn man den Begriff des physikalischen Körpers aus dem ‘wirklich gesehen’ erklären will. Es ist vielmehr das uns wohlbekannte Sprachspiel hinzunehmen, & falsche Erklärungen sind als solche zu kennzeichnen. Das primitive, uns ursprünglich beigebrachte Sprachspiel bedarf keiner Analyse & Rechtfertigung, falsche Versuche der Rechtfertigung, die sich uns aufdrängen bedürfen der Zurückweisung. || Es ist vielmehr das uns so geläufige Sprachspiel hinzunehmen, & unrichtige, aber unter Umständen uns sehr naheliegende Erklärungen, Konstruktionen sind als solche aufzuzeigen. Das primitive, von uns ursprünglich gelernte Sprachspiel bedarf der Rechtfertigung nicht; falsche Versuche der Rechtfertigung & Analyse die sich uns mit Macht aufdrängen bedürfen aber der Zurückweisung.

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     Die Begriffsverhältnisse liegen sehr kompliziert.

   
     Aber habe ich nicht, wenn ich Gras sehe, ein Grasgefühl, wenn ich den Ast sehe, ein Holzgefühl? || ; ja, verschiedene Gefühle, wenn ich verschiedene Holzarten sehe? (wenigstens manchmal)? – Ja, ich möchte manchmal so sagen. (Von dem Bild eines Baumes sagt man manchmal, es ist ‘empfunden’.)

   
     Es ist immer zu trennen der Ausdruck von der Technik. Und der Fall, wenn wir die Technik angeben können von dem, wenn wir sie nicht angeben können.

   
     Das Bild eines menschlichen Gesichts, auch das schematische, oder das eines Menschen, oder Tiers, auch das bloß schematische, ist für mich – – so möchte ich mich ausdrücken – Bildgesicht, Bildmensch, Bildtier. Ein Gesicht, ein Mensch, ein Tier ‘in its own right’. “Wir denken bei seinem Anblick nicht an ein wirkliches Gesicht, etc.” möchte man erklären. Aber was heißt das eigentlich? Wie ist es denn, wenn man an ein wirkliches denkt? Ja, es ist klar: der Übergang zum wirklichen Tier kann immer gemacht werden; ich weiß, daß diese Linien eine Maus sind & daß eine Maus ein Tier ist, das so & so ausschaut & lebt. Aber ich nehme an den Bildern || Mickey Mouse im Kino teil, ohne was ich dort sehe in der Erinnerung mit einer wirklichen Maus zu vergleichen. An eine solche denke ich gar nicht. Und doch besteht der Zusammenhang: Wüßte ich nicht von Mäusen, so verstünde ich das Bild nicht. – Und doch ist, was ich
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hier sage, noch falsch, weil viel zu wenig allgemein.

   
     Was ist das Kriterium dafür, daß für Einen das Gesicht im Bild Bildgesicht ist &, mit einem wirklichen den engen Zusammenhang verloren hat? (Ich denke an Busch'sche Zeichnungen mit wenigen Punkten & Strichen.)

   
     Ich möchte sagen: daß ich in manchen Bildern einen wirklichen Kopf sehe, in manchen || andern nur ein Bildgesicht, einen Bildmenschen.
     (Wie groß ist die Wichtigkeit dieses Phänomens?)

   
     Erinnere Dich nur an deine Beziehung zu einem Portrait? || : “Es ist ganz der so & so!” Das sagst Du doch jedenfalls nicht beim Anblick jedes Gesichts im Bilde. Aber dies ist nur ein Beispiel einer besondern Beziehung zu einem Bild. “Du siehst sie doch sitzen & arbeiten!”, auch wenn wir niemanden im Bild erkennen, ist eine andere || ist der Ausdruck einer anderen. Von einer Karikatur z.B. würde man das nicht sagen, & kann sie doch ausgezeichnet finden.

   
     Ein selbstgefällig lächelndes Schwein bei Busch (“Hernach”). Ich würde nicht ausrufen “Genauso macht's ein Schwein!” Bei andern Bildern aber gerade das.

   
     Man könnte manchmal sagen || erklären, der Bildmensch wäre eine zweidimensionale Abart eines || des Menschen. (Man kann aber auch das Wort “zweidimensional” weglassen.)

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     Was aber teile ich dadurch mit? Heißt es bloß daß ich etwa in einer Bildergeschichte, oder im Zeichenfilm Anteil an den Figuren nehme, die wirklichen Menschen etc. sehr unähnlich sind, & daß mir dabei wirkliche Menschen nicht einfallen? Oder ist es nur eine geistreiche, quasi mathematische Bemerkung?

   
     Wenn ich die Photographie vor mir anschaue, so bin ich jedenfalls nicht geneigt vom ‘Bildmenschen in ihr zu reden. Weit eher, wenn ich eine rein schematische, aber ausdrucksvolle, Zeichnung eines Gesichts sehe.

   
10.2.
Schlage Geld aus jedem Fehler.

   
     Der verdächtige Ausdruck, den ich gebrauchte, war “Ich denke bei diesen Bildern nicht an eine wirkliche Maus etc.” Denn wie ist es, wenn ich an eine denke? Wie denke ich an sie? – Es geschieht daß ich ein Bild mit einer wirklichen Maus vergleiche, in der Erinnerung z.B.. Ich sage “Genau so schaut es aus”, wenn … ”, oder “So schaut es nicht aus”.

   
     Wenn ich sage “Ich sehe es jetzt als Ente” – meine ich: als wirkliche Ente, oder als Bildente? Kann ich's sagen? Nein. – Wenn ich ein gewöhnliches Bild einer Ente & eine Ente bei der Hand hätte, kann ich sagen worauf ich zur Erklärung deuten würde & worauf nicht? – Hätte ich aber Enten & Hasen in gleicher Manier gezeichnet vor mir, etwa in einer Bildergeschichte, so würde ich vielleicht auf diese Bildwesen bei der Erklärung zeigen & sagen,
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ich sehe das zweideutige Bild insbesondre als das.

   
     Ich sage “Das Bild ist für mich ein Eichhörnchen”. Nun kann ich also fragen: Meinst Du: ein wirkliches, oder: ein Bildeichhörnchen?
     Da möchte ich vielleicht sagen: Es kommt auf's Bild an.

   
     Und wenn man sagt man || sage ich, ‘, dies Bild (z.B. das Dürersche) sei || wäre für mich ein wirkliches Eichhörnchen, so meint man || meine ich natürlich nicht, man || ich habe irrtümlich das Bild || abgebildete für ein wirkliches Tier gehalten.
     (Es sind hier eben mannigfache Verwandtschaften.)

   
     Wiederum: Was teile ich Einem mit …? –

   
     Ich könnte wohl sagen: “Meine Gedanken gehen || wandern von diesem Bild natürlich zu wirklichem Gras, zu wirklichen Tieren hin; von jenem Bild nie.”

   
     (Denn ich bin allerdings geneigt, das & jenes zu sagen; obschon || obwohl der Gebrauch davon mir gänzlich unklar ist. Es ist, als porträtierte ich etwas, mehr oder weniger genau, durch meine Worte || Sätze. Aber eher nur das Bild um es in meinem Zimmer aufzuhängen, als zu sonst einem Gebrauch.) durch zu machen.

   
     Man sagt beim Anschauen des Bildes: “Siehst Du nicht ein Eichhörnchen!” – “Fühlst Du nicht die Weichheit dieses Pelzes!” – Und man sagt dies bei gewissen Bildern, bei andern nicht.

   
     “Ja, so macht's eine Ente!” sagt man¤.
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indem man das Bild bewundert || anschaut¤ Aber nicht bei dem schematischen Entenbild.

   
     Bin ich ebenso || ebenso geneigt zu sagen, es gebe Bildblumen, Bäume, Gräser, wie es gebe Bildgesichter? Nein. Außer vielleicht in einem Zeichenfilm. || beim Anblick eines Zeichenfilms. Und das sollte mir zeigen, was die (eigentliche) Funktion des Ausdrucks Bildmensch, etc. ist.

   
     Auf die Idee des Bildwesens, welche nicht unähnlich einer mathematischen Idee ist, komme ich durch gewisse Darstellungsweisen, unter gewissen Umständen.

   
     Wenn in einem Brief eine Zeilenreihe im rechten Winkel auf die andre || zur andern geschrieben ist, & ich lese jede (von ihnen) ohne Schwierigkeit, indem sie sich von der andern ohne weiteres ablöst, – soll ich sagen: ich sehe das || dies Bild so? – Wie? – Nun, als Schrift, die ich lese. Ich könnte ja auch über dies Blatt zu berichten haben, & entweder berichten, es sei darauf ein wirres Gekritzel, oder berichten es stehe darauf das & das geschrieben. Ich berichte meine || eine Wahrnehmung.

   
     Aber ich mag die eine Schrift mühsam aus der andern heraussuchen, oder aus der andern heraussuchen, oder lese sie, durch die andre ganz ungestört. || Aber ich mag mir die eine Schrift aus allen den Strichen mühsam zusammensuchen, oder sie löst sich für meinen Blick von allem andern Strichen ab, & ich lese sie ganz ungestört.
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     Ich sage auch: “Das Übrige verschwindet”, oder “Ich sehe es gar nicht”.

   
     Ich teile nun Einem mit: “Die Schrift löst sich von allen übrigen Strichen rein ab; ich sehe eigentlich nur sie, das andere ist nicht da.” Es sagt “So geht's mir auch.” – Es ist nicht schwer, Vorgänge zu beschreiben, die für diesen Stand der Dinge charakteristisch sind. (Erkennen des Charakters der Handschrift, genaues Kopieren derselben.)

   
     Helmholtz über das Auslesen der Laute eines Sprechenden aus verschiedenen Geräuschen, die mit dem Sprechen einhergehen: An || In dieser Darstellung paßte mir etwas nicht, schien mir, lag ein Fehler. Welcher aber? – Es kommt mir vor, als wunderten wir uns indem wir die Sache falsch auffassen über das, worüber wir uns nicht wundern sollten.

   
11.2.
     Wenn Einer || jemand ein von mir geschriebenes Blatt sieht, so wird er, wenn er Lateinschrift lesen & schreiben kann, es leicht ziemlich genau kopieren können. Er braucht es nur lesen & das Gleiche wie ich || wieder schreiben. Trotz der Abweichungen der Handschrift wird er mit Leichtigkeit ein halbwegs genaues || gutes Bild der Linien auf meinem Blatte hervorbringen. Hätte er Lateinschrift nicht lesen & schreiben gelernt, so wäre es ihm nur mit größer Mühe gelungen jene verschlungenen Linien zu kopieren. – Soll ich nun sagen; wer dies gelernt hat, sähe das beschriebene Blatt ganz anders, als ein Anderer? – Was wissen wir davon? Es könnte ja sein, daß wir Einem, ehe er schreiben & lesen gelernt hatte, jenes Blatt
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zu kopieren gaben; & dann wieder nachdem er schreiben & lesen gelernt hatte. Und er wird uns dann vielleicht sagen: “Ja, jetzt sehe ich diese Linien ganz anders.” Er wird auch vielleicht erklären: “Jetzt sehe ich eigentlich nur die Schrift, die ich gerade lese; alles andere ist Drum & Dran, was mich nichts angeht & ich kaum bemerke.” Nun, das heißt, || : er sieht die Linien || das Bild anders – wenn er nämlich wirklich auch anders darauf reagiert.
     Ebenso wird, wer lesen gelernt hat, das || von dem Blatt das nach der Länge & der Quere nach beschrieben ist, einen anderen Beschreibung || Darstellung || Bericht geben können, als wer nicht lesen kann. Und analoges gilt vom Sprechen & den begleitenden Geräuschen.

   
     Nun hatte sich etwas in mir dagegen || gegen die Idee aufgelehnt, daß, während das Trommelfell in sozusagen unregelmäßiger Weise schwingt das || unser Ohr, oder Gehör eine Trennung vollzieht. Ich wollte sagen “So hört man es eben! dies ist als gegeben zu betrachten.” Oder auch: Wir vollziehen keine Trennung. Es scheint nur daß wir eine vollziehen. Ich könnte auch so sagen: Es ist kein Grund sich über die Künstlichkeit des || unsres Ohrs zu verwundern || des menschlichen Ohrs oder Gehörs zu verwundern. Man kann das z.B. keine Geschicklichkeit des Ohrs nennen; wie das Gegenteil keine Ungeschicklichkeit wäre.

   
12.2.
[Zu № 685 S. 191]
     Die natürliche Antwort wäre: Wir denken, wenn wir ein F oder J sehen, für gewöhnlich gar nicht daran, || : der Buchstabe ‘schaue in einer Richtung’. – Hätte ich dagegen gefragt: “Siehst Du dies Blatt immer grün, solange Du es nämlich anschaust,
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& Du auf die Frage nach seiner Farbe mit “grün” antworten würdest?” – so wäre ich nicht geneigt zu antworten, || : ich habe an die Farbe gar nicht immer gedacht.
     Das heißt, ich will sagen: Man sehe das F & das J in einer Richtung schauen, solange man an so etwas denkt, solange man sich mit den || diesen Buchstaben so beschäftigt. – Aber ist, was ich darüber sage, zuverlässig? Denn das ist nicht klar, ob ich da von meiner eigenen Erfahrung rede; wie ein Andrer auf meine Antwort bauen könnte.

   
     Es gibt da die Antwort: “Ich habe ein J noch nie daraufhin angeschaut.”

   
     Denke, Einer antwortete: “ Für mich schaut es immer in dieser Richtung” – würden wir seine Antwort nun annehmen? Sie würde uns zu behaupten scheinen, er denke, wann immer er diesen Buchstaben sieht, an diesen Zusammenhang || solche Zusammenhänge. ((Ganz so wie man sagt: “Wenn immer ich diesen Menschen sehe, muß ich daran denken, wie er …”)

   
     Aber wenn wir nun das Bild eines Gesichts, oder ein wirkliches Gesicht sehen, – kann man hier auch sagen, || : ich sehe es nur solange in dieser Richtung schauen || blicken, als ich mich damit so || gerade so damit beschäftige? – Was ist der Unterschied? Die Mitteilung “Dieses Gesicht schaut nach rechts” ist, für gewöhnlich, eine über die Lage des Gesichts. Ich mache sie Einem der selbst das Gesicht nicht sieht. Es ist die Mitteilung einer Wahrnehmung.

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[Zu № 686 S. 191 – 192]
     Zeigt dies nun aber, daß es sich in diesem Falle um ein ‘Sehen’ nicht handeln kann, || sondern etwa um ein Denken? Dagegen spricht schon, daß man überhaupt von einem ‘Sehen’ reden will. – Soll ich also sagen, es ist hier ein Phänomen das zwischen Sehen & Denken liegt? Nein; aber ein Begriff, der zwischen dem des ‘Sehens’ & dem des ‘Denkens’ liegt, d.h., mit beiden Ähnlichkeit hat & Phänomene, die mit denen des Sehens & Denkens der Äußerung “Ich sehe das F nach rechts schauen”).

   
     “Ich habe es immer für eine Schale gehalten; ich glaubte es geht hinein, aber es geht heraus.” Mußte ich einen Aspektwechsel erlebt haben || erleben?

   
14.2.
     “Mein Eindruck davon war früher ein anderer: vielleicht hat sich die Beleuchtung geändert. || etwas geändert,” Ich muß nicht im Stande sein, die || eine Veränderung der Beleuchtung z.B., || des Gesichtsbildes anzugeben, die mich die Form nun anders erkennen läßt. Aber ich sage dennoch nicht, der Gesichtseindruck sei eben zweideutig || labil, genau dasselbe Gesichtsbild || Bild könne beide verschiedenen Raumformen annehmen. So daß ich z.B. nicht darauf verfalle zu sagen “Jetzt kann ich's gar nicht mehr so sehen wie früher”.

   
     “Es geschieht etwas & geschieht doch wieder nichts mit dem Gesichtsbild!”

   
     Wie merkt man, daß die Menschen räumlich sehen? Ich frage Einen, wie das Terrain liegt, das er überschaut.” Liegt es so?” (räumliche Geste) – “Ja.” – “Woher weißt Du das?” – Ich sehe es ganz genau || deutlich.” – || “Es ist nicht neblig ich sehe ganz klar.” Es werden
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keine Gründe für die Vermutung angegeben. Es ist uns einzig natürlich das Geschaute räumlich darzustellen; während es für die ebene Darstellung, sei es durch Zeichnung oder durch Worte, besonderer Übung & des || eines Unterrichts bedarf. Diese Die Sonderbarkeit der Kinderzeichnungen.

   
     Was fehlt dem, der die Frage nicht versteht, nach welcher Seite das F || der Buchstabe F schaue, wo ihm etwa eine Nase zu malen wäre?
     Oder dem, der nicht findet, beim öftern raschen Wiederholen des Wortes “Bank” gehe diesem etwas verloren; seine Bedeutung; || & es werde nun ein bloßer Klang?
     Wir sagen “Zuerst war etwas da wie eine Vorstellung.”.

   
     Was geht dem Unmusikalischen verloren? Ist es nicht etwas Ähnliches?

   
     Ist es das || dies, daß er einen Satz nicht wie die Verstehenden so genießen, so || ◇◇◇ beurteilen kann verschieden; daß der Satz für ihn nicht lebt (mit allem, was dies impliziert || das in sich schließt; daß das Wort nicht das Aroma seiner Bedeutung hat. Daß er sich also in vielen Fällen anders zu einem Wort verhält als wir. – Es könnte so sein.

   
15.2.
     Das Verstehen & die Erklärung einer musikalischen Phrase. – Die einfachste Erklärung ist manchmal eine Geste; eine andere wäre etwa ein Tanzschritt, oder Worte die einen Tanz beschreiben. – Aber ist denn nicht das Verstehen der Phrase ein Erlebnis während wir sie hören? & was tut nun die Erklärung? Sollen wir
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an sie denken, während wir die Musik hören? Sollen wir nun den Tanz, oder was immer es ist dabei vorstellen? Und wenn wir's tun, – warum soll man das ein verständnisvolles Hören der Musik nennen?? Kommt's auf's Sehen des Tanzes an, so wäre es ja besser er würde vorgeführt statt der Musik. Alles das aber ist ein Mißverständnis.
     Ich gebe Einem eine Erklärung, sage ihm “Es ist wie wenn … ”; nun sagt er “Ja jetzt versteh ich's” & spielt es oder ““Ja jetzt weiß ich wie es zu spielen ist”. Vor allem mußte er ja die Erklärung nicht annehmen; es ist ja nicht, als hätte ich ihm sozusagen überzeugende Gründe dafür gegeben, daß diese Stelle vergleichbar ist dem & dem. Ich erklärte ihm ja z.B. nicht aus Äußerungen des Komponisten, diese Stelle solle das & das darstellen || habe das & das darzustellen.

   
     Wenn ich nun frage: “Was erlebe ich denn eigentlich, wenn ich dies Thema höre & mit Verständnis höre?” – so kommen mir nichts als Dummheiten || Plattheiten zur || als Antwort in den Kopf || in den Kopf zur Antwort. So etwas wie Vorstellungen, Bewegungsempfindungen, Gedanken || Erinnerungen u. dergl..
     Ich sage freilich “Ich gehe mit” – aber was heißt das? Es könnte so etwas heißen wie ich begleite die Musik mit Gebärden. Und wenn man darauf hinweist, daß das doch meistens nur in sehr rudimentärem Maße vor sich geht, erhält man etwa die Antwort, die rudimentären Bewegungen werden durch Vorstellungen ergänzt. Aber nehmen wir doch an, es begleite Einer die Musik in vollem Maße durch Bewegungen, – inwiefern ist das ihr Verständnis? Und will ich sagen,
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die Bewegungen seien das Verstehen; oder die || seine Bewegungsempfindungen? (Was weiß ich von denen?) – Wahr ist, daß ich seine Bewegungen, unter Umständen, als Zeichen seines Verständnisses ansehen werde.

   
     Soll ich aber (wenn ich Vorstellungen, Bewegungsempfindungen, etc. als Erklärungen, zurückweise) sagen, es sei eben das) Verstehen ein spezifisches nicht weiter analysierbares Erlebnis? Nun, das kann man sagen || ginge an, wenn man || es sich nicht sagt, || heißen soll: es sei ein spezifischer Erlebnisinhalt. Denn bei diesen Worten denkt man eigentlich an Unterschiede wie die zwischen Sehen, Hören & Riechen. || an einen Unterschied, wie den zwischen Sehen, Hören & Riechen.

   
     Wie erklärt man denn Einem, was es heißt “Musik verstehen”? Indem man ihm die Vorstellungen, Bewegungsempfindungen etc. nennt, die der Verstehende hat? Eher noch, indem man ihm die Ausdrucksbewegungen des Verstehenden zeigt. – Ja, die Frage ist auch, welche Funktion hat das Erklären hier? & was heißt es: verstehen, was es heißt Musik zu verstehen? Mancher würde ja sagen: jenes || das zu verstehen heiße, || : selbst Musik zu verstehen. Und die Frage wäre also “Kann man Einem denn lehren, Musik zu verstehen”, denn nur so ein Unterricht wäre eine Erklärung der Musik zu nennen.
     Das Verständnis || Verstehen der Musik hat einen gewissen Ausdruck, sowohl während des Hörens & Spielens, als auch zu andern Zeiten. || zu anderer Zeit. Zu
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diesem Ausdruck gehören manchmal Bewegungen, manchmal aber nur, wie der Verstehende das Stück spielt, oder summt, auch hie & da Vergleiche, die er zieht & Vorstellungen, die die Musik gleichsam illustrieren. Wer Musik versteht, wird anders (mit andrem Gesichtsausdruck, z.B.) zuhören, anders spielen, anders summen, anders über das Stück reden, als der es nicht versteht. Sein Verständnis eines Themas wird sich aber z.B. nicht nur in Phänomenen zeigen die das Hören oder Spielen dieses Themas begleiten, sondern in einem Verständnis für Musik im allgemeinen.

   
     Das Verständnis der Musik ist eine Lebensäußerung der Menschen. Wie wäre sie einem zu beschreiben? Nun, vor allen müßte man wohl die Musik beschreiben. Dann könnte man beschreiben, wie sich Menschen zu ihr verhalten. Aber ist das alles, was dazu nötig ist, oder gehört dazu, daß wir ihm selbst Verständnis beibringen? Nun, ihm Verständnis beibringen wird ihm in anderem Sinne lehren, was Verständnis ist, als eine Lehre || Erklärung, die dies nicht tut. Ja auch, ihm Verständnis für Gedichte oder Malerei geben || beigeben || beibringen, kann zur Erklärung dessen gehören, was Verständnis für Musik sei.

   
     Wenn ich nun aber eine Melodie mit Verständnis höre, – geht da nicht etwas besonderes in mir vor – was nicht angeht wenn ich sie ohne verständnislos höre? Und was – Es kommt keine Antwort; oder was mir einfällt ist abgeschmackt.
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Ich kann wohl sagen: “Jetzt habe ich sie verstanden,” & nun etwa über sie reden, sie spielen, sie mit andern vergleichen, etc. Zeichen des Verständnisses mögen das Hören begleiten.

   
     Es ist irreführend || falsch das Verstehen einen Vorgang zu nennen, der das Hören begleitet. (Man könnte ja auch die Äußerung davon, das ausdrucksvolle Spiel, nicht eine Begleitung des Hörens nennen.)

   
     Ich kann also sagen: “Jetzt habe ich es zum ersten Mal verstanden” – nicht aber ‘worin das || dies bestanden hat’; außer wenn ich sage || ich kann zur Erklärung sagen “Ich bin mitgegangen”, oder die & die Stelle hätte mir zum ersten Mal ‘einen Eindruck gemacht’.

   
     Denn wie läßt sich (denn) erklären, was ‘ausdrucksvolles Spiel’ ist? Gewiß nicht durch etwas, was das Spiel begleitet. Was gehört also dazu? Eine Kultur, möchte man sagen. – Wer in einer bestimmten Kultur erzogen ist, – dann auf Musik so & so reagiert, dem wird man den Gebrauch des Wortes “ausdrucksvolles Spiel” beibringen können.

   
     Das Verstehen eines Themas ist weder eine Empfindung noch eine Summe von Empfindungen. Es ein Erlebnis zu nennen ist insofern richtig || ist aber doch || dennoch in sofern richtig, als dieser Begriff des Verstehens mache Verwandtschaften mit andern Erlebnisbegriffen hat. Man sagt “Ich habe diese Stelle jetzt || diesmal ganz anders erlebt”. Aber doch ‘beschreibt’ dieser Ausdruck, ‘was geschah’ nur für den, der mit einem besondern Begriffssystem vertraut ist.
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(Analogie: “Ich habe die Partie gewonnen”.) || Aber doch sagt dieser Ausdruck ‘was geschah’ nur für den (also auch nur für den Sprecher) der in einer besondern, diesen Situationen angehörigen Begriffswelt zu Hause ist.


   
     Kann ein kleines Kind, das gerade erst sprechen lernt, finden, ein Wort verliere seine Bedeutung wenn es öfters nacheinander wiederholt wird?

   
16.2.
     Das Kind sage ein Wort etliche Male rasch nach einander, & dann gebe || gibt es nichts mehr. || dann aber sagt es etwas, was sich dahin deuten läßt, das Wort sei nun ohne Bedeutung.. || dann gibt es zu verstehen, das Wort sei nun bedeutungslos oder wertlos. Hätten wir Grund hier zu behaupten, es hätte das || ein Erlebnis der Bedeutung gehabt & des Verlustes der Bedeutung? Was fehlt in der Umgebung dieses Ausdrucks, was || das diese Deutung rechtfertigen könnte? – Wir würden nur von dem sagen, er habe jene Erlebnisse, der ein ‘Gefühl’ für Wörter zeigen könnte z.B. zwischen ungefähr gleichbedeutenden wählen könnte, & vieles dergleichen.

   
     Ich sehe das Wort “Bank” in einer gewissen Weise || Schrift geschrieben & sage (etwa wie ich es auf Cheques zu sehen gewohnt bin) & sage: “Ich kann mir nicht vorstellen, daß das eine Sitzbank bedeuten soll.”

   
     Ich kann natürlich unter gewissen || bestimmten Umständen verstehen, daß es diese Bedeutung hat, werde dann aber beim Lesen lächeln weil es sozusagen entgegen seiner Bedeutung
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geschrieben erscheint. So geschrieben – sage ich – bedeutet es für mich immer Geldinstitut.

   
     Beim Lesen schwebt mir das vor. So geht also etwas beim Lesen vor sich … ? Diese Frage führt ja nicht weiter.

   
     Wie kann mir doch das vorschweben? Nicht in den Dimensionen an die Du denkst.

   
     “Als ich es las, hieß es für mich …” – Es fragt sich: was bedeutet der Ausdruck der Gleichzeitigkeit? Vergleiche: “Dieses Wort lag mir auf der Zunge”.

   
     Gewisses am Sehen kommt uns rätselhaft vor, weil uns das ganze Sehen nicht rätselhaft genug vorkommt.

   
     Daß jemand einen deutlich gemalten Würfel räumlich sieht, wissen wir Alle. Er kann was er sieht, vielleicht nicht einmal anders als räumlich beschreiben. Und daß Einer so ein Bild auch eben sehen könnte, ist klar. Wenn er nun abwechselnd das Bild einmal so, einmal so sieht, hat er das Erlebnis eines Wechsels des Aspekts. Was ist dann daran das Unbegreifliche? || Staunen erregende? – Ist es dies, || : daß hier der Bericht “Ich sehe jetzt … ”? nicht mehr Bericht über den wahrgenommenen Gegenstand sein kann. Denn früher war ja “Ich sehe auf diesem Bild einen Würfel” ein möglicher || der Bericht über den angeschauten Gegenstand, den || welchen ich anblicke.

   
     Das Unbegreifliche ist ja doch, daß sich nichts geändert hat, & sich doch
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alles geändert hat. Denn nur so kann man es ausdrücken; nicht so: es habe sich in einem Sinne || einer Beziehung nicht verändert. Daran wäre nichts Seltsames. “Es hat sich nichts geändert” heißt aber: Ich habe kein Recht meinen Bericht über das Gesehene zu ändern, ich sehe nach wie vor dasselbe – bin aber, auf unerklärliche Weise gezwungen, abwechselnd ganz verschiedenes zu berichten.

   
     Und es ist nicht so: ich || ich sehe das Bild eben als einen der unendlich vielen Körper, dessen Projektion es ist; – sondern nur als diesen – oder als diesen. Das Bild ist also abwechselnd der eine & der andere.

   
     Wir haben jetzt ein Sprachspiel, das in merkwürdiger Weise gleich, & in merkwürdiger Weise verschieden von dem frühern ist. Die Konsequenzen aus dem Ausdruck “Ich sehe jetzt … ” sind nun gänzlich andere; obwohl doch wieder enge Verwandtschaft der Sprachspiele besteht.

   
     Daß das Auge (der Punkt in unserm Bild) in einer Richtung blickt hätte uns gar nicht in Staunen versetzt, – bis es die Blickrichtung geändert hatte.

   
19.2.
Statt [835 S. 229]
     Die Frage liegt uns nahe: Könnten wir uns Menschen denken, die nie etwas als etwas sehen. Was sollen wir sagen: Würde diesen ein wichtiger Sinn fehlen; ähnlich als wären sie blind, oder farbenblind etwa oder ohne || als fehlte ihnen absolutes Gehör? Nennen wir diesen || solche Menschen einmal “gestalt-” oder “aspektblind”.
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     Da wird es nun drauf ankommen, für welche Art von Aspekt er blind ist.
     Soll ich z.B. annehmen, daß er das Würfelschema nicht einmal so, einmal so || anders sehen kann? Ist es so, so werde ich konsequenterweise annehmen müssen, er könne das Bild eines Würfels (überhaupt) nicht als Würfel, also das Bild eines räumlichen Gegenstandes nicht als solchen sehen. Er hätte also zu Bildern überhaupt eine andere Einstellung als wir. Es könnte die sein, welche || die wir zu einer Blaupause haben. Er wäre also z.B. imstande nach einer bildlichen Darstellung zu arbeiten. – Aber hier ist die Schwierigkeit, daß er ein Bild dann nie für einen räumlichen Gegenstand halten dürfte, wie wir z.B. manchmal gemalte Architektur. Und das könnte man nicht gut || wohl eine ‘Blindheit’ nennen, eher das Gegenteil. (Diese Untersuchung ist¤ so seltsam das scheinen mag, keine psychologische.)

   
     Es läßt sich ja natürlich vorstellen, daß Einer nie einen Aspektwechsel || Wechsel des Aspekts sieht; indem der räumliche Aspekt eines jeden Bildes für ihn immer stabil bleibt. Aber diese Annahme interessiert uns nicht. [№ 836 S. 230]

   
     Es ist aber (natürlich) denkbar, & auch interessant || & für uns auch wichtig, daß Leute ein dem unsern ganz verschiedenes Verhältnis zu Bildern haben könnten. № 836 S. 230

   
     Wir könnten uns also Einen denken, der nur ein gemaltes Gesicht als Gesicht sähe, aber nicht eines das aus einem Kreis & vier Punkten besteht. Der
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also das Hasen-Enten-Bild nicht als Bild eines Tierkopfes sieht & also || daher auch nicht den Aspektwechsel, welchen wir kennen.
   
20.2.
     Einer soll das Bild eines Laufenden nicht als Bild der Bewegung sehen können: Wie würde es sich zeigen? Ich nehme an, er habe gelernt,, daß so ein Bild einen Läufer darstellt. So kann er also sagen, es sei ein Läufer; wie wird es sich dann von den || uns normalen Menschen unterscheiden? Er wird für die Darstellung der Bewegung in einem Bild überhaupt kein || nicht Verständnis zeigen, – werde ich annehmen. Und was davon die Zeichen sind läßt sich || zu nennen wägen kann man leicht ausmalen Und was würden wir Zeichen dieses mangelnden Verständnisses nennen? – Das läßt sich unschwer ausmalen. (Wenn aber ein solcher nun jedes Bild sehr genau kopieren könnte, so würden wir gewiß von ihm nicht sagen, sein Gesichtssinn sei mangelhaft.)

   
3.3.
     Ich kann jede Ecke eines Dreiecks als seine Spitze sehen: was geht dem ab, der das nicht kann?

   
     Das Sehen des Dreiecks so & so ist – möchte ich sagen – ein Überbleibsel des Schulunterrichts der uns gewisse Betrachtungsweisen eingedrillt hat. Vielleicht ist es so; aber das ist ja nur eine geschichtliche Bemerkung. Uns interessieren die Erlebnisse, was immer für sie verantwortlich ist.

   
     Es ist ja klar, daß der Schüler, der nur erst mit dem Begriff ‘Spitze’, ‘Grundlinie’, etc. Bekanntschaft gemacht
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hat, daß dem die Worte wie “Ich sehe jetzt das als Spitze – jetzt das” nichts sagen || bedeuten werden. || daß für den die Worte “ … ” keinen Sinn haben werden. Aber das meinte ich nicht als Erfahrungssatz.

   
     Nur von dem würde man sagen, er sehe es jetzt so, jetzt so, der im Stande wäre || ist mit Geläufigkeit allerlei Anwendungen von der Figur zu machen.

   
     Wie seltsam aber, daß dies die Bedingung sein soll, dafür, daß er das & das erlebt hat! Du sagst doch nicht, daß nur der Zahnschmerzen hat, der das & das zu tun im Stande, sei. Woraus (eben) folgt, daß wir's hier mit sehr verschiedenen Erlebnisbegriffen zu tun haben. || daß wir's hier nicht mit dem selben Erlebnisbegriff zu tun haben.
     Der Erlebnisbegriff ist jedesmal ein anderer, wenn auch ein verwandter.

   
     Wir sprechen, tun || machen Äußerungen, & erst später erhalten wir ein Bild von ihrem Leben.

   
     Man könnte sich aber diese Art & Weise denken, dem Schüler jenes Sehen beizubringen: Man zeichnet zu dem Dreieck ein zweites hin, welches das noch nicht umgestürzte ist. Später
läßt man dies aus & er kann nun das Dreieck als umgefallen sehen. – Muß er denn aber diese Illustration verstehen, oder doch richtig sehen? – Es könnte
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sein, daß sie ihn nur noch verwirrt.
     Wem jene Illustration nichts sagt, zu dem werden auch andere Bilder nicht sprechen, wie zu uns, er wird auf sie nicht so reagieren wie wir. (Nicht erfahrungsmäßig:) Analogie mit dem Bild des laufenden Pferds.

   
      ∣ Es ist nichts weniger als selbstverständlich, daß wir mit zwei Augen ‘räumlich’ sehen. Wenn die beiden Gesichtsbilder in eins verschmelzen, könnte man sich als Resultat ein verschwommenes Erwarten, analog einer verwackelten Photographie. ∣

   
      ∣ Eine Geheimsprache, die ich mit Einem vereinbare, || die ich & ein Andrer vereinbaren, worin “Bank” Apfel bedeutet: Gleich nach der Vereinbarung sage ich ihm “Schaff diese Bänke fort!” – Er versteht mich & tut es; aber das Wort “Bank” kommt ihm in dieser Verwendung noch immer fremdartig vor, & er mag mit || bei ihm die Vorstellung von einer Bank haben. ∣

   
     Was würde man von dem sagen, der das Würfelschema nicht einmal als stehende, einmal als liegende Schachtel sehen kann? Ist dies nicht, wenn es ein Defekt ist eher eine der Phantasie, als des Gesichtssinns?

   
     Es ist ja ebenso rätselhaft, daß Einer eine Zeichnung räumlich sehen kann, als wie, daß er sie z.B. als etwas Liegendes oder als etwas Stehendes sehen kann. D.h., es ist ebenso rätselhaft, daß dem gesehenen Bild der Körper als
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Beschreibung entspricht, als daß ihm der stehende entspricht & nicht der liegende. – Und anders betrachtet ist das eine so wenig rätselhaft wie das andere.

   
     Aber welch merkwürdige Methode! – Ich bilde einen Begriff & frage mich, wie er konsequent durchzuführen wäre. Was “seine konsequente Durchführung” für uns zu heißen verdiente.

   
     Wir sehen eine Photographie, einer Landschaft etwa, || ein Gemälde zwar räumlich, es wäre uns äußerst schwer || nicht leicht, sie || es als Aggregat ebener Farbflecken zu beschreiben, aber was wir im Stereoskop sehen, schaut noch ganz anders räumlich aus.
     Wer eine Photographie, von Menschen, Häusern, Bäumen, etwa, betrachtet || betrachtet, von Menschen, Häusern, Bäumen, etwa, dem scheint Räumlichkeit an ihr nicht abzugehen!



   
     Ich kann das Würfelschema als Schachtel sehen, aber nicht: einmal als Pappschachtel || Papier –, einmal als Blechschachtel. – was würde || sollte ich dazu sagen, wenn jemand mich versicherte er könnte die Zeichnung || Figur als Blechschachtel sehen? Sollte ich sagen || antworten das sei kein Sehen? Aber könnte man nur (also) sagen, er fühle es || Aber, wenn nicht sehen, könnte er es also empfinden es?
     Die Antwort || Es wäre natürlich eine plausibel zu antworten: nur was in Wirklichkeit gesehen werden könnte, könne man sich so visuell vorstellen. (Wissen im Traum)


   
     Und doch könnte es sein, daß Einer der sich z.B. intensiv mit gewissen Materialien, sagen wir Glassorten, befaßt, eine Würfelzeichnung einmal als Würfel
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aus dem einen Material, einmal aus dem andern ‘sehen’ könnte, d.h., daß er sagen würde jetzt sehe er's so, jetzt so, – obgleich er kein visuelles Kriterium dafür angeben könnte & einfach nicht wüßte, warum es ihm abwechselnd so, & so erscheint. Er könnte auch glauben, er fühle die veränderte Deutung in der Brust.

   
     Die Erfahrung, wenn man aus dem Kino auf die Straße tritt, & Straße & Menschen sieht, als wären sie auf dem Lichtschirm & Teil einer Filmhandlung, woran liegt es? Wie sieht man die Straße & die Menschen? Ich könnte nur sagen: ich habe z.B. den flüchtigen Gedanken “Vielleicht wird dieser Mann eine Hauptperson im Stück sein. Aber das allein ist es nicht. Meine Einstellung ist irgendwie die zu den Vorgängen im Film || auf der Leinwand; etwa wie eine milde Neugierde, ein Vergnügen. – Aber das alles kann ich zuerst gar nicht sagen.

   
     Gehört dazu, etwas als Variation eines bestimmten Themas zu hören, nicht Phantasie? & doch nimmt man dadurch etwas wahr.

   
     “Stell Dir das so geändert vor, so hast Du das andere.” Im allgemeinen möchte man sagen, die Vorstellungskraft könne ein Bild, eine Demonstration ersetzen.
   
4.3.
     Die Aspekte des Doppelkreuzes || doppelten Kreuzes kann man einfach dadurch ausdrücken, daß man einmal auf ein weißes Kreuz, einmal auf ein schwarzes zeigt. Darauf
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also, worauf man auch bei der Frage wiese “Ist in der Figur auf diesem Papier dies enthalten?” –1
     Die gleiche Frage könnte man das Hasen-Enten-Bild betreffend stellen.
     Es ist aber auch klar, daß hier jeder Fall etwas von dem andern abweicht.
     Denn nun die Aspekte dieses Bilds auszudrücken zeigt man z.B. auf etwas, was nicht im Bild enthalten ist wie das schwarze Kreuz im Doppelkreuz.

   
7.3.
     Du redest doch vom Verstehen der Musik. Du verstehst sie doch während Du sie hörst! Ist dies ein Erlebnis welches das Hören begleitet? Sollen wir von ihm || davon ihm sagen, es sei ein Erlebnis welches das Hören begleite?

   
     Ich gebe Zeichen des Entzückens & des Verständnisses.
     Ist es Wortklauberei: Freude, Genuß, Entzücken seien nicht Empfindungen? – Fragen wir uns einmal: Wieviel Analogie besteht denn zwischen dem Entzücken & dem was wir z.B. “Sinnesempfindungen” nennen?

   
     Das Bindeglied zwischen ihnen wäre der Schmerz. Denn sein Begriff ähnelt dem der Tastempfindung z.B. (durch die Merkmale der Lokalisierung, Dauer, Intensität, Qualität) & zugleich dem der Gemütsbewegungen durch den Ausdruck das Merkmal des Ausdrucks || den Ausdruck (Mienen, Gebärden, Laute).
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     Wie weiß ich, daß Einer entzückt ist? Wie lernt er || man den sprachlichen Ausdruck des Entzückens? Woran knüpft dieser || er sich? An den Ausdruck von Körperempfindungen? Fragen wir Einen, was er in der Brust, in den Gesichtsmuskeln spürt im herauszufinden ob er Genuß empfindet?

   
     Heißt das aber, es gäbe nicht doch Empfindungen, die oft beim Genießen der Musik wiederkehren? Durchaus nicht. (Bei manchen Stellen mag ihm || Einem das Weinen kommen & er spürt es im Kehlkopf.)

Ein Gedicht macht uns beim Lesen einen Eindruck. “Fühlst Du dasselbe, während Du es liest, wie wenn Du etwas Gleichgültiges liest?” – Wie habe ich auf diese Frage antworten gelernt? Ich werde vielleicht sagen: “Natürlich nicht!” – was soviel heißt wie: mich ergreift dies, & das andere nicht. “Ich erlebe dabei etwas anderes.” – Und welcher Art ist dies? – Ich kann nichts Befriedigendes antworten. Denn was ich angebe, ist nichts Wichtiges. – “Hast Du aber nicht während des Lesens genossen?” Freilich – – denn die entgegengesetzte Antwort hieße: ich hätte es früher, oder später genossen; & das will ich nicht sagen.
     Aber nun erinnerst Du Dich ja doch an gewisse Empfindungen & Vorstellungen & Gedanken beim Lesen & zwar solche,
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die für das Genießen, für den Eindruck nicht irrelevant waren. – Aber von denen möchte ich sagen, sie hätten ihre Wichtigkeit nur durch die || ihre (ganze) Umgebung erhalten: durch das Lesen des Gedichts, durch meine Kenntnis der Sprache, des Metrums & unzähliger andrer Dinge. (Diese Augen lächeln nur in diesem Gesicht & in diesem zeitlichen Zusammenhang.)
     Du mußt Dich doch fragen: Wie haben wir den Ausdruck “Ist das nicht herrlich!” (z.B.) überhaupt gelernt? – Niemand erklärte ihn einem Menschen || uns durch einen Bezug auf Empfindungen, Vorstellungen, oder Gedanken die das Hören begleiten. || Niemand erklärte ihn uns, indem er sich auf Empfindungen, Vorstellungen, oder Gedanken bezog, die das Hören begleiten! Ja, wir würden nicht bezweifeln, daß er's genossen hat, wenn er keine solchen Erlebnisse anzugeben wüßte; wohl aber, wenn es sich zeigte, daß er gewisse Zusammenhänge nicht versteht.

   
     Aber zeigt sich das Verständnis nicht z.B. darin, wie || mit welchem Ausdruck Einer das Gedicht laut liest, die Melodie singt? Gewiß. Aber was ist nun hier das Erlebnis während des Lesens? Da müßte man ja sagen: der genieße & verstehe es, der es gut gelesen hört, oder in den Sprechorganen fühlt.

   
     Man kann auch vom Verständnis || Verstehen einer musikalischen Phrase sagen, sie || es sei das Verstehen einer Sprache.
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     Ich denke an eine ganz kurze von nur zwei Takten. Du sagst “Was liegt nicht alles in ihr!” Aber es ist nur, sozusagen, eine optische Täuschung, wenn Du denkst, beim Hören gehe vor, was in ihr liegt. (Denke doch daran, daß man || wir manchmal sagen & ganz mit Recht: “Es kommt drauf an, wer's sagt”.) (Nur in dem Fluß der Gedanken & des Lebens haben die Worte Bedeutung.)

   
     “Optische Täuschung.” – Worüber täuscht sie mich also? Ist es eine Täuschung wenn ich sage || ausrufe: “Jetzt habe ich diese Stelle zum ersten Mal verstanden”? Oder wenn ich auf die Frage “Wann hast Du sie verstanden?” antworte “Beim Hören?” || “Während sie gespielt wurde”? Und ich werde oft dabei einen neuen Gedanken gehabt haben, ein solcher || bestimmter Vergleich fiel mir ein haben || ich machte eine besondere Gebärde. ¤ (Hier spielt die Frage hinein: Erlebe ich (so) eine Gebärde durch ein Bewegungsgefühl oder den Anblick der Bewegung – oder weiß ich einfach von ihr?) Die Täuschung kann doch nur in dem liegen, was ich in einer begrifflichen Auseinandersetzung darüber sage.

   
     Nicht das enthält die Täuschung: “Jetzt habe ich's verstanden.” Jetzt weiß ich¤ – & nun folgt vielleicht eine lange Erklärung dessen, was ich verstanden habe.
   
8.3.
     Die optische Täuschung findet beim
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Philosophieren statt. Dann, wenn man sich im Nachhinein erklären will, was denn da vorgegangen sein mußte, als man's verstand. Wenn man einen Erlebnisinhalt zu finden trachtet, der das Verstehen war.

   
     Die optische Täuschung hat erst statt, wenn man nach etwas sucht. Wonach aber sucht man? (Ist alles klar, trügen uns unsre Begriffe nicht, so braucht man ja nicht zu suchen.)

   
     Wenn wir überhaupt ein Phänomen analysieren, dann doch nie, um das noch nicht analysierte durch das analysierte zu ersetzen. Höchstens um es mit ihm zu vergleichen.

   
     Wie hängt das Sehen eines Aspekts zusammen mit der Fähigkeit zu operieren (z.B. in der Mathematik)? Denk an das räumliche Sehen in der darstellenden Geometrie & das Operieren in der Zeichnung. Er bewegt sich mit dem Stift auf der Fläche || Zeichenfläche als bewegte er sich im wirklichen Körper. Wie; aber kann das ein Beweis des Sehens sein?
     Nun ist es uns nicht auch ein Beweis des Sehens, wenn sich Einer mit Sicherheit im Zimmer umherbewegt? Es gibt eben verschiedene Kriterien des Sehens. Frag Dich: Muß Einer der Tiere, Menschen & allerlei Gegenstände gut nach der Vorstellung, oder Erinnerung zeichnen kann, sie dazu vor dem innern Auge sehen? Die Antwort könnte sein: “In so einem Fall sagen wir eben … ” – aber
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auch: “Man muß den Zeichner fragen, ob er's tut, oder nicht.”

   
     Es ist nun ein Zusammenhang zwischen Aspekt & Phantasie.

   
     Die Aspekte von Mantel & Grundfläche. Was fehlt dem, der für sie blind wäre? – Es ist nicht unsinnig zu antworten: Vorstellungskraft.

   
     Ich habe einen Begriff von Mantel & Grundflächen, den ich auf einfache Weise nicht erklären könnte. Und wenn man sich so ausdrückt: man sehe || sagt man: man sehe die & die Elemente als ‘zusammengehörig’ – so frage man sich, was denn dieses Wort alles bedeutet! im welchen Situationen, & wie, es verwendet wird.

   
     Bedenke, daß es für einen Aspekt oft ein ‘treffendes Wort’ gibt.
     Läßt man z.B. Einen das Doppelkreuz ansehen & berichten, welcher der zwei || beiden Aspekte (schwarzes Kreuz oder weißes Kreuz) es sehe, so mag es uns gleichgültig sein, ob er sagt, er sehe einmal || das einemal ein weißes Windmühlen mit vier Flügeln, das andre Mal ein stehendes schwarzes Kreuz, ob er das weiße Kreuz als vier gegen die Mitte gefaltete Spitzen eines Papiers sieht. Das Kreuz, welches ‘jetzt gesehen’ wird, kann auch als kreuzförmige Öffnung gesehen werden. Aber diese Unterschiede können || müßte es uns nicht ankommen & es war || man könnte also seinen Unterschied || eine Unterscheidung machen
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zwischen ‘rein optischen’ & ‘begrifflichen’ Aspekten. [Ähnlich könnte es bei der Erzählung eines Traums auf die besondern Worte, mit welchen die Traumsituationen beschrieben werden ankommen, oder nicht ankommen.]

   
     Man könnte nicht verstehen “Sieh als ”, solange nicht noch etwas ganz anderes gesagt ist. Denn verstünde ich “Sieh als ”? Es muß erst eine gedankliche || begriffliche Verbindung bestehen.

   
     Man wird z.B. plötzlich auf die Blickrichtung des aufmerksam. Das hängt mit allen möglichen Vergleichen zusammen. (Natürlich nicht des F mit sich selber.)

   
     “Es sieht jetzt für mich nach links ‒ ‒ ‒ & nun wieder nach rechts.” Also so, wie schon vorher? Nein; früher hatte es für mich keine Richtung. Ich umgab es früher nicht mit dieser Welt von Vorstellungen.

   
     Die Aufmerksamkeit ist dynamisch, nicht statisch – möchte man sagen.
     Ich vergleiche das Aufmerken zuerst mit einem Hinstarren, Hinglotzen: das ist es aber nicht, was ich Aufmerksamkeit nenne; & will nun sagen, ich finde, man könne nicht statisch aufmerken.

   
      ∣ Unsre Kinder lernen schon in der Schule Wasser bestehe aus den Gasen Wasserstoff & Sauerstoff oder Zucker aus Kohlenstoff Wasserstoff & Sauerstoff. Wer es nicht
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versteht ist dumm. Die wichtigsten Fragen werden zugedeckt. ∣

   
     Einer könnte beim Anblick eines Felsens ausrufen “Ein Mann!” & nun vielleicht dem Andern zeigen wie er in dem Felsen den Mann sieht, – wo das Gesicht, wo die Füße sind, etc. (Ein Andrer könnte in der gleichen Form einen Mann in andrer Weise sehen.)
     Man wird sagen, es sei dazu Phantasie erforderlich. Nicht aber dazu, das naturgetreue Bild eines Hunds als solches zu erkennen.

   
     “Er vergleicht den Felsen mit einer menschlichen Gestalt”, “Er sieht in ihm eine menschliche Gestalt” – aber nicht im gleichen Sinne: er sähe || vergleiche jenes Bild mit einem Hund, oder diese Paßphotographie mit seinem Gesicht.

   
     Ich sage mir beim Anblick der Photographie nicht “Das könnte man als einen Menschen ansehen”. Noch beim Anblick des F: “Das könnte man als ein F ansehen”.

   
     Wer mir die Figur zeigte & mich fragte “Was ist das?” dem könnte ich nur so antworten. Auch nicht so: “Ich halte das für ein … ”, oder “Es ist wohl ein … ”. Sowenig wie ich beim Lesen in einem Buch die Buchstaben für das oder das halte.

   
     “Ich sehe es als ein … ” geht zusammen mit “Ich versuche es als … zu sehen”, oder “Ich kann es noch nicht als ein … sehen”. Du kannst aber nicht versuchen das
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gewöhnliche F als dies zu sehen.

   
     Man kann den Aspekt nur sehen als das Resultat einer Veränderung (will ich sagen). Aber das darf || kann natürlich kein Erfahrungssatz sein.

   
      ∣ Einen im Geist um Rat fragen. [zu: die Zeit schätzen indem man sich eine Uhr vorstellt.] ∣

   
     Im Aspekt ist eine Physiognomie vorhanden, die nachher vergeht. Es ist beinahe, als wäre da ein Gesicht welches ich zuerst nachahme & dann hinnehme, ohne es nachzuahmen. – Und ist das nicht eigentlich genug (der) Erklärung? – Aber ist es nicht zuviel?

   
     Wenn ich in einem bestimmten Falle sage, || : die Aufmerksamkeit besteht in der Bereitschaft jeder kleinen || kleinsten Bewegung die sich zeigen mag zu folgen, – so siehst Du schon daß die Aufmerksamkeit nicht das starre Hinschauen ist, sondern ein Begriff andrer Art.

   
     “Etwas einer Auffassung gemäß sehen” heißt nicht das gleiche wie “etwas gemäß dem Übergang zu einer Auffassung sehen || dem Übergang zu einer Auffassung gemäß sehen”.

   
     Wenn ich die Figur als Spiegel-F sehe, so könnte das durch das Bild einer bestimmten gewissen charakteristische Art der Erzeugung der Figur dargestellt werden; ebenso, sie wenn ich sie als ein F gar nichts & um Spiegel-F || seine Umkehrung Rücken an Rücken (gelegt) sehe, & nun gäbe es auch eine bestimmte Art der Erzeugung für den Buchstaben F. Was nun das Kopieren
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dessen, was ich sehe, betrifft, so hat ursprünglich der Befehl “Kopiere dies als ein F” keinen Sinn, weil es ja keine besondere Art gibt ein F zu kopieren. Gibt es aber jenen, gleichsam mimischen, Ausdruck des Aspekts, so hat nun jener || der Befehl Sinn. – Aber freilich ist hier der Begriff des Kopierens nun verwandelt; denn die Kopie im frühen Sinn das Resultat, ist nun immer das Gleiche; & die Kopie im neuen Sinn ist eine Handlung, also gleichsam das Nachahmen || die Nachahmung einer Handlung.

   
     Ich fühle, ich könnte den Aspekt mimisch darstellen.

   
     Nicht den Aspektwechsel sieht man, sondern den Deutungswechsel.

   
     Du siehst es nicht einer Deutung, sondern einem Deuten gemäß.

   
     Wen man fragte “Kannst Du als ein ef sehen?”, der würde uns nicht verstehen. Die Frage “Kannst Du es als ein Spiegel-F sehen?” aber würde er verstehen. Und auch die: “Und kannst Du es jetzt wieder als ein gewöhnliches ef sehen? – Warum?2
      “Kannst Du es als … sehen?”, oder “Sieh es jetzt als ein … !”, geht zusammen mit: “Faß es jetzt als ein … auf.” Nur wo dieser Befehl Sinn hat, hat jene Frage Sinn.

   
10.3.
     Es ist, als ob etwas ein Sehen, aber zugleich ein Denken wäre, so daß es nur solange dauern könnte, wie
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ein bestimmter Gedanke; & läßt man den fahren, auch das Sehen aufhörte. (Nicht kausal gemeint.)

   
     Denk, jemand sagte, auf ein gewöhnliches Druck-F zeigend, “Jetzt ist es ein ef”. – Was heißt das? Hat es einen Sinn? Es hat einstweilen noch keinen. Inwiefern ist es jetzt dies? Etwa insofern || weil es immer dies ist? Und im Gegensatz wozu? – Ich schaue auf eine Lampe & sage “Jetzt ist eine Lampe” – was kann ich meinen?

   
     [ Du brauchst eine neue Begriffsbrille.]

   
     Wer sagt “Jetzt ist es für mich ein Gesicht”, den kann man fragen: “Auf welche Art der Verwandlung spielst Du an?”

   
     Der Ausruf “Ein Hase!” ist ja verwandt mit der Meldung “Ein Hase.”

   
     Was ist denn die Äußerung des Staunens? Kann es eine unbewegliche || stationäre Haltung || Stellung sein? Kann also das Staunen ein stationärer Zustand sein? || ein Zustand der Ruhe sein?

   
     Denk dir, man fragte: “Warum ist das Erlebnis der Überraschung nicht festzuhalten?”

   
     “Das ef verschwindet & es ist ein Kreuz da; das Kreuz verschwindet & es ist ein Spiegel-F da; etc.” Das ist doch der Ausdruck der Änderung der Wahrnehmung.

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     Vergiß, vergiß, daß Du diese Erlebnisse selber hast!

   
     Es ist uns doch, als zeichnete unser Auge jedesmal eine andere Figur (in diese Striche auf dem Papier).

   
7”.      Was ich in den beiden Fällen sehe, ist so verschieden wie nur möglich. Und was siehst Du denn?
     In dem einen Falle ein ef, in der Weise geschrieben: … ; im andern ein ix so: … Und was ist denn ein ef & ein ix? – Nun wird man nicht auf die doppeldeutige Zeichnung weisen. Sondern etwa auf die Paradigmen …
     Aber muß ich nicht bedenken, daß F & X für mich nicht nur Formen, sondern auch Begriffe sind?

   
     “Für mich ist es kein Kreuz mehr; ich schreibe es nicht … Für mich ist es ein F, ich schreibe es …”

   
     Verschiedene Bilder erscheinen mir. Aber wie verschiedenen? Worin verschieden? Das kann ich nur durch eine Genesis erklären.

   
     Ich sage etwas; & es ist richtig || wahr; – aber nun mißverstehe ich die Verwendung, die dieser Aussage zukäme || Verwendung, der diese Aussage gehören würde

   
     Wie spielt man dem das Spiel “Es könnte auch das sein”? Das, als was die Figur auch sein könnte – & das ist das, als was sie gesehen werden kann – ist nicht einfach eine andere Figur. Es hatte darum keinen Sinn
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zu sagen, || : könnte auch ein sein. Oder auch: – dies könnte ganz verschiedenerlei heißen.
      Jenes Spiel aber könnte jemand wohl mit einem Kind spielen. indem Man sie betrachtet Zusammen betrachtet man Einer mit ihm eine Figur; oder irgend einen beliebigen Gegenstand; betrachten & nun heißt es: “Das soll jetzt ein Haus sein” – , & nun wird eine Erzählung von den Gegenstand gewoben, in welchem er als ein Haus gedeutet || ausgedeutet wird von ihm dem Gegenstand berichtet & erzählt & man steht sich zu ihm, als wäre es ein Haus, & es wird ganz als das || dies ausgedeutet. Dann stellt etc. so das | selbe || derselbe Gegenstand etwas anderes vor eine andere Fiktion wird um ihn gewoben. ||
Jenes Spiel aber könnte man z.B. mit einem || Kindern Kind spielen. Zusammen betrachten wir eine Figur; oder einen beliebigen Gegenstand (ein Möbelstück z.B.), – & nun heißt es: “Das soll jetzt ein Haus sein” – & es wird nun von ihm berichtet & erzählt, & man stellt sich zu ihm, als wäre es ein Haus, & es wird ganz als dies ausgedeutet. Dann stellt das gleiche Ding etwas anderes vor, eine andere Erdichtung || Erfindung wird darum gewoben.


   
     Wie wirst Du wissen, ob das Kind das Ding als das sieht? Nun, vielleicht wird es dies spontan sagen. Etwa sagen: “Ja, jetzt sehe ich es als … ”. Und in dieser Situation, bei der lebhaften Teilnahme an der Erdichtung || Erfindung, wird es uns allerdings das Sehen des Aspekts bedeuten.

   
     Ich will sagen dieses Spiel ist mit dem des Sehens der Aspekte des z.B.
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verwandt. Daß Einer mit den Dingen, gleichsam, Theater spielen kann, ist für uns eine Vorbedingung dafür || dessen, daß er mit den Worten “Jetzt seh ich es als … ” das meint, was wir meinen.

   
     Wie lehrst Du ein Kind, etwa beim Rechnen, “Jetzt nimm diese Punkte zusammen!” oder “Jetzt gehören die zusammen”? Offenbar muß “zusammennehmen” & “zusammengehören” ursprünglich eine (ganz) andere Bedeutung für ihn gehabt haben als so oder so sehenDas ist || Und das war eine Bemerkung über Begriffe, nicht über Unterrichtsmethoden.

   
     Nur von Einem, der das & das kann, gelernt hat, beherrscht, hat es Sinn zu sagen, er habe Gewisses erlebt.

   
     Man kann allerdings sagen “Sieh die Figur jetzt für 5 Minuten als ein … ”, wenn dies heißt: Erhalte, balanciere, sie in diesem Aspekt.

   
     Es muß im einer Vorstellungsatmosphäre sein, um überhaupt als etwas gesehen werden zu können.

   
     Was verstehst Du, wenn Dir Einer sagt “Ich sehe es (nämlich das gewöhnliche F) als ein ef”? – Daß er es mit Aspekten zu tun hat; daß es ein labiler Zustand ist. Daß er denkt ‘es könnte auch das sein’.

   
     Das Sehen der Aspekte ist auf anderen Spielen aufgebaut.

   
     “Es ist für mich jetzt das” – aber warum
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sagst Du, es wird anders gesehen? Welche Ähnlichkeit ist zwischen diesem Erlebnis & dem des Sehens? Nun, warum nennen wir Vorstellen ein Sehen? Wir tun es natürlich nicht aus einem Grund – aber es kann eine Rechtfertigung haben.

   
     “Ich kann gar nicht umhin es ‘sehen’ zu nennen.” Nun wohl; aber ist das alles?

   
     Du sagst, Du siehst verschiedene Bilder. Und das ist doch wahr; denn ein ef ist doch etwas anderes als ein Kreuz, etc.. – Aber in dem wichtigsten Sinn ist es doch dasselbe Bild: Du kopierst es jedesmal gleich; es wird nur anders beschrieben.

   
     Man redet ja von einem Rechnen in der Vorstellung. Es ist also nichts überraschendes, daß die Vorstellungskraft der Erkenntnis dienen kann.

   
Die Schönheit einer Sternfigur – eines Sechseck-Sterns z.B. || etwa – wird beeinträchtigt, wenn man sie symmetrisch um eine bestimmte || bezüglich einer bestimmten Achse sieht.

   
     Ich will aber nicht sagen, daß der Aspekt eine Vorstellung ist. Aber daß ‘einen Aspekt sehen’ & ‘sich etwas vorstellen’ verwandte Begriffe sind.

   
     Vom Sehen des Aspekts möchte man fragen: “Ist es ein Sehen? ist es ein Denken?” Der Aspekt untersteht dem Willen: schon das macht ihn dem Denken verwandt.

   
     “Der Aspekt untersteht dem Willen” ist kein || nicht Erfahrungssatz. Es hat Sinn
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zu sagen “Sieh diesen Kreis als Loch, nicht als Körper || Scheibe”; aber nicht “Sieh diesen Kreis || ihn als Viereck”, oder “Sieh ihn rot”.

   
15.3.

Die Figur , das geschriebene einmal als F, einmals als das Spiegelbild eines F sehen. Ein auf || in dieser Weise umgekehrtes F will ich ein Spiegel-F ¤ nennen. Es könnte sein, daß Menschen die Lage ihrer Buchstaben gleichgültig wäre & daß auch ein Schriftzeichen & dessen Spiegelbild für sie der gleiche Buchstabe wäre. Dies könnte sich etwa daraus erklären, daß ihre Zeichen ursprünglich nicht durch Schreiben hergestellt, sondern als Stücke aus irgend einem Material geformt, & dann, zur Bildung von Sätzen, im Reihen niedergelegt worden wären..)

   
     Sehe ich wirklich jedesmal etwas anderes, oder deute ich nur, was ich sehe, auf verschiedene Weise? Ich bin geneigt, das erste zu sagen. Aber warum? – Deuten ist ein Denken, ein Tun || Handeln; es kann z.B. so vorsichgehen; man sagt “Das soll ein F sein”, oder der Setzer setzt es als ein F, oder man überlegt “Was mag das sein? – Es wird ein F sein” u.s.f.? – Sehen dagegen ist kein Handeln.

   
     Die Fälle, in welchen wir deuten, was wir sehen, sind leicht zu erkennen. Deuten wir, so machen wir eine Hypothese, die sich als falsch erweisen mag. “Ich sehe diese Figur als ein … ” kann
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sowenig, (oder nur in dem Sinne) verifiziert werden, wie die Aussage “Ich sehe ein leuchtendes Rot”. Hier besteht also eine Ähnlichkeit der Verwendungen des Wortes “sehen” in den beiden Zusammenhängen.

   
     Denken wir, es fragte jemand: “Sehen wir Alle ein F auf die gleiche Weise?” Was könnte damit gemeint sein? – Nun, wir könnten diesen Versuch machen: wir zeigen verschiedenen Leuten ein F & stellen die Frage “Wohin schaut es || ein F, nach rechts oder links?” Oder: “Wenn Du ein F mit einem Gesicht im Profil vergleichst, wohin schaut das Gesicht?”
     Mancher aber würde diese Fragen vielleicht nicht verstehen. Wie Mancher auch die Frage nicht versteht “Welche Farbe hat für Dich der Laut a?” – Wenn Einer sie nicht verstünde, wenn er erklärte, sie sei Unsinn, könnten wir sagen, er verstehe nicht deutsch, oder nicht die Bedeutungen der Wörter “Farbe”, “Laut”, etc.?
     Im Gegenteil: Wenn er diese Worte verstehen gelernt hat, dann kann er auf jene Fragen ‘mit Verständnis’, oder ohne Verständnis’ reagieren.

   
     Nehmen wir an, die Frage wäre nie || Denk nicht, die Frage wäre gestellt worden “In welcher Richtung schaut der Buchstabe … ?” – sondern (nur) die: “Wenn Du einem F & || oder einem J ein Aug & eine Nase malen solltest, – wohin würde es schauen?” Dies wäre doch auch eine psychologische Frage. Und in ihr ist von einem ‘so, oder anders sehen’ nicht die Rede. Statt dessen aber von
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einer Neigung das eine, oder andere zu tun. – (2) Also ist jenes Sehen mit einer Neigung verwandt. ((1) Es ist aber zu bedenken, wie er zu der Antwort “Ich würde ihm die Nase dort malen” gelangt.) (3) Die Neigung kann sich ändern, oder gänzlich || ganz fehlen.

   
     “Mit dieser Verteilung der Fenster schaut die Fassade dorthin.”
     “Die Fenster waren früher so verteilt, daß die Fassade dorthin sah.”
     Der erste Satz ist ähnlich einem der Geometrie. Im zweiten ist || dient der Begriff der ‘Richtung, in welcher sie schaut’ der Beschreibung der Fassade. So, wie man ein Gesicht mittels der Begriffe ‘fröhlich’, ‘mürrisch’, ‘mißtrauisch’ beschreibt, oder eine Bewegung mit ‘furchtsam’, ‘zögernd’, ‘sicher’. Und insofern dies Beschreibungen des visuell wahrgenommenen des Beobachteten sind (wer ein Bild kopiert, dem kann man sagen “Das Gesicht ist noch nicht richtig, es ist nicht traurig genug”) sind es auch Beschreibungen des visuellen Eindrucks. Man kann also sagen: man sähe das Zögern. Nur ist dies || das kein Satz der Psychologie; er bezieht sich auf seine || die Begriffe || redet von den Begriffen. Und wer also eine schüchterne Bewegung beobachtet & sie genau beschreiben, nachahmen, zeichnen kann, aber von ‘Schüchternheit’ nichts weiß, dem geht nun nicht ein visueller Eindruck ab, den der Andere hat. Er kann seinen Eindruck nur nicht so beschreiben, nicht einer solchen Beschreibung gemäß handeln, zeichnen, etc..

   
24.3.
     Zwei Verwendungen des Berichts
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“Ich sehe …”. Ein Sprachspiel (a): “Was siehst Du dort?” – “Ich sehe … ” – & nun folgt eine Beschreibung des Gesehenen durch Worte, durch, eine Zeichnung, ein Modell, und anderes. Ein anderes Sprachspiel (b): “Ich sehe eine Ähnlichkeit in diesen beiden Gesichtern”.
     Im Sprachspiel (a) hätte die Beschreibung z.B. lauten können: “Ich sehe zwei Gesichter, die einander wie Vater & Sohn ähneln”. Man kann dies eine unvollständigere Beschreibung nennen, als die durch eine genaue Zeichnung der Gesichter. – Es wäre aber denkbar, daß Einer diese genauere Beschreibung geben könnte || gäbe, ohne zu sehen daß eine solche || jene die Ähnlichkeit zwischen den beiden Gesichtern besteht. – || der Gesichter zu bemerken. – Ein Andrer könnte die Zeichnung des Ersten sehen & die Familienähnlichkeit in ihr erkennen¤ daß eine Familienähnlichkeit, oder auch eine Ähnlichkeit des Gesichtsausdrucks.


   
     Man kann ‘ein Auge’, ‘einen Blick’ für gewisse Ähnlichkeiten haben, oder durch Übung einen bekommen || erwerben. Wer nun den Begriff des Zögerns nicht hätte, aber eine zögernde Bewegung beobachtete & genau wiedergeben könnte – soll ich von dem sagen, || : er sähe diese || die Bewegung nicht so genau || deutlich, wie der Andre, welcher sie sofort als eine zögernde erkennt? Das gewiß nicht; wohl aber, || : Aber wohl: daß der erste für diese Eigentümlichkeit einer Bewegung keinen Blick habe.

   
     Und wer einen Blick für Familienähnlichkeiten
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hätte, könnte erkennen, daß zwei Leute miteinander verwandt sind auch ohne sagen zu können, worin die Ähnlichkeit besteht. (Denke an den Fall des Rechenkünstlers.)

   
Wer also die Furcht in einem Gesicht sieht, sieht der (noch) mehr als der || derjenige welcher || der das Gesicht genau portraitieren || abbilden könnte, aber nicht im Stande wäre Furcht nicht in ihm zu erkennen kann? – Die Frage ist eigentlich die gleiche, wie die: ob das Erkennen der Furcht in einem Gesicht ein “Sehen” zu nennen ist. || Ist das Erkennen der Furcht in einem Gesicht ein ‘Sehen’ zu nennen?
     Es könnte eine Sprache geben in der es falsch wäre || sprachunrichtig sein zu sagen “Ich sehe Furcht in diesem Gesicht”, Es würde uns gelehrt: ein furchtsames Gesicht könne man ‘sehen’; die Furcht in ihm, die Ähnlichkeit oder Verschiedenheit zweier Gesichter ‘bemerke’ man.

   
     Und sollte man diese Unterscheidung eine bloße Laune der Sprache nennen? – Die Verwandtschaft der beiden Begriffe zeigt sich ja in dieser || jener Erklärung; um ihre Verschiedenheit zu erkennen, bedenke man, welchen Sinn es || die Aussage haben könnte zu sagen, Einer habe die Ähnlichkeit zweier Gesichter von einem || diesem Glockenschlage bis zum nächsten gesehen.
Oder denk an den Befehl: Merk auf die Ähnlichkeit von ihm.

   
     Die Beschreibung des Gesichtseindrucks kann eine Zeichnung sein. Es könnte aber auch festgesetzt werden in welcher Entfernung vom Auge wir sie halten sollen, ja auch
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auf welchen Punkt der Zeichnung wir unsren Blick richten sollen || zu blicken haben oder welchen Weg || wie unser Blick auf der Zeichnung beschreiben || nehmen sollte || ihr zu wandern habe. Was in der Zeichnung oben, was unten ist, ist beinahe immer || meistens von der größten Wichtigkeit.

   
     Ich fange an, die Ähnlichkeit zu sehen, wenn sie mir ‘auffällt’; & sehe ich sie dann solange ich die ähnlichen Gegenstände sehe? Oder nur solange ich mir ihrer || der Ähnlichkeit bewußt bin? – Fällt mir die Ähnlichkeit auf, so nehme ich etwas wahr, ich brauche mir nun ihrer aber nicht bewußt zu bleiben, um zu beobachten || wahrzunehmen, ob || daß sich an der Ähnlichkeit nichts ändert. || sie sich nicht ändert.

   
     So weit sehe ich jetzt & nicht weiter.

   
25.3.
     Zwei Verwendungen des Berichtes “Ich sehe …”. Ein Sprachspiel: “Was sieht Du dort?” – “Ich sehe … ” & es folgt eine Beschreibung des Gesehenen mit Worten, durch eine Zeichnung, ein Modell, Gebärden, etc.. – Ein anderes Sprachspiel: Wir betrachten beide zwei Gesichter, & ich sage zum Andern: “Ich sehe eine Ähnlichkeit in ihnen.”
     Im ersten Sprachspiel hätte die Beschreibung z.B. lauten können: “Ich sehe zwei Gesichter, die einander ähnlich sind wie Vater & Sohn.” – Man kann dies eine weit unvollständigere Beschreibung nennen, als die durch eine Zeichnung es wäre. Aber Einer konnte diese vollständigere
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Beschreibung geben & doch jene Ähnlichkeit nicht bemerken. Ein Andrer könnte die Zeichnung des Ersten sehen & die Familienähnlichkeit in ihr entdecken; & in gleicher Weise auch eine Ähnlichkeit des Gesichtsausdrucks.

   
28.5.
     “Als ich das Wort jetzt aussprach, bedeutete es für mich …”. Warum sollte das nicht einfach Wahnsinn sein? Weil ich das erlebte? Das ist kein Grund.

   
28.5.
     Unterbrich “Ich kann nie wissen, was in ihm vorgeht.” – Aber warum sollst Du sagen, daß irgendetwas in ihm vorgeht? – Und bist Du denn immer unsicher? Und wenn Du nicht unsicher bist, – weißt Du, was in ihm vorgeht?

   
     Wir fürchten Verstellung; – obwohl Verstellung nicht der einzige Fall ist, in welchem das Äußere ¤ täuscht. || Wir fürchten insbesondere die Verstellung obwohl sie nur ein Spezialfall davon ist, daß das Benehmen uns täuscht.

   
     Menschen fremder Kulturen scheinen uns oft falsch, || kommen uns oft falsch vor, nur weil wir sie nicht verstehen. Einer, der dort lächelt, wo wir finster blicken, braucht sich doch nicht zu verstellen.

   
     Wenn ich mit meinem Freund rede, sage ich mir doch nicht die ganze Zeit, ich wisse nicht was in ihm vorgehe; & es ist auch nicht Gedankenlosigkeit, daß ich's mir nicht sage. Es kommt im Allgemeinen gar nicht zu einer Vermutung über Vorgänge
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in seiner Seele. || seinem Geiste. Und doch betrachte ich ihn nicht als Automaten.

   
     Es sind ganz besondere Fälle, || : in denen das Innere mir verborgen erscheint. ¥

   
     Es ist dann als ob ich mir erst bewußt würde, daß das Innere (eigentlich) immer verborgen ist.

   
     (Man sagt auch: Der Mensch ist mir vollkommen durchsichtig.) So ist mir also ein Mensch manchmal undurchsichtig.

   
     Und die Unsicherheit, die sich so ausdrückt ist nicht eine philosophische, sondern eine praktische & primitive.

   
     Man sagt “Ich weiß nicht, wie ich mit ihm dran bin”. – Wenn wir ein sehr regelmäßiges Klima gewohnt wären mit leicht vorauszusehenden Veränderungen & kämen in ein unberechenbares Klima, & denken wir personifizierten die Witterung, – könnten wir nicht sagen, wir sehen nicht in die Seele des Wettergottes?
     Aber wem die Vorgänge in der Seele des Andern versteckt erscheinen, der ist unsicher über etwas Gegenwärtiges, nicht über etwas Zukünftiges. Seine Unsicherheit bezieht sich auf die Gegenwart in dem gleichen Sinne in welchen des Andern Aussage ‘Ich dachte mir damals … ” sich auf die Vergangenheit bezieht.

   
     “Ich weiß nicht, wie ich mit dem Wetter hier dran bin: es scheint manchmal
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zu lächeln, fährt aber gleich darauf los.” – Aber das Wetter sagt eben nicht: “Als ich damals lächelte sann ich darauf zu hageln”. – Aber kommt es denn daran || liegt denn darin der wesentliche Unterschied, daß der Mensch so etwas sagt? Und wenn er nun lächelt & schon auf Urteil sinnt, – was ist daran das Wichtige? (Warum sollte das – was immer es ist – nicht ganz unwichtig sein? So unwichtig wie die oder jene chemische Reaktion in seinem Körper?)

   
     Was ist die Wichtigkeit davon, daß Einer so ein Geständnis macht – muß er denn seinen Zustand richtig beurteilen können? – Es kommt eben nicht auf einen innern Zustand an, den er beurteilt, sondern gerade auf sein Geständnis.

   
     Sein Geständnis kann Gewisses erklären. Es kann zum Beispiel meinem Verdacht von einem Andern ablenken || abziehen.

   
     “Ich kann nie wissen, was in ihm vorgeht.” – Aber muß denn etwas in ihn vorgehen.” – Und was brauche ich mich darum zu kümmern || warum soll ich mich darum kümmern? – Es ist aber eine wirkliche, nicht erträumte, Unsicherheit, welche uns dieses Bild nahelegt.

   
     Die Unsicherheit ist etwa die || hat etwa den Ausdruck: || die Gestalt: “Wie wird er, wenn er uns || ich ihm den Rücken kehre, mit seinen Freunden über mich reden?” Diese Unsicherheit besteht nicht immer.

   
     Es ist eine prinzipielle Unsicherheit vorhanden. Worin besteht sie?

   
     Etwa darin, daß man nicht sagen kann: Wenn Einer sich so benimmt
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dann ist er erfreut & es kann nicht Verstellung sein. Und mit welchen Naturtatsachen hängt diese begriffliche Unbestimmtheit zusammen? – Es entspricht ihr nicht eine fortwährende || immerwährende Unsicherheit über das was der Andre denkt & fühlt. Eher || Wohl aber die große Vielgestaltigkeit der Fälle.

   
     Könnte man sich nun denken, daß Menschen einen bestimmteren Begriff zu ähnlichem Zweck hätten? & unter was für Umständen wäre es praktikabel? – Man könnte sagen: es mußte alles viel einfacher als bei uns sein. Ist es nicht seltsam || auffallend, daß ich nicht näher beschreiben kann, wie solche Leute sich benehmen müßten? – Hätte es Sinn bei Ihnen von ‘außen’ & ‘innen’ zu reden? – Die Sicherheit würde sich doch so ausdrücken, : wenn daß sich manchmal ein sicherer Schluß vom Äußern auf's Innere ziehen ließe. Und wäre dies ein Erfahrungssatz? – Wie aber ist es mit der ersten Person? Kann ich sagen: “Wenn ich mich so benehme, kann es nicht Verstellung sein”? Und soll das ein Erfahrungssatz sein? – Wie sähe der Fall aus, in dem ich mich zu verstellen glaube, aber nicht verstelle. Ich sage etwa später ich hätte nur so getan, als hätte ich fürchterliche Schmerzen gehabt, hätte aber nichts gespürt. Man findet aber Veränderungen in meinen Organen, die allerdings den Schmerz gerechtfertigt hätten, auch stimmen damit die späteren Symptome überein. Man könnte dann in gewissen Fällen sagen: “Wenn sich ein Mensch so
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benimmt, verstellt er sich nicht, auch wenn er's nachher ehrlich gestehen würde.

   
     Es ist merkwürdig, daß diese Betrachtung so langweilig ist. Es müßte, so fühle ich, möglich sein, sie durch eine klare Einsicht stark zu kürzen. Es wird in ihr viel zu viel auf Einzelheiten eingegangen. Eine andere Rechenmethode würde hier kurzen Prozeß machen. Es fehlt die allgemeine durchschlagende Methode (Cartesische Koordinaten).

   
     Wenn ich frage: “Könnte nicht ein Begriff, der vor den unsern so & so in der & der Art abweicht, einem ähnlichen || verwandten Zweck dienen?” – so müßte vielleicht gezeigt werden, daß die bedingte Veränderung viel größer wäre, als ich sie mir erwartet hatte, so daß vielleicht von einem verwandten Zweck kaum die Rede sein könnte.

   
     Eine wichtige Tatsache ist: ich kann Menschen mehr, oder weniger gut verstehen. (Unterschiede der Erziehung & Kultur.)

   
     Verstehe ich sie nicht, dann möchte ich sagen, || : ich wisse nicht, was in ihrem Innern vorgeht.

   
     Dieser Mensch lächelt freundlich; benimmt sich aber dann doch nicht, wie ich, oder die Leute meines Kreises, wenn wir so gelächelt hätten.

   
     Ein Mensch ist mir ‘rätselhaft’.

   
     Sage ich auch: ich weiß nicht, was dem Sperling, in der Katze, im Wolf
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vorsichgeht?

   
     Bach hat gesagt, er habe alles nur durch Fleiß geleistet. Aber ein solcher Fleiß setzt eben Demut & eine ungeheure Leidensfähigkeit, also Kraft, voraus. Und wer sich dann vollkommen ausdrücken kann, spricht eben zu uns die Sprache eines großen Menschen.

   
     “Was geht hinter seiner Stirne vor sich?” sagt man & meint es wörtlich & meint doch keinen physiologischen Prozeß, & glaubt auch wieder nicht, daß der psychologische hinter der Stirn vor sich geht.

   
     Die prinzipielle Unsicherheit: Ich weiß nicht was er denkt, wenn er es nicht ausdrückt. Aber stell Dir vor, er drücke es wohl aus, aber in einer Sprache die Du nicht verstehst. Er könnte es mit dem Finger einer Hand auf den Handrücken der andern klopfen, in Morsezeichen, oder ähnlichen. Dann ist es doch auch geheim. Und nicht ebenso sehr, als wäre es nie ausgedrückt worden? Die Sprache könnte ja auch von einer Art sein wie ich || er sie nie lernen || erlernen könnte, z.B. mit außerordentlich komplizierten Regeln. || mit einer außerordentlich komplizierten Regelmäßigkeit.

   
     Es kann Einer also seine lauten Gedanken vor mir verbergen, indem er eine mir fremde Sprache spricht. || indem er sie in einer mir fremden Sprache ausspricht. Wo ist hier der verborgene Seelenvorgang? || das verborgene Seelische?

   
     Ein Mensch denkt immer laut, hält aber alle seine Gedanken vor mir geheim indem er (immer) zu sich selbst in einer Sprache spricht, von der er weiß,
daß ich sie nicht verstehe. || ich verstehe sie nicht. Das ist doch auch ein Verstecken.

   
     Ich kann die Sprache wählen in welcher ich denke. Nicht aber als dächte ich, & wählte die Sprache, in die ich meine Gedanken übertragen will. || & wählte die Sprache, in welche ich meine sprachlosen || wortlosen Gedanken übertragen will.

   
     Es ist eher in der Psychologie alles anders, als es ausschaut, denn die Erklärungen, die sich uns ganz natürlich darbieten, sind alle falsch; sind Bilder, die uns sehr natürlich sind, deren Anwendung wir aber nicht überschauen || sehen, die zwar illustrieren, illuminieren, aber kein Rätsel entwirren. || aber nichts entwirren. (Bilder der Alchimisten.)

   
     Was ist aber nun das Wichtige daran, daß ich das & das zu mir sage? (auf meinen Handrücken klopfe?) Und warum sollte irgend ein anderer Vorgang wichtiger sein als dieser? es sei denn, wegen seiner Folgen. (Denn man sieht eben das Denken als einen seltsamen Vorgang an, als ein Sprechen, oder einen sprachähnlichen Vorgang, dessen Sinn nicht in ihm selbst beschlossen liegt, nicht in einer Technik & in deren Anwendung. (Der Gedanke, die Sprache des Gedankens eine Über-Sprache.) || der Satz einer Über-Sprache.) Als läge hier der Sinn der Worte nicht im Fluß der Anwendung || ihrer Verwendung, sondern die Denkhandlung, was immer sie ist, habe ihn ein für alle Mal in sich. (Und das heißt natürlich nur, daß die Bedeutung von “deuten” zwar mit der von “sprechen zusammenhängt aber die beiden kategorisch verschieden sind.)

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     Ich sage zu mir selbst “Er betrügt mich.” Dabei blicke ich finster, & sitze in brütender Haltung. || Ich sage es, finster vor mich hinbrütend. Nun, was ist daran? – Aber ich denke es. – || : die Die Worte stehen in einem bestimmten Zusammenhang von Erlebnissen & Handlungen. Ja wie könnte auch sonst das Wort “Er” eine Bedeutung || einen Träger haben! Und worin liegt es denn, daß er Dich betrügt? –
     Die Worte stehen in einem Fluß. Nur in einem Leben haben diese Worte || sie ihren Sinn.

   
     Ja; || : ich habe diese Worte nicht nur gesagt, sondern auch gedacht; aber das lag an der Stellung, die sie in meinem Leben hatten, in einem menschlichen Leben. Vor allem bin ich ja ein Mensch, der diese Sprache gelernt hat, in ihr aufgewachsen ist; mein Leben ist ja in bestimmter Weise mit ihr verschmolzen. Sie & mein Leben sind ja so miteinander || solchermaßen durchwirkt, daß meine Worte ebenso vielbedeutend sind wie || so viel nach sich ziehen (wie) irgendwelche andere meiner Handlungen. Worte & Handlungen verbinden & halten sich oft wie die Längs- & Querfäden eines Gewebes.

   
30.5.
     Ich weiß nicht, || : war das ein Stein, oder ein Fisch, den ich da gesehen habe & ich werde es nie erfahren. Aber ich weiß, was ich hätte tun müssen, um es herauszufinden. Aber wenn ich nicht weiß, was der Andre bei sich denkt, – was müßte ich für Schritte tun, um es zu erfahren? Denn, ihn beschwören, es nur zu sagen, müßte nicht helfen.
     Es gibt – wollte ich sagen – kein Mittel der Untersuchung. Denk an den Fall,
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in dem Du dem Andern mißtraust & alles dafür geben würdest zu erfahren, wie er's meint & was er denkt.

   
     Ich weiß nicht, was … denkt, was er sich sagt, wenn er allein ist. Könnte ich's belauschen, so würde es mir vieles an seinem Benehmen verständlich machen. Oder doch vielleicht. Ich würde mich dann über sein Benehmen nicht mehr wundern; wüßte, in welchen Art ich mit ihm zu reden hätte. Wissen was er zu sich sagt, könnte diesen Einfluß haben.

   
     Ein Mittel welches, wenn man's Einem eingibt, ihn seine Gedanken aussprechen macht. (In vino veritas.) || ihn seine Gedanken sprechen läßt. Er kann nur mehr laut denken. – Das könnte es doch geben. Könnte man noch sagen, sein Inneres sei mir verborgen.

   
     Es gibt verschiedene Arten des Verbergens.

   
     [Das Nachbild des Fensterkreuzes bei geschlossenen Augen neigt sich wenn ich den Kopf neige. Das ist, glaube ich, eine wichtige psychologische Tatsache, obwohl ich nicht klar sehe, was aus ihm folgt.]

   
      ∣ Ich glaube, daß die Erziehung der Menschen heute dahingeht, die Leidensfähigkeit zu verringern. Eine Schule gilt heute für gut, wenn || if the children have a good time. Und das war früher nicht der Maßstab. Und die Eltern
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möchten daß die Kinder werden, wie sie selbst sind (only more so) & doch lassen sie sie durch eine Erziehung gehen, die von der ihren ganz verschieden ist. – Auf die Leidensfähigkeit gibt man nichts, denn Leiden soll es nicht geben, sie sind eigentlich veraltet. ∣

   
      ∣ “Die Tücke des Objekts” – Ein unnötiger Anthropomorphismus. Man könnte von einer Tücke der Welt reden; sich leicht vorstellen, der Teufel habe die Welt geschaffen, oder einen Teil von ihr. Und es ist nicht nötig ein Eingreifen des Dämons von Fall zu Fall sich vorzustellen; es kann alles ‘den Naturgesetzen entsprechend’ vor sich gehen; es ist dann eben der ganze Plan von vornherein auf's Schlimme angelegt. Der Mensch aber befindet sich in dieser Welt in der die Dinge zerbrechen, rutschen, alles mögliche Unheil anstiften. Und er || sein Körper ist natürlich eins von den Dingen. – Die ‘Tücke’ des Objekts ist ein dummer Anthropomorphismus. Denn die Wahrheit ist viel ernster als diese Fiktion. ∣

   
     “Ich kann nie wissen, was der Andre empfindet.” – Unsinn; ich kann es wissen; so wie, daß ich ein Buch vor mir habe, daß es fallen wird wenn ich's auslasse, daß ich mich nicht in dieser Multiplikation verrechnet habe. – Nicht doch; Du kannst es glauben, davon überzeugt sein, aber Du kannst's nicht wissen. – Nun was kann ich denn wissen? Und Dein ‘kann’ muß doch || ja ein logisches sein. Du machst also einen Unterschied zwischen den Kategorien; & dagegen habe ich nichts. Nun ist hier kein Gradunterschied, wie es nämlich zuerst scheint.
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      ∣ Ein stilistischer Behelf könnte || mag praktisch sein, & mir doch verboten. Das Schopenhauer'sche “als wie” || “als welcher” z.B.. Es würde den Ausdruck manchmal bequemer, deutlicher, machen, kann aber nicht von dem gebraucht werden, der es als altväterisch empfindet; & er hat kein Recht sich über diese Empfindung hinwegzusetzen || darf sich nicht über diese Empfindung hinwegsetzen || hat nicht das Recht sich über diese Empfindung hinwegzusetzen. ∣

   
     Du kannst der Empfindung das Andern so sicher sein, wie irgend eines Faktums. (Welches ‘kann’ ist das?) Damit sind aber die Sätze “Er ist beglückt” & “2 × 2 = 4” nicht zu ähnlichen Instrumenten geworden. Zu sagen “Die Sicherheit ist eine andere” liegt nahe, macht aber nichts klarer. || , behebt aber die Unklarheit nicht.

   
     “Ich kann aber doch nicht wissen, daß er glücklich ist.” – Das heißt, einen Zweifel in sich hervorrufen. Ich sage mir: “Wie wär's, wenn er sich verstellte, & innerlich unglücklich wäre!” Dazu denke ich etwa an Fälle, in denen ich betrogen worden bin. || , in denen mich der Schein betrogen hat. Und muß es mir nun gelingen ernstlich an seiner Stimmung || seinem Gefühl zu zweifeln? Nein. Aber ich weiß, sozusagen, der Weg, auf dem so ein Zweifel zu erreichen wäre.

   
     “Aber schließt Du eben nicht einfach vor dem Zweifel die Augen, wenn Du sicher bist?” – Sie sind mir geschlossen.
     Es ist wohl wahr: der || jener Zweifel wird auf einem ganz andern Weg erreicht, als der an einem arithmetischen Satz. Vor allem
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ist da die völlige Gewißheit der Grenzfall eines nach Graden verschiedenen Glaubens. – Und es ist eben alles anders.

   
     “Ich kann aber doch nicht wissen, daß der Andre Schmerzen hat.” Die Schmerzen hat er, sie sind in ihm; ich sehe sie nicht. So kann ich also wissen, daß er stöhnt? Nicht nur, daß es mir so scheint? “Ich kann nicht wissen, daß er Schmerzen hat; es kann nur höchst wahrscheinlich sein.” Und wenn ich also im konkreten Fall den Andern in Schmerzen sich winden sehe, – sollte mir das || diese Überlegung den leisesten Zweifel geben?

   
     Sollte ich, mit einer Rechnung konfrontiert, sagen: “Nun so sicher ist es allerdings nicht”? Der Zweifel ist hier ein philosophischer, kein praktischer. Der Zweifel, wo er nicht besteht, liegt nur, sozusagen, näher.

   
     Und nun – möchte ich sagen – gibt es hier || da allerdings den Fall des hoffnungslosen Zweifels. – Wenn ich sage: “Ich habe keine Ahnung, was er wirklich denkt –”. Er ist mir ein verschlossenes Buch. (Welcher Fremde empfindet nicht so, wenn er nach England kommt?)
     Wenn das einzige Mittel, den Andern zu verstehen, wäre, die gleiche Erziehung wie er durchzumachen, – was unmöglich ist. Und hier ist keine Verstellung.
     Denk Dir aber Leute, deren Erziehung dahin geht den Ausdruck der Gemütsbewegung im Gesicht & den Gebärden zu unterdrücken, & diese Leute machen sich mir unzugänglich, indem sie eine mir nicht verständliche Sprache sprechen. || indem sie laut denken in einer mir unverständlichen Sprache.
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Nun sage ich “Ich habe keine Ahnung von dem, was in ihnen vorgeht”, & doch liegt es als äußere Tatsache vor.
   
31.5.
     Einer kann sich auch verstellen, indem er die volle Wahrheit spricht, von der er aber weiß, daß sie der Andre mißversteht.

   
1.6.
     Man sieht Gemütsbewegung.” – Im Gegensatz wozu? – Nun etwa so: Man sieht nicht die Gesichtsverziehungen & schließt nun, er fühle Freude, Trauer, Langeweile. Man beschreibt sein Gesicht unmittelbar als traurig, glücksstrahlend, gelangweilt, auch wenn man nicht im Stande ist sonst irgend eine Beschreibung seines Gesichts zu geben. – Die Trauer ist im Gesicht personifiziert, möchte man sagen.
     Dies ist dem, was wir ‘Gemütsbewegung’ nennen, wesentlich.

   
     Ich sage das Wort ‘sondern’ & frage “Wie hast Du's aufgefaßt?” Er: “Als Bindewort.” – Wie hat er's getan? Nun, es kam ihm vor, als hätte das Wort schon als er's hörte, diese Erklärung nötig gemacht. Als hätte es die Bedeutung in sich getragen, wie ein Spiegelbild, & er zöge sie nur noch an's Licht. Als eine Tiefe gespiegelt. Und braucht es nun noch eine Erklärung?

   
     Man kann dem, den ich bedeutungsblind nenne, wohl sagen || Der, den ich bedeutungsblind nenne, wird wohl den Auftrag verstehen: “Sag ihm er soll zur Bank gehen, & ich meine die Gartenbank”,
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aber nicht: “Sag das Wort Bank & meine Gartenbank damit”. Er wird auch nicht melden können: es sei ihm beinahe gelungen, das Wort sei aber in die falsche Bedeutung ausgerutscht. Es kommt ihm auch nicht vor als habe das Wort etwas in sich was förmlich wie eine Schreibweise (plane, plain) die Bedeutung fixiert; & auch nicht, daß die Schreibweise gleichsam ein Bild der Bedeutung ist || sei. – Man ist z.B. stark versucht, zu meinen, daß der andern Schreibweise doch ein geringer Unterschied der Aussprache entspricht, auch wo das gar || es gewiß nicht der Fall || so ist? Es ist hier der für viele andre als Beispiel dienende Fall, || : daß man sich die beiden Wörter (z.B. “für” & “führ”) vorspricht & sie wirklich etwas verschieden ausspricht, obwohl man es natürlich im Fluß der Rede, wenn man an nichts solches denkt nicht tut; schon darum weil man dann jedes der beiden Wörter bei verschiedenen Anlässen ungleich ausspricht. Ich kann …

   
     Verschiedene Menschen empfinden es sehr verschieden stark, wenn die Rechtschreibung eines Worts geändert wird.
     (Das Dehnungs-h.) Und die Empfindung ist nicht nur Pietät für einen alten Gebrauch.
     Wem die Orthographie nur eine praktische Frage ist, dem geht ein Gefühl ab, ähnlich wie das, welches dem ‘Bedeutungsblinden’ mangeln würde.

   
     Wie konnte er das Wort in der Bedeutung hören? Wie war es möglich?? – Gar nicht – in diesen Dimensionen.

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     Aber ist es also nicht wahr, daß das Wort für mich jetzt das bedeutet? Warum nicht? Es kommt ja dieser Sinn mit der übrigen Verwendung des Wortes nicht in Konflikt. Es sagt Einer: “Gib ihm den Befehl … & meine damit …?” Was kann das heißen?

   
Mein Blick fiel auf das Wort “Mach” am Anfang eines Satzes. Ich hielt es für den Namen des Physikers. – Wie? – Es gibt kein Wie. Es ist, wie ich's sage. – Aber was sagt mir, was Du sagst?

   
     [Zu dem Frühern] Aber warum gebrauchst Du für Dein Erlebnis [meinen] gerade diesen Ausdruck? einen schlecht sitzenden Anzug? – Das ist der Ausdruck des Erlebnisses, wie “e ist gelb” & “Ich wußte im Traume, daß … ” Ausdrücke anderer Erlebnisse. Ein schlecht sitzender Anzug ist es nur, wenn Du ihn falsch auffaßt.
     Dieser Ausdruck gehört zum Erlebnisse ebenso, wie die natürliche || primitive Schmerzäußerung zum Schmerz.

   
     W. James: der Gedanke sei schon am Anfang des Satzes fertig. Wie kann man das wissen? – Aber die Absicht ihn auszusprechen kann schon bestehen, ehe das erste Wort gesagt ist. Denn fragt man Einen “Weißt Du was Du sagen willst”, so wird er es oft bejahen.
     Ich habe die Absicht dieses Thema zu pfeifen, || ; habe ich es damit in irgend einem Sinne, etwa in Gedanken, schon gepfiffen?

   
     Wer die Frage bejaht “Weißt Du schon, was Du sagen willst?”, dem wird vielleicht irgendetwas vorschweben; aber wäre dies auch
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etwas objektiv Hörbares oder Sichtbares, so könnte man doch meistens das Beabsichtigte nicht mit Sicherheit daraus entnehmen. (Aufzeigen.)

   
     Nicht Jeder, der eine Absicht hat, hat darum einen Plan gemacht.

   
     Welche Formen geistiger Defekte wirklich existieren interessiert || kümmert uns nicht; aber wohl die Möglichkeiten solcher Formen. Nicht ob es Menschen gibt, die nicht des Gedankens “Ich wollte damals … ” fähig sind, wohl aber: wie dieser Begriff sich durchführen läßt.

   
     Wie ließe sich diese Annahme konsequent durchführen? Was würden wir eine konsequente Durchführung nennen? – Wenn Du annimmst, daß Einer das nicht kann, wie ist es dann mit dem? Kann er es auch nicht? Wohin führt uns dieser Begriff?

   
     Absicht & Gedanke. Ich kann einem Andern, oder auch mir selbst, etwas versprechen, & das ist doch eine wichtige Handlung. Und es ist doch auch nicht dasselbe, ob ich's gedankenlos tue, oder mein Versprechen zur Zeit wirklich meine. Man sagt auch, man erkenne an der Miene & am Ton, ob es so ist.
     Rede ich nun vom Meinen als einem innern Vorgang: was ist die Wichtigkeit dieses Vorgangs? Sie kann doch nur in seinen Folgen liegen, & hätten äußere Vorgänge die gleichen Folgen, so hätten sie auch die gleiche Wichtigkeit. – “Als ich sein Gesicht ansah, wußte ich, daß er im Ernst war.” Ich schließe also aus
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seinem Gesichtsausdruck, daß ich mich auf sein Wort verlassen kann.

   
     Und erkennt er aus dem, was er fühlt, daß er sich auf sein eigenes Wort werde || wird verlassen können? – Denke, er gäbe sich ein ernst gemeintes Versprechen immer schriftlich. Das könnte ihn dazu bringen daß er's hält, während er die Erfahrung gemacht hat, daß er ein bloß mündliches Versprechen, wenn's zum Halten kommt, leicht nimmt. So könnte auch ein bestimmtes Erlebnis beim Versprechen wirken.

   
     “Du mußt es Dir ernstlich versprechen, dann wirst Du's auch tun.” Zum ernstlichen Versprechen gehört z.B. daß man über die Sache nachdenkt, es gehört eine bestimmte Vorbereitung dazu. Am Schluß erfolgt dann vielleicht wirklich ein förmliches Versprechen, vielleicht auch mit lauter Stimme, aber das ist nur ein Stein dieses Gebäudes. (Gelübde.)

   
     Das Gelübde könnte man eine Zeremonie nennen. (Taufe, auch wenn sie kein christliches Sakrament ist.) Und eine Zeremonie hat eine eigene Wichtigkeit.

   
     “Ich hatte die Absicht … ” drückt nicht die Erinnerung an ein Erlebnis aus. (Sowenig wie: “Ich war im Begriffe …”)

   
     “Welcher seltsame & furchtbare Klang || Laut. Ich werde ihn nie vergessen.”
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     Und warum sollte man das nicht vom Erinnern sagen können (“welche seltsame … Erfahrung … ”), wenn man zum ersten Mal in die Vergangenheit gesehen hat? –

   
     Die Umstände können so sein, daß ich weiß, was in ihm vorgeht, ich meine: daß er mir nicht rätselhaft ist, – oder so, daß er mir ein Rätsel ist.

   
2.6.
     Der Andre kann doch etwas im Kopf rechnen, während ich nicht weiß, was er rechnet || & ich weiß nicht, was er rechnet; so geht also in dieser Zeit etwas in ihm vor aber nicht notwendigerweise irgend etwas körperliches, & es ist unmöglich zu wissen, was; es sei denn, er sage es.

   
     Wenn er mir's aber auch unmittelbar darauf sagt, kann er sich nicht irren? Wie erkennt er überhaupt, was vorgegangen ist, als die & die Multiplikation, z.B.? (Er erkennt es nicht.)

   
     Könnte er sich nicht nur einbilden, dies gerechnet zu haben? (Damit soll nicht im Widerspruch sein, daß er jetzt das Resultat der Rechnung weiß. Und gibt es hier keinen Irrtum, dann nicht darum, weil Gewißheit besteht.

   
     Es sagt mir einer er habe gerade im Kopf gerechnet wieviel … × … sei. Es gibt ein offenbar falsches Resultat, & auf die Frage wie er es erhalten habe, sagt er die Rechnung her; sie ist völliger Unsinn, wie er auch jetzt einsieht, kam ihm aber damals, so sagt er mir, ganz richtig vor. (Im Traum geschieht ähnliches.) Kann das nicht vorkommen?
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Seine Kopfrechnung, will ich sagen muß sich doch erst bewähren.

   
     ‘Er versteckt etwas vor mir, kann es so verstecken, daß auch nicht einmal denkbar ist, es gewahr zu werden.’ || ein Finden mehr als bloß physisch unmöglich ist, daß man's gewahr wird.’ Das möchte ich nicht zugeben? – Aber wie, wenn er, ohne es zu wissen, Zeichen gäbe, die ihn verrieten? – Aber auch, wenn auch ich || ich auch, aus seinen Kehlkopfbewegungen z.B., eine Rechnung abläse, so könnte doch nur er (darüber) entscheiden, ob er wirklich dies gerechnet hat. – Könnte ich aber nicht darauf bestehen, er habe vergessen, was er gerechnet hat, || : seine || jedenfalls seine || einmal seine … Aussage (ohne zu behaupten er lüge || sie als Lüge zu erklären) nicht gelten lassen? Das hieße, || heißt also: sie für wertlos erklären, oder ihr Wert nur als ein Phänomen zuzugestehn woraus etwa Schlüsse auf seinen sonstigen || übrigen Zustand gezogen werden können.       Und ferner || weiter: was ist denn versteckt? Ist es nicht als hätte er eine Schrift versteckt, oder vielmehr etwas, was aussieht wie eine Schrift; ihre Bedeutung läge aber nur in der Deutung, die er ihr dann geben wird? || ihre Bedeutung läge aber nur in dem hat, was er aus ihr heraus, oder in sie hinein liest? || ‘Er versteckt etwas vor mir, kann es so verstecken, daß ich's nicht nur nie finden werde, sondern ein Finden undenkbar ist.” || , daß ich's finde, gar nicht denkbar ist.” Das wäre Metaphysik. || ein metaphysisches Verstecken. – Aber wie, wenn er ohne es zu wissen Zeichen gäbe, die ihn verrieten? Das wäre doch möglich. – Aber ob ihn jene Zeichen wirklich verraten haben, – kann nicht nur er das entscheiden? – Aber könnte ich nicht darauf bestehen, er habe vergessen, was in ihm vorgegangen ist seine Aussage nicht gelten lassen? (ohne sie für eine Lüge zu halten || erklären.) Das heißt also: sie für wertlos
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erklären; oder ihr Wert nur als ein Phänomen zuzugestehen, woraus etwa Schlüsse auf seinen Zustand gezogen werden können. || zu ziehen sind.


   
     Wenn etwas versteckt ist, ist es nicht als wäre eine Schrift versteckt, oder vielmehr etwas einer Schrift ähnliches || , was wie eine Schrift aussieht; dessen Bedeutung nur in dem liegt, was er dann aus ihr heraus, oder hinein liest? || oder vielmehr etwas, was einer Schrift ähnlich sieht; dessen Bedeutung nur in dem || darin liegt, was er einmal herausliest oder hineinliest? || einmal herauslesen, oder hineinlesen, wird?

   
     Er kann mich natürlich irreführen, zu falschen Schlüssen bringen. Aber daraus folgt es nicht, daß er etwas versteckt hat, obgleich sich seine Handlungsweise mit einem Verstecken vergleichen läßt.

   
     Könnte man davon reden, daß Einer etwas in seinem Nervensystem versteckt: die Fähigkeit die Lösung einer Rechnung anzugeben (z.B.)?

   
     “Warum sollte … ” & “Warum soll nicht … ” sind philosophische Gedankenbewegungen.

   
3.6.
     Bin ich etwa nicht mit Recht überzeugt, daß er sich gegen mich nicht verstellt? – Und kann ich also einen Andern nicht von meinem Recht überzeugen?

   
     Erzähle ich ihm, wie sich mein Freund benommen hat, im Großen & Kleinen; wird er vernünftigerweise an der Echtheit der Gefühle meines Freundes zweifeln?

   
     Zweifelt Einer an der Echtheit der Gefühle Lears?
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     Ist es Gedankenlosigkeit, nicht doch die Möglichkeit der Verstellung im Auge zu behalten?

   
4.6.
     Erinnern: ein Sehen in die Vergangenheit. Träumen könnte man so nennen, wenn es uns Vergangenes vorführt. Nicht aber Erinnern; denn auch wenn es uns Szenen halluzinatorisch vorführte || mit halluzinatorischer Klarheit zeigte so lehrt es uns doch || nun erst, daß dies das Vergangene sei.

   
     Aber wenn uns nun das Gedächtnis die Vergangenheit zeigt, wie zeigt es uns, daß es die Vergangenheit ist?
     Es zeigt uns eben nicht die Vergangenheit. So wenig, wie unsre Sinne die Gegenwart.

   
     Man kann auch nicht sagen, sie teile uns die Vergangenheit mit. Denn selbst, wäre das Gedächtnis eine hörbare Stimme die zu uns spräche, – wie könnten wir sie verstehn? Sagt sie uns z.B. “Gestern war schönes Wetter”, wie kann ich lernen, was “gestern” bedeutet?

   
     Wie lernen wir denn, was “gestern” bedeutet? (Stufenweise?) Den besondern Laut “Gestern” hätten wir ja durch Zufall aussprechen || ausstoßen || formen können während wir die Erinnerung an ein gestriges Erlebnis laut werden ließen. – Angenommen es ginge so vor sich, daß Erwachsene in der Gegenwart des Kindes von einem Ereignis des gestrigen Tages reden, das Wort “gestern” gebrauchen, & das Kind versteht sie; es kann sich etwa in ihr Gespräch mischen. So etwa muß es ja geschehen, wenn auch nicht so schnell & einfach. (Aber
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das heißt natürlich nicht, daß ein Nachdenken oder Raten, oder irgend eine Erklärung den || den Menschen zum Verständnis des Wortes bringt. Eben nicht eine Geste || Gebärde.) Kann ich nun annehmen, daß das Kind eines Tages (ohne stufenweise Instruktion) das Wort, das es vom Erwachsenen hört, nun richtig gebrauchen kann, so könnte es ja auch geschehen, daß dies Wort ihm sozusagen ein Naturlaut wäre, wenn es zum ersten Mal stammelnd eine Erinnerung zum Ausdruck brächte.

   
     Es ist eine menschliche Reaktion, || : wenn man etwa die Worte “Die Tante kommt” zu gebrauchen gelernt hat, diese Worte dann für das vergangene Ereignis zu brauchen. Die Mutter sagt dem Kind vor “Gestern war sie da” mit übertriebenen Tonfall. Das Kind spricht es nach. – Aber nun muß es diese Worte einmal spontan gebrauchen (ich sagte nicht “verstehen”). Es muß einmal erzählen, & wie es dazu gekommen ist, ist eigentlich gleichgültig. Was konnte denn der Erwachsene ihn || es lehren? – doch nicht, was Vergangenheit ist, erklären? Man könnte sagen, obwohl das auch irreführend wäre: das Kind mußte einen Sprung machen & beim Sprung konnte man ihm nicht helfen, sondern ihm nur die nötige Vorbereitung geben.

   
      ∣ Religiöser Glaube & Aberglaube sind ganz verschieden. Der eine entspringt aus Furcht & ist eine Art falsche Wissenschaft. Der andre ist ein Vertrauen. ∣

   
     Ich führe mir selbst nur so etwas vor, wie ich es auch dem Andern vorführe.
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     Ich kann den Andern mein gutes Gedächtnis vorführen, & auch mir selbst vorführen. Ich kann mich selbst ausfragen. (Vokabeln, Daten.)

   
     Aber wie führe ich mir das Erinnern vor? Nun ich frage mich “Wie verbrachte ich den heutigen Morgen?” & antworte mir darauf. – Aber was habe ich mir nun eigentlich vorgeführt? War es das Erinnern, || ? wie das ist: sich an etwas erinnern?
     Hätte ich denn damit einem Andern das Erinnern vorgeführt.

   
     “Sich etwas vornehmen ist ein besonderer innerer Vorgang.” – Aber was für ein Vorgang – auch wenn Du ihn erdichten könntest || dürftest – könnte denn das leisten, was wir vom Vorsatz verlangen || fordern?

   
     “Als ich das Schachbrett holte, hatte ich natürlich die Absicht, Schach zu spielen. Warum soll, was ich bei so einer Gelegenheit sage, wichtiger sein als was ich tue?

   
     Immer wieder stößt man beim Philosophieren an ein (neues) Vorurteil, das uns eingefangen hat.

   
     Ich nehme die Milchkanne, sage “Hm, Milch” & mache mich auf den Weg sie zu holen. Hier war eine Absicht. Aber drücken jene Worte einen Gedanken aus? D.h. soll ich hier von einem Gedanken reden?

   
      ∣ (Es wäre beinahe seltsam, wenn es nicht Tiere mit dem Seelenleben von Pflanzen gäbe. D.h. mit dem mangelnden Seelenleben.) ∣
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     “Doch! Du hattest den Gedanken, Du solltest Milch holen.” – Und warum soll man das sagen; was spricht dafür? Ich sagte diese Worte, tat das & das; mehr kann ich nicht berichten. Und warum soll ich etwas zu dem Bericht hinzudichten. – Freilich, ich könnte Einem über den Vorgang berichten, & sagen “Ich dachte, ich muß Milch holen, & ging ....”, aber dabei berichte ich (nun) nicht über einen innern Vorgang, der die Worte “Hm, Milch” begleitet hat.

   
     Man könnte glauben, ich löse 3 Probleme nur zum Schein: durch Rhetorik. Und doch ist meine Lösung eine wirkliche Lösung. Ich berede eben zu einer Auffassung.

   
      ∣ Als ein Grundgesetz der Naturgeschichte könnte man es, glaube ich, betrachten, daß, wo immer etwas in der Natur ‘eine Funktion hat’, ‘einen Zweck erfüllt’, dieses selbe auch vorkommt, wo es keinen erfüllt, ja ‘unzweckdienlich’ ist.
     Erhalten die Träume manchmal den Schlaf, so kannst Du darauf rechnen, daß sie ihn manchmal stören werden; erfüllt die Traumhalluzination manchmal einen plausiblen Zweck (der vorgespiegelten eingebildeten Wunscherfüllung), so rechne darauf, daß sie auch das Gegenteil tut. Eine ‘dynamische Theorie der Träume’ gibt es nicht. ∣

   
5.6.
     Denk Dir Menschen, die nur dann Mitgefühl mit dem Andern zeigen, wenn sie ihn || den Andern bluten sehen; sonst lachen sie über seine Schmerzäußerungen. So ist es bei
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ihnen. Manche nun beschmieren sich mit Tierblut um bemitleidet zu werden. Kommt man ihnen drauf, so werden sie schwer gestraft. || getötet.

   
     Die Frage “könnte er aber nicht dennoch Schmerzen haben?” kennen || stellen sie nicht.

   
     Diese Leute dürfen gewisse Skrupel nicht haben.
   
11.6.
Fühle mich ziemlich elend; dumm, ohne Ideen und als wäre ich an einem toten Punkt angelangt. Dabei geht mein Elend auf die dämonische Seite ein. –4

   
14.6.
     ‘Was weiß ich, was in ihm vorgeht? aber ich traue ihm nicht.’
     ‘Was geht mich an, was in ihm vorgeht? – ich traue ihm nicht.’

   
     Kümmere ich mich um sein Inneres, wenn ich ihm traue? Wenn ich's nicht tue, sag ich “ich weiß nicht, was in ihm vorgeht”; vertraue ich ihm aber, so nicht: ich wisse, was in ihm vorgeht.

   
     Mißtraue ich ihm nicht, so kümmere ich mich nicht um das, was in ihm vorgeht. (Worte & ihre Bedeutung. Die Bedeutung der Worte, was || das, was hinter ihnen steht, bekümmert
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mich im normalen sprachlichen Verkehr nicht. Sie fließen dahin & es werden die Übergänge gemacht von Worten zu Handlungen & von Handlungen zu Worten.) Niemand denkt daran ob er gedankenvoll, oder ‘papageienhaft’ rechnet, wenn er rechnet. (Frege.))

   
     Frege: Ein mathematischer Satz ist || sei nicht zu vergleichen einer Konstellation von Schachfiguren, denn er drücke einen Gedanken aus, & sie nicht. – Aber freilich ist gerade das so irreführend, zu sagen, der mathem. Satz drücke einen Gedanken aus. Und der Vergleich mit dem Schach hat das Gute, daß er den ‘Gedanken’ eliminiert. || , daß er den Begriff ‘Gedanken’ || die Idee des Gedankens aus der Betrachtung entfernt. Der Begriff ‘Gedanke’ ist in der philosophischen Untersuchung der Mathematik ein unnötiger Ballast; der Vergleich mit dem Schach ist aber auch schädlich.

   
     Es mag Menschen geben, die viel mit sich selbst sprechen, ehe, & während sie handeln, & solche, die nur sehr wenig zu sich selbst sagen, die gleichsam, auch mit sich selbst, sehr schweigsam sind. Wenn man sie || ihn fragt, “was hast Du gedacht, als Du das tatest?” || wie Du das getan hast¤ sagen sie || gesteht er vielleicht ganz ehrlich “Gar nichts”, obgleich ihre || seine Handlung uns wohldurchdacht || wohlüberlegt, ja listig scheint. Ich sage, ich wisse nicht, was in ihm vorgeht, & es geht, in einem wichtigen Sinne, nichts in ihm vor. Ich kenne mich bei ihm nicht aus: Ich mache z.B. leicht falsche Vermutungen & werde von Zeit zu Zeit hart in meinen Erwartungen getäuscht.
     Ich könnte mir von einem
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solchen || von diesem
Menschen ein Bild machen, indem ich annähme || mir vorstelle, er führe Selbstgespräche, die, wenn man sie hören könnte, alle seine Gesinnungen zum Ausdruck brächten. || indem ich mir vorstellte, er spreche zu allen seinen Handlungen Monologe, die , wenn man sie hören könnte, || seine Gesinnung zum Ausdruck brächten. Die Monologe wären eine Konstruktion, eine Hypothese || Arbeitshypothese, mittels deren ich mir seine Handlungen verständlich machen könnte || zu machen versuche. Muß ich nun annehmen, daß in ihm außer jenen Monologen noch ein Denken vor sich geht? Sind die Monologe nicht ganz genug? Können sie nicht alles leisten, was das Innenleben leisten soll?

   
15.6.
     Man kann sich leicht Ereignisse vorstellen & in allen Einzelheiten beschreiben || ausmalen, die, wenn wir sie eintreten sähen uns an allen Urteilen irrewerden ließen. Sähe ich vor meinen Fenstern statt der altgewohnten eine ganz neue Umgebung, benähmen sich Gegenstände || die Dinge darin, wie sie sich nie benommen haben, so würde ich etwa die Worte äußern “Ich bin wahnsinnig geworden, aber das wäre nur ein Ausdruck dafür, daß ich es aufgebe mich auszukennen. Und das gleiche könnte mir auch in der Mathematik zustoßen. Es könnte mir z.B. scheinen, als machte ich immer wieder Rechenfehler, so daß keine Lösung mir verläßlich erschiene.
     Das Wichtige aber für mich daran ist, daß es zwischen einem solchen Zustand & dem normalen keine scharfe || klare Grenze gibt.

   
     Worin liegt die Wichtigkeit des genauen Ausmalens von Anomalien? Kann man es
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nicht, so zeigt das || es, daß man sich in den Begriffen nicht auskennt.

   
     Die kumulative Evidenz, die Rolle der Erfahrung. Der Erfahrene kann nicht seine Erfahrungen aufzählen.

   
     Der Ausdruck “dies Benehmen macht Verstellung (oder Schmerzen, etc.) höchst || sehr unwahrscheinlich” ist berechtigt & doch wieder irreführend.

   
17.6.
     ‘Die Evidenz, die mir Vertrauen gibt, ist kumulativ.’ D.h. sie hängt sich unvermerkt an & ich kann sie nicht registrieren. Auf die Frage “Wann traust Du ihm”, kommt die Antwort “ich habe ihn erprobt” & dergl.

   
     Wer sagt “Dies Benehmen macht den Schmerz (oder die Verstellung) wahrscheinlich”, muß doch annehmen, daß es sich herausstellen kann, || : Einer habe Schmerz, (oder verstelle sich). Er muß sagen können “Siehst Du, er hat sich also wirklich verstellt”.

   
     Es gibt wohl dies: sich Menschenkenntnis anzueignen || zu erwerben; man kann einem auch dabei helfen, also quasi einen Unterricht erteilen, aber man deutet || lenkt dabei nur die Aufmerksamkeit auf Fälle, weist auf gewisse Züge hin, gibt nicht feste Regeln.

   
     Ich kann vielleicht sagen “Laß mich mit diesem Menschen reden, die & die Zeit mit ihm verbringen, & ich werde wissen, ob ihm zu trauen ist” & später: “Ich habe den Eindruck …”. Aber hier handelt sich's um eine Prognose. Die Zukunft mag lehren, ob mein Eindruck richtig
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war. Menschenkenntnis kann uns davon überzeugen, daß dieser Mensch wirklich fühlt, was er zu fühlen vorgibt; aber überzeugt sie uns davon daß andre etwas fühlen?

   
21.6.
     Es gibt den Fall, in welchem wir keiner Evidenz glauben können, dieser Mensch habe sich verstellt; wo wir etwa von einem Wahnsinn sprechen würden, aber nicht von einer Verstellung. So schaut eben – würden wir sagen – Verstellung nicht aus.

   
     “So kann man sich nicht verstellen.” – Und das kann eine Erfahrung sein, – daß nämlich niemand, der sich so benimmt, sich später so & so benehmen werde; aber auch eine begriffliche Feststellung; & die beiden können zusammenhängen.

   
     Denn man hätte nicht gesagt, die Planeten müßten || müssen sich in Kreisen bewegen, wenn es nicht || nie geschienen hätte, daß sie sich in Kreisen bewegen.

   
     Es könnte ein Benehmen der Menschen, der unzweifelhafte Ausdruck der Empfindung sein als; ein anderes der unzweifelhafte Ausdruck der Verstellung; & dazwischen lägen ein zweifelhaftes || bestreitbares || unsicheres Gebiet. Und ich meine: – daß die Menschen dazu erfolgen würden, sich diesen || dem einen Ausdruck gegenüber so, jenem || dem andern gegenüber anders zu verhalten, & im Zwischengebiet unsicher zu sein.

   
     Ich kann beim || im Unterricht auf einen zeigen & sagen “Siehst Du, der verstellt sich
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nicht.” Und der Schüler kann daraus lernen. Aber wenn er nicht fragte “Woraus erkennt man es eigentlich?” || “Woraus wird es eigentlich erkannt?”, so wüßte ich nichts anderes zu antworten, als etwa: “Schau, wie er da liegt, schau auf seine Züge” & dergleichen.

   
     Könnte das nun bei andern Menschen || Wesen anders sein? – Wenn sie z.B. alle dieselbe Gestalt & Gesichtszüge hätten, wäre (schon) vieles anders.

   
     “So schaut Verstellung aus “(ich meine den ganzen Fall) – “so nicht.”

   
     Und Verstellung ist natürlich nur ein besonderer Fall davon, daß Einer eine Schmerzäußerung von sich gibt & nicht Schmerzen hat. Wenn dies überhaupt möglich ist, warum sollte denn dabei immer Verstellung statt haben, dieser sehr spezielle psychologische Vorgang. [& mit einen psychologischen meine ich nicht “einen innern”.]

   
     Ja, es könnte ein Fall eintreten, in welchem wir sagen würden “Er glaubt sich zu verstellen”.
     (Pilgrim's Progress. Er glaubt die Flüche zu äußern, die der Böse äußert.)

   
     Das menschliche Benehmen unberechenbar: ist es nicht das der Kugel im Corinthian Bagatelle auch?

   
     Die zureichende Evidenz geht ohne eine Grenze in die unzureichende über. Eine natürliche Grundlage dieser Begriffsbildung || dieses besondern Begriffs ist || wäre das komplizierte Wesen & die Mannigfaltigkeit der
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Fälle. || der menschlichen Fälle.

     So müßte also bei einer geringeren Mannigfaltigkeit ein scharf begrenzter Begriff || eine scharf begrenzte Begriffsbedeutung natürlich erscheinen.
     Warum aber scheint es so schwer, sich einen || den vereinfachten Fall vorzustellen?
     Ist es so, als wollte man sich einen Gesichtsausdruck vorstellen, der nicht allmählicher stätiger || zarter || leiser || zarter Veränderungen fähig wäre, sondern, sagen wir, nur fünf gesprochene Stellungen hätte; || bei einer Veränderung ginge die eine ruckweise || mit einem Ruck in die andere über. Wäre nun dies starre Lächeln wirklich ein Lächeln? Und warum nicht? – Ich könnte mich vielleicht nicht so dazu verhalten, wie zu einem Lächeln. Es würde mich etwa || vielleicht nicht selber zum Lächeln bringen.

   
22.6.
     Ein vollkommen starrer Gesichtsausdruck könnte kein freundlicher sein. Zum freundlichen Ausdruck gehört die Veränderlichkeit & die Unregelmäßigkeit gehört zur Physiognomie.

   
     Die Wichtigkeit für uns der feinen Abschattungen des Benehmens.

   
     Zu meinem Begriff gehört hier mein Verhältnis zur Erscheinung.

   
     “Ich weiß nicht, wie ich das nennen würde. Aber es wäre nicht, was ich … nenne.” Und warum nicht? kann man fragen. – Es würde die Rolle im unserm Leben nicht spielen, die … spielt.

   
     Kann ich wissen, ob ein Hund Schmerzen hat, wenn er geschlagen wird & schreit?
     Soll ich sagen: “Ja, ich kann natürlich nicht sein Inneres (d.h. die Seele) sehen,
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sondern sehe nur äußere Zeichen”?

   
     Denk Dir dies Argument: Schmerzen haben doch einen Grad. Nun wird aber niemand behaupten, daß ich wisse jeden genauen Grad der Schmerzen des Andern; also mögen || könnten sie auch den Grad 0 haben.
     Aber kennt denn er den ‘genauen Grad’ seiner Schmerzen? Und was heißt es: ihn kennen.

   
     Nun, weiß er denn nicht, wie stark seine Schmerzen sind?” Er hat darüber keinen Zweifel.

   
     Aber ich weiß doch z.B. nicht, daß sein Schmerz jetzt ein klein wenig abgenommen habe. – Doch, ich weiß es, wenn er mir's sagt. Was er sagt ist ja auch eine Äußerung.

   
     Die Unsicherheit hat ihren Grund nicht darin, daß er seine Schmerzen nicht außen am Rock trägt. Und es ist auch gar keine Unsicherheit im besondern Fall.
     Wenn die Grenze zwischen zwei Ländern streitig wäre, würde daraus folgen, daß die Landesangehörigkeit jedes einzelnen Bewohners fraglich || unsicher wäre¤. || , wäre es darum (auch) die Landeszugehörigkeit jedes einzelnen Bewohners?

   
     ‘Sandhaufen’ ist ein unscharf begrenzter Begriff ‒ ‒ ‒ aber warum verwendet man statt seiner nicht einen scharf begrenzten? Liegt der Grund in der Natur der Haufen? Wessen Natur || Welches Phänomens Natur bestimmt unsern Begriff?

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     “Ein Hund ist einem Menschen ähnlicher als ihm ein Wesen von menschlicher Gestalt wäre, das sich ‘mechanisch’ benähme.” Nach einfachen Regeln benähme?

   
     ‘Lügen’ braucht doch einen bestimmten Hintergrund. – Jemand, der nur in einer Sache, immer mit dem gleichen verschmitzten Gesicht eine wissentliche Unwahrheit sagte, – würde der lügen?

   
     Die Starrheit an & für sich wäre schon so abnorm, daß man nicht mehr in normaler Weise auf das Benehmen reagieren könnte. || , daß man sich nicht mehr in normaler Weise zu dem Benehmen verhalten könnte.

   
     Wir beurteilen eine Handlung nach dem || ihrem Hintergrund im menschlichen Leben, & dieser Hintergrund ist nicht einfarbig, sondern wir könnten ihn uns als ein sehr kompliziertes filigranes Ornament || Muster vorstellen, das wir zwar nicht nachzeichnen könnten, aber nach einem allgemeinen Eindruck wiedererkennen.

   
     Der Hintergrund ist das Getriebe des Lebens. Und unser Begriff bezeichnet etwas in diesem Getriebe., oder mit || auf ihm als Hintergrund.

   
     Und schon der Begriff “Getriebe” bedingt die Unbestimmtheit. Denn nur durch ständige Wiederholung ergibt sich ein || das Getriebe. Und für ‘ständige Wiederholung’ gibt es keinen scharfen || bestimmten Anfang.

   


Die Variabilität selbst ist ein Charakter || Zug des Benehmens, der ihm nicht fehlen kann, ohne es für uns zu etwas ganz
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andrem zu machen. (Die (besondern) charakteristischen Gesichtszüge der Trauer (z.B.) sind nicht bedeutsamer als ihre Beweglichkeit.) || sind für unsre Reaktion nicht wichtiger, als ihre Beweglichkeit.)
   
24.6.
     [Wieviel ist an meiner Arbeit Eitelkeit & wieviel Langeweile? Ich möchte es nicht schätzen? || .]
   
25.6.
     [Ich bin zu weich, zu schwach, & darum zu faul, um Bedeutendes zu leisten. Der Fleiß der Großen ist, unter andrem, ein Zeichen ihrer Kraft, abgesehen auch von ihrem inneren Reichtum.]

   
     Es ist dort unnatürlich eine Begriffsgrenze zu ziehen, wo für sie nicht eigens eine besondere Rechtfertigung besteht, wo Ähnlichkeiten uns über die willkürlich gezogene Linie immer hinüberzögen.

   
     Der Hintergrund des Lebens ist gleichsam pointiliert.

   
     Wie könnte man die menschliche Handlungsweise beschreiben? Doch nur, indem man die Handlungen der verschiedenen Menschen, wie sie durcheinanderwimmeln, zeigte. Nicht was Einer jetzt tut, sondern das ganze Gewimmel ist der Hintergrund, worauf wir eine Handlung sehen, & bestimmt unser Urteil, unsre Begriffe & Reaktionen.

   
     Wie sollst Du auf die Frage antworten: Erkläre, || Wie könntest Du erklären was es heißt ‘Schmerzen heucheln’, ‘sich stellen, als habe man Schmerzen’.? Wie könntest Du's erklären? (Natürlich fragt es sich: Wem?) Sollst Du's vormachen? Und warum ließe sich so eine Demonstration so leicht
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mißverstehen? Man möchte sagen: “Leb einige Zeit unter uns & Du wirst es verstehen lernen.”

   
     Wie könntest Du jemandem den Begriff der Verstellung erklären, & wem könntest Du ihn erklären? Und wie würde sich's zeigen, daß er verstanden hat?

   
     Man könnte ihn doch einfach lehren den Schmerz (z.B.) zu mimen (nicht in der Absicht zu betrügen). Aber wäre es Jedem beizubringen? Ich meine: Er könnte ja wohl erlernen, gewisse rohe Schmerzzeichen von sich zu geben, ohne aber je aus eigenem, aus seiner eigenen Einsicht eine feinere Nachahmung zu geben. (Man könnte vielleicht sogar einen gescheiten Hund eine Art Schmerzgeheul lehren; aber es käme doch nie seinerseits zu einer bewußten Nachahmung.)

   
     Soll ich nun annehmen, daß jene Menschen mit schärfer begrenzten Begriffen kompliziertere Motive des Schmerzäußerns nicht haben, oder daß sie von solchen Motiven keine Notiz nehmen? Soll ich, z.B. sagen: Sie bemitleiden & betreuen einfach || den der unter den & den || so gearteten Umständen schreit oder stöhnt || klagt, & den Andern nicht. Und so lernen sie's von klein auf. Es gibt dann auch Worte für diese Situationen, aber sie entsprechen nicht genau || nur ungenau denen || unsern für echtes & geheucheltes Empfinden.
     Soll ich nun sagen: “Dies ist eben nur bei sehr einfach empfindenden Menschen möglich”? Wie zeigt sich das einfache Empfinden?
     Oder: “Diese Leute sehen (noch) nicht
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ein, daß man unter diesen Umständen noch den Schmerz heucheln, oder wirklichen Schmerz empfinden kann.”?
     Müßte man diese Leute, um sie unsre Art zu lehren, einfach auf etwas aufmerksam machen, woran sie noch nicht gedacht haben, und wie würde man das tun?
     Sie nehmen eben von unsrer Unterscheidung hier keine Notiz. Wer bemitleidet werden will, wird bei ihnen bemitleidet; außer in den & den bestimmten Fällen. (Ähnlich der Zahlung nach uns fremden Prinzipien.)

   
     Ich will eigentlich sagen, daß die gedanklichen Skrupel im Instinkt anfangen (ihre Wurzeln haben). Oder auch so: Das Sprachspiel hat seinen Ursprung nicht in der Überlegung. (Die) Überlegung ist ein Teil des Sprachspiels.5
      Und der Begriff ist daher im Sprachspiel zuhause.

   
26.6.
     “Könntest Du Dir keine weitere Umgebung denken, in der auch das noch als Verstellung zu deuten wäre?”
     Aber was heißt es, || : || : daß es doch immer Verstellung sein könnte? Hat denn Erfahrung uns das gelehrt? Und wie können wir anders über Verstellung unterrichtet sein?

   
     “Aber kannst Du Dir nicht auch hier denken, daß es Verstellung ist?” Was hat denn, was ich denken kann, zu sagen?

   
     Liegt hier nicht etwas Ähnliches vor, wie das Verhältnis der Euklidischen Geometrie zum Gesichtseindruck || zur Gesichtserfahrung? (Ich meine, || : es sei hier eine tiefgehende Ähnlichkeit.) || Ähnlichkeit vorhanden.) Denn auch die Euklidische Geometrie entspricht ja der
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Erfahrung nur in sehr seltsamer || verzwickter || eigentümlicher Weise, & nicht etwa nur ‘bloß annähernd. Man könnte vielleicht sagen, sie entspreche ebensosehr unsrer Methode des Zeichens, wie andern Dingen, oder auch sie entspreche gewissen Bedürfnissen des Denkens. Ihre Begriffe haben ihre Wurzeln in weitverstreuten & entlegenen Gebieten.

   
     Denn, so wie das Verbum “glauben” ebenso || so konfiguriert || abgewandelt wird wie das Verbum “schlagen” || rauben, so werden Begriffe für das eine Gebiet nach Analogie weit entlegener || entfernter Begriffe gebildet. (Die Geschlechter der Hauptworte.)

   
     Die Begriffsbildung nimmt z.B. Grenzlosigkeit an, worin || hat z.B. Grenzlosigkeit, wo in der Erfahrung keine scharfen Grenzen zu finden sind. (Grenzenlose Approximationen.)

   
     Man könnte manchmal sagen, die Begriffe seien einer Denkbequemlichkeit gemäß gebildet. (Wie ja auch der Meterstab nicht nur den zu messenden Dingen, sondern auch dem Menschen gemäß ist.

   
     “Man kann aber doch den Schmerz nicht mit Sicherheit nach dem Äußern erkennen.” – Das muß am Begriff ‘Schmerz’ liegen. Nicht in der Natur der Schmerzerfahrung, – || , – die ich etwa jetzt eben habe.

   
     Denk Dir einen Gesetzgeber, der dem Volk befiehlt: “Wenn Einer sich so benimmt, sollt ihr kein Mitgefühl mit ihm haben. Ein solcher hat keine Schmerzen.”

   
     Aber wie kann denn der Gesetzgeber bestimmen,
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wer Schmerzen hat & wer nicht? – Er bestimmt einen Begriff & ein Benehmen &, verbietet einen Begriff. Es könnte aber sein, daß ihm das nicht gelingt & daß die Leute Mitleid haben, wo er's verboten hat, & daß sie z.B. bei ihrem mitleidigen Handeln das Klagen des Andern nachahmen, wie es Mütter & Ammen tun. (Die Schmerzlaute des Mitleids.)

   
     Aber zum Teufel: es weiß doch Jeder, ob er Schmerzen hat! – Wie könnt's denn jeder wissen? Dazu müßte er doch vor allem wissen, daß sie Alle dasselbe || das gleiche haben.

   
     Ein Stamm hat zwei Begriffe, verwandt unserm ‘Schmerz’. Der eine wird bei sichtbaren Verletzungen angewandt & geht mit Pflege, Mitleid, etc. zusammen || ist mit Pflege, Mitleid, etc. verbunden || verknüpft; den anderen wenden sie bei Magenschmerzen, z.B., an & er verbindet sich mit Belustigung über den Klagenden.
     “Aber merken sie denn wirklich nicht die Ähnlichkeit?” – Haben wir denn überall einen Begriff, wo eine Ähnlichkeit besteht? Die Frage ist: Ist ihnen die Ähnlichkeit wichtig? Und muß sie's ihnen sein?

   
     Wenn Du Dir überlegst, aus welchen Gründen Einer Schmerzen verbeißen, oder simulieren könnte, werden Dir unzählige einfallen. Es könnte ja so sein … , || oder so sein … , || oder so sein … Warum gibt es nun diese Vielheit? Das Leben ist sehr kompliziert. Es gibt sehr viele Möglichkeiten.
     Aber könnten nicht andere Menschen viele dieser Möglichkeiten beiseite lassen, gleichsam die Achsel über sie zucken?

   
     Aber übersieht dieser dann nicht etwas,
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was da ist? – Er nimmt davon keine Notiz, & warum sollte er? – Aber dann ist ja eben sein Begriff grundverschieden von dem unsern. – Grundverschieden? Verschieden. – Aber es ist dann doch, als ob sein Wort nicht dasselbe bezeichnen könnte wie unseres. Oder nur einen Teil davon. – Aber so muß es ja auch ausschauen, wenn sein Begriff verschieden ist. Denn die Unbestimmtheit unsres Begriffs kann sich ja für uns in den Gegenstand projizieren, für welche das Wort steht || den das Wort bezeichnet. So daß, fehlte die Unbestimmtheit, auch nicht ‘dasselbe gemeint’ wäre. Das Bild, das wir verwenden, versinnbildlicht die Unbestimmtheit.

   
      ∣ Wenn Gott wirklich die zu errettenden Menschen wählt, dann ist kein Grund, warum er sie nicht nach Nationen, Rassen, oder Temperamenten wählen soll. Warum die Wahl nicht in den Naturgesetzen ihren Ausdruck haben soll. (Er konnte ja auch so wählen, daß die Wahl einem Gesetz folgt.)|
     Ich habe in Auszügen aus den Schriften von St. John of the Cross gelesen, Leute seien zu Grunde gegangen weil sie nicht das Glück hatten im richtigen Moment einen weisen geistlichen Führer zu finden.
     Und wie kann || darf man dann sagen, Gott versuche den Menschen nicht über seine Kräfte?
     Ich bin hier zwar geneigt zu sagen, daß schiefe Begriffe viel Unheil angerichtet haben, aber die Wahrheit ist, daß ich gar nicht weiß, was Heil & was Unheil anstiftet. ∣
   
28.6.
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     Laß Dich die Trauer nicht verdrießen! Du solltest sie ins Herz einlassen und auch den Wahnsinn nicht fürchten! Er kommt vielleicht als Freund und nicht als Feind zu dir & nur dein Wehren ist das Übel. Laß die Trauer ins Herz ein, verschließ ihr nicht die Tür. Draußen vor der Tür im Verstand stehend ist sie furchtbar, aber im Herzen ist sie's nicht. Reue hat nämlich noch niemand wahnsinnig gemacht.
   
29.6.
     Beim Philosophieren || In der Philosophie darf man keine Denkkrankheit abschneiden. Sie muß ihren natürlichen Gang gehen, & die langsame Heilung ist das Wichtigste¤.
   
30.6.
     Wir dürfen nicht vergessen: auch unsere feineren, mehr philosophischen, Bedenken haben eine instinktive Grundlage. Z.B. das ‘Man kann nie wissen …’ Das Zugänglichbleiben für weitere Argumente. Leute, denen man das nicht beibringen könnte, kämen uns geistig minderwertig vor. Noch unfähig einen gewissen Begriff zu bilden.

   
     “Man kann nie wissen, was in seiner Seele vorgeht” – das scheint eine Selbstverständlichkeit zu sein. Und ist es auch in dem Sinne, daß hier eben das gebrauchte Bild den Satz schon enthält. Aber man muß ihn eben zugleich mit dem Bild in Frage stellen || ziehen.

   
     Die Unbestimmtheit ist ein unendlich wesentliches Merkmal unsres Begriffs. Sie bedeutet uns unendlich viel.
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     Das “Wer weiß was in ihm vorgeht!” Das Interpretieren der äußern Ereignisse als Folgen von unbekannten, oder nur geahnten, innern. Das Interesse das sich auf dies Innere richtet, wie auf die chemische Zusammensetzung || Struktur, aus der das Verhalten hervorgeht. Man || Denn man braucht sich ja bloß (zu) sagen “Was gehen mich die innern Vorgänge, was immer sie sind, an?!” um zu sehen, daß sich eine andere Einstellung denken ließe || läßt. – “Aber Jeden wird doch immer sein Inneres interessieren!” Unsinn. Wüßte ich denn, daß der Schmerz, etc. etc. etwas Inneres wäre || ist wenn's mir nicht gesagt würde?

   
     Der Zweifel am innern Vorgang ist ein Ausdruck. Der Zweifel aber ist ein instinktives Verhalten. Ein Verhalten gegen den Andern. Und es rührt nicht daher, daß ich von mir selbst her weiß, was Schmerz ist, & daß es mit irgend einem Andern zusammengehen kann. Ich weiß alles eher!

   
     Erinnere Dich: Die Meisten sagen, man spüre in der Narkose nichts. Manche aber sagen doch: Er || Man könnte ja doch etwas fühlen & es nur völlig vergessen.
     Wenn es also hier solche gibt, die zweifeln & solche, denen kein Zweifel kommt so könnte die Zweifellosigkeit doch auch viel allgemeiner bestehen.

   
     Oder der Zweifel könnte doch eine andere & viel weniger unbestimmte
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Form haben als in unsrer Gedankenwelt.

   
     Was ich aber nun dennoch fühle ist, daß diese Leute etwas Tatsächliches übersehen, daß sie von einem nicht-äußeren Tatbestand keine Notiz nehmen, etwas Wichtiges übersehen. Sie übersehen – will ich natürlich sagen – das eigentliche Gefühl. Übersehen, daß es ja da sein kann, auch wenn die äußern Zeichen nicht die normalen sind.
     Und doch mache ich hier einen Fehler; & doch kann ich nicht umhin, ihn zu machen!

   
     Jene Leute übersehen ja wirklich etwas. Und ich kann auch sagen, sie übersehen das eigentliche Gefühl. Denn sie haben ja nicht unsern Begriff. Würde nicht, wer nur bis fünf zählen kann, auch etwas übersehen, von etwas keine Notiz nehmen? Wenn auch “übersehen’ ein schlechtes Bild ist. Denn wir möchten sagen: Sie übersehen das, – indem wir darauf zeigen || ein Phänomen.

   
     Sie gebrauchen ein Wort, das wir am besten mit “Schmerz” übersetzen; aber ihre Gesetze der Evidenz unterscheiden sich doch von den unsern.

   
     “Ich schwöre, ich habe Schmerzen; & sie haben's nicht geglaubt!” – Nicht geglaubt? Sie haben Dich ausgelacht, denn es war (sagen wir) kein Blut zu sehen. Warum sollen sie denn etwas sehen. Warum sollen sie denn etwas nicht geglaubt haben. Sie haben nicht geglaubt, daß Du Dich verstellt hast; denn auch unsern Begriff des
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Verstellens haben sie nicht.

   
     Wie fängt es denn an? Das Kind schreit, & niemand spricht von Verstellung || möglicher Verstellung. Sollte etwas ausschauen wie Verstellung, so wäre es eine tierische Verstellung, eine Lebensform. || eine instinktive Handlung.
     Dann einmal tritt ein Fall ein, wo man an Verstellung denkt. Es ist etwa eine primitive Verstellung. Man weiß aber auch nicht, ob man's so nennen darf. Es hängt das mit der Entwicklung der ‘Fähigkeiten’ des Kindes zusammen. Man weiß nicht, was es schon kann, ehe man nicht einen gewissen Lauf der Handlungen gesehen hat. ( .   .   .   .   .  . . . .....) Es ist hier eine begriffliche Unbestimmtheit: ‘der Anfang einer Gepflogenheit’. – Erst in einer bestimmten Lebensweise || Lebensgepflogenheit nennt man das …
     Die Frage “Was geht im Geist des Kindes vor?” braucht niemandem einzufallen || nie gestellt zu werden.

   
     Sagt man ihnen: “Was wohl in seinem Geist vor sich geht –”, so antworten sie: “Was kümmert das uns?”

   
     Bedenke: Wir gebrauchen das Wort “Ich weiß nicht” oft in seltsamer Weise; wenn wir z.B. sagen: wir wissen nicht, ob Dieser wirklich mehr fühlt als der Andre, oder es nur stärker zum Ausdruck bringt. – Es ist dann nicht klar, welche Methode || Art der Untersuchung die Frage entscheiden würde. Natürlich ist die Äußerung nicht ganz müßig: Wir wollen sagen, daß wir wohl die Gefühle des A & des B miteinander vergleichen können, aber uns
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die Umstände an einem Vergleich des A mit dem C irre werden lassen.

   
     Nur Gott sieht die geheimsten Gedanken. der Menschen Aber warum sollen diese so wichtig sein? Und müssen alle Menschen sie dafür halten? || für wichtig halten?

   
     Denk Dir Menschen, die nur laut denken.’ Es ist ja doch nicht selbstverständlich, daß Menschen || Wesen von der körperlichen Natur des Menschen denken; so sollen sie also bloß redend denken, d.h., nichts anderes, was wir auch denken, nennen würden, tun. (Ihre geheimen Gedanken sind Monologe.)

   
     Die Stufen zwischen instinktiver Schlauheit & durchdachter.
     Ein Idiot könnte schlau handeln, so würden wir's bezeichnen, & wir würden nicht glauben, daß er fähig sei etwas zu planen.
     Gefragt “Was wohl in ihm vorgeht?” sagen wir,es gehe gewiß sehr wenig in ihm vor.” Aber was wissen wir darüber || davon?! Wir machen uns nach seinem Benehmen, seinen Äußerungen, seiner Denkfähigkeit, ein Bild (davon).

   
     Wir stellen Verschiedenes zu einer ‘Gestalt’ (pattern) zusammen, zu der des Betruges z.B..
     Das Bild des Innern vervollständigt die Gestalt.

   
     Wenn ein Begriff von einem Lebensmuster abhängig ist, so muß in ihm eine Unbestimmtheit liegen. Denn weicht das || ein || weicht dann ein
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Muster vom Normalen ab, so wird fraglich, was wir hier sagen sollen.

   
     Könnte also Bestimmtheit nur dort sein, wo regelmäßige Lebensläufe sind? Was tun sie aber, wenn ihnen ein unregelmäßiger Fall unterläuft? Vielleicht zucken sie nur die Achseln.

   
     “Er sagte mir – & es war nicht der geringste Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit möglich – daß … ” Unter welchen Umständen ist kein Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit möglich? Kann ich sie angeben? Nein.

   
     Du mußt an den Zweck der Worte denken. || der Worte der Sprache denken.
     Was hat die Sprache mit Schmerzen zu tun?

   
     Der Zweck der Worte ist ja nicht, etwas zu bezeichnen || Gegenstände zu bezeichnen. Wie der Zweck eines Maschinenteils nicht ist an etwas zu hängen, sondern etwas zu bewegen.

   
     Ich weiß, daß er Schmerzen hat. Aber wie weiß ich's, da doch das Schmerzbenehmen durch die mögliche Verstellung fraglich wird? Ich weiß es, weil in diesem Falle sein Benehmen ein verläßlicher Index ist. Aber wodurch || wie ist dieser Fall gekennzeichnet? Durch Umstände.

   
     Im Fall, den ich mir vorstelle, haben die Leute ein Wort, das einen ähnlichen Zweck erfüllt (eine ähnliche Funktion hat) wie das Wort “Schmerz”. Man kann nicht sagen, es “bezeichne” etwas ähnliches. Es greift anders, & doch ähnlich in ihr Leben ein.
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     Ein richtiges Gefühl hat Menschen die Logik in die Philosophie einreihen lassen. Denn die Philosophie ist eine logische Angelegenheit.
     Ja, es ist eine Beruhigung, einzusehen, daß eine philosophische Unklarheit bedeutet, daß ich mich in der Logik noch nicht auskenne. Denn es gibt dort nur große Probleme & nicht kleine.

   
     Man kann aber doch den Schmerz nicht mit Sicherheit nach dem Äußern erkennen.” – Man kann ihn nur nach dem Äußern erkennen. Und die Unsicherheit ist eine konstitutionelle. Sie ist kein Mangel.
     Es liegt in unserm Begriff, daß diese Unsicherheit besteht; in unserm Instrument. Ob dieser Begriff praktisch ist, oder unpraktisch ist, darum handelt sich's eigentlich nicht. Man könnte sagen, er sei unser Natur, unsern Gefühlen angemessen; aber wie will man das beweisen, was spricht dafür? – So handeln wir & reden wir. Wir haben's ja nicht gewählt.

   
1.7.
     Der Begriff ist ja nicht nur die Art & Weise, wie wir über die Sache denken.
     Er ist nicht nur eine Art der Einteilung, ein Gesichtspunkt des Ordnens. Er ist ein Teil unsres Handelns. || Bestandteil unsres Handelns.

   
     Die Unbestimmtheit besteht nicht weil der Schmerz etwas Seelisches, etwas Inneres ist. Sondern beides kennzeichnet unsern Begriff. – Ist dieser nun unsern Bedürfnissen besonders angemessen, || ? Ist es unsern Bedürfnissen angemessen,
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daß wir zahlen wie wir zahlen? So leben wir. Es gehört zur menschlichen Naturgeschichte.

   
     Wer will sagen, wie unsre || die Begriffe kausal mit den Eigentümlichkeiten unserer Umgebung & (mit) den unsern zusammenhängen? Ich gewiß nicht. Obwohl man manches plausibel machen kann.

   
     Die Farben könnten in einer andern Welt eine andere Rolle spielen als in der unsern. Denk an verschiedene Fälle:
     Sie könnten mehr an bestimmte Formen gebunden sein. Nur Eier wären gelb, nur Blüten grün, nur das Blut rot, etc..
     Farbstoffe könnten nicht herstellbar sein, & man könnte Dinge nicht färben. Nur Schlagworte.
     Eine der Farben wäre immer an einen üblen Geruch, oder an Giftigkeit gebunden.
     Farbenblindheit oder ein Nicht-Übereinstimmen in den Farburteilen wäre weit häufiger als bei uns.
     Verschiedene Töne von Grau wären sehr häufig, die übrigen Farben sehr selten gesehen.
     Wenn unser Zahlensystem mit der Zahl unsrer Finger zusammenhängt, warum dann nicht unser System der Farben mit der besondern Art des Auftretens der Farben. Eine Farbe könnte immer nur im graduellen Übergang in eine andre auftreten.
     Farben könnten immer nur im Farbverlauf des Regenbogens vorkommen.
     Fände man, daß in einem Land
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jedes Tier immer 6 Junge würfe & jedes 6 Beine hat & die Leute hätten zwar 5 Finger wie wir aber ein Sechsersystem, so würde man dies aus jenen Fakten erklären. Und hätten sie dann nur 6-füßige Metren, so brächte man auch das in den Zusammenhang. – Wären 5 Junge ein Zeichen dafür, daß das Tier || Muttertier krank ist & würden Menschen von der Berührung krank, so könnten sie 5 “die schlechte Zahl” nennen & sie auch bei andern Gelegenheiten meiden; ja das könnte sich in ihrer Arithmetik ausdrücken.

   
     Für eine anders geartete Welt fände man die Verwendung andrer Sprachinstrumente natürlich.

   
     Leute die in der Tonleiter singend zählen & daher ein 7-System haben.
     Warum aber singen sie diese Tonleiter? “Es liegt in ihrer Natur.” Da es in unserer liegt, kommt es uns nicht merkwürdig vor.

   
     Wir wollen uns Begriffe aus dem Bedürfnis nach ihnen erklären. Aber eigentlich wäre das nur das Bedürfnis nach einer bestimmten Lebensweise, welche die Verwendung des Begriffs in sich schließt.

   
     Indem man das Sprachspiel anzeigt, zeigt man die Verbindung der Sprache mit dem Leben. D.h. die Verwebung der Sprache mit den andern Lebensvorgängen, nicht einen kausalen Zusammenhang.

   
     Wozu brauchen wir diese Unbestimmtheit?
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– “Wir haben eben Schmerzen, & wollen sie bezeichnen!” – Bezeichnen kann man den Schmerz nur unter den Empfindungen, d.h. wenn man den Begriff der Empfindung hat, & der zeigt || gibt uns kein Phänomen.

   
     Denke an die Frage || Unsicherheit, ob Tiere, besonders niedere Tiere, Fliegen z.B., Schmerzen fühlen.

   
     Das Wort “Wahrscheinlichkeit” kommt einem da gelegen, weil Wahrscheinlichkeit Gradunterschiede zuläßt, allmähliche Übergänge. “Es ist viel weniger wahrscheinlich, daß die niedern Tiere Schmerz empfinden, als daß der Mensch ihn empfindet.”

   
     Ja, es ist hier begriffliche Unbestimmtheit, entsprechend einer Unbestimmtheit unsres Verhaltens || im Verhalten zu den Tieren.

   
     Die Unsicherheit, ob eine Fliege Schmerz fühlt ist eine philosophische; aber könnte sie nicht auch eine instinktive sein? Und wie würde sich das zeigen?
     Ja, gibt es eben nicht eine (solche) Unsicherheit im Benehmen gegen die Tiere? Er || Einer weiß nicht: ist er grausam, oder nicht?

   
     Denn es gibt ja Unsicherheit des Benehmens, die nicht auf einer Unsicherheit in den Gedanken beruht.

   
     Sieh die Frage der Unsicherheit ob der Andre Schmerz empfindet, durch das Glas an der || durch die Frage, ob ein Insekt ihn || Schmerz empfindet.

   
     Es liegt im Wesen der Verstellung & also auch der Schmerzen, daß sie nicht
62
mit völliger Sicherheit im andern zu konstatieren sind. Denn er könnte ja Schmerzen haben & sich, aus welchen Gründen oder Ursachen immer, uncharakteristisch benehmen. “Und was sind Schmerzen? – damit ich's ganz sicher weiß, wovon Du redest? || .” – “Das” & er schlägt mich, damit ich's sicher weiß.

   
     Es gibt doch im Benehmen Vertrauen & Mißtrauen!
     Klagt einer z.B., so kann ich mit völliger Sicherheit, vertrauensvoll, reagieren, oder unsicher & wie Einer, der Verdacht hat. Er braucht dazu keine Worte, noch Gedanken.

   
     Die Unvorhersehbarkeit des menschlichen Benehmens. Wäre sie nicht vorhanden, – würde man dann auch sagen, man könne nie wissen, was in ihm vorgeht?

   
     Aber wie wär's wenn das menschliche Benehmen nicht unvorhersehbar wäre? Wie hat man sich das vorzustellen? (D.h.: wie auszumalen, welche Verbindungen anzunehmen?)

   
     Einer liegt am Weg – vielleicht ist er krank, vielleicht stellt er sich nur so. Freilich: wie soll ich wissen, was in ihm vorgeht. – Nein; || . Nicht darum handelt es sich. Wir wissen vor allem nicht, was wir zu erwarten haben.

   
     Was geht mich an, was in dem vorgeht, der im Hinterhalt liegt & mich anfallen wird?

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     “Ich werde das tun. Da wird er denken … & wird …” Oder: “da wird er zu sich sagen … & wird … Was er zu sich sagt ist eigentlich gleichgültig, auch wenn er's laut ausspräche; es ist nur ein Teil des Mechanismus, dessen letzte Wirkung mich interessiert.

   
     “Ich weiß nicht, was jetzt in ihm vorgeht: das könnte man von einem komplizierten Uhrwerk || Mechanismus sagen; (etwa) einer Kunstuhr, die nach sehr komplizierten Gesetzten verschiedene äußere Bewegungen auslöst. Man denkt sich dann bei ihrer Betrachtung vielleicht: Wenn ich wüßte, wie es jetzt in ihr ausschaut, was jetzt vorgeht, wüßte ich was jetzt bevorsteht. || was zu erwarten ist.

   
     Beim Menschen aber ist angenommen, daß man in den Mechanismus keinen Einblick gewinnen kann. Es ist also die Unbestimmtheit postuliert.

   
     Wenn ich aber zweifle, ob eine Spinne wohl Schmerz empfindet, dann ist es nicht, weil ich nicht weiß, was ich mir zu erwarten habe.

   
     Der Philosoph will die Geographie der Begriffe beherrschen: jeden Ort in seiner nächsten & in seiner fernsten || weitesten Umgebung sehen. || jedes Ortes Lage in seiner nächsten; & auch in seiner weitesten Umgebung verstehen || sehen.

   
     Wir können aber nicht umhin uns das Bild vom seelischen Vorgang zu machen. Und nicht, weil wir ihn von uns her kennen!

   
2.7.
     Eine Art der Unsicherheit wäre die, die
63
wir auch einem uns unbekannten Mechanismus entgegenbringen könnten. Bei der andern würden wir uns möglicherweise an eine Begebenheit in unserm Leben erinnern. Es könnte z.B. sein, daß Einer, der gerade der Todesangst entronnen ist, sich davor scheuen würde, eine Fliege zu erschlagen & es sonst ohne Bedenken täte. Oder, anderseits, daß er mit diesem Erlebnis vor Augen, das zögernd tut, was er sonst ohne Zögern täte.

   
     Auch wenn ich ‘nicht sicher in meinem Mitleid ruhe’, muß ich nicht an die Ungewißheit seines späteren Benehmens denken.

   
     Die eine Ungewißheit || Unsicherheit geht sozusagen von Dir aus, die andre von ihm.
     Von der einen könnte man also doch sagen, sie hinge mit einer Analogie zusammen; von der andern nicht. Aber nicht, als ab ich aus der Analogie einen Schluß zöge!

   
     ‘Man kann sich nicht hineindenken’: man kann nicht die Sprache (Technik), die man beherrscht, nicht beherrschen, willkürlich verlernen.

   
     Wenn das Leben ein Teppich wäre, so ist dies Muster (der Verstellung z.B.) nicht immer vollständig & vielfach variiert, aber wir, in unsrer Gedankenwelt || Begriffswelt, sehen immer wieder das Gleiche mit Variationen wiederkehren. So fassen's unsre Begriffe auf. Die Begriffe sind ja nicht für einmaligen Gebrauch.

   
     Und das Muster ist im Teppich mit vielen,
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vielen andern Mustern in Verbindung || Zusammenhang. || Mustern verwoben.

   
     Auf der Bühne kannst Du sehen, wie das Muster der Verstellung ausschaut.
     Es ist hier Motiv, etc., etc..
     Zu dem Begriff der Verstellung gehört der Begriff der Entdeckung.

   
     Ich sage z.B. “Er könnte sich ja doch verstellen” – was denke ich mir dabei? – d.h., welche Erklärung gäbe ich von dem Wort “verstellen”; was für Fälle || Beispiele || Exempel fielen mir ein? || kämen mir in den Sinn?

   
     Wie verwende ich den Satz? (Denn es ist hier wie in gewissen Gebieten der Mathematik, wo es eine ‘phantastische Anwendung’ gibt.)

   
     Ich rufe ein Bild herauf, das dann zu einem Zweck dienen kann. (Ich könnte geradezu auf ein gemaltes Bild schauen.)

   
     Wie man zur Beschreibung der Fallbewegung, der Pendelbewegung, usf. den Begriff der Beschleunigung, der gleichförmigen, der beschleunigten, etc. etc. bilden, eine neue Begriffswelt erfinden mußte, so sollte || müßte ich neue Begriffe zur Beschreibung gerade der psychologischen Unbestimmtheiten schaffen.

   
     Manchmal behandle ich ihn so, wie ich mich behandle & behandelt werden möchte, wenn ich Schmerzen habe, & manchmal nicht.
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     Schärfe ist Schärfe, Unschärfe ist Unschärfe. Unschärfe will ich nicht auf Schärfe zurückführen; sondern sie als Unschärfe begrifflich fassen.

   
     “Wie kann man sicher sein, daß er sich nicht verstellt? man weiß ja nicht, was im ihm vorgeht” heißt: Wie kann man sicher sein, daß er sich nicht verstellt? man kann ja nicht wissen, ob er sich nicht verstellt.

   
     Ein Spiel, in dem jeder der Spieler zum Voraus weiß, ob er gewinnen oder verlieren wird. Und doch wäre das denkbar. Der Reiz könnte darin liegen, zu verfolgen, wie dieser gewinnt, jener verliert.

   
     Leute, die die Lüge anders behandeln, als wir. Die sie, z.B., oft als harmlose, ja hübsche, Erdichtung betrachten. Etwa || Sagen wir: immer, außer im Krieg. –

   
     Die Idee, daß die Unwißbarkeit in der Natur des Schmerzes liegt, & d.h., nicht im Wesen eines Begriffs, sondern eines Phänomens, eines Vorkommnisses. So daß, wenn wir von diesem Vorkommnis sprechen, uns darauf beziehen, wir so darüber denken müssen. Struktur der Welt.)
     Denn hier ist das Grundlegende.

   
     “Jene Leute || Sie haben unsern Verdacht nicht. – So haben sie also etwas anderes im Kopf? Sie haben etwas anderes im Sinn.

   
     Wir sind an eine bestimmte Einteilung
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aller || der Sachen gewöhnt.
     Sie ist uns mit der Sprache, oder den Sprachen, zur Natur geworden.

   
     Dies sind die festen Schienen, auf denen all unser Denken verläuft, & also nach ihnen auch unser Urteilen & Handeln.

   
     Es ist ja auch etwas Wahres daran, daß, wie Plinius sagt, nach je zehn Zahlen sich die Zahlen ändern. Wenn man z.B. mit den Fingern zählt, oder mit bestimmten Mustern.

   
     Muß der Begriff der Bescheidenheit & || oder der Prahlerei überall bekannt sein, wo es bescheidene & prahlerische Menschen gibt? Es liegt ihnen vielleicht dort nichts an dieser Unterscheidung.
     Uns sind ja auch manche Unterschiede unwichtig, & könnten uns wichtig sein.

   
     Und Andre haben Begriffe, die unsre durchschneiden. Und warum sollte nicht ihr Begriff unsern Begriff ‘Schmerz’ schneiden?

   
     Denk Dir Leute, die sagen: Wer wer diesen Befehl befolgt || diesem Befehl gehorcht, der ist so. Oder: Wer diese Zeit warten kann, ohne zu … , der ist … – (Prüfung der Weisheit.)

   
     Dinge wären anders in einer Welt, wo alle Menschen gleiche Gestalt & Gesichtszüge hätten.

   
     Eine || Denk Dir eine Prüfungsfrage. || : Die Beschreibung eines Benehmens & der Umstände wird gegeben; die Frage ist: “Hat sich der verstellt?”
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     Die Antwort kann doch sein: “Keine Beschreibung genügt um es zu entscheiden, wenn ich den Menschen sehen werde, werde ich's wissen.” Oder auch: “Würde ich den Menschen kennen & sehen so wüßte ich's.”

   
3.7.
     Nun denk Dir einen Begriff von ähnlichem Gebrauche wie den unsern ‘Verstellung’, aber so, daß so eine Prüfungsfrage beantwortet werden könnte. Man würde in der Schule so eine Prüfung ablegen.

   
     So bin ich also im Unrecht, wenn ich über die Gesinnung des Andern in keinerlei Zweifel bin?
     Aber ich kann im besondern Fall die Gesinnung des Andern wissen, & es wird dadurch das (ganze) Sprachspiel doch nicht jenes worin sie sich aus gewissen || den & den Anzeichen Allen mit Sicherheit || für Alle Unterrichteten erkennen ließe.

   
     Die ‘Unsicherheit’ bezieht sich eben nicht auf den besondern Fall, sondern auf die Methode, auf die Regeln der Evidenz.

   
     Festbegrenzte Begriffe würden eine Gleichförmigkeit des Benehmens || Verhaltens fordern. Es ist aber so, daß, wo ich sicher bin, der Andre unsicher ist. Und das ist eine Naturtatsache. [Übereinstimmung der Menschen z.B. in der Mathematik, im Rechnen.]

   
∣ Wenn Nachtträume eine ähnliche Funktion haben wie Tagträume, so dienen sie zum Teil dazu, den Menschen auf jede Möglichkeit (auch die schlimmste) vorzubereiten.
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     Wenn man sagt “Evidenz || Die Evidenz kann die Echtheit des Gefühlsausdrucks nur wahrscheinlich machen”, so heißt das nicht, daß statt völliger Sicherheit immer nur ein mehr oder weniger zuversichtliches Vermuten || eine mehr oder weniger zuversichtliche Vermutung da ist. “Nur wahrscheinlich” kann sich nicht auf den Grad unsrer Überzeugtheit || Zuversicht beziehen, sondern nur auf die Art ihrer Begründung, auf den Charakter des Sprachspiels.

   
     Das muß doch die Konstitution unsres Begriffs bestimmen helfen: daß unter den Menschen in bezug auf die Bestimmtheit || Sicherheit ihrer Überzeugung nicht Übereinstimmung besteht. (Vergl. meine Bemerkung über die Übereinstimmung in den Farburteilen & in der Mathematik.)

   
     Es kann der Eine vollkommen überzeugt sein & der Andre, bei gleicher Evidenz, nicht. Und wir schließen darum weder diesen Einen noch jenen Andern als urteilsunfähig, oder als unzurechnungsfähig, aus der Gesellschaft aus.

   
     Aber könnte eine Gesellschaft nicht eben dies tun?

   
     Denn die Wörter haben eben nur in ihrem Fluß Bedeutung. || nur im Fluß des Lebens Bedeutung.

   
     Ich bin sicher, sicher, daß er sich nicht verstellt; aber der Andre ist es || ist's nicht. Kann ich ihn überzeugen? Und
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wenn nicht, – sage ich er kann nicht denken? (Man könnte sagen, Die Überzeugung sei davon sei || könnte man ‘intuitiv’) nennen.)

   
     Der Instinkt ist das Erste, das Raisonnement das Zweite. Gründe gibt es erst in einem Sprachspiel.

   
     Sage ich etwa “& die Seele ist auch nur etwas am Leibe”? Nein. (Ich bin nicht so arm an Kategorien.)

   
     Du kannst den Begriff variieren, aber dann veränderst Du ihn vielleicht bis zur Unkenntlichkeit.

   
     “Das würde ich nie so nennen.” Das ist eine wichtige Äußerung.

   
     Dafür (d.h. für das Veränderte) zahle ich nicht mehr diesen Preis.

   
     Wenn wir den Begriff der Verstellung variieren, müssen wir seine Innerlichkeit, d.h. die Möglichkeit des Geständnisses beibehalten. Wir müssen aber dem Geständnis nicht immer Glauben schenken, & das falsche Geständnis muß nicht Betrug sein.

   
     Andre, obgleich den unsern verwandte Begriffe könnten uns sehr seltsam erscheinen: nämlich eine Abweichung vom Gewohnten in ungewohnter Richtung.

   
     “Du verstehst ja nichts!” So sagt man, wenn Einer bezweifelt, daß das echt sei, was wir klar als echt erkennen.

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     “Du verstehst ja nichts” – aber wir können nichts beweisen.

   
     Was heißt eigentlich “Du verstehst ja nichts”? Wie sollte ich es erklären? Müßte ich dem Andern dazu nicht etwa das Verständnis für die Künste beibringen & noch tausenderlei?
     Das heißt: das Verstehen jenes Ausdrucks ist nur möglich in einem ganz bestimmten Leben; welches ich nicht zu beschreiben vermag, || obwohl ich Abweichungen davon erkenne.

   
Wenn Einer mit voller Sicherheit an Gott glauben kann, warum dann nicht an des Andern Seele?

   
     Was ich (hier) treibe schaut nicht aus wie Logik & ist doch Logik.

   
4.7.
     Der seelenvolle Ausdruck in der Musik, er ist doch nicht nach (klaren) Regeln zu erkennen. Und warum können wir uns nicht vorstellen, daß er's für andere Wesen wäre?

   
     Diese musikalische Phrase ist für mich eine Gebärde. Sie schleicht sich in mein Leben ein. Ich mache sie mir zu eigen.

   
     Die menschlichen Variationen des Lebens sind unserm Leben wesentlich. Und also eben der Gepflogenheit des Lebens. Ausdruck besteht für uns in Unberechenbarkeit. Wüßte ich genau wie er sein Gesicht verziehen sich bewegen wird, so wäre kein Gesichtsausdruck, keine Gebärde vorhanden. – Stimmt das
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aber? – Ich kann mir doch ein Musikstück das ich (ganz) auswendig weiß immer wieder anhören; & es könnte auch auf || von einer Spieluhr gespielt werden. Seine Gebärden blieben für mich immer Gebärden obgleich ich immer weiß, was kommen wird. Ja, ich kann sogar immer wieder überrascht sein. (In einem bestimmten Sinne.)

   
     Aber man nennt doch etwas “abgedroschen”. – Und man sagt “Diese Melodie ist immer neu” – wäre es also möglich, daß uns jene genau berechenbaren Gebärden immer neu vorkämen? Wie soll ich's sagen? Das ist sicher: eine steife, eine puppenhafte Gebärde ist für uns keine Gebärde.

   
     Schon das würde uns einen seltsamen || fremden & tiefen Eindruck machen, wenn wir zu Menschen kämen, die nur Spieluhrmusik kennten. Wir würden uns vielleicht von ihnen auch eine Art Gebärden erwarten die wir nicht verstünden, auf die wir nicht zu reagieren wüßten.
   
5.7.
     Der ehrliche religiöse Denker ist wie ein Seiltänzer. Er geht, dem Anscheine nach, beinahe || beinahe nur auf der Luft. Sein Grund || Boden ist der schmalste, der sich denken läßt. Und doch läßt sich auf ihm wirklich gehen.

   
     “Die Echtheit des Ausdrucks läßt sich nicht beweisen? ‘Man muß sie fühlen.’ Aber was geschieht nur weiter damit?
     Wenn Einer sagt “Voilà comme s'exprime un coeur vraiment ému”, & wenn er auch einen Andern zu seiner Ansicht bekehrt, – welche weiteren Folgen hat es?
     Nun es lassen sich in vager Weise Folgen vorstellen. Die Aufmerksamkeit des Andern
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wird anders gelenkt.

   
     Könnte man sich nun vorstellen, daß bei andern Menschen || Wesen, was bei uns sich nicht beweisen läßt, sich beweisen ließe?
     Oder würde es eben dadurch sein Wesen bis zur Unkenntlichkeit ändern?

   
     Was für uns wesentlich ist, ist doch die spontane Zustimmung, die spontane Sympathie. || , das spontane Mitgehen.

   
     [Ich bin bei allen diesen Überlegungen sehr dumm; weiß aber nicht, wie ich aus meiner Dummheit herauskommen soll.]

   
     Denken wir uns, wer diesen Ausdruck nicht als echt empfände, wer von ihm nicht überzeugt würde, stecken die Leute in eine Anstalt für Geistesschwache.
     Wer, in dem & dem Alter Dem || Diesem mißtraut, oder Dem || Jenem traut, wird als geistesschwach behandelt.

   
     Aber wie ist es dann mit der Verstellung & mit dem Geständnis? – Diese könnte es geben, aber so, daß sie doch ihre Stellung im menschlichen Leben || Leben des Menschen änderten. Mißtrauen könnte in Vertrauen übergehen & Vertrauen in Mißtrauen, aber nicht ganz so wie bei uns & zwar nach strengern Regeln.

   
     Die unendliche || unbedingte Flexibilität würde ihnen abgehen.

   
6.7.
     ‘Diese Menschen hätten nicht Menschenähnliches.’ Warum? – Wir könnten uns unmöglich mit ihnen verständigen. Nicht
68
einmal so, wie wir's mit einem Hund können.
     Wir könnten uns nicht in sie finden.

   
     Und doch könnte es ja solche, im übrigen menschliche, Wesen geben.

   
     Es gibt im menschlichen Leben unzählige Abstufungen, die thus || uns alle wichtig sind, denen unsre Begriffe Rechnung zu tragen scheinen.

   
     “Wissen kann man es doch nicht. Man kann es glauben. Mit ganzer Seele glauben, aber nicht wissen.” Dann liegt der Unterschied nicht in der Sicherheit des Überzeugten.
     Er muß woanders liegen; in der Logik der Frage.

   
     Aber ist mein Wissen. Wie kann ich es wissen, da er's fühlt? – Aber wie weiß er, was er fühlt?

   
     Aber ist mein Wissen darum nicht eben notwendigerweise schwankend? Eben eine bestimmte Ahnung & kein Wissen?
     Aber wie kann ich's dann auch nur ahnen? Was ahne ich denn?

   
     Denke, Leute könnten das Funktionieren des Nervensystems im Andern sehen || betrachten. Sie unterschieden dann echte & geheuchelte Empfindung in sicherer Weise. Oder könnten sie doch wieder daran zweifeln, daß der Andere bei diesen Zeichen etwas spürt? – Man könnte sich jedenfalls vorstellen, daß, was sie da sehen, ihr Verhalten ohne jeden || alle Skrupel bestimmt.
     Und nun kann man dies doch auf das äußere Benehmen übertragen.
69


   
     “Das Innere ist uns verborgen.” Aber wie kam es sich uns dann überhaupt offenbaren? Und das kann es doch. Es ist gleichsam in dicke Kleider gehüllt, die uns manchmal seine Gestalt erkennen lassen, manchmal nicht. – Aber wie könnte ich's dann wissen, wann ich am Äußern das Innere erkenne & wann nicht?

   
     Es gibt wohl den Fall, das Einer mir später sein Inneres durch ein Geständnis aufschließt: aber dies || , daß es so ist kann mir nicht das Wesen von Außen & Innern erklären, denn ich muß ja dem Geständnis doch Glaube schenken.

   
     Das Geständnis ist ja auch ein || etwas Äußeres.

   
     Die Menschen, die das Funktionieren der Nerven sehen können: muß ich mir denken, das Innere könne sie doch zum Besten haben? Das heißt aber: Kann ich mir nicht doch äußere Zeichen denken, die mir zum sicheren Urteil über das Innere zu genügen schienen? || ausreichend schienen?

   
     Ein Stamm dessen Menschen normalerweise mehrere streng gesonderte Naturen, Charaktere, haben. (Jeder könnte sich zu einer bestimmten Stunde des Tages verwandeln, & Jeder erhält mehrere Namen, einen für jeden seiner Charaktere || Charakter.
     Eine Novelle könnte also bei ihnen damit anfangen: daß ein Mann beschrieben wird mit den Namen Jeckyll & Hyde mit den folgenden zwei Naturen. || ein Mann mit den Namen Jeckyll & Hyde habe die & die Naturen.

69


   
     Denke, daß es psychologisch unmöglich wäre den Gefühlsausdruck genau zu fälschen, & daß die Menschen – im allgemeinen wenigstens – mit dem Blick für den Unterschied des Echten vom Unechten begabt seien.
     Es gäbe dann verschiedene Fälle. Gewisse Leute könnten etwa nicht lernen die Feinheiten wahrzunehmen. Solche wären abnorm, wie Farbenblinde. Die Normalen könnte man auf eine gewisse Weise nicht betrügen.

   
     Aber nun sag: “Es könnte ja doch Eines etwas fühlen, auch wenn die physiologischen Zeichen ganz dagegen wären || sprächen;” Nun, dann haben eben die einen andern Begriff, die diese Skrupel nicht kennen.

   
     Ich mache immer Hilfskonstruktionen die am Ende aus der Betrachtung herausfallen sollen.

   
     Denk Dir, es würden die Leute eines Stammes von früher Jugend dazu erzogen, keinerlei Gemütsausdruck zu zeigen. Er ist für sie etwas Kindisches, das abzutun ist || sei. Die Abrichtung sei äußerst streng. Man redet von ‘Schmerzen’ nicht; schon erst recht nicht in der Form einer Vermutung: “vielleicht hat er doch … ”.6
     Dem Verletzten, oder der Krankheitssymptome zeigt, wird geholfen, ohne den Ausdruck des Mitleids. Klagt jemand, so wird er verlacht oder gestraft. Den Verdacht der Verstellung gibt es gar nicht. Klagen ist sozusagen schon Verstellung.
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     Abrichtung zum ausdruckslosen, monotonen Reden, zu steifen || regelmäßigen Bewegungen.

   
     Ich will sagen: eine ganz andere Erziehung, als die unsre, könnte auch die Grundlage ganz anderer Begriffe sein.

   
     Denn es würde hier das Leben anders verlaufen. – Was uns interessiert, würde sie nicht interessieren. Andere Begriffe wären da nicht mehr unvorstellbar; ja || . Ja andere Begriffe sind nur so || da vorstellbar.

   
     “Jeder weiß von sich selbst mehr, als der Andre weiß.”
     “Jeder kennt sich selbst besser, als der Andere ihn kennt.”
     “Jeder kann || könnte über sich selbst den Andern belehren, wenn er will || wollte.”
     Es ist nicht immer so.

   
     Müßte man von dem, der sich verstellt, annehmen, er wisse, daß er sich verstellt? Wie, wenn ihn die Leute für schwachsinnig hielten & schon darum über das was etwa in ihm vorgeht, für die Achsel zuckten?

   
7.7.
     Nicht darauf sehen wir, daß die Evidenz das Gefühl des Andern nur wahrscheinlich macht, sondern darauf, daß wir dies als Evidenz für irgend etwas betrachten, daß wir auf diese höchst komplizierte || verwickelte Art der Evidenz eine Annahme || Aussage bauen, daß sie also in unserm Leben eine besondere Wichtigkeit hat & (darum) durch einen Begriff herausgehoben wird.

   
     “Verstellen”, könnten gewisse || jene Leute sagen,
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“was für ein lächerlicher Begriff!”

   
     Der feste Glaube. (An eine Verheißung z.B.) Ist er weniger sicher als die Überzeugung von einer mathematischen Wahrheit? – Aber werden dadurch die Sprachspiele ähnlicher!)

   
     Könnte nicht das Verhalten, Benehmen, des Vertrauens ganz allgemein unter gewissen Menschen || einer Gruppe von Menschen bestehen? So daß ihnen ein Zweifel an Gefühlsäußerungen ganz fremd ist?

   
     Musikalische Zeitgleichheit & Zeitgleichheit des Metronoms nach der Uhr, dem Metronom.

   
8.7.
     Betrachte wieder den Fall derjenigen, welche das Arbeiten der Nerven sehen können – oder aber den Gesichtsausdruck genauer zu lesen verstünden als wir. – Und es kommt auf dasselbe hinaus, wenn sie auch nur glauben dies || es zu können. D.h., sie behandeln die Menschen hilfreich, oder ohne Sympathie || mit Spott je nach ihrem Gesichtsausdruck. – Oder: je nach diesem || dem Ausdruck & gewissen andern Umständen.

   
     Aber es würde doch dann ihre Einteilung der Menschen in solche, denen zu helfen, & in solche, die zu verlachen sind, nur sehr beiläufig mit der unsern, nach dem echten & dem geheuchelten Gefühle, übereinstimmen! Freilich.

   
9.7.
     Ist denn das anders zu erwarten?

   
     Aber es könnte ja doch die Übereinstimmung
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im Urteil || in der Scheidung eine sehr genaue sein. Nur fühle ich, als || : es wäre dann nur zufällig so. Der Einteilungsgrund wäre ein andrer. Nämlich bei uns ein ganz andres Phänomen, als bei ihnen. Aber hier bin ich wohl in dem alten schlimmen Fahrwasser. Wo dem Wort der Gegenstand entspricht, & dem Wort mit andrer Bedeutung ein andrer Gegenstand. – Denn, daß das Wort, welches bei ihnen unserm “Schmerz” entspricht, anders gebraucht wird, ist ja die Voraussetzung. (Wovon wäre sonst die Rede?) Daß bei ihnen dort Sicherheit besteht, wo bei uns (eine) Unsicherheit besteht, ist auch Voraussetzung.

   
     Gehört nicht ganz hierher. ∣ Aber überlege: warum soll sich Einer verstellen müssen, gibt es nicht andere Möglichkeiten? Kann er nicht träumen? Kann sich die Sache nicht anders verwirren? (Convade.)
     Denk daran, wie oft man nicht sagen kann: || es unmöglich ist zu sagen, || : Einer sei ehrlich, oder unehrlich; aufrichtig, oder unaufrichtig. (Ein Politiker z.B.) Wohlmeinend, oder das Gegenteil. Wieviele dumme Fragen werden darüber gestellt! Wie oft passen die Begriffe nicht! (War Hitler wohlmeinend oder nicht, selbstsüchtig oder nicht?) Ist ein Krokodil grausam?)

   
     Es ist für unsre Betrachtung wichtig, daß es Menschen gibt, von denen Einer || jemand fühlt, er werde nie wissen, was in ihnen vorgeht. Er werde sie nie verstehen. (Engländerinnen für Europäer.)

   
11.7.
Denke viel an die letzte Zeit mit Francis; an meine Abscheulichkeit mit ihm.
71
Ich war damals sehr unglücklich; aber eben mit bösem Herzen. Ich kann nicht sehen, wie ich je im Leben von dieser Schuld befreit werden kann.


   
     Das Schwerste ist: die Unwissenheit richtig ausdrücken.

   
     Wir sind gewiß geneigt, zu sagen, die Klage sei nur ein Zeichen, ein Symptom des Eigentlichen, || wichtigen Phänomens || eines andern Phänomens, des Wichtigen, welches nur erfahrungsmäßig mit ihm || jenem verbunden sei. Und wenn wir hier auch einen Fehler machen: || so muß diese starke Versuchung doch ihren Begründung haben & zwar im Gesetz der Evidenz, welche wir zulassen. || so muß doch dieser Fehler begründet sein im Gesetz der Evidenz, welches || das wir zulassen || , so muß eben doch der Fehler begründet sein, & zwar durch die Natur der Evidenz, welche wir zulassen.

   
     Die Klage, etc.., deute auf etwas anderes. (Inneres.)

   
     Man könnte die Frage stellen: welcher Art muß das Gesetz der zugelassenen Evidenz sein, damit diese Auffassung uns naheliegt?

   
     Man möchte die Antwort geben: die Evidenz müsse schwankend sein. Vielgestaltig?

   
     Die Klage deute auf etwas hin, mache dies wahrscheinlich. Der Zusammenhang zwischen den äußeren Zeichen & unserm Verhalten muß ein sehr loser sein. Er müßte Einem, der ihn nicht verstünde, sehr schwer zu erklären sein. Nämlich der Zusammenhang zwischen meinem Vertrauen
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& seinem Benehmen.

   
     Es gibt verstellten Ausdruck; aber auch für diese || die Verstellung muß es ja Evidenz geben.
     Wenn wir auch oft einfach nicht wissen, was wir sagen sollen, so müssen wir doch manchmal einer Meinung zuneigen, manchmal Gewißheit haben.
     Es muß also das Äußere Evidenz sein. || Es muß also doch das Äußere Evidenz sein.

   
     “Voilà comment s'exprime un coeur vraiment épris.” Wie würde so ein Satz gebraucht?
     “So schaut der echte Ausdruck aus.”

   
     Aber so geht es ja wirklich. Unerfahrene oder für diese Dinge Schwachsichtige werden vom Unechten genarrt, Erfahrene nicht. Freilich gibt es bei uns (noch immer) Meinungsverschiedenheiten auch zwischen Erfahrenen. Aber könnte || kann man sich die nicht wegdenken?

   
     So daß z.B. nur Kinder & Idioten || Geistesschwache getäuscht werden. Wie man ihnen auch eine falsche Rechnung vormachen kann.

   
     Du sagst, Du pflegst den Stöhnenden, weil Erfahrung Dich gelehrt hat, daß Du selbst stöhnst wenn Du das & das fühlst. Aber da Du ja doch keinen solchen Schluß ziehst, so können wir ja doch die Begründung durch Analogie weglassen.

   
     Gefragt, warum Du ihm hilfst, wirst Du sagen: “er stöhnt” (nicht oder beinahe nie, Du schließt aus Deiner eigenen Erfahrung … ); oder
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Du wirst sagen, er leide. Aber wie wird dieses Instrument gebraucht?

   
     Es wäre, glaube ich, eine wichtige Abweichung, wenn Leute keine Laut-, sondern nur eine Finger- oder Schreibsprache hätten, daß es nicht ein Substantiv “Tisch” & eines “Schmerz” gäbe.

   
     Leute, bei denen das Wiedererkennen der Person immer mehr oder weniger zweifelhaft ist.

   
12.7.
     Daß man's ‘nicht wissen kann’, & doch weiß, das ist das philosophische Paradox.

   
     “Du weißt es nicht. Ja, Du zweifelst nicht. Du bist sicher, aber Du weißt es nicht!” Und warum nicht? – Weil Du sein Inneres nicht siehst. – Die alte Schwierigkeit: || . Es ist ein Sprachspiel, das sich uns zum Vergleich aufdrängt.
   
14.7.
     Ich glaube es ist eine wichtige & merkwürdige Tatsache, daß ein musikalisches Thema, wenn es in (sehr) verschiedenen Tempi gespielt wird seinen Charakter ändert. Übergang von der Quantität zur Qualität.

   
17.7.
Fühle mich nicht glücklich in Rosro. Bin ohne gute Ideen, arbeite auch schneckenhaft. Dies ist aber nicht aus äußeren Umständen zu erklären, da ich unter schlechteren Umständen besser gearbeitet habe. Es ist jetzt wohl eine Erscheinung des Alterns. Ich kann aber jetzt keine Konsequenzen draus ziehn. Ich glaube, ich muß noch immer warten. Ich bin nicht weise genug um unter den gegenwärtigen Umständen etwas zu entscheiden.
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– Habe mich dafür entschieden Verbesserungen an der Küche hier zu machen. Diese sind kostspielig und es ist ein Wahnsinn, daß ich sie machen lasse, da ich es beinahe sicher unmöglich finden werde hier zu überwintern. Aber ich habe mich dazu entschieden es zu versuchen. Der Mann von dem ich hier ganz abhänge ist unzuverlässig! – Ich bete viel. Aber ob im rechten Geiste weiß ich nicht. – Ohne die Güte von X und Y könnte ich nicht hier leben.


   
19.7.
Arbeite seit drei Tagen besser. Verstehe, was ich geschrieben habe besser.

   
20.7.
Die manuelle Arbeit hier in Rosro macht mich sehr müde. Jetzt mehr als je. Und das ist wahrscheinlich schlecht für mein Arbeiten, aber ich weiß es nicht.

   
     Das Hören der Richtung des Schalls ist ein ungemein wichtiges Beispiel für diese Untersuchung. Es ist zusammenzubringen mit dem ‘Fühlen’ des Ortes der Schmerzempfindung, etc. & mit dem ‘Fühlen’ der Lage & Bewegung der Körperteile.

   
     Auch aus dem Schreiben mit umgekehrten Alphabet könnte man etwas || manches lernen, über willkürliche & unwillkürliche Bewegungen, über den Willensakt.

   
     Ähnlich des Begriffs ‘Tendenz’ & ‘Differentialquotient’.

   
     Daß der & der Satz keinen Sinn hat, ist für die || in der Philosophie von Bedeutung, aber auch, daß er komisch klingt.
   
21.7.
     Kann man das “sich auskennen’ ein Erlebnis nennen? Nein. || Nicht doch. Aber es gibt
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Erlebnisse charakteristisch für den Zustand des Sich-auskennens & des Sich-nicht-auskennens. Sich nicht auskennen & lügen.
   
25.7.
     Die Probleme des Lebens sind an der Oberfläche unlösbar, & nur in der Tiefe zu lösen. In den Dimensionen der Oberfläche sind sie unlösbar.

   
Es scheint, ich bin nicht im Stande Weisheit zu lernen. Ich habe immer dieselben unweisen Gedanken. Ich kann nur für kurze Momente in die Tiefe tauchen und schwimme sonst an der Oberfläche.

   
     Ist “Ich hoffe … ” eine Beschreibung eines Seelenzustandes? Ein Seelenzustand hat eine Dauer. Sage ich also “Ich habe den ganzen Tag gehofft … ”, so ist das so eine || eine solche Beschreibung. Sage ich aber Einem “Ich hoffe Du kommst” – wie wenn er mich fragte: “Wielange hoffst Du es?”? Ist die Antwort: “Ich hoffe während ich es sagte”? || “Von wann bis wann hoffst Du's? || “Du hoffst es? von wann bis wann hoffst Du's? || “Ich habe den ganzen Tag gehofft … ” ist also so eine Beschreibung: …
     Angenommen ich hätte auf diese Frage irgendeine Antwort, wäre sie nicht für den Zweck der Worte “Ich hoffe Du wirst kommen” ganz irrelevant?

   
26.7.
     Ein Schrei ist nicht die Beschreibung eines Seelenzustandes, obwohl man aus ihm auf einen Seelenzustand schließen kann.

   
     Beschreibung ist das wozu ein Aufmerken erforderlich || nötig ist || sein kann || gehört.

   
     Man schreit nicht Hilfe, weil man auf
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seinen Zustand || den eigenen Angstzustand aufmerksam ist. || weil man den Angstzustand seiner Seele beobachtet.


   
     Und ebensowenig ist die Furchtäußerung “ich fürchte mich”, die Wunschäußerung “Ich wünsche” oder die Hoffnungsäußerung “Ich hoffe” eine Beschreibung. Wohl aber sind die Sätze “Ich fürchte ihn jetzt weniger als früher”, “Ich wünsche jeden Tag, er möchte kommen”, “Beschreibungen. ||
Und ebensowenig ist die Äußerung der Furcht “Ich fürchte mich”, des Wunsches “Ich wünsche”, der Hoffnung “ich hoffe”, die Beschreibung eines Seelenzustandes. Wohl aber sind …
|| Und ebensowenig sind die Äußerung der Furcht, “Ich fürchte mich”, des Wunsches “Ich wünsche”, der Hoffnung “Ich hoffe” Beschreibungen von Seelenzuständen. Die Sätze aber “Ich fürchte mich jetzt weniger als früher”, – Ich wünsche seit gestern … , “Ich hoffe täglich immer wieder … ” sind solche Beschreibungen. (Man beschreibt einen Verlauf.)

   
     Zum ‘Beschreiben’ gehört das ‘Aufmerken’.

   
     Und ebensowenig sind die sprachlichen Äußerungen der || von Furcht, des Wunsches der Hoffnung, Beschreibungen von ¤ Seelenzuständen. Wohl aber sind es die Sätze “Ich fürchte ihn jetzt weniger als früher”, “Ich wünsche schon seit langem … ”, “Ich hoffe immer wieder …. (Man beschreibt einen Verlauf.) || sind die Äußerungen in den Formen der Sprache von Furcht, Wunsch, Hoffnung Beschreibungen von Seelenzuständen.

   
27.7.
      ∣ Will ich also sagen, gewisse Tatsachen
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seien gewissen Begriffsbildungen günstig; oder ungünstig? Und ist das eine Erfahrungstatsache? || Und lehrt das die Erfahrung? Es ist Erfahrungstatsache, daß Menschen ihre Begriffe ändern, wechseln, wenn sie neue Tatsachen kennenlernen; wenn dadurch, was ihnen früher wichtig war, unwichtig wird, u.s.w.. (Man findet, z.B.: was früher als Artunterschied galt, sei eigentlich nur ein Gradunterschied) [Zur Betrachtung über den Farbbegriff) u.a.]

   
     Nimm an diese zwei Schmetterlinge, die dort miteinander spielen, hätten nur eine Seele, sind ein Individuum.

   
     Ist er [der Schrei] keine Beschreibung, dann ist es auch nicht der Wortausdruck, der ihn ersetzt. Die Äußerungen von Furcht, Hoffnung, Wunsch, sind keine Beschreibungen. Wohl aber sind das die Sätze …

   
     Zur Beschreibung, Erzählung gehört die Vergangenheitsform.

   
     “Ich habe Schmerzen.” – “Seit wann?” Dagegen: “Ich hoffe Du kommst.” – “Seit wann?”
Vergleiche: ‘Ununterbrochene Hoffnung” & “ununterbrochene Schmerzen”.

   
     “Ich hoffe Du kommst” – “Seit wann?” – Wäre es richtig zu antworten: “Jetzt; in diesem Augenblick”?

   
     “Ich habe jetzt Schmerzen & hatte sie schon den ganzen Tag.” – Dagegen: “Ich hoffe Du kommst, & habe es schon den ganzen Tag getan” – Warum klingt das seltsam?
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     Was ist die Vergangenheit || Vergangenheitsform von “Nicht wahr, Du kommst!”? || “Nicht wahr, Du wirst kommen!”

   
11.8.
     Wenn das Wort “Geige” nicht allein das Instrument sondern auch den Geiger, die Geigenstimme (der Partitur), den Geigenklang, das Geigenspiel bezeichnete ‒ ‒ ‒.

   
     Der verworrene Gebrauch der psychologischen Wörter || Begriffswörter. “Denken” z.B.. Ähnlich wie || . Wenn das Wort “Violine” nicht nur || allein || bloß das Instrument sondern auch manchmal den Geiger, die Geigenstimme, den Geigenklang, das Geigenspiel bezeichnet.
   
20.8.
     Neugeborene Kätzchen sind blind, soll ich sagen: Quallen sind blind? Und sind die Menschen sehend?
     Könnte man || ein Tier nicht einem andern erklären: “Raupen sehen”, Regenwürmer nicht”. Bedenke die Evidenz für so eine Feststellung.
   
23.8.
     Wenn p so q” könnte man eine bedingte Vorhersage nennen. D.h.: für den Fall ~p mache ich keine Vorhersage. Aber darum wird, was ich sage durch ~p . ~q auch nicht wahr gemacht.
     Oder auch so: Es gibt bedingte Vorhersagen, & “p ⊃ q” ist keine solche.
     [Zu Bd. Q S. 14]


   
[Zu Bd.Q, S. 13] Den Satz “Wenn p so q” will ich “S” nennen – S ⌵ ~S ist eine Tautologie: aber ist es auch der Satz vom ausgeschlossenen Dritten? – Oder auch so: Wenn ich
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sagen will, daß die Vorhersage “S” richtig, falsch, oder unentschieden sein kann, wird das durch “~(S ⌵ ~S)” ausgedrückt?

   
∣ In einer Konversation: Einer wirft einen Ball; der Andre weiß nicht: soll er ihm zurückwerfen, oder einem Dritten zuwerfen, oder liegen lassen, oder aufheben & in die ◇◇◇ || Tasche stecken, etc.. ∣

   
25.8.
     Die Verwendung des Wortes “betrachten”, “beobachten”. Und nun des Ausdrucks “sich selbst betrachten”(!)

   
     “Ich fürchte mich!” & “Mir scheint, ich fürchte mich.

   
     A: “Ich fürchte mich vor ihm.” B: “Meinst Du: im allgemeinen, oder gerade jetzt. – A: “Beides.”

   
     “Ich fürchte mich vor ihm” & “Ich pflege mich vor ihm zu fürchten”. Aber auch der Ausdruck “ich pflege” könnte hier mancherlei bedeuten. Es könnte aber eine Sprache geben, in deren Konjugationen von “fürchten” viel mehr Unterschiede als in der unsern || als in den bekannten Sprachen berücksichtigt werden.

   
     Unterschied des Zwecks zwischen der Furchtäußerung “Ich fürchte mich!” & dem Furchtbericht “Ich fürchte mich.”

   
     Kann man erklären: “Wenn Einer die & die || solche Gedanken & sich so & so benimmt (Konglomerat.), dann sagen wir er fürchte sich (erwarte jemand, etc.)”? Aber heißt also “Ich fürchte mich”: ich habe diese Art von Gedanken, benehme mich so & so”? – Furchtbenehmen,
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Furchtgedanken, Furchtempfindungen bilden allerdings ein Konglomerat, aber dies heißt nicht “Furcht”.

   
     “Wissen” kann etwas Ähnliches bedeuten, wie “können” (auswendig wissen), oder aber wie “sicher sein”.

   
     “Ich weiß” kann etwas ähnliches bedeuten wie “ich kann” aber auch etwas ähnliches wie “ich bin sicher”.

   
     Niemand außer ein Philosoph würde sagen “Ich weiß daß ich zwei Hände habe”; wohl aber kann man sagen: “Ich bin nicht im Stande zu bezweifeln, daß ich zwei Hände habe”
     “Wissen” aber wird gewöhnlich nicht in diesen Sinn gebraucht.
   
19.10.48.
     Der große Architekt in einer faden || schlechten Periode (Van der Nüll) hat eine ganz andere Aufgabe als der große Architekt in einer guten Periode. Man darf sich wieder nicht durch das allgemeine Begriffswort täuschen || verführen lassen. Nimm nicht die Vergleichbarkeit, sondern die Unvergleichbarkeit als selbstverständlich hin.

   
22.10.
     Eine Sprache in der es ein Wort “sich fürchteln” gibt, welches bedeutet: sich mit Furchtgedanken quälen. – Und nun könnte man z.B. annehmen, daß dies Zeitwort keine erste Person des Präsens hat. Das Englische “I am …ing”

   
     Wenn ich einem sage “Ich hoffe, Du wirst kommen” ist es weniger dringend, wenn das Hoffen nur 30 Sekunden gedauert hat,
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als wenn es 2 Minuten gedauert hätte?
     “Ich freue mich, daß es Dir gelungen ist!” – “Wie lange freut es Dich?” Eine seltsame Frage. Aber sie könnte Sinn haben. Die Antwort könnte sein: “Immer, wenn ich dran denke” oder “Zuerst hab ich mich nicht darüber gefreut, aber dann doch” oder “Ich denke immer wieder daran & freue mich” oder “Es fällt mir nur für Augenblicke ein, aber dann freue ich mich”, etc.. Man sagt auch “Es ist mir eine dauernde Freude”, oder & “Für einen Augenblick freute ich mich über sein Unglück”.

   
     “Ich ziehe mit dem Läufer” – “Wie lange ziehst Du?”

   
     Als Beispiel der Satzform “Wenn p, so q” bedenke: “Wenn er || Ich verspreche Dir, wenn er kommt, – habe ich damit mein Versprechen gehalten? – habe ich's gebrochen? –
     Kann man aber sagen jener Satz behaupte einen ‘Zusammenhang’? Würde ich auf ihn antworten “Es muß nicht sein”? Es ist nicht, wie wenn der Satz gewesen wäre: “Wenn diese beiden sich treffen, gibt's eine Rauferei.” Hier wäre jene Antwort möglich.

   
     Wie, wenn aber die materielle Implikation behauptet würde (& diesen Fall gibt's!) – kann ich da auf “p ⊃ q” auch antworten “Es muß nicht sein?”? Und was bedeutet das hier?

   
     “Wenn sich die beiden Pole nahekommen, springt ein Funke über” – Was betrachtet man als eine Verifikation des Satzes?
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Die Betrachtung, daß sie sich nie nahekommen? – Läßt sich, was wir hier sagen wollen, mit der materiellen Implikation ausdrücken? Gewiß nicht; aber vielleicht mit der ‘formalen’? Doch ebensowenig. – Was wir aussagen wollen, ist doch eine Art von Naturgesetz; die Art von Beobachtung, die dazu führt, ist leicht genug vorzustellen. Man hat beobachtet, daß immer ein Funke überspringt, wenn sie einander || sich nahekommen. – Ist der Satz vielleicht von der Art “(x).ψx ⊃ φx:(∃x).φx”? Wenn nicht, so muß dieser Satz doch eine Anwendung haben, wenn auch nicht die gleiche.

   
     “Wenn er kommt, werde ich ihm sagen … ” ist ein Vorsatz, ein Versprechen. Wenn es kein falsches Versprechen sein soll, darf es sich nicht auf die Gewißheit stützen, daß er nicht kommen wird. Es ist weder eine materielle noch eine formale Implikation.

   
     Bei einer wissenschaftlichen bedingten Vorhersage könnte man Berechtigung & Richtigkeit unterscheiden. Man konnte sie “berechtigt” nennen, wenn sie aus einer so & so begründeten Theorie folgt, hervorgeht. Wenn also der Vordersatz nicht zutrifft, so kann man dann sagen: wäre er zugetroffen, so wäre … Nicht das aber gibt mir dazu ein Recht, daß der Vordersatz sich nicht bewahrheitet hat.

   
     Ein Satz wie der “Jeder Körper bewegt sich …” (Trägheitsgesetz), muß er in der Form “wenn – so” gefaßt werden? “Wenn etwas ein Körper ist, so bewegt es sich …” – Oder muß es heißen: “Es
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gibt Körper; & wenn etwas ein Körper ist, so …?” (Niemand würde daran denken, es so auszudrücken.)
   
23.10.
     Es ist offenbar, daß man einen Furchtbegriff einfach für || zur Anwendung auf Tiere haben könnte, & daß das Begriffswort ein Zeitwort sein könnte dem die erste Person fehlt. || & daß dem Begriffswort die erste Person fehlen würde.
     Seine dritte Person würde sehr ähnlich der dritten Person von “fürchten” verwendet.

   
24.10.
     Erinnre Dich, daß der Konjunktiv keinen Sinn hat, außer im Konditionalsatz. Wenn Einer sagt “Ich hätte dieses Spiel gewonnen”, wird man fragen: “Wenn –?”

   
      [Zu ‘fürchten’ etc.] Nicht schwerer, als die Begriffe vorurteilsfrei betrachten. Denn das Vorurteil ist ein Verständnis. Und darauf verzichten, wenn uns eben daran so viel liegt, –.

   
     Das Englische “I'm furious” ist kein Resultat || Ausdruck der Selbstbetrachtung. Ähnlich im Deutschen “Ich bin wütend”; aber nicht “Ich bin zornig”. (Entsetzlich wechselt mir der Grimm im Busen …”). Es ist ein Zittern des Grimms.)

   
   
     Man könnte auch sagen: “Ich sage es einfach”. || Man könnte auch mit einem gewissen Recht sagen: “Ich sage es einfach”. Man könnte auch, & nicht mit Unrecht, sagen: “Ich sage es einfach”. Denn dies heißt nur: Kümmre Dich nicht um etwas, was das Reden begleitet.

   
     Kann nun die Äußerung nicht in verschiedenen Zusammenhängen stehen? || in einer Vielheit von Zusammenhängen stehen? die ihr einmal das eine, einmal das anderes Gesicht geben!

   
     Ich sage “Ich fürchte mich … ”, der Andre fragt mich “Was wolltest Du damit? War es wie ein Ausruf; oder hast Du auf Deinen Zustand in den letzten Stunden angespielt; wolltest Du hier einfach eine Mitteilung machen? Kann ich ihm immer eine klare Antwort geben? Kann ich ihm nie eine geben? – Ich werde manchmal sagen müssen: “Ich habe daran gedacht, wie ich den heutigen Tag verbracht habe & gleichsam unwillig meinen Kopf über mich geschüttelt” – manchmal aber: “Es hieß: O Gott! wenn ich mich nur nicht so fürchtete!” – oder: “Es war nur ein Schrei der Furcht” – oder: “Ich wollte, daß Du weißt, wie mir zumute ist.” – Es folgen der Äußerung ja wirklich manchmal solche Explikationen || Erläuterungen. Aber man könnte sie doch nicht immer geben.

   
     Man könnte sich Menschen denken,
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die gleichsam viel bestimmter dächten als wir, & eine Menge verschiedener Wörter gebrauchten || verwendeten, einmal das eine, einmal das andere.

   
Nichts ist doch wichtiger, als die Bildung fiktiver Begriffe || von fiktiven Begriffen, || als die fiktiven Begriffe, die uns die unseren erst verstehen lehren.

   
     “Was ist Furcht?” – Die || Nun die Erscheinungen & Anlässe der Furcht sind diese: ‒ ‒ ‒” || die Anlässe & Erscheinungen sind diese || – “Was bedeutet “sich fürchten?” – “Das Wort ‘sich fürchten’ wird so verwendet: ‒ ‒ ‒”
     “Ist also “Ich fürchte mich ‒ ‒ ‒” eine Beschreibung meines Zustandes?” Es kann in einem solchen Zusammenhang & mit einer solchen Absicht gebraucht werden. Aber wenn ich Einem z.B. einfach meine || eine Befürchtung mitteilen will, so¤ ist es gewiß keine solche Beschreibung.

   
25.10.
     “Ich fürchte mich” kann z.B. einfach zur Erklärung meiner Handlungsweise gesagt werden. Es ist dann weit entfernt ein Stöhnen zu sein, kann sogar lächelnd gesagt werden.

   
[Von S.77 R Man fragt sich “Was bedeutet ‘ich fürchte mich’ eigentlich, worauf ziele ich (damit)?” Und es kommt natürlich keine Antwort, oder eine, die nicht genügt.
     Die Frage ist: “In welcher Art Zusammenhang steht es?”

   
     Es kommt keine Antwort, wenn man die Frage “Worauf ziele ich”, “Was denke ich dabei”, etc. dadurch beantworten will
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daß ich die Worte sage & dabei auf mich achtgebe, aus dem Augenwinkel gleichsam dabei meine Seele beobachte. Ich kann aber allerdings in einem besonderen || wirklichen Fall fragen: “Warum habe ich das gesagt, was wollte ich damit?” & könnte die Frage auch beantworten, aber nicht auf Grund einer Beobachtung von Begleiterscheinungen des Sprechens. Und meine Antwort würde die frühere Äußerung ergänzen, paraphrasieren.

   
     Was ist Furcht? Was heißt “sich fürchten”? Wenn ich's mit einem Zeigen erklären wollte – würde ich die Furcht spielen.

   
     Könnte ich Hoffen auch so darstellen? Kaum. Oder gar Glauben?

   
     “Ich glaube, er wird kommen.”
     “Ich sage mir immer wieder: ‘Er wird kommen’.” Für das zweite könnten Leute ein eigenes Verbum haben.

   
     Meinen Seelenzustand (der Furcht etwa) beschreiben, das tue ich in einem ganz bestimmten Zusammenhang. (Wie eine bestimmte Handlung nur in einem bestimmten Zusammenhang ein Experiment ist.
     Ist es denn so erstaunlich, daß ich den gleichen Ausdruck in verschiedenen Spielen verwende? Und manchmal auch gleichsam zwischen den Spielen?
     “Ich denke || dachte an ihn” & “Ich denke || dachte über ihn nach” bedeutet doch sehr Verschiedenes.

   
     Und rede ich denn immer mit sehr bestimmter Absicht? – Und ist darum, was ich sage, sinnlos?

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     “Now you mention it: I think he'll come”.
     Ich glaube jetzt, Du hast recht: er würde kommen.”
     “Nein. Ich bin davon überzeugt: er wird kommen.” Man kann sich allen solchen Ausdrücken einen Zusammenhang || einen charakteristischen Zusammenhang ausdenken.




   
     Was gehört dazu, daß man einen Seelenzustand beschreibt? – Oder könnte ich fragen: Was gehört dazu, daß man seinen || einen Seelenzustand beschreiben will?

   
     Man könnte auch fragen: “Worauf muß es mir dann ankommen?”

   
     Ich wollte Dir meinen Seelenzustand beschreiben” – etwa im Gegensatz dazu “Ich wollte nur meinen Gefühlen Luft machen”.
     Ich wollte also, daß er weiß ‘wie mir's zumute ist’ (damit hängt oft die || eine Angabe der Dauer des Zustands zusammen). || zumute ist, (In diesem Zusammenhang redet man oft über die Dauer des Zustands.)

   
     Es ist doch etwas anderes: die Furcht ruhig gestehen – & ihr ungehemmten Ausdruck geben. Die Worte können dieselben sein, der Ton & die Gebärden verschieden.

   
     Wenn es in einer Leichenrede heißt “Wir trauern um unsern … ” so soll das doch der Trauer Ausdruck geben; nicht uns etwas mitteilen || den Anwesenden. Aber in anderer Umgebung sind diese Worte eine Mitteilung. In einem Gebet am Grabe könnten sie auch eine Art von Mitteilung sein.

   
     Wir sagen doch nicht unbedingt von Einem er klage, weil er sagt er habe Schmerzen. Also können die Worte “Ich
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habe Schmerzen” eine Klage & auch etwas anderes sein. (Und ähnlich ist es mit dem Ausdruck der Furcht & anderer Gemütsbewegungen.)

   
     Ist aber “Ich fürchte mich” nicht immer etwas einer Klage entsprechendes || ähnliches, warum soll es dann immer eine Beschreibung meines Seelenzustands sein? || Ist aber “Ich fürchte mich” manchmal, & doch nicht immer, etwas dem Klagen ähnliches warum soll es dann immer eine Beschreibung meines Seelenzustands sein? || Ist aber “Ich fürchte mich” nicht immer, & doch manchmal etwas der || einer Klage ähnlich(es) || vergleichbar, warum soll es dann immer eine Beschreibung meines Seelenzustands sein? Was ist denn eine Klage?

   
     Denn wodurch unterscheidet sich die Klage “Ich habe Schmerzen” von der bloßen Mitteilung? Doch durch die Absicht. Und die wird sich vielleicht auch im Ton ausdrücken.

   
     Die Umstände || Zusammenhänge in denen ein Satz steht sind am besten in einem Drama dargestellt, daher das beste Beispiel des Ausdrucks || für den || einen Ausdruck in einer bestimmten Bedeutung ein Zitat aus einem Drama ist || in einem Drama zu finden ist. Und wer fragt die Person im Drama, was sie während des Sprechens erlebt?
   
26.10.
     “Du mußt wissen, – ich fürchte mich.”
     “Du mußt wissen, – mir graut davor.” Ja, man kann es auch in lächelndem Ton sagen.

   
     Und willst Du mir sagen, er spürt das nicht? Wie weiß er's denn sonst? – Aber auch wenn es eine Mitteilung ist, liest er's doch nicht von seinem Innern ab. Er könnte auch dann nicht zum Beweis seiner Aussage seine || die Empfindungen
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anführen || heranziehen || Aber auch wenn es eine Mitteilung ist, erfährt er's nicht von seinen Empfindungen. || wenn es eine Mitteilung ist, so lernt er's nicht von seinen Empfindungen.


   
     Denn denk Dir die Empfindungen hervorgerufen durch die Gebärden des Grauens: die Worte “mir graut davor” sind ja auch so eine Gebärde || so beim Aussprechen, & wenn ich ihre Äußerung || sie höre & fühle daß ich sie ausspreche, entspricht das den || gehört dies zu jenen übrigen Empfindungen. Warum soll denn die ungesprochene Gebärde die gesprochene motivieren || begründen?

   
[Zu Ts. S. 652] Wir lernen das Wort “denken” gebrauchen unter bestimmten Umständen.
     Sind die Umstände andere, so wissen wir's nicht zu gebrauchen. – Darum müssen wir aber jene Umstände nicht beschreiben können.

   
     “Wenn die Menschen in ihren Farbaussagen stark auseinandergingen, könnten sie unsern Farbbegriff nicht verwenden.” – Wenn die Menschen in ihren Farbaussagen stark auseinander gingen, dann würden sie, eben dadurch, unsern Farbbegriff nicht verwenden.
     Sie würden nicht unser Sprachspiel spielen: Denn bedenk doch, wie man das ihre & das unsre zu vergleichen hätte!



   
     Wenn ich also Einen sagen höre “Ich fürchte mich”, wie kann ich erfahren ob dies die ‘Beschreibung eines Seelenzustands oder was sonst ist? Soll ich ihr fragen, & wird er die Frage gewiß verstehen? – Aber er könnte sie doch beantworten. Wie? Z.B. so: “Nein; ich habe mir nur Luft gemacht”, oder “Ja; ich
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will, daß Du weißt, wie ich mich fühle.”
     Aber so eine Frage wird man doch so gut wie nie stellen. Ist es nicht, weil der Ton & der Zusammenhang uns die Antwort geben müssen? Denn aus diesen wird man ersehen, ob er sich etwa über seine eigene Furcht lustig macht; ob er sie, sozusagen, in sich entdeckt; ob er sie mir unwillig aber um der Offenheit willen || wegen, gesteht; ob er sie wie einen Schrei äußert, etc. – Und unterrichten mich die Worte, wie immer sie geäußert sind, nicht über denselben Sachverhalt, nämlich seinen Seelenzustand?

   
     Hat denn der Satz “Napoleon wurde im Jahr 1804 gekrönt” einen andern Sinn, jenachdem ich ihn Einem zur Information sage; oder in der Geschichtsprüfung um zu zeigen, was ich weiß; oder etc. etc.? Um ihn zu verstehen müssen mir doch für alle diese Zwecke die Bedeutungen seiner Wörter auf die gleiche Art gelehrt || erklärt werden. Und wenn also die Bedeutung der Wörter & ihre Zusammenstellung den Sinn des Satzes ausmachen, ‒ ‒ ‒.

   
     Das Problem ist doch dies: Der Schrei, den man keine Beschreibung nennen kann, der primitiver ist als jede Beschreibung, tut gleichwohl den Dienst einer Beschreibung des Seelenzustands

   
27.10.
     Wer schreien kann, der kann damit noch nicht einem etwas im Gespräch mitteilen.

   
     Ich höre, wie || daß Einer sagt || Ich höre || überhöre die Worteich fürchte mich”; || . Ich frage “Hast Du das zu jemand: “In welchem Zusammenhang hast Du das gesagt? War es ein Stoßseufzer, war es ein
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Geständnis, war es Selbstbeobachtung, …?”

   
     Will, wer “Hilfe!” ruft eine beschreiben, wie's ihm zumute ist? || eine Beschreibung geben wie's ihm zumute ist?
     Nichts ist ihm ferner, als etwas zu beschreiben.

   
     Aber es gibt Übergänge von dem, was wir nicht Beschreibung nennen würden, zu dem, was wir Beschreibung nennen würden.

   
     Das Wort “Beschreibung des Seelenzustandes” charakterisiert ein gewisses Spiel. Und wenn ich bloß die Worte “Ich fürchte mich” höre so mag ich zwar erraten, welches Spiel hier gespielt wird (aus dem Ton etwa), aber ich werde es erst wissen, wenn ich den Zusammenhang kenne.

   
     Denn zu dem, was wir “beschreiben” nennen gehört eines oder das andere einer gewissen) Klasse von Merkmalen. Die beobachtende, überlegende Stellungnahme || Das beobachtende, überlegende, erinnernde Verhalten, (ein) Trachten nach Genauigkeit, die Fähigkeit des Verbesserns || sich zu verbessern, das Vergleichen.
     Ein Schrei ist keine Beschreibung. Aber es gibt Übergänge. Und die Worte “Ich fürchte mich” können näher & weiter (entfernt) von einem Schrei sein. Sie können ihm ganz nahe liegen & ganz weit von ihm entfernt sein.

   
      ∣ “Denken ist schwer.” (Ward) Was heißt das eigentlich? Warum ist es schwer? – Es ist beinahe ähnlich, als sagte man “Schauen ist schwer”. Denn angestrengtes Schauen ist schwer. Und man kann angestrengt schauen & doch nichts sehen, oder immer
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wieder etwas zu sehen glauben, & doch nicht klar || deutlich sehen können. Man kann müde werden vom Schauen, auch wenn man nichts sieht. ∣

   
[Zu Ts. S. 653 Wenn ein feines Aufhorchen mir zeigt, daß ich in jenem Spiel das Wort “weiche” bald so, bald so erlebe, – zeigt es mir nicht auch, daß ich, im Zusammenhang eines ganzen Satzes, den ich verstehe & in irgend einem Sinne erlebe, jenes Wort selbst gar nicht erleben? muß? || oft gar nicht erlebe

   
     “Mir stand die Bedeutung des Wortes vor der Seele” – Wird man denn das sagen, wenn das Wort im unzweideutigen Zusammenhang vorkam || steht? || vorkommt?

   
      ∣ Eine Schrift || Notation in der das durchgestrichene Wort, der durchgestrichene Satz ein Zeichen ist. ∣

   
     Du versicherst doch, das Wort, wie || als Du es jetzt ausgesprochen hast, so ‘gemeint’ erlebt zu haben: dann sag doch auch mit dem gleichen feinen Gefühl, ob Du jenes || dieses Wort || es im rechten Zusammenhang, in diesem Sinne, so meinst. Denn daß Du's in anderm Sinne so & nicht so meinst, intendierst, später wohl auch erklärst, ist ja klar. || wissen wir.

   
     Aber es bleibt dann || nun die Frage, warum wir bei dem Spiel des Meinens darum || auch von einem ‘meinen’ reden. – Das ist eine Frage anderer Art. Es ist eben die Erscheinung des Spiels daß wir hier in einem nur endlichen Sinn von einem ‘Meinen’ reden. || daß wir in dieser das Wort “Meinen” gebrauchen. || Aber es bleibt nun doch die Frage, warum wir bei jenem Spiel des Meinens || Worterlebens dann von || auch von einem ‘Meinen || Bedeuten reden. [Fortsetzung unbestimmt.]
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28.10.
Ist es als stellte man in einem Buch über reine Mathematik eine Frage der Physik als die die du stellen wolltest? Ist es denn ein Mißverständnis?
     Ich verwende ja nun das Wort nicht für etwas anderes; sondern in einer andern Situation. [Wie ich auch nicht zweierlei mit dem Worte “Wissen” bezeichne, wenn ich sage “Ich wußte im Traum. Vgl. Gefühl der Unwirklichkeit.] Wird mir denn die Technik seiner Anwendung hier anders beigebracht? || Sollte mir denn die Technik seiner Anwendung hier anders beigebracht werden?

   
     Ich || Denke, ich höre ein Beethoven'sches Werk & sage “Beethoven!” – Hat das Wort hier eine andere Bedeutung, als in dem Satz “Beethoven wurde im Jahre 1770 zu Bonn geboren”? (Wer den Ton jenes || des Ausrufs nicht verstünde, könnte man ihn etwa erklären: “So schreibt || spricht nur Beethoven”.)

   
     Wäre es richtiger zu sagen dem e ‘entspreche’ gelb, als “e ist gelb”? ist es nicht eben der Witz des Spiels, daß wir sagen e sei gelb, || daß wir uns dahin äußern, e sei gelb?
     Ja, wenn es Einen gäbe, der geneigt ist zu sagen, dem eentspreche’ gelb & nicht, es sei gelb, wäre der nicht vom Andern beinahe so verschieden, wie Einer, für den Vokale & Farben nicht zusammenhängen? Und ähnlich für das Erleben der Bedeutung.

   
     Wenn ich beim Lernen des Wortes “Bank”, & um mir seine doppelte Bedeutung || Erlernen der Sprache & um mir die doppelte Bedeutung des Wortes einzuprägen, abwechselnd auf das || ein Bild der Sitzbank & der Geldbank schaute & immer sagte “Bank”, oder “das ist eine Bank”, – fände hier das ‘Bedeutungserlebnis’ statt? Da gewiß nicht, möchte ich sagen. Wenn es mir aber z.B. im Ton der Aussprache zu liegen schiene, daß ich das eine, oder andere meine, – dann schon.
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[Zum letzten Satz auf S. 82 v.] Es ist ja nicht, als würden da zwei Dinge hartnäckig mit demselben Wort bezeichnet, & man fragte warum tut man das, wenn sie wirklich verschieden sind? – Der neue Gebrauch besteht ja gerade darin, daß der alte Ausdruck in einer neuen Situation verwendet wird; nicht zur Bezeichnung für etwas neues. || andres.

   
     Das Erlebnis des ‘treffenden Worts’. Ist dies dasselbe, wie das Erleben des ‘Meinens’?

   
     “Warum nennt man dies im Traum ein ‘Wissen’?” – Man nennt ja nichts im Traum ein Wissen, sondern sagt “ich wußte im Traume …”
     Warum nennt man dies “meinen” & “bedeuten”, wenn es sich nicht um meinen & bedeuten handelt? – Was nenne ich denn im Spiel ein ‘Meinen’ (oder ‘Bedeuten’): ich sage “ich habe mit dem Wort jetzt … gemeint”.

   
Ich kann also nicht sagen: Ich benenne eben zwei verwandte Dinge mit demselben Wort. (Denn sonst wäre ja das Problem nie entstanden.)

   
     Aber was nennen ich denn so? – Ein Erlebnis? Und welches Erlebnis?
     Kann ich's denn anders beschreiben, als eben durch den || seinen Ausdruck: ich ‘meine’ jetzt dieses Wort so? || ich ‘meine’ das Wort jetzt so?

   
     “Warum reden wir bei jenem || diesem Spiel auch von einem ‘Meinen’?” – Wonach frage ich? Nach einem Grund, ? Gewiß nicht nach einer Ursache? – Gewiß nicht nach
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einem Grund || einer Überlegung, die mich bestimmt, so zu reden; noch nach einer Rechtfertigung; denn um nichts solches handelt sich's hier || es sich.

   
29.10.
[Zum obersten Satz S. 82 r.] Nenn es einen Traum!

   
     Aber es bleibt dann die Frage warum verwendet Einer im Spiel des ‘Meinens’ auch das Wort “Meinen”? || Spiel des ‘Meinens’ dasselbe Wort? Kann er denn ein anderes verwenden? Verwendet er denn dasselbe Wort für: etwas Anderes? Könnte er eine andere Erklärung davon geben?

   
     Nenn es einen Traum. Es ändert nichts.

   
30.10.
“Schubert” – Es ist, als ob der Name ein Eigenschaftswort wäre.
[Zu Ts. S. 667 unten] Man kann ja auch nicht sagen: “Sieh, was alles ‘paßt’. Es paßt auch z.B. der Name zum Träger.” [Von Ts. S. 667 v.] Ein Anbau wäre ja doch eine Erweiterung & eine Erweiterung ist hier ja || ja hier gerade nicht. Denn man nennt ja nicht ein ‘Zusammenpassen’, was eigentlich kein Zusammenpassen ist. Als dehnte man nur diesen Begriff aus. Sondern wir sehen hier gleichsam eine Täuschung, eine Spiegelung || Sondern es liegt hier gleichsam eine Täuschung vor, eine Spiegelung. Wir glauben zu sehen, was nicht da ist. Aber es ist nur gleichsam so. – Wir wissen sehr wohl, daß der Name “Schubert” zu seinem Träger & zu Schuberts Werken in keiner Beziehung des Passens steht; & doch sind wir unter einem Zwang, uns so auszudrücken.

   
     Man sieht etwas unter dem Bild, unter dem Begriff, des Passens.
     Ich kann doch Eins als Variation eines Andern ansehen || sehen. Und nun könnte
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im äußersten || extremen Fall doch das was ich als Variation sehe mit dem, als dessen Variation ich's sehe, gar keine Ähnlichkeit mehr haben. – Sagen wir's so: Erst ist diese Figur eine einfache Projektion jener. Dann krümmen sich die Projektionsstrahlen etwas; aber es ist für mich doch noch eine Projektion. Endlich verbiegen sie sich bis zur Unkenntlichkeit, aber für mich ist das noch immer eine || die Projektion || aber ich sehe noch immer eine Projektion. || Endlich verbiegen sie sich ganz; aber ich sehe noch immer eine Projektion. (Wie Manche im Alten immer noch den Jungen sehen, im völlig veränderten Menschen immer noch den frühern.) || (Wie Manche einen Alten || alten Menschen noch immer als den jungen sehen, den völlig veränderten (Menschen) noch immer als den frühern.)
     Es ist vielleicht seltsam den Fall des Personennamens damit in Zusammenhang zu bringen. Aber man kann einen Zusammenhang machen: || . Nämlich den: Man sehe eben den Personennamen als Bildnis.

   
     Nehmen wir an, ich sehe ein Quadrat || Dreieck als Dreieck || Quadrat, indem ich es || jenes || es als das Ende einer || dieser Art von Veränderung sehe: – Dann gehört die Art des Variierens zum gesehenen Aspekt. Aber so etwas liegt ja eben nicht vor, wenn uns der Name das Bildnis des Trägers zu sein scheint.

   
     Ich sage etwas (z.B. “Der Name ‘Schubert’ paßt doch vollkommen zum Schubert”) – es heißt nichts. [Fortsetzung verloren]

   
Der Satz “Der Name … paßt auf … ” ist, wie wir ihn gebrauchen, keine Mitteilung über den Namen, oder seinen Träger. Er ist eine pathologische Mitteilung über den Mitteilenden. – Man lehrt ein Kind nicht, daß dieser Name
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auf den Menschen paßt. || Der Name … paßt auf … ” ist, wie ich diese Worte gebrauche, keine Mitteilung über den Namen oder seinen Träger. Man lehrt ein Kind auch nicht, daß dieser Name auf den Menschen paßt. – Es ist eine pathologische Mitteilung über den Mitteilenden.


   
31.10.
     Einer winkt (mir) mit der Hand. “Was wolltest Du?” – “Ich wollte, daß Du kommst.”
     Das ist die Absicht zur Zeit des Wirkens.
     Das Zeichen war der Ursprung einer Bewegung. War es also nicht auch der Ursprung der Erklärung? Konnte nun diese Erklärung selber lauten: “Das Winken mit der Hand war der Ursprung der Erklärung, die ich Dir jetzt gebe: “Komm zu mir”?

   
2.11.
     Man konnte hier nicht sagen “Er [der Name] paßt nicht geradezu”, oder “Er scheint nicht geradezu zu passen”.

   
     Es ist nicht, als ob “passen” nicht ganz das rechte Wort wäre.
     Man könnte allerdings auch andere Wörter gebrauchen; z.B. “Es ist eine Verwandtschaft da”.


     “Das, was immer assoziiert ist, hält man leicht für verwandt. Ist das der richtige Ausdruck? Nicht ganz. || Nein. Aber es ist, als wären sie verwandt.
   
     Es ist nicht so: “Ich halte sie für verwandt, obwohl sie's nicht sind” – denn ich brauche, gleichsam, nur aufzuwachen, um zu wissen, daß sie's nicht sind. Aber ich sehe sie unter dem Bild der Verwandtschaft.
     Ich gebrauche das Wort, das Bild. –
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     Man kann freilich erklären: Zusammenpassen & Assoziation || enge Verbindung || enges Verbundensein im Gebrauch gehen oft zusammen; & daher jene Täuschung (wenn man es Täuschung nennen soll.)

   
     Ich denke mir eine physiologische Erklärung des seltsamen Phänomens ist gefunden || gegeben worden. Man sieht jetzt, wie die Täuschung zu Stande kam. Es geht nämlich dann im Gehirn manchmal das vor, was auch vorgeht, wenn … Freudige Aufregung: Jetzt verstehen wir, warum man immer sagte …! Und wenn nun die Erklärung gegeben, das Rätsel gelöst ist || wenn sich der Staub verzogen hat, – wo bleiben wir dann? || , – in welcher Lage sind wir? || , – in welcher Lage läßt uns die Lösung || das zurück? Sie || Es hat nur eine Frage weggeräumt, die uns nicht interessiert (hat) sie || es läßt uns mit der Tatsache zurück, daß wir jenes Bild || jenen Ausdruck, jenes Bild gebrauchen, gebrauchen möchten, wo die normale Veranlassung fehlt.

   

[Von S. 82 v unten] Aber es bleibt dann die Frage, warum wir bei jenem Spiel des Meinens auch von einem ‘Meinen’ reden.
     Die Frage gehört (gar) nicht her. || Das ist eine Frage, die nicht hierher gehört. Wir gebrauchen (hier) das || dies Wort, || : weil es diese || jene Bedeutung hat || trägt. Kein anderes, keine andere Bedeutung täte es für uns. Es ist die Tatsache hinzunehmen.
   
3.11.
     Aber wird nun das Wort in zwei Bedeutungen gebraucht? Nein. (Sonst wären wir ja eine Erklärung schuldig.) Lehrt man den Gebrauch auf zwei verschiedene Arten?
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Aber hat für uns eine Erklärung des seltsamen Phänomens nicht doch Interesse?
     Denk an andere verwandte Phänomene, & was eine || ihre Erklärung leistet. Ja, es ist freilich interessant zu verstehen warum ich mir auf diesem Spaziergang einbilde || auf diesem Spaziergang unter dem Eindruck stehe, die Stadt müsse dort liegen; obwohl eine einfaches Raisonnement || einfache Überlegung mich vom Gegenteil || davon überzeugen kann daß es nicht so ist. Ich will nun annehmen, ich wisse, wie die Täuschung zustande kann: Ich sagte mir, wir gehen an der Peripherie der Stadt spazieren. Ich zog irgendwelche falsche Schlüsse aus Ähnlichkeiten der Gegend mit einer andern Gegend, & dergl. – Aber ich hatte ja den falschen Schluß nicht ausdrücklich gezogen, & es ist auch nicht erklärt, warum jene Ähnlichkeiten mich zu diesem vorschnellen Schluß verleitet haben. Die Erklärung läßt die Seltsamkeit bestehen. Ebenso für das Phänomen Laute farbig zu sehen, etc.)

   
     Wenn Einer auf || auf die Frage “Wird er || N. wiederkommen?immer || wieder & wieder antwortet, “Er || N. wird wiederkommen” || immer wieder bejahend antwortet, kann man das so ausdrücken, || : er sei in einem Zustand des Dafürhaltens. Aber niemand wird sagen daß er in der Antwort N wird wieder kommen” von seinem eigenen Zustand redet. sagen, daß die Antwort “N wird wiederkommen” über den Zustand des Gefragten beschreibt.

   
     Wenn “Ich glaube p” aussagt, ich sei in einem bestimmten Zustand, so auch die Behauptung “rp”. || , denn auch die Behauptung “p”.
     Denn die Anwesenheit des Wortes || der WorteIch glaube” kann's nicht machen, kann
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es höchstens andeuten.

   
     Sprache, in der “Ich glaube, daß p” nur durch den Tonfall der Behauptung “p” ausgedrückt wird. Statt “er glaubt … ” sagt man || heißt es dort “Er ist geneigt zu sagen … ” & es gibt auch die Annahme “Angenommen, ich sei geneigt, zu sagen … ”, aber nicht eine Äußerung “Ich bin geneigt, zu sagen …”.

   
     Anomalien gibt es ja auch sonst. Man sagt “Es wird vielleicht regnen”, aber nicht “Angenommen, es werde vielleicht regnen, …”

   
     Moore's Paradox gäbe es in jener Sprache nicht; stattdessen gäbe es ein Verbum, das keine erste Person des Präsens hat.

   
     Das aber sollte uns nicht überraschen. Denk daran, daß man die eigene künftige Handlung in der Äußerung der Absicht vorhersagen kann.

   
     Denk an den Ausdruck “Ich sage, …” (z.B. “Ich sage, es wird heute regnen”), welches einfach der Behauptung “Es wird heute … ” gleichkommt.” Er sagt, es wird … ” heißt beiläufig “Er glaubt es wird …”. “Angenommen, ich sage … ” heißt nicht “Angenommen, es werde heute …”.

   
     Verschiedene Begriffe berühren sich hier & laufen ein Stück Wegs miteinander. Man muß aber || eben nicht glauben, daß die Linien alle Kreise sind || seien.


   
      ∣ Wer etwas einer Deutung gemäß
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sieht, erlebt deswegen nicht eine Deutung. ∣

   
      ∣ Jeder der angestrengt denkt, weiß, wie Notizen, weder || oder Bilder, die einem Andern nichts sagen würden, & die man auch selbst nicht zu erklären weiß, für Gedanken, oder einzelne Züge || Charakterzüge von Gedanken || eines Gedankens stehen können. (Die Notation des Kunstrechners.) || Züge von || Wesenszüge von Gedanken für uns repräsentieren. || erklären weiß, für uns Gedanken, oder einzelne Charakterzüge von Gedanken vorstellen können. ∣ [Noch nicht recht gelungen.] Für einen Gedanken, oder einzelne Züge des Gedankens stehen können.

   

[Zu Ts. S. 670] “Hast Du wie Du das Wort sagtest das gemeint?” – “Nein, ich hatte eigentlich an … gedacht.” – Ist || War das ein Erlebnis? Nein. Ein solches hätte || wäre nur zur Erforschung der unbewußten Absicht von Interesse.

   
     D.h.: Wenn ich z.B. erführe, er habe beim Aussprechen des Wortes das & das vor sich gesehen, so wäre es möglich daß ich daraus einen Schluß auf etwas || eine Tendenz in seinem Unbewußten zöge || ‒ ‒ ‒ Was || was ihm vorschwebte war nicht seine Absicht bei dem Worte. || seine Absicht beim Aussprechen des Worts, sein Gedanke bei dem Wort.

   
   
     “Diese Pflanze wächst aus dem Keim, nicht jene Pflanze.” Denk Dir, man würde sich in einer Sprache wirklich so ausdrücken!

   
     Aber was || welches ist der Keim? – Das Erlebnis zur Zeit des Sprechens. (Also z.B. || etwa die || eine Vorstellung – wie sie ja freilich oft vorhanden ist.) Aber sie || es ist doch nicht, seiner Natur nach, der Keim. Noch wird etwas durch die spätere Entwicklung zum Keim. So bleibt also nur, daß sich das Bild vom Keim uns aufdrängt. (Ganz natürlich denn wir wollen im Erlebnis das wichtige sehen.) || das sehen, wovon wir eigentlich reden.) || im Erlebnis den Kern der Sache sehen.)

   
[Schwatzhaft] Die Frage, die uns interessieren muß, ist also: Wozu dient der Bezug auf den Zeitpunkt des Redens? Was teilt er Einem mit?

   
     “Ich dachte mir, daß || wußte, daß Du dabei an ihn denken würdest.” Es lag nicht in dem Bild, das er vor sich sah (das war nicht genau zu erkennen), noch am Namen, der ihm ein den er sich vorsagte (der konnte auch einem Andern gehören). Es war die Kette von Deutungen, von Erklärungen.
     Denn wenn er sagte “Ich dachte dabei an … ”, “Ich meinte damit … ”, so knüpft er ja dadurch an jenen Zeitpunkt an.
     (Er erinnert sich also nicht z.B. eines Vorstellungsbildes, welches || das ihm vorschwebte || er vor sich sah & nun zeigt es ihm, daß er an … gedacht hat.)

   
     Er liest es nicht vom Vorstellungsbild ab, woran er gedacht hat.

   
     Er sagte etwas & ich mußte dabei an N. denken. Wann fiel mir N. ein? In welchem Augenblick, bei welchem seiner Worte? – Wenn
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ich weiß, bei welchem, – was geschah mir bei diesem Wort?
     Die Gedanken nahmen von dem Wort ihren Ausgang. Da fing die Kette an. Was aber macht sie zur Kette? Daß ich es sage?

   
     “Ich habe bemerkt, daß Du bei diesem Wort nachdenklich geworden bist.”

   
     “Wie ich dies Wort hörte, fiel er mir ein.” Was ist die praktische Bedeutung dieses Zeitpunkts? – Denn ich will einmal sagen: Es kam || kommt mir vor, als fiele er mir bei diesem Wort ein,” – so macht das Subjektive daran ja keinen Unterschied. Die Frage ist dann noch immer dieselbe: “Welche Folgen hat so eine || diese Mitteilung?”

   
4.11.
     “Ich habe bei diesem Wort an ihn gedacht.” Wo liegt das Interesse dieser Mitteilung? Was ist die primitive Reaktion, die solchen Worten entspricht?

   
     “A propos …”
     Wie bist Du plötzlich auf ihn gekommen?” – Du sagtest … & das hat mich an ihn erinnert.”

   
     Wann sagt man, ich schreibe an diesen Menschen. Wie zeigt es sich? Wie weiß ich's selbst?! – Schreibe ich an ihn, während ich schreibe?

   
     Es wäre beinahe seltsam, zu sagen: “Ich dachte an ihn, während ich an ihn schrieb.”

   
     “Wir haben gerade von ihm geredet”, von diesem Menschen, auf den ich jetzt zeige. Wie hing die Rede mit ihm zusammen? Machte ich nicht, gerade durch diese Worte den Zusammenhang mit ihm?
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     “Ich wußte, von wem ihr geredet habt.” – Wie wußte ich's? || konnte ich es wissen? Und was war das für ein Seelenzustand, das Wissen, daß von diesem Menschen die Rede ist’?

   
     Von wem habt ihr gesprochen?” – “Vom N.” ‒ ‒ “Von meinem Freund N.” – “Von dem Menschen auf dieser Photographie.” – “Von dem, der jetzt zur Tür hereinkommt.”

   
     Gott, wenn er in unsre Seelen gesehen || geblickt hätte, hätte dort nicht sehen können, von wem wir sprachen.

   
Scheue dich nicht Kindereien || kindische Gedanken aufzuschreiben, wenn das die Gedanken sind, die Du denken mußt. – Bist du nicht über diese Gedanken hinaus, so magst du es nur ruhig zugeben.

   
      ∣ Wenn man einen Knäuel nicht entwirren kann || Du einen Knäuel nicht entwirren kannst, so ist das Gescheiteste, was man tun kann || Du tun kannst, das einzusehen; & das Anständigste, es zuzugestehen. [Antisemitismus.]
     Was man tun soll, das Übel zu heilen, ist nicht klar; was || klar. Was man nicht tun darf, ist von Fall zu Fall klar.|

   
In der Philosophie muß man unterscheiden zwischen (den) Sätzen, die die Neigung ausdrücken, & denen, die die Lösung geben. || zwischen Sätzen, die unsre Denkneigung ausdrücken, & denen, die das Problem lösen.

   
      ∣ Die unheilbare Krankheit ist die Regel, nicht die Ausnahme. |//

   
     Du beziehst Dich mit dieser Äußerung auf den Zeitpunkt des Redens || Sprechens.
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Es macht hier einen Unterschied, ob Du Dich auf diesen, oder auf jenen Zeitpunkt beziehst.
     (Die Worterklärung || Definition aber bezieht sich auf keinen Zeitpunkt.)

   
      ∣ Es ist merkwürdig, daß man die Zeichnungen von Busch oft ‘metaphysisch’ nennen kann. So gibt es also eine Zeichenweise, die metaphysisch ist. – “Gesehen, mit dem Ewigen als Hintergrund” könnte man sagen. Aber doch bedeuten diese Striche das nur in einer ganzen Sprache. Und es ist eine Sprache ohne Grammatik, man könnte ihre Regeln nicht angeben. ∣

   
     Wie fängt man an, das zu sagen? (Worin liegt die Wichtigkeit dieser Frage?)

   
     “Warum hast Du mich bei diesem Wort angeschaut; hast Du an … gedacht?”
     Es gibt also eine Reaktion in diesem Zeitpunkt, die man daher durch die Worte “Ich dachte an … ”. erklärt. || man erklärt sie durch die Worte “Ich dachte an … ”. || die erklärt wird durch “Ich dachte an … ” erklärt die Reaktion.

   
5.11.
     “Wir haben bei diesem Wort Beide an ihn gedacht.”
     Nehmen wir an, jeder von uns hätte dabei die gleichen Worte zu sich selbst gesagt – & mehr kann es doch nicht heißen.
     Aber wären eben diese Worte nicht auch nur ein Keim? Sie müssen doch zu einer Sprache gehören & zu einem Zusammenhang, um wirklich der Ausdruck des Gedankens an ihn zu sein.

   
     Es kommt doch vor daß ein laut gesprochenes Wort in der Mitte eines nicht ausgesprochenen Gedankenganges steht.
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Und dies könnte man doch melden. So wie man überhaupt melden kann, ich habe mir || man habe sich zu dieser Zeit das & das überlegt. || das & das im Stillen überlegt. Was immer das Interesse dieser Meldung ist, muß es auch jener Meldung sein; & also auch: man habe bei dem Wort … an … gedacht.

   
     “Ich habe damals gedacht: ob er wohl kommen werde –.”
     “Du hast so zweifelhaft dreingeschaut; was hast Du gedacht?” – “Ich habe gedacht: ob er wohl kommen wird –”. ‒ ‒ ‒ “Hast Du Dir dabei diese, oder ähnliche Worte im Geist gesagt?” – “Nein. Ich habe dabei seltsamerweise an Piccolomini gedacht, an die Scene, in der …”.

   
     Das Reden in der Vorstellung ist in wichtiger Weise nicht mit dem Reden zu vergleichen, aber unsre Sprachspiele mit den beiden sind ähnlich. (Das Tennis mit Ball & das Tennis ohne Ball.) Und auch irgend ein Vorstellungsbild spielt in ihnen die Rolle eines wirklichen Bildes das ja auch im Zusammenhang von Sätzen & Erklärungen stehen kann.

   
     D.h.: Unser Sprachspiel bezieht sich auf ein || behandelt ein Vorstellungsbild ungefähr so, wie auf einen laut ausgesprochenen Satz. Denn dieses ist auch nur eine Lautreihe & bezieht sich auch ohne weiteres, noch auf gar nichts.

   
     Es wäre nun die Frage: Wenn ein Wort in einem bestimmten Zusammenhang steht, so kann ich dennoch dabei im
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Gedanken einen anderen Zusammenhang machen, – – tu ich das nun nicht, geschieht nichts Abnormales, – geht dann mein Denken meiner Rede entlang?

   
     Karl der Große hat im Alter vergebens versucht Schreiben zu lernen: & so kann Einer auch vergebens trachten eine Gedankenbewegung zu lernen || erlernen. Sie wird ihm nie geläufig. ∣

   
     Wenn mein Denken einmal vom Weg der Rede abweicht, geht es im normalen Fall den Weg entlang.

   
     Wenn alles seinen normalen Gang geht, denkt niemand an etwas || das, was die Rede begleitet. || an den innern Vorgang, der die Rede begleitet.

   
6.11.
     Philosophie ist nicht Beschreibung des Sprachgebrauchs, & doch kann man sie durch ständiges Aufmerken auf alle Äußerungen || Lebensäußerungen der Sprache lernen. || durch's beständige Aufmerken auf alle Äußerungen || Lebensäußerungen der Sprache lernen.

   
     Wissen, Glauben, Hoffen, Fürchten (u.a.) sind lauter so verschiedenartige Begriffe || sind so sehr verschiedenartige Begriffe, daß eine Klassifikation, ein Einordnen in Fächer || verschiedene Laden, für uns keinen Nutzen hat. Wir wollen aber die Verschiedenheiten & Ähnlichkeiten unter ihnen erkennen.

   
     Vergleiche: “Ich glaube als Du vom ‘N.’ N. sprachst, Du || Als Du vom N. sprachst, glaubte ich, Du meintest den … ” & “Als Du vom N. sprachst, wußte ich, daß Du den … meintest.”
     Gehört zum Zweiten ein bestimmtes Erlebnis? Und warum also zum Ersten?


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     Der Ausdruck: “Mir ist … durch den Kopf gegangen.”
     “Beim Lesen ging mir unser geistiges Gespräch durch den Kopf.” Geht mir beim aufmerksamen Lesen auch das, was ich lese, durch den Kopf?

   
     “Nein, als ich ‘Bank sagte, ging mir zuerst unsere Gartenbank für einen Augenblick durch || für einen Augenblick unsre Gartenbank durch den Kopf.” – Würde ich auch sagen, es sei || wäre mir die Geldbank || Kreditbank ‘durch den Kopf gegangen’, wenn sich alles ganz normal abgespielt hätte?

   
     Stell Dir vor, jemand würde, sobald || wenn er || sowie er eine Äußerung getan hat, uns immer von seinen || den innern seelischen Vorgängen, die sich dabei abspielten, || mit ihr einhergingen, unterhalten. Würde uns das unter allen Umständen interessieren? || Stell Dir vor jemand würde, sowie er eine Äußerung tut, uns (immer) von dem, was sich in seinem Geist dabei abgespielt hat, unterhalten. (Es ist eine Gewohnheit.) Würde uns das unter allen Umständen interessieren?

   
     “Ich meine, als ich ‘Bank’ sagte, natürlich die Bank, auf die Du gehen || in der Du Geld wechseln sollst.” Mußte ein Bedeutungserlebnis das Wort begleiten? (Unsinn!) – Warum aber dann, wenn ich – gegen den Zusammenhang – an unsre Gartenbank dabei dachte?

   
     “Ich habe mich heute schon dreimal daran erinnert, daß ich an N. || ihn schreiben muß.” Welche Wichtigkeit hat, was dabei geschah?! – Aber anderseits, welche Wichtigkeit, welches Interesse hat der Bericht selbst?
     Er läßt gewisse Schlüsse zu.

   
     “Es war mir nicht ganz entfallen; ich
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hab mich heute dreimal daran erinnert.” – “Ja, ich weiß, || : Du bist einmal beim Wort … zusammengefahren.” || zusammengezuckt, wie ich von … sprach”. – Sein Geisteszustand wird beleuchtet, & es hat || , er hat gewisse Folgen. Andere z.B. als wenn mir durch die Worte berichtet wird: || der Sachverhalt: “Es war mir gänzlich entfallen; ich || , ich habe nie || nicht mehr dran gedacht.”

   
7.11.
     Ich bin bei dem Wort in dieser Richtung gegangen. (Es ist also, als ob man die Tangente an eine Kurve in diesem Punkte angäbe.)
     Aber das ist wieder nur ein Bild. (Es ist, als ob || Wie wenn man das Tennis ohne Ball durch das Tennis mit Ball beschreibt.)

   
     Das Sprachspiel “Ich meine (oder meinte) das” (nachträgliche Worterklärung) ist ein ganz anderes als das || Sprachspiel ich dachte dabei an … ” Dies ist verwandt mit: “Es erinnerte mich an … ”.

   
     Hier ist zur Zeit des Meinens, Gedenkens, Erinnerns eine charakteristische Reaktion möglich.

   
     Was ist die primitive Reaktion, mit der das Sprachspiel anfängt? Die || die dann in Worte umgesetzt werden kann. || die dann in die Worte wie “Ich dachte bei diesem Worte an … umgesetzt werden kann.) || die dann in diese Worte umgesetzt kann. Wie kommt es denn, daß Menschen diese Worte gebrauchen?

   
     “Du sagtest das Wort, als wäre Dir dabei plötzlich etwas Anderes eingefallen.” Diese Reaktion hat man nicht gelernt.
     Die primitive Reaktion konnte auch eine Wortreaktion sein.

   
     Nimm an, ich bin mit jemand im Gespräch über Dr N.. Inmitten des Gesprächs sage ich “Ich dachte beim Namen ‘N’ jetzt an Dr N.” – der Andre wird mich nicht verstehen.
     Hätte ich gesagt “Ich meinte mit ‘N’ jetzt den
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Dr N., der … ”, so wäre die Antwort vielleicht gewesen: “Freilich. Wen hättest Du sonst meinen können!”
     Hätte ich gesagt “Beim Namen ‘N” habe ich den Dr N. jetzt vor mir gesehen”, so wäre das vielleicht nicht zur Sache gewesen.

   
     “Ich dachte bei dem Wort an …” – Wenn Einer auf die Frage “Was ging dabei in Dir vor?” nichts zu antworten wüßte, war seine Äußerung ungültig? – Er hätte ja antworten können “Ich hab's vergessen”, & es kam ihm nur so vor, als hätte er es je gewußt.

   
     Ist “Ich wollte Dir mit dem Zeichen zu verstehen geben … ” vergleichbar mit: “Wie ich früher den Mund geöffnet habe, wollte ich sagen …”? D.h.: Ist jener Satz die Äußerung einer vergangenen Absicht? || Ist jener Satz also – nicht eine Definition, sondern || vielmehr – die Äußerung einer vergangenen Absicht? || eines vergangenen Zwecks.
   
8.11.
     “Ich wollte Dir mit dem Zeichen zu || “Warum hast Du mich angeschaut?” – “Ich wollte Dir mit dem Zeichen zu verstehen geben Du solltest” … “Dies drückt keine Zeichenregel aus, (keine Übereinkunft || kein Übereinkommen); sondern den Zweck || meinen Zweck, den ich hatte || jenes Zeichens meiner Handlung.
     

   
     Ich konnte für diesen Zweck freilich ein Zeichen verwenden, das übereinkunftsgemäß diesen Sinn übermittelt. für diesen Zweck festgesetztes || gebräuchliches Zeichen verwenden.

   
[Zu Ts. S. 708/4]Diese Zahl ist die folgerechte Fortsetzung dieser Reihe” Mittels dieses Ausdrucks kann || dieser Worte könnte ich einen dazu bringen, daß er in Zukunft das & das die “folgerechte Fortsetzung” nennt. Was ‘das & das’ ist, kann ich nur an Beispielen zeigen. – D.h., ich kann ihn || lehre ihn eine Reihe (Grundreihe) fortsetzen lehren, || bilden, ohne einen Ausdruck des Gesetzes || für das Gesetz der Reihe zu verwenden, vielmehr als ein Substrat für die Verwendung algebraischer Regeln, oder was ihnen ähnlich ist.


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     Ich kann nun allerdings beim Lehren der Grundreihe das Wort “gleich” gebrauchen || verwenden, welches er etwa in andern Zusammenhängen, d.h. in anderer, wenn auch verwandter Bedeutung, schon kennt: D.h., es || Es kann sich zeigen, daß er die Grundreihe leichter bilden lernt, wenn ich ihm dabei sage “Du mußt immer wieder das tun, immer wieder ∣ dazugeben.”, also eine Regel ausspreche; aber sie funktioniert || fungiert hier (noch) nicht als Regel, es gibt hier noch keine Algebra.

   
     Gäbe es ein Verbum mit der Bedeutung: fälschlich glauben, so hätte das keine erste Person des Präsens im Indikativ || das im Indikativ keine erste Person des Präsens.

   
     “Ich glaube, er wird kommen, aber er wird gewiß nicht kommen.” Wenn ich das jemandem sage, so ist es die Mitteilung, er werde nicht kommen, & ich sei trotzdem durchdrungen vom Gegenteil, werde mich also entsprechend diesem Glauben verhalten. Aber freilich tu ich das schon dadurch nicht, daß ich dem Andern mitteile, er werde nicht kommen.

   
     “Ich glaube bestimmt, er wird kommen, aber er wird bestimmt nicht kommen.
     Wozu teilt man Einem mit man glaube etwas || das & das? Um ihn von dem, was man glaubt, zu überzeugen, oder nur, um ihn auf mein Verhalten in dieser Sache vorzubereiten? || um ihn über mein Verhalten in der Sache zu informieren?

   
     Betrachte: “Er wird nicht kommen, aber ich werde mich ganz so stellen, als glaubte ich das Gegenteil”, er werde kommen.” Das könnte ich Einem sagen, aber in Wirklichkeit zu dieser Verstellung pathologisch gezwungen sein, so daß sie nicht eigentlich Verstellung wäre.
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     Man könnte das so ausdrücken: Es ist nicht so, aber ich muß es glauben.

   
     Ich sagte der Satz “Ich glaube, es ist so, & es ist nicht so” könne wahr sein; wenn ich es nämlich wirklich fälschlich glaube; was doch wohl möglich ist. Aber was macht den Satz wahr? Wie kann ein Andrer sehen, daß er wahr ist? Wie weiß er, daß ich es glaube? Nicht aus meinem Betragen; denn das ist widerspruchsvoll.

   

9.11.
     Wenn ich sage: “Schau! in diesem Bild ist diese Figur enthalten.” – mache ich eine geometrische Bemerkung? – Ist ‘dieses Bild’ nicht das, wovon dies die genaue Kopie ist? was mit den & den || den Worten … zu beschreiben wäre? || was mit diesen bestimmten Worten zu beschreiben wäre? Hätte es also Sinn, zu sagen, es enthalte jene Figur jetzt, || ? oder habe sie enthalten? – Meine || Die Bemerkung ist also zeitlos, & man kann sie “geometrisch” nennen.

   
     Was folgt aber daraus für's Wahrnehmen so eines Sachverhaltes?
     Denk Dir, Einer sieht ein Vexierbild an & findet darin die versteckte || verborgene Figur. Er bildet sich aber nun ein, das Bild habe sich eben so so verändert, || ? daß die Figur jetzt in ihm ist || liegt. || , so daß die Figur entstanden ist. || habe sich so verändert, daß die Figur jetzt entstanden ist. Er sagt etwa “Hier ist jetzt diese Figur”.
     Oder es konnte, umgekehrt, das Bild sich unbemerkt verändert haben, & er glaubt nur, etwas darin entdeckt zu haben, was immer darin gelegen hatte.

   
     “Eigentlich sollte man bei den Worten ‘Ich sehe dies’ auf den eigenen Gesichtseindruck deuten || zeigen, dann würde man wirklich auf das
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zeigen, was man sieht.” Ein Resultat der Kreuzung verschiedener Sprachspiele. (Ähnlich: “‘dieses’ ist der eigentliche Eigenname || Name.”)

   
     “Ich sehe jetzt, daß diese Gesichter nicht ganz gleich sind.” (Zeitloser Satz.) (Dazu sind doch auch die Augen da!) Denk Dir, Einer wollte sagen: “Ja, das ist eine Wahrnehmung mittels des Gesichtssinnes; aber es beschreibt nicht meine Gesichtseindrücke”. Was wären diese? Nun, ich schaute von einem Gesicht zum andern, um sie zu vergleichen, dabei erhielt ich eine Menge Gesichtseindrücke; oder einen sich kontinuierlich verändernden Gesichtseindruck, etwas, was man durch einen Film darstellen möchte. Könnten wir aber, um die Sache zu vereinfachen, aus allen diesen nicht zwei herausheben, könnten's zwei Gesichtseindrücke im extremen Fall nicht tun? Und könnten diese zwei nun darstellen was ich bemerkt hatte, nämlich die Ungleichheit?
     Haben wir hier nicht eben ein ganz anderes Spiel?

   
      ∣ Es ist nicht Zufall, daß ich in diesem Buch soviele Fragesätze verwende. ∣

   
     Soll ich nun hier sagen, der Gesichtseindruck, das Sinnesdatum, der visuelle Gegenstand sei ein anderer? Dieser Begriff scheint hier nicht recht zu passen, wollte man sich hier vorstellen, man sähe Ähnlichkeit oder die Verschiedenheit als etwas Bildartiges, so dächte man sie sich etwa im Bild betont; so wie man, um Einem zu zeigen, wo die Verschiedenheit zweier Bilder liegt, verschiedene ist stark ausziehen || nachziehen kann. Aber wer das Nachgezogene in beiden sieht, bemerkt
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damit noch nicht die Verschiedenheit der Bilder.
     Du mußt das Spiel als Ganzes ausschauen, dann siehst Du den Unterschied.

   
     “Ich sehe, daß die Beiden ähnliche Gesichter haben” || ähnlich sind” kann zeitlich & zeitlos gebraucht werden, jenachdem, wie ‘die Beiden’ definiert sind. || erklärt werden. Aber sehe ich darum in den beiden Fällen etwas anderes? Verschiedenes? || Aber sehe ich darum auch beide Male || jedesmal etwas Anderes? || Aber sehe ich darum auch, jenachdem, etwas Anderes? “Ich sehe” ist immer zeitlich, aber “Die Beiden sind ähnlich” kann unzeitlich sein.

   
     Aber ist es im praktischen Gebrauch auch immer klar, ob der Satz zeitlich, oder zeitlos gemeint ist? – Es handelt sich um zwei Brüder; ich treffe sie & sage dann “Ja, ich sehe, daß sie einander ähnlich sind”. Meinte ich; diese beiden Menschen, M & N, sind einander jetzt ähnlich. (Waren es vielleicht früher nicht, etc..) – Oder: Ich bemerke, daß diese beiden menschlichen Erscheinungen, die man z.B. auch auf einem Bild sehen kann || z.B. ein Bild festhalten kann, einander ähnlich sind. – Hätte ich die Äußerung getan & wäre gefragt worden, welches ich meine, könnte ich es unbedingt beantworten. Hätte ich gesagt, “Ja, ich bemerke in diesem beiden Gesichtern die Ähnlichkeit, siehst Du auch, daß sie ähnlich sind?” “merkst Du auch die Ähnlichkeit dieser Formen?” ‒ ‒ ‒
   
10.11.
     “Du sollst sein Gesicht nicht zeichnen” könnte heißen: Du sollst das Gesicht dieses Menschen nicht zeichnen, wie immer es ausschaut – oder: Du sollst diese Gesichtszüge nicht zeichnen, die jetzt zufällig die seinen sind. Es kommt jedesmal auf etwas anderes an. Und das Verbot, so oder so aufgefaßt, hat verschiedene Konstruktionen.
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     Auch wenn ich sage “Es besteht eine Ähnlichkeit zwischen diesen (beiden) Gesichtern” kann's mir auf verschiedenerlei ankommen. Es könnte z.B. heißen: Es besteht eine Ähnlichkeit zwischen dieser Art von Gesicht & dieser Art von Gesicht. Wo die beiden Arten durch Beschreibungen charakterisiert werden. Es können nicht die Gesichter dieser Menschen interessieren, oder diese Gesichtsformen, wo immer ich sie antreffe.
     Der Unterschied, der mir vorschwebt ist natürlich der zwischen dem Sinn: Diese beiden Striche haben ähnliche Form – & dem: Kreis, Ellipse, Parabel & Hyperbel haben eine Ähnlichkeit mit einander.

   
     Der Unterschied ist der zwischen externer & interner Ähnlichkeit.

   
     Wenn ich nun von zwei Gesichtern sage, sie seien ähnlich, – hat es Sinn zu fragen: “Meinst Du die externe, oder die interne Ähnlichkeit”?

   
     “Interessiert es Dich, daß Du in diesen scheinbar ganz verschiedenen Formen eine Ähnlichkeit bemerken kannst?”
     “Willst Du sagen, diesen Formen ist etwas gemeinsam, – oder diesen Menschen?” – Aber wo ist der Unterschied? – Interessieren Dich die Formen, oder die Menschen? Wenn die Formen, so wirst Du sie vielleicht genau nachzeichnen, die Ähnlichkeit der Linien studieren & die Menschen ganz vergessen. Entsteht darüber eine Diskussion, so wird es eine geometrische sein, eine über Typen von Linien.

   
     Angenommen, ich zeichnete die Gesichtsformen nach, um jemandem die Ähnlichkeit zu erklären & er sagte “Ja diese Linien haben eine Ähnlichkeit, das seh ich; aber so schauen diese Gesichter nicht aus … ” – so könnte ich
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antworten: “Vielleicht hast Du recht, aber darauf kommt's mir nicht an. Ich wollte sagen, daß eine solche Form & eine solche, so verschieden sie ausschauen, …” Hier handelte sich's mir um eine geometrische Frage.
     Hätte ich aber geantwortet: “Du hast Recht, ich habe mich geirrt.” – so wär's mir auf die Ähnlichkeit dieser Menschen angekommen.

   
     “Das sind Geschwister, aber ganz unähnlich” – Ich kann eine Ähnlichkeit in ihnen sehen.” Worauf kommt's mir da an?

   
     Denke, es gäbe eine ästhetische Regel, wonach || nach der zwischen den Gesichtern auf einem Gemälde eine Ähnlichkeit bestehen muß. Ich zeige nun auf zwei Leute & sage Einem “Nimm diese als Modelle für Dein Bild; sie haben eine Ähnlichkeit.”

   
Es kann mir drauf ankommen, das ich in diesen Linien, denen scheinbar nichts gemeinsam ist, doch etwas Gemeinsames sehe. Also auf meinen analytischen Blick.

   
     Aber wenn ich ihn bei einer bestimmten Gelegenheit ausspreche, ist da immer klar, ob ich die Ersetzung zulassen wollte, oder nicht? Muß ich mir's überlegt haben?

   
12.11.
     “Ich sehe in einem viel wichtigern Sinne verschiedenes, als dasselbe.”

   
     Eine Bildergeschichte. In einem ihrer Bilder kommen Enten vor, in einem andern Hasen; aber einer der Entenköpfe ist genau so gezeichnet
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wie einer der || ist genau kongruent mit einem der
Hasenköpfe. Jemand sieht || schaut sich die Bilder an & es fällt ihm nicht auf. Wenn er sie beschreibt, beschreibt er unbedenklich dieselbe || diese Form einmal als das eine, einmal als das andere. Es fällt ihm nichts auf. Erst wenn wir ihn drauf aufmerksam machen || ihn die Gleichheit der Figuren zeigen, folgt das erstaunen. || , ist er verblüfft.

   
     Er sah also die || beide Aspekte & doch nicht den Aspektwechsel.

   
     Hätte er, beim Kopieren der beiden Bilder, den Kopf jedesmal anders nachgezeichnet? Nicht daß ich wüßte! Er sah sie also beide Male genau gleich.

   
Aber stellte er sich beidemale das gleiche darunter vor? – Soweit ich diese Frage verstehe – nein.

   
     Im Aspektwechsel || In dem Erleben || Erlebnis des Aspektwechsels wird man sich des Aspekts bewußt.

   
     War es aber richtig zu sagen “Er sah die beiden Aspekte, aber nicht den Aspektwechsel”? || “Er sah beide Aspekte, aber nicht den Aspektwechsel”? Hätte ich nicht sagen sollen “Er deutete also das Bild auf zweierlei Weise, sah aber nicht den Aspektwechsel”? || “Er gab also dem Bild || der Figur zweierlei Deutung …”?
     Für ihn war ja zuerst das Bild wie irgendeines || jedes andere Bild einer Ente: & sah er hier einen Aspekt, so überhaupt in jedem Bild, & dann auch in || & also in jedem Gegenstand. Dann habe ich jedes Bild daraufhin untersucht, ob man es nicht noch anders sehen könnte? – Ich werde also sagen: er sah den Aspekt nicht; er deutete das Bild so & so.

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     Die Äußerung des Erlebens des Aspekts ist: “Jetzt ist es ein …” || Das Erleben des Aspekts äußert sich so: “Jetzt ist es …”

   
∣ Was ist die philosophische Wichtigkeit dieses Phänomens? Ist es denn soviel seltsamer, als die alltäglichen || andern Gesichtserlebnisse?
      Wirft es ein unerwartetes Licht auf sie? – In seiner Beschreibung spitzen sich (die) Probleme, den Sehbegriff betreffend, zu. ∣

   
     

   
     Und man kann da die Frage stellen: Wenn Einer sagt “Jetzt ist es eine ‒ ‒ ‒? ‒ ‒ ‒ Jetzt || Ente ‒ ‒ ‒ jetzt ist es ein Hase!” – was geschah denn da das erste Mal || zuerst || im Anfang? Er hatte ja den Wechsel da noch nicht erlebt, & doch sagt er schon “Jetzt ist es …”. Es ‘geschah’ eben nichts; aber er spielte schon jenes Spiel.
     Du müßtest nach etwas suchen, was das Seherlebnis bei den Worten “Jetzt ist es eine Ente” von dem Seherlebnis bei den Worten “Das ist eine Ente” (wenn Einer gar nichts von Aspekten weiß) unterscheidet. Und natürlich ist nichts zu finden.
     Denn was soll ich sagen? – wann geht das Erlebnis das mich interessiert bei den || seinen Worten “Jetzt … jetzt … ” vor sich? (Haben wir hier zwei außerordentliche Erlebnisse? oder drei? || Erlebnis, das mich so interessiert, bei seinen || den Worten “Jetzt … jetzt … ” vor sich? (Haben wir hier zwei außerordentliche Erlebnisse? oder drei?

   
     Das seltsame ist eigentlich das Staunen; das Fragen “Wie ist es möglich!?
     Der Ausdruck davon ist etwa: “Dasselbe – & doch nicht dasselbe”.

   
     Das Paradoxe äußert sich etwa im Lachen. Aber man könnte sich doch
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auch einen denken, der hier nicht lachen würde; dem nichts paradox erschiene.
     Und der würde doch auch den Aspektwechsel erleben. Er würde das Bild jetzt so, jetzt so ansprechen: & das wäre alles.

   
     Und was tut er? Er sagt jetzt als Erlebnisäußerung, was sonst sein Bericht der Wahrnehmung ist. (Die große Ähnlichkeit mit dem Erleben der Bedeutung.)

   
     Worin liegt die Ähnlichkeit des Aspektsehens || Sehens des Aspekts mit dem Denken? Daß dieses Sehen nicht die Folgen des Wahrnehmens hat; daß es darin einem Vorstellen ähnlich ist.

   
     Nimm an, es gäbe eine Geheimschrift || Zeichensprache, in der ein Entenkopf eine gewisse Nachricht ist, ein Hasenkopf eine andere. Jemand, der diese Zeichen || Chiffre benützt macht || zeichnet, unabsichtlich, einen Entenkopf so, daß er auch als Hasenkopf gesehen werden kann. Der Empfänger der Nachricht gibt ihm die falsche Deutung || sieht ihn falsch: das wird sich an seinen Handlungen zeigen.
     Kommt er aber darauf, daß man ihn so & so sehen kann, so wird er nun nicht auch bei jedem Aspektwechsel auch anders handeln, je nach dem Aspekt, den er gerade sieht, (auch) anders handeln.

   
     “Ist es ein Denken? ist es ein Sehen?” – Heißt das nicht eigentlich || nicht soviel wie “Ist es ein Denken? ist es ein Sehen?” Und das Deuten ist ein Denken; & es bewirkt oft ein Umschlagen des Aspekts.
     Kann ich sagen: Das Sehen des Aspekts ist verwandt einem Deuten? – Die Neigung war ja, zu sagen “Es ist, als sehe ich eine Deutung”. Nein, der Ausdruck dieses Sehens ist verwandt dem Ausdruck des Denkens.
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13.11.
[Zu Ts. S. 740] Zwei Verwendungen des Berichts “Ich sehe … ” – Das eine Sprachspiel: Der Beobachter meldet, was er von seinem Posten sieht. – Das andere: Die gleichen Gegenstände werden von Mehreren betrachtet; Einer sagt: “Ich sehe eine Ähnlichkeit zwischen ihnen”.
     Im ersten Sprachspiel hätte die Meldung z.B. sein können “Ich sehe zwei Leute, die einander ähnlich sind, wie Vater & Sohn.” Das ist eine weit unvollständigere Beschreibung, als z.B. die durch eine genaue Zeichnung es wäre. Aber jemand könnte diese vollständige Beschreibung geben & doch die Ähnlichkeit nicht bemerken.
     Und ein Anderer könnte die Zeichnung dieses sehen & die Ähnlichkeit in ihr entdecken.

   
     Es gibt ein Spiel: Gedanken erraten. Eine Variante davon wäre die: Ich spreche || sage einen Satz in einer Sprache, die A versteht, B nicht versteht. B soll raten, was ich gesagt habe.
     Eine andere Variante: Ich schreibe einen Satz nieder, den der Andre nicht sehen kann. Er muß ihn erraten; oder erraten, wovon er handelt. || Er muß den Sinn des Satzes erraten.

   
     Die Absicht erraten: Ich schreibe auf einen Zettel, den der Andre nicht sieht, ich werde, wenn die Uhr schlägt, den linken Arm heben. Der Andre soll erraten, was ich tun werde, wenn die Uhr schlägt. || , was ich um diese Zeit tun werde.

   
     “Nur ich kann wissen, was ich tun werde.” Aber ich mag mich doch irren || Aber kann ich mich nicht irren; & kann's der Andere nicht richtig vorhersagen?
     Aber für gewöhnlich weiß es der Andre nicht, & ich weiß es oft.
     Ebenso weiß der Andre nicht,
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an wen ich schreibe, – wenn er's nicht sieht, oder von mir erfährt; aber ich kann's sagen.
     Um die Motive meiner Handlung frägt man meistens mich, nicht einen Andern. Ebenso auch darum, ob ich Schmerzen habe. Das liegt im Sprachspiel.

   
     Wäre es aber richtig zu sagen, meine Schmerzen seien versteckt?

   
     Ist z.B. die Zukunft versteckt?

   
     “Nichts ist so gut versteckt, wie die Ereignisse der Zukunft. Man kann sie nicht wissen. Nur was jetzt geschieht, kann man wissen.”

   
     Man kann sich freilich über die unmittelbare Erfahrung nicht täuschen: aber nicht, weil sie so gewiß ist. Das Sprachspiel läßt die falsche || sinnlose Äußerung nicht zu, – wenn auch nicht die ‘falsche’. || wenn auch nicht den Irrtum.

   
     “Die Zukunft kann man nicht wissen” ist eine grammatische Bemerkung über den Begriff ‘wissen’. Es heißt etwas ähnliches wie: “Das kann man || ist nicht wissen.” Und nun könnte man fragen: Warum soll Einer versucht sein diese Begriffsgrenze zu ziehen? Und die Antwort ist: || könnte sein: Wegen der Unsicherheit der Vorhersagen.

   
     “Die Zukunft kann man nicht wissen? – Wie ist es mit den Sonnen- & Mondfinsternissen?” – Wissen kann man sie eigentlich auch nicht.” – “Wissen? – wie was z.B.?”

   
14.11.
[Zu S. 742 Ts.] Wenn ein Löwe sprechen könnte, wir könnten ihn nicht verstehen.


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     Wenn Einer auch alles ausspräche, ‘was in seinem Innern ist’, wir müßten ihn nicht verstehen.

   
     Er wird also zornig, wenn wir keinen Grund dafür sehen; was uns erregt, läßt ihn ruhig. – Wäre der wesentliche Unterschied, daß wir seine Reaktionen nicht voraussehen könnten? – Könnte es nicht sein, daß wir sie zwar nach einiger Erfahrung wüßten, aber doch nicht mit könnten.

   
     Er benimmt sich wie Einer, in dem verzwickte Denkprozesse vor sich gehen; & wenn ich sie nur verstünde || immer wüßte, verstünde ich ihn. – Denken wir uns diesen Fall; & er spricht nun seine Gedanken vor sich hin, & ich verstehe in gewissem Sinne sein Handeln || Tun. D.h.; ich sehe die Gedankenketten & weiß, wie sie zu einer Handlung || den Handlungen führen. || hinführen.

   
     Er hörte dadurch vielleicht auf, mir ein Rätsel zu sein.

   
     Denke an die Rätselhaftigkeit des Traumes. Ein solches Rätsel muß keine Lösung haben. Es intriguiert uns. Es ist, als wenn hier ein Rätsel wäre. Dies könnte doch eine primitive Reaktion sein.

   
     Es ist als wenn hier ein Rätsel wäre; aber es muß doch kein Rätsel sein.
     (“Alle Formen sind ähnlich & keine gleicht der andern, & so deutet das Chor auf ein geheimes Gesetz.”)

   
     Ich weiß nicht, was in ihm vorgeht. Ich könnte mir seine Gedanken nicht ergänzen. || Ich könnte mir seine Handlungen
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|| sein Benehmen
nicht durch Gedanken ergänzen.


   
     Er ist mir unverständlich, heißt: ich kann nicht so mit ihm verkehren, wie mit dem, dessen Wesen mir verwandt ist. || Andern.

   
      ∣ Eine Sprache, in der im Takt geredet wird, so daß man auch nach dem Metronom reden kann. Es ist nicht selbstverständlich, daß unsre Musik sich, || Musik sich, wie die unsere, wenigstens beiläufig, metronomieren läßt. (Das Thema aus der 8. Symphonie genau nach dem Metronom zu spielen.) ∣
   
15.11.
     Wer gegen ein mathematisches Resultat mißtrauisch ist, der wird die Rechnung verdächtigen. Aber ist dies nicht nur eine Methode? Wer gegen den unmittelbaren Ausdruck der Erfahrung mißtrauisch ist & nicht meint, der Andre lüge, wird sagen, er wisse nicht, was er sagt, er träume, oder sei nicht bei Sinnen.

   
16.11.
[Zu Ts. S.750] Aber, wie weiß ich, was ich täte, wenn …? Vielleicht, wenn ich auf die Straße hinaus träte & fände Alles anders, als ich es je gesehen habe, täte ich ganz lustig mit. Benähme mich also auch ganz anders, als ich mich je benommen habe.
     Und doch ist etwas Wichtiges an meiner Bemerkung.

   
Schon in Menschen, die sämtlich die gleichen Gesichtszüge hätten, konnten wir uns nicht finden.

   
     Ein Volk, das eine herrschende Klasse ist || : mit einer herrschenden Klasse, deren Individuen (bis auf sexuelle Merkmale) alle gleich ausschaun, & einer unterdrückten Klasse, die unsre Variabilität der Gestalt & Gesichtszüge hat.
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17.11.
Ein Volk, das || Ein Stamm der den Begriff der geheuchelten Schmerzen nicht kennt. Wer bei ihnen Schmerz äußert, wird bemitleidet. Die mißtrauische Einstellung zu den Schmerzäußerungen || der Schmerzäußerung kennen sie nicht. Der Reisende, der von uns zu ihnen || dorthin kommt, denkt oft, daß ihre || eine Schmerzäußerung || eine Klage || ein Klagen übertrieben ist oder || ja auch daß man || sie bloß || nur || nur den Zweck hat Mitleid || die mitleidige Haltung auf sich zu ziehen || zu erregen || hervorzurufen || zu erzeugen; aber die Eingeborenen scheinen nicht so zu denken. (Sie haben einen Ausdruck in ihrer Sprache || Sie haben in ihrer Sprache einen Ausdruck der beiläufig, unserm || wenigstens einigermaßen, dem unsern: “Schmerzen haben” entspricht.) Ein Missionar errichtet dort || da eine Schule & lehrt die Kinder || Leute eine europäische || unsre Sprache; er erzieht sie (aber) auch || dabei erzieht er sie auch, & bei ihm lernen sie zwischen echtem & geheucheltem Schmerzausdruck || Klagen unterscheiden. Denn er mißtraut ◇◇◇ || in vielen Fällen ihrer || der || mancher Schmerzäußerung & stellt sie ab || unterdrückt dieselbe || sie lehrt die Kinder || Leute mißtrauisch sein. – Sie lernen unsern Ausdruck “Schmerzen haben”, auch den “Schmerzen heucheln”, & es ist die Frage: haben wir || hat man ihnen einen neuen Schmerzbegriff beigebracht? Ich werde doch gewiß nicht sagen, sie wissen jetzt erst, was Schmerzen sind. Denn das hieße, sie hätten früher nie Schmerzen gehabt.

   
     Hatten diese Leute etwas übersehen, & hat der Lehrer sie auf etwas aufmerksam gemacht?

   
     Und wie konnte ihnen denn der Unterschied nicht zum Bewußtsein kommen, wenn sie einmal mit Schmerzen klagten & einmal ohne Schmerzen? Aber mußte der Unterschied für sie so wichtig sein, wie für uns? (Mancher erzählt in Gesellschaft unwahre Geschichten, die
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Andern wissen, daß sie unwahr sind, lassen sie aber gelten, wie die wahren.) Sie nehmen von dem Unterschied keine Notiz.)

   
      Ein Stamm, der den Begriff der geheuchelten Schmerzen nicht kennt. Wer bei ihnen Schmerz äußert, wird betreut, bemitleidet. Die mißtrauische Haltung || Einstellung zur Schmerzäußerung kennen sie nicht.
     Der Reisende, der von uns zu ihnen kommt, denkt oft, daß eine Klage || ein Klagen übertrieben ist, daß sie nur dazu dient || es falsch ist & nur berechnet, Mitleid zu erzeugen; die Eingeborenen scheinen nicht so zu denken. In ihrer Sprache ist ein Ausdruck, der, wenigstens einigermaßen, dem unsern: “Schmerzen haben”, entspricht. – Ein Missionar lehrt diese Leute unsre Sprache; er erzieht sie aber auch & bei ihm lernen sie, zwischen echtem & geheucheltem Schmerzausdruck unterscheiden. Denn er mißtraut mancher Äußerung || ihren || gewissen Äußerungen & läßt sie nicht gelten, & lehrt die Leute eine || die mißtrauische || diese Einstellung.
     Sie lernen unsern Ausdruck “Schmerzen haben”, auch den “Schmerzen heucheln”, – haben || : Haben sie einen neuen Schmerzbegriff erhalten?
     Ich werde doch gewiß nicht sagen, sie wissen jetzt erst, was Schmerzen sind. || , Denn das hieße, sie hätten früher nie Schmerzen gehabt. Aber wird ihnen der || ihr alter Begriff || Ausdruck so beigebracht wie || Ausdruck & der neue? den Menschen auf die gleiche Weise beigebracht? || Aber der alte Ausdruck & der neue werden dem Menschen nicht auf die gleiche Weise beigebracht. || Aber wird der erste || alte Ausdruck & der neue dem Menschen durch die gleiche || einerlei Weise beigebracht. wie der zweite? Wir haben hier zwei verschiedene, aber ähnliche Begriffe. || Aber sie haben für den neuen Ausdruck || Ausdruck in der neuen Sprache eine neue Abrichtung erhalten. || Aber sie denken für die Worte mußten für den Gebrauch unserer Worte eine neue Abrichtung erhalten.
99
Diese (Abrichtung) war ähnlich, aber nicht gleich der alten || ersten.

   
     Und wie konnte ihnen denn der Unterschied nicht zum Bewußtsein kommen, wenn sie einmal mit Schmerzen & einmal ohne Schmerzen klagten? Soll ich sagen: sie haben immer gedacht, es ist dasselbe? – Gewiß nicht. Oder: es sei ihnen kein Unterschied aufgefallen? – Aber warum nicht: es sei ihnen nicht darauf angekommen?

   
[Zu Ts. S. 759]
18.11.

     “Bezieht sich ein Begriff auf eine bestimmte Lebensschablone, so muß in ihm eine Unbestimmtheit liegen.” Dabei denke ich so: angenommen, wir hätten auf einem Streifen ein regelmäßig fortlaufendes Bandmuster & auf diesem Muster als einem Grund eine unregelmäßige || unregelmäßige Farbflecken Zeichnung oder Malerei die ich || wir mit Beziehung auf das Muster beschreiben da uns diese Beziehung das Wichtige ist. Wenn das Muster liefe a b c a b c a b c etc. || , so hätte ich z.B. einen besonderen Begriff dafür, daß etwas Rotes auf ein c fällt & etwas Grünes auf das nächste b.
     Wenn nun einmal in dem Muster Anomalien auftreten || Wenn nun einmal Anomalien in dem Muster auftreten, so werde ich im Zweifel darüber sein, welches Urteil zu fällen ist. Aber könnte dafür in meiner Instruktion nichts vorgesehen sein? Oder nehme ich eben an, daß bei der Abrichtung, die uns den Begriff beibringt, das besondere Muster Voraussetzung war & selbst nie beschrieben wurde?

   
[Zu Ts. S. 760] Wenn die Farben in unserer Welt || der Welt des Menschen eine andere Rolle spielten, als in der unseren || unserer, ist eigentlich eine naturwissenschaftliche Frage, & eine solche will ich nicht stellen. Eher die: Welche Folgen kämen uns plausibel vor? Welche Folgen würden uns nicht überraschen?
99


   
     Wenn die Farben in der Welt des Menschen eine andere Rolle spielten als in der unseren, was für, von den unseren verschiedene, Farbbegriffe würde uns dann nicht überraschen? || befremdlich erscheinen?
     Überlege verschiedene Fälle.
     Die Frage ist noch nicht richtig gestellt; aber was ist ihr Zweck? –

   
     Andere Begriffe, als die unseren sind darum || deshalb so schwer vorzustellen || vorstellbar, weil wir uns gewisser sehr allgemeiner Naturtatsachen nicht bewußt werden || sind || uns gewisse || manche sehr allgemeine Naturtatsachen nicht || nie bewußt werden & daher nicht auf die Idee kommen || es uns nicht einfällt den , sie uns anders vorzustellen, als sie sind. Tun wir das aber, dann ist es nicht mehr schwer uns in andere Begriffe hineinzufinden || zu finden. || weil wir uns gewisser sehr allgemeiner Naturtatsachen nicht bewußt werden. Es fällt uns nicht ein, sie uns anders vorzustellen, als sie sind. Tun wir es aber, so kommen auch andre Begriffe als die unsren || gewohnten uns nicht mehr unnatürlich vor.

   
     Wenn wir uns vorstellen, die Farben spielten in der Welt des Menschen eine andere Rolle als in unserer || die wir kennen, welche von den unsern verschiedenen, Farbbegriffe werden uns dann nicht unnatürlich erscheinen? || befremden?

   
     Unser Begriff der reinen Zukunft, “Es wird geschehen” – im Gegensatz zu “Es will geschehen” & “Es soll geschehen”. Muß jedes Volk diesen Begriff haben, der gleichsam die Zeit räumlich auffaßt?

   
     Wenn wir uns vorstellen, die Farben spielten in der Welt des Menschen eine andere Rolle, als die wir kennen, || als diejenige, die wir kennen, || als wie wir sie kennen, kommen uns auch Begriffe, die sich von den unsern unterscheiden, nicht mehr unnatürlich vor.
100


   
19.11.
     Stellen wir uns eine Welt vor, in der (die) Farben eine andere Rolle spielen als in der unseren, so werden andere Begriffe als die gewohnten, uns nicht (mehr) unnatürlich erscheinen. Überlege verschiedene Fälle.

   
∣ Ist ein falscher Gedanke nur einmal kühn & klar ausgedrückt, so ist damit schon viel gewonnen. ∣

   
     Wenn ein Lebensmuster die Grundlage || Basis eines Begriffs || für eine Wortverwendung ist, so muß in ihr eine Unbestimmtheit liegen. Das Lebensmuster ist ja nicht genaue || exakte Regelmäßigkeit.

   
     Wer nur an seinen || den Fingern zählt, für wen 5 die Hand, 10 der ganze Mensch ist & wer dann die Menschen etwa wieder an den || seinen Fingern abzählt, etc., für den wird das Dezimalsystem nicht ein beliebiges Zahlensystem sein. Es ist ihm || für ihn nicht eine Methode des Zählens, sondern das Zählen. ||

   
     Sechs reine Farben. Muß es uns so vorkommen? – Braun gehört nicht zu ihnen.
     Aber was teilt uns das überhaupt mit? Wo brauchen wir dergleichen?
     Wenn wir Dinge nach ihren Farben beschreiben? – Doch; wenn wir's z.B. in einer allgemeinen Weise tun.
     “Braun gehört nicht zu ihnen” kann ja der Ausdruck einer instinktiven Ablehnung einer Farbenzusammenstellung sein.

   
     “Das Licht ist weiß. Farben sind schon ein Schatten.” – Aber ist denn wirklich alles ‘Licht’ weiß? Gibt die Lampe nicht Licht? – Woher
100
dann dieser erste Satz, der doch so einleuchtend klingt? Und warum klingt er einleuchtend?) – Das Hellste nennen wir immer das Weiße. Ist von zwei Farben eine die || Gegenständen einer der hellere, so kann nur sie die || er der weiße sein. Und Helligkeit & Licht sind hier gleichgesetzt.

   
     Es scheint uns einen Begriff der Farbenmischung zu geben, der über dem aller physikalischen Methoden der Farbenmischung steht. So daß wir also von so einer Methode sagen können: sie repräsentiert || bewirkt noch am ehesten die ‘reine’ Farbenmischung, z.B..

   
     Wir beurteilen also, ob nach unserem Begriff die beiden Farben a & b wirklich die Farbe c geben sollen.

   
     Wie kamen wir zu diesem Begriff? Das ist eigentlich gleichgültig.

   
     “Mehrere Schatten geben zusammen das Licht” – diese Idee könnte einem schon wie || wie eine höllische Verdrehung der Wahrheit erscheinen || scheinen.

   
     Könnte man auch alle Farben als Mischungen von Weiß & Schwarz empfinden? – Wenn z.B. das weiße & das schwarze Pigment unter bestimmten Umständen rot, grün, etc., gäben, vielleicht.
     Man würde vielleicht sagen: “Das Licht bringt aus dem Schwarz das Rot hervor.” (Denkt sich also die Farbe im Schwarz versteckt.)

   
     Rot & Grün das Gleiche. Ich stelle mir vor, es gibt nur einen Ton von Rot & von
101
Grün. Die beiden gehen in der Natur (wie im Herbst in gewissen Blättern) immer in einander über. Sie werden überall mit einander angetroffen, das eine eine Variation des andern. Ihr Unterschied spielt keine andere || größere Rolle als der von heller & dunkler.
     Aber sehen die Leute den Unterschied nicht?! Freilich. Aber sie haben etwa ein Wort “Blattfarbe” welches einigermaßen analog unsern Farbnamen gebraucht wird & rot oder Grün bezeichnet, & zwei Bestimmungsworte, “scharf” & “stumpf”, analog etwa unserm “helles” & “dunkles”, welches rot von grün trennt || unsern “hell” & “dunkel”, welche rot von grün trennen. Und nun fragt es sich: welcher ihrer Begriffe ist ähnlich einem unsrer Farbbegriffe, ihr Begriff (rot oder ‘grün’), || auf das ‘Blattfarbe’ oder ihr ihr Begriff das rötliche Rot oder Grün || d.i. Begriff Bestimmung (d.i. unser Rot, z.B.)? || ‘scharfe Blattfarbe’ (d.i. rot) z.B.?
     (Wenn es sich um das Färben, Anstreichen eines Gegenstands handelt sagen sie etwa, sie wünschen ihn a || blattfarbig. Gefragt, ob b || scharf oder c || stumpf, antworten sie vielleicht, es ist ihnen gleichgültig.) Oder wären diese Leute dann farbenblind? Nun, wenn wir ihnen || sie unsre Sprache lehren, so erweisen sie sich als farbensehend || normal.

   
     Der Unterschied zwischen Rot & Grün ist ihnen nur nicht so wichtig || hat bei ihnen nur nicht die Wichtigkeit wie bei uns.

   
: welcher Begriffe ist ähnlicher einem unsrer Farbbegriffe; ihr Begriff ‘Blattfarbe’ (d.i. ‘rot oder grün’) oder Aber sie haben etwa ein Wort, welches einigermaßen


   
Wenn wir sie mit einer größern Mannigfaltigkeit von Farben bekanntmachen, werden sie vielleicht unser System als das einzig natürliche empfinden,
101
d.h., zu ihm übergehen & das andre ohne Schwierigkeit verlassen. Vielleicht aber nicht.

   
     Eine Malerei, in welcher die Lichtseite der Körper immer grün, die Schatten rot gemalt werden.

   
     Könnten wir uns denken, daß Leute einen vom unsern verschiedenen || unterschiedenen || sich mit dem unsern nicht deckenden Begriff der Verstellung hätten? – Aber wäre es dann der Begriff der Verstellung? – Nun es könnte ein dem unsern verwandter Begriff sein.

   
     Aber gibt es nicht wesentlichere & unwesentlichere Züge eines (solchen) Begriffs? D.h.: Ändert man dies, so wird man es noch “Verstellung” nennen, – ändert man dies, so nicht mehr. Und das Benehmen bedeutet hier eine Einstellung.

   
     Leute, deren Gesicht ihre Empfindungen dem Andern sogleich verraten, || für den Andern sogleich lesbar zum Ausdruck bringen, verbergen es, || ihr Gesicht, wenn sie heucheln wollen.

   
     Die Leute sagen nicht, man könnte in das Innere, in das Herz, nicht schauen, sondern, man könne die Züge nicht lesen, wenn sie verhüllt sind.

   
     ”Man kann nicht in sein Herz sehen.” Die Frage ist: Kann er's? (Das bestimmt den Begriff.)

   
     “Man kann dem Menschen nicht in das Herz schauen.” Dabei ist eigentlich angenommen, daß er selbst es kann. – Ist es Erfahrung, die uns das lehrt?
     Ja & nein – möchte ich antworten.
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     Und das muß einen Grund haben.

   
     Er könnte mir über sich sagen, was ich sonst nicht wüßte.”

   
     Dies ist sicher: Er kann Bewegungen seines Körpers vorhersagen, die ich nicht vorhersagen kann. Und sag ich seine Handlungen voraus, dann auf andere Weise.

   
     Und ist das Erfahrungstatsache? oder: Von || von welcher rede ich hier?
     Ich kann z.B. seinen Arm nicht willkürlich bewegen, wie den meinen. Was damit aber gemeint ist, ist nicht ganz || gänzlich einfach zu erklären. || klar zu machen || stellen || ist, liegt nicht (gänzlich) auf der Hand.

   
     Ich kann nicht wissen, was er in seinem Innern plant. Aber angenommen, er mache immer geschriebene Pläne; von welcher Wichtigkeit wären sie? Wenn er sich z.B. nie nach ihnen richtete. –

   
     Vielleicht sagt man: Dann sind's eigentlich keine Pläne. Aber so wären's also auch keine, wenn sie in ihm wären, & in ihm zu sehen würde mir || uns nichts nützen.

   
20.11.
     “Siehst Du nicht, er hat Schmerzen!” – “Schmerzen dort? Wieso?
     Er würde nicht verstehen, was es heißt, der Andre habe Schmerz.

   
∣ Nur wenn man noch viel verrückter denkt, als die Philosophen, kann man ihre Probleme lösen. ∣

   
     Wie, wenn Einem in der Jugend beigebracht worden wäre,
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die Pflanzen empfänden Schmerz; später aber glaubt er es nicht mehr? || .Wie ginge dieser Übergang vor sich? || vollzieht sich dieser Übergang? || Wie vollzöge sich dieser Übergang?
     Er wirft eine Idee über Bord. Sie wurde ihm unnatürlich. Seine instinktive Einstellung warf sie über Bord. || Er wirft die Idee ab, wie eine Hülle, die nicht mehr paßt.

   
     Wie würde Einer handeln, der nicht ‘glaubt’, der andre Mensch fühle Schmerzen? Man kann sich das vorstellen. Er behandelt ihn, wie etwas lebloses, oder so, wie die Meisten eine Qualle, oder ein Muscheltier eines der || die menschenunähnlichsten Tiere. (Quallen z.B.) || Er würde den Andern behandeln wie viele die menschenunähnlichsten Tiere. || oder so, wie man etwa die dem Menschen unähnlichsten Tiere behandelt. (Z.B. Quallen.)

   
     Wir alle kennen die Frage des Doktors “Hat er Schmerzen”; auch die Unsicherheit ob der Narkotisierte, welcher stöhnt, Schmerz empfindet; aber die philosophische Frage, ob der Andre (etwas) empfindet || Schmerzen hat, ist von ganz anderer Art; : es ist nicht der Zweifel im bestimmten Fall auf jeden Einzelnen angewandt. [Die Pointe dieses Satzes ist nicht herausgekommen.]

   
     Kommt uns dieser Zweifel im gewöhnlichen || täglichen Leben unter? Nein. Aber vielleicht etwas ihm ähnliches || entfernt verwandtes: die Gleichgültigkeit gegen die Schmerzäußerungen || Schmerzäußerung des Andern.

   
     Sind meine || die fiktiven Fälle, mit denen ich mich auseinanderzusetzen trachte || versuche, nicht wie Rechenexempel? (Und wie würdest Du diese Gleichung lösen? & wie diese?) || Sind meine, auf fiktive Fälle aufgebauten, Probleme nicht wie Rechenexempel?

   
     Aber die philosophische Frage ob der Andere Schmerzen habe ist von ganz anderer Art; muß daher || also eine andere Logik haben. ||
Aber die philosophische Frage, ob der Andre Schmerz empfindet ist von ganz anderer Art; nicht
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der Zweifel im bestimmten Fall auf jeden Einzelnen angewandt; sie muß also eine andere Logik haben.


   
21.11.
     Der Glauben, der & der habe keine Schmerzen, weil er keine äußert, – oder weil er sie nur heuchelt, – oder weil er in der Narkose ist, – hat andre Gründe als der Glaube, eine Amöbe habe keine Schmerzen, & auch andre, als der (Glaube) des fiktiven Unmenschen, der || welcher die Schmerzäußerungen der andern Umgebung Menschen wie Erscheinungen an den leblosen Dingen betrachtet.
     Würde dieser aber überhaupt sagen, || : er glaube, sie haben keine Schmerzen? – Vielleicht. Aber würde er dasselbe meinen, wie der Doktor z.B., der es in beruhigendem Ton den Verwandten des Patienten sagt? || , der mich || uns über den Zustand des Patienten || Kranken beruhigt? Die Äußerung – wie immer er sie gelernt haben mag – steht bei ihm in einem andern Zusammenhang; wenn auch manche ihrer Folgen ähnlich sind.

   
     “Die Unsicherheit, ob der Andre Schmerzen hat” – liegt sie darin, daß er er ist & ich ich? (Dann muß sie immer vorhanden sein.) (Aber frag Dich doch: “Kann er's wissen? er || Er hat ja keinen Vergleichsgegenstand.”) Nein; hier täuscht mich ein verführerisches || sehr gefährliches Bild. Die Unsicherheit ist eine von Fall zu Fall & das Schwanken des Begriffes. Aber das ist unser Spiel; || wir spielen es mit einem elastischen Werkzeug. || Nein; hier täuscht mich das gefährliche Bild. || Die Unsicherheit ist eine von Fall zu Fall & das Schwanken des Begriffes. Aber das ist unser Spiel; || wir spielen es mit einem elastischen Werkzeug. || Nein; hier gleite ich an einem Bild aus Die Unsicherheit ist eine von Fall zu Fall & das Schwanken des Begriffes. Aber das ist unser Spiel; || wir spielen es mit einem elastischen Werkzeug. || Nein; hier täuscht mich ein Bild Die Unsicherheit ist eine von Fall zu Fall & das Schwanken des Begriffes. Aber das ist unser Spiel; || wir spielen es mit einem elastischen Werkzeug. || Nein; hier gehe ich an einem Bild irre. Die Unsicherheit ist eine von Fall zu Fall & das Schwanken des Begriffes. Aber das ist unser Spiel; || wir spielen es mit einem elastischen Werkzeug. || Nein hier leitet uns ein falsches Bild. Die Unsicherheit ist eine von Fall zu Fall & das Schwanken des Begriffes. Aber das ist unser Spiel; || wir spielen es mit einem elastischen Werkzeug.
103


   
     Könnte es nicht Menschen geben, die nie in den Fall gekommen sind, diese Unsicherheit zu spüren?

   
     “Darum soll ich unsicher sein, weil er er ist & ich ich? Was meinst Du nur?” würden sie sagen.

   
     Und könnten Leute es mit einem starren Begriffe spielen? – Dann wäre es von dem unsern in einer befremdlichen Weise verschieden. Denn wo alle || dort, wo alle unsre Begriffe elastisch sind, in dem Wechsel des Lebens, nähme sich ein starrer Begriff seltsam aus. || könnten wir uns in einen starren Begriff nicht finden.

   
     Muß nicht auch jeder Begriff des Benehmens allein unscharf || unscharf gefaßt || elastisch sein, um ungefähr dem Spiele mit solchen Begriffen dienen zu können? || dieser Art von Spiel zu dienen?

   
     Es könnte ja jemand || Einen geben, der den Andern gegenüber in einem ernsten, hoffnungslosen Zweifel wäre. Aber wie würde der handeln? (Wie ein Geistesgestörter.) Er würde etwa sagen: Manchmal fühle ich, der Andre & ich seien dasselbe, & manchmal wieder nicht. Und dementsprechend würde er sich manchmal mitfühlend, manchmal ohne (jedes) Mitgefühl, manchmal zweifelnd benehmen. || manchmal Mitgefühl zeigen, manchmal keines, manchmal aber den Zweifel.

   
     Das Benehmen des Menschen nicht vorhersehbar, nicht berechenbar. Angenommen, es wär's. Ich hätte die Berechnung angestellt & nun beobachtete ich ihre Handlungen (wie die Bewegungen komplizierter Maschinen).
     Wenn das vorkäme, – wäre es möglich,
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daß er sie mit Teilnahme betrachtete? Wäre es unmöglich, daß er sagte “Man kann nicht wissen, was in ihnen vorgeht”?
     Wenn er sich z.B. sagt “So ist der Mensch. Ganz so bin ich auch.”
     Es wäre ja möglich, daß er dann seine Rechnung mit neuen Augen betrachten würde.

   
     Denk jemand sähe ein Pendel an & dachte dabei: So läßt Gott es gehen. Hat denn Gott nicht das Recht || die Freiheit, auch einmal in Übereinstimmung mit einer Rechnung zu handeln?

   
      ∣ Ein weit talentierterer Schriftsteller als ich hätte noch immer geringes Talent. ∣

   
     Warum spielen wir nur dieses Spiel! – Aber wonach fragt man da? Nach seiner Umgebung, nicht nach seinen Ursachen.

   
     “Wo ich sicher bin, ist er unsicher.” Wenn das auch bei einer Rechnung geschähe –.

   
22.11.
Ts. S. 751
     “Konnte er sich nicht verstellen?” – Aber könnte er sich nicht nur einbilden, er verstellte sich? (Wäre dies nicht denkbar? & auf die Denkbarkeit kommt es uns hier an, nicht auf die Wahrscheinlichkeit.) || es uns hier an.)
     Verstellung ist ja eben nur ein besonderer Fall; nur unter besondern Umständen können wir ein Benehmen als Verstellung deuten.

   
     Der Begriff ‘Verstellung’ knüpft an die Vorgänge & Situationen der Verstellung an. || Der Begriff der ‘Verstellung’ hat es
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mit den Fällen der Verstellung zu tun; mit || also mit ganz || sehr besondern Vorgängen & Situationen des menschlichen Lebens || & besonderen Situationen im Leben. Und damit meine ich äußere, nicht innere, Vorgänge etc.

     Also kann nicht alles Benehmen, unter allen Umständen Verstellung sein? || Also kann nicht alles Benehmen, unter allen Umständen Verstellung sein.
(Zur ‘Verstellung’ gehört der Anlaß, das Motiv, etc.)


   
∣ Es ist ein körperliches Bedürfnis des Menschen, sich einmal bei der Arbeit zu sagen “Jetzt lassen wir's schon einmal” & daß man immer wieder gegen dieses Bedürfnis beim Philosophieren denken muß, macht diese Arbeit so anstrengend. ∣

   
     Aber ist der Begriff nicht eben solcher Art, daß man sich zu jedem Benehmen, etc., eine noch weitere Umgebung denken konstruieren kann, in der auch dies ein Benehmen der Verstellung wäre? Ist nicht z.B. darauf das Problem jeder Detektivgeschichte gegründet?

   
     Man könnte auch sagen: Der Begriff der Verstellung hat es mit einem praktischen Problem || mit einer praktischen Aufgabe zu tun. Und die verschwommene Grenze des Begriffs ändert daran nichts.

   
      ∣ Schon das Erkennen des philosophischen Problems als eines logischen ist ein Fortschritt; es || . Es bringt die rechte Einstellung (mit), & (auch) die Methode.| || Es kommt die rechte Einstellung mit ihm,

   
     “Es könnte, theoretisch, Verstellung sein”: Was heißt das? || Was aber heißt dies: “Es könnte, theoretisch Verstellung sein” || “Alles Benehmen könnte, theoretisch, Verstellung sein.”

   
     Es muß doch heißen: der Begriff der Verstellung ließe es zu.

   
     Und das heißt: Wenn ich nun aber noch (etwa)
105
das & das & das erführe, würde ich vielleicht sagen, es sei Verstellung (gewesen).
     (Euklidische Geometrie.) ¥

   
     Aber hier machen wir uns ein falsches Bild unseres Begriffes.

   
     Aber wo steht es denn, daß man das sagen würde; oder woraus schließe ich's denn? ¥

   
     Der Begriff ‘Verstellung’ dient praktischen Zwecken.

   
     ‘Soweit dieser Begriff bestimmt ist, läßt er auch das zu.’

   


   
     Wie Fälle von Verstellung ausschauen, zeigt Dir z.B. ein Drama.

   
     Die typischen Erscheinungen der Verstellung könnte man sich nun || natürlich variiert denken.
     Die Dramen solcher andrer Menschen verliefen dann ganz anders. Und wir würden sie gar nicht verstehen.
     Was bei uns ganz unmotiviert wäre, schiene ihnen natürlich.

   
     (So könnte die Art, wie Orest sich dem König gegenüber ausweist, indem er auf sein Schwert weist etc. Menschen gänzlich unsinnig erscheinen.)

   
     Ein Schauspiel dieser Leute wäre uns
105
unverständlich. (Und ist uns die griechische Tragödie verständlich?) Und was heißt hier ‘verstehen’?

   
     Ein schärferer Begriff wäre nicht derselbe Begriff. Das heißt: der schärfere Begriff hätte für uns nicht den Wert des unscharfen. Eben weil wir Leute, die dort ihrer Sache ganz sicher sind, wo wir es nicht sein können, nicht verstehen (würden). || , die dort mit voller Sicherheit handeln, wo wir zweifeln & unsicher sind, nicht verstehen würden.

   
23.11.
     Könnte Einer nicht, um zu zeigen, daß er versteht was ‘Verstellung’ ist, Geschichten erfinden, worin Verstellung vorkommt? Um nun den Begriff der Verstellung zu entwickeln, erfindet er immer kompliziertere Geschichten. Was im der einen z.B. wie || wie ein Geständnis ausschaut ist nur eine weitere Verstellung; was wie die Verstellung ausschaut, ist nur eine Front um die eigentliche Verstellung zu verbergen; etc. etc. etc..
     Der Begriff ist also in einer Art von Geschichten niedergelegt.

   
     Und die Geschichten sind nach dem Prinzip konstruiert, daß alles Verstellung sein kann.
     Dazu gehört natürlich, daß in jeder Geschichte etwas als der wahre Urgrund charakterisiert wird. Und wie ist der wahre Urgrund als solcher zu charakterisieren?
     Etwa in Form von Monologen. Diese dürfen nicht hörbar sein, sonst könnten sie zum Betrug gehören. – Aber könnte nicht Einer gedankliche Monologe halten, nur weil sie ihm eine gewisse Erscheinung geben, die er zum
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Betrug verwenden will? – So ist also die Absicht der Urgrund? Und wie kann die in der Geschichte herauskommen?

   
     Der Begriff der Verstellung dient praktischen Zwecken || Problemen. D.h.: Wenn der, welcher alles im Sinne hat nichts als Gutes & Herrliches tut || kann Pläne handelt im Geheimen die finstern Ränke schmiedet, nichts als Gutes & Herrliches tut || hervorbringt, bis er dann einmal die finstere Tat begeht, so wird das auch nur ‘theoretisch’ eine Verstellung sein; denn es sieht nicht mehr wie Verstellung aus & die Schlüsse, die man an einer rechten || im normalen Fall aus finstern Anschlägen ziehen würde, treffen hier nicht zu.

   
Bist Du wirklich dumm, so mußt Du Dir's gestehen: darin liegt der Ernst der || dieser Untersuchung.

   
     Und was hab ich nun mit allem dem erreicht?
     In der Erklärung des Begriffs den Gebrauch an die Stelle des Bilds gesetzt.

   
     “Das Wort W. hat zwei Bedeutungen” heißt: es hat zwei Arten der Verwendung. Was teilt Einem dieser Satz mit? Unter welchen Umständen wird er gebraucht?
     Jemand kennt das Wort “Bank” nur in einer Verwendung; ich teile ihm mit: es hat noch eine andere. (Nämlich …)
     Er kennt || beherrscht schon jede Verwendung des Wortes, wird aber plötzlich stutzig, kennt sich nicht aus, & ich erkläre ihm: “Das Wort hat zwei Verwendungen: …”

   
     In diesem Begriff von der Bedeutung ist manche Unbestimmtheit.
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     Man sagt || hört z.B. nicht, || : “gehe” & “gehst” haben verschiedene Bedeutung.
     Sie bedeuten ganz dasselbe, würde man Einem sagen; nämlich das – & nun würde man ihm das Gehen vormachen.

   
     Du kommst zu einem Stamm, sie haben eine Sprache; in dieser Sprache hörst Du ein Wort (einen Laut) – – hat er eine Bedeutung, oder mehrere? Wie wirst Du es entscheiden? || wie wirst Du es herausbringen, wie entscheiden?

   
     Manchmal wird die Entscheidung jedenfalls ganz leicht & klar sein. [Aber immer?]

   
     “Sein Haar ist grau” || Ich weiche um kein Haar” “Er hat kein Haar auf dem Kopf”. Hat “Haar” in beiden Sätzen die gleiche Bedeutung? – Und bedeutet “ein bißchen” einen kleinen Bissen? – “Man ist sich in einem Fall noch der alten Bedeutung bewußt, im andern nicht.” Und dieser Satz bezieht sich nicht auf ein Bewußtsein beim Aussprechen des Worts, sondern etwa auf eine Erklärung, welche man gäbe, oder nicht gäbe, wenn … Also auf Verbindungen, welche gemacht, oder nicht gemacht würden.

   
      ∣ Was ist die korrekte Übersetzung eines englischen Kalauern || Wortspiels in's Deutsche? Vielleicht ein ganz anderes Kalauer || Wortspiel. ∣

   
     Du mußt die Fehler Deines eigenen Stiles hinnehmen. Beinahe wie die Unschönheiten des eigenen Gesichts. ∣

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24.11.
Was willst Du mit der Entscheidung, das Wort habe nur eine, oder nicht nur eine, Bedeutung?
     Du kannst ja seinen Gebrauch lernen, ohne das zu entscheiden (ohne darüber nachzudenken).

   
     Sagst Du, es hat zwei Bedeutungen, so mußt Du sie nun durch eine || die Erklärung trennen. (Das kann verschiedenen Zweck haben.

   
     Aber die Unterscheidung kann in's Auge springen, oder auch nicht.

   
     Sie mag schon beim ersten Sprechenlernen gemacht werden, oder auch erst von Einem, der die Grammatik der Sprache erforscht.

   
     (Du mußt ja hier von der lebenden Sprache ausgehen.)

   
     Die Unterscheidung von Verwendungsweisen hat verschiedene Zwecke.

   
     Ich schaue die Sprache an & sage “verschiedene Wörter werden ganz verschieden gebraucht”.
     Dann aber auch: “Diese (hier) haben die gleiche.” “Und ferner: “Dieses Wort hat zwei ganz verschiedene Verwendungen.” Aber auch: “Es hat zwei verschiedene, & doch ähnliche Verwendungen.” – Und soweit beschreibe ich, was mir auffällt. (D.h., es ist hier noch kein Problem.) (Soweit bin ich noch ganz naiv.)
     Zu jeder Bedeutung gehört hier immer eine Erklärung der Bedeutung.
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Und die Erklärungen können ihrer Art nach ungemein von einander verschieden sein & wieder in verschiedener Weise mit einander ähnlich sein.
     [Eine Erklärung von “gehen”, & von “gegangen”.]
     Die Unterschiede können primitiver, & weniger primitiv sein.

   
     Du kommst in eine neue Lage, wenn Du mehrere Sprachen betrachtest & miteinander vergleichst.

   
     Die Erklärung mancher Wortverwendung wird uns einfach, lapidar, ursprünglich, vorkommen; einer andern: künstlich, willkürlich, zwecklos.

   
     “Wir brauchen ein Wort, um diesen Gegenstand, dies Werkzeug, zu bezeichnen; aber wozu ein Wort, das dieses jeden Montag, jenes jeden Dienstag, etc., bezeichnet?” Hat dieses Wort überhaupt eine Bedeutung, oder sieben?

   
     Nicht jeder Gebrauch, willst Du sagen, ist eine Bedeutung.

   
     Hat dieses Wort eine Funktion in unserm Leben, oder hat es sieben Funktionen?
     Eine Funktion: dafür hat man gewisse Vorbilder. Und was diesen verwandt ist, heißt so. (Ein unscharfer Begriff.)

   
     Bedeutung, Funktion, Zweck, Nutzen, – zusammenhängende Begriffe.

   
      ∣ Denk Dir die Hypothese, || : der Mensch erinnere sich eines Traums nie richtig, er vergäße beim Erwachen sofort den Gedanken des Traumes & behielte nur die Bilder
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im Gedächtnis, die denselben begleiteten || begleiten. Die Geschichte geht verloren & nur die Illustrationen bleiben. ∣

   
     Denk Dir; || : in einer Geschichte || Erzählung ersetzten wir jedes zehnte Wort durch das Wort “Tisch”. – Und nun hätte in einer Sprache ein Wort die Verwendung, die das Wort “Tisch” in jener Geschichte hat. || hätte.
     Wie könnten wir die Verwendung || den Gebrauch eines solchen vagierenden Wortes beschreiben?
     Oder was hieße || was würde man nennen: “Einen den Gebrauch dieses Wortes lehren”?

   
     Worauf will ich hinaus? Doch darauf, daß die Beschreibung eines Wortgebrauchs die Beschreibung eines Systems, oder von Systemen ist. – Aber was ein System ist, dafür habe ich keine Definition.

   
     Ich komme zu Leuten, die in ihrer Sprache ein vagierendes Wort benützen.

   
     Hätten sie nur vagierende Worte – dann wäre es eben keine Sprache.

   
     Ich denke mir hier einen Menschen, der ganz naiv (ohne philosophische Hintergedanken) die Varietäten der Wortverwendung anschaut & für dich beschreibt.
     Es könnte z.B. das Wort, das an jedem Wochentag || das jeden Tag der Woche etwas andres bedeutet, wie das || oder auch gewöhnliche || normale Substantiv beschreiben || klassifizieren, & es käme ihm nicht die Frage “Hat dies eine Funktion, oder mehrere?”

   
     Die Frage kommt ihm gar nicht: “Haben ‘non’ & ‘ne’ die gleiche Bedeutung?”
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25.11.
     Aber nun vergleicht er auch seine Sprache mit der primitiven, die Einer lernt, der || wenn er als Fremder unter Leute kommt, die ihn nicht verstehen. Dieser || So einer nämlich lernt einzelne wichtige Worte durch mehre Arten demonstrativer Erklärungen || Demonstrationen verschiedener Art. Zu jedem Wort gehört ein Zeigen, ein Vormachen (eine kleine Szene). – Auch die Bedeutung der Verneinung wird natürlich vorgemacht. (Sei es im Befehl “Tu das nicht!” oder in der Mitteilung.) || Ein solcher nämlich lernt einzelne wichtige d.h. ihm nötige Worte, ein jedes durch eine Demonstration. Zu jedem Wort gehört ein Zeigen, ein Vormachen; eine mimische Darstellung. …

   
     In dieser Sprache wird es z.B. auf die genauen Endungen der Worte nicht ankommen (Oder auch: diese Sprache hat keine ¤ Flexion.)
     Die Demonstrationen unterscheiden zwar die Verwendung eines Wortes von der Verwendung eines andern, aber sie unterscheiden z.B. nicht “geht” von “gehst”.

   
     Und wir könnten nun in unsre Sprachbeschreibung einen Begriff ‘Bedeutung’ einführen, solcher Art, daß zwei Worte die gleiche Bedeutung haben, wenn in jener || der bewußten primitiven Sprache die gleiche Demonstration ihnen entspricht || sie erklären würde.

   
     Man kann also fragen: Wenn ein Fremder zu den Leuten kommt, die “non” & “ne” sagen, auf welcher Stufe wird ihm ihr || der Unterschied beigebracht werden?
     Anfänglich gewiß nicht; er wird eine Verneinung lernen die den Unterschied
109
nicht kennt.

   
     Denke, ich sagte, ‘Bedeutung’ wäre || sei die primitive Funktion eines Worts – würde das stimmen?

   
     Und natürlich ist dieser Begriff äußert vag.
[Fortsetzung auf S. 111 v.]


   
26.11.
      ∣ Die Worte “die Rose ist rot” sind sinnlos, wenn das Wort “ist” die Bedeutung von “ist gleich” hat. – Heißt dies: Wenn Du jenen Satz sprichst & dabei “ist” || & “ist” darin als Gleichheitszeichen meinst, so zerfällt Dir der Sinn?

   
     Man nimmt || Der Andre nimmt einen Satz vor || Wir nehmen einen Satz z.B. den “Die Rose ist rot” & erklären Einem || einem Schüler die Bedeutung jedes seiner Wörter; er lernt damit, sie zu verwenden || anzuwenden & also auch jenen Satz. Habe ich || Hätten wir statt einem Satz || des Satzes eine unsinnige Wortreihe || Wortreihe ohne Sinn gewählt, so würde er sie nicht verwenden lernen. Und erkläre ich ihm || erklärt man das Wort “ist” als Gleichheitszeichen, – dann lernt er nicht die Wortfolge “die Rose ist rot” zu verwenden.

   
     Und doch || dennoch ist es (auch) wahr, daß einem der hier beim Wort “ist” an “gleich” denkt der Sinn des || jedes jenes Satzes im Geist zerfällt || zu zerfallen scheint. Ähnlich wie wenn jemand beim Ausrufe Ei, ei! an zwei Eier dächte. – Man könnte Einem sagen: Wenn Du den Ausruf “Ei, ei!” ausdrucksvoll sagen || sprechen willst, darfst Du nicht an ein Ei || an Eier dabei denken! || darf er Dich nicht an ein Ei erinnern!

   
     Und dennoch hat es auch mit dem ‘Zerfallen des Sinnes’ seine Richtigkeit. Sie liegt in diesem Beispiel: Man könnte Einen instruieren || Einem sagen: Wenn Du den Ausruf || die Worte “Ei, ei!” ausdrucksvoll sprechen willst, darfst Du nicht an Eier dabei denken!
109
   

     Was macht meine Vorstellung von ihm zu einer Vorstellung von ihm?
     Wenn ich sage “Ich stelle ihn mir jetzt vor, wie er … ” so wird hier nichts als sein Portrait bezeichnet.
     Aber kann ich nicht daraufkommen, daß ich ihn mir ganz falsch vorstellte?
     Ist meine Frage nicht wie die: || Ist es nicht als ob ich fragte: “Was macht diesen Satz || diese Bemerkung zu einem, der || einer, die von ihm handelt”?
     “Daß wir von ihm sprachen.” – Und was macht unser Gespräch zu einem über ihn?” – Gewisse Übergänge die wir gemacht haben, oder machen würden.

   
27.11.
     Was macht dies Bild zu seinem Portrait? – Es ist im Katalog als das eingetragen || bezeichnet.

   
     Angenommen, statt mir etwas vorzustellen, skizzierte ich auf einem Stück Papier. Ich rede also von N. & skizziere dabei || & mein Bleistift skizziert dabei eine Figur auf dem Papier. Da kann man mich fragen “Stellt das den N. vor?” Und es mag ihn vorstellen, ob es ihm ähnlich ist, oder nicht.
     Ist es richtig zu sagen: So ähnlich ist es mit der Vorstellung. Gewiß; insofern man manchmal zeichnen kann, was man sich vorgestellt hat.

   
     Die Frage “Was macht dies zu einer Vorstellung von ihm?” tritt normalerweise nicht auf, wenn ich mir etwas vorstelle. Und zeichne ich was ich mir etwas vorstelle. Und zeichne ich was ich mir vorgestellt habe & man fragt “Was macht dieses Bild zu seinem Bild?”, so könnte ich antworten: “Meine Vorstellung”.

   
     “Was macht die Bemerkung, die ich
110
jetzt machte, zu einer Bemerkung über ihn?”

   
     Was läßt sich darauf sagen?
     Nichts, was mit ihr gleichzeitig ist. || Nichts, was in ihr liegt, oder mit ihr gleichzeitig ist. Wenn Du wissen willst, wen er gemeint hat, frag ihn!

   
     “Was macht meine Vorstellung von ihm …? Gibt es hier etwas, was ich darauf hier untersuchen könnte, ob es meine Vorstellung von ihm war?

   
     Denn || Und wenn ich sage “Ich sehe ihn jetzt lebhaft vor mir, wie er … ” so gilt ja von diesem Satz & vom Vorstellungsbild || & der Vorstellung die gleiche Frage.

   
     Anderseits könnte mir ein Gesicht vorschweben, ja ich könnte im Stande sein es zu zeichnen, & wüßte nicht wem es angehört, wo ich es gesehen habe.

   
     Was macht meine Vorstellung von ihm zu einer Vorstellung von ihm?
     Nicht die Ähnlichkeit des Bildes.
     Von der Äußerung “Ich sehe ihn jetzt lebhaft vor mir” & von der Vorstellung gilt ja die gleiche Frage wie von der Vorstellung. Was macht meine Äußerung zu einer Äußerung über ihn? Nichts, was in ihr liegt, oder mit ihr gleichzeitig ist (‘hinter ihr steht’). Wenn Du wissen willst, wen er gemeint hat, frag ihn!

   
     Wenn aber jemand beim Vorstellen, oder statt des Vorstellens zeichnete, wenn auch nur mit dem Finger in der Luft. (Man könnte das “motorische Vorstellung” nennen.) Da könnte man ihn fragen “Wen stellt das vor?” Und seine Antwort entscheidet || würde entscheiden.
     Sie würde uns eine Intention mitteilen.
110

     Die Linie die ich zeichnete, war wie eine Beschreibung.

   

     Man muß sich eigens daran || Ja man muß sich daran erinnern, daß ein Gesicht mit seelenvollem Ausdruck gemalt werden kann || sich malen läßt, um zu glauben, daß bloße Farben & Formen so auf uns einwirken. || daß die Farben & Formen allein so auf uns einwirken.

   
     “Ich glaube daß er leidet.” || ‒ ‒ ‒ Glaube ich auch, daß er kein Automat ist?
     Nur mit Widerstreben || Mit Widerstreben nur könnte ich dies || das Wort in diesen beiden Zusammenhängen gebrauchen || aussprechen.
     (Oder ist es so: “Ich glaube daß er leidet; ich bin sicher daß er kein Automat ist”? Unsinn!) (Das wäre Philosophenunsinn.)

   
     Denke ich sage von einem Freunde || Bekannten “Er ist kein Automat” – Was für eine Mitteilung wäre das? Für wen wäre es eine? || Was würde das mitteilen? & für wen wäre es eine Mitteilung? Für einen Menschen, der ihn unter normalen || gewöhnlichen Umständen sieht? Was könnte ihm das mitteilen?! (Doch höchstens, daß er sich immer wie ein Mensch & nicht manchmal wie eine Maschine benimmt.)

   
     “Ich glaube, daß er kein Automat ist” hat so ohne weiteres noch gar keinen Sinn.

   
     Meine Einstellung zu ihm ist die || eine Einstellung zur Seele. Ich habe nicht die Meinung, daß er eine Seele habe. || hat. || , er habe eine Seele.

   
     Es drängt sich uns freilich ein Bild auf, das vom Unkörperlichen, was das Gesicht belebt (wie eine zitternde Luft). Man muß eigens daran denken, daß ein Gesicht mit seelenvollem Ausdruck sich malen läßt || gemalt werden kann, um zu glauben, daß Farben & Formen allein so auf uns einwirken können. || Bild auf: vom Unkörperlichen
111
das wir spüren, vom Lebenden des Gesichts. Man muß sich dran erinnern, daß ein Gesicht mit seelenvollem Ausdruck zu malen ist, um zu glauben, daß Farben & Formen allein (auch) so auf uns wirken können.


   
28.11.
[Fortsetzung von S. 109 v.] C Ist aber z.B. die primitive Funktion der Verneinung im Bericht & der Abwehr im Befehl (“Tu das nicht!”) die gleiche? – Was man die gleiche Funktion, & was nicht, nennen wird, wird von der menschlichen Natur abhängen. Sowie natürlich auch: was Notwendigkeit || primitives Bedürfnis ist, & was nicht. || Was man die gleiche Funktion nennen wird, & was nicht die gleiche, wird von der menschlichen Natur abhängen. Sowie natürlich auch: was Notwendigkeit || primitives Bedürfnis ist, & was nicht.

   
     Der Begriff ‘Bedeutung’ wird dazu dienen, das, was man die kapriziösen Bildungen der Sprache nennen könnte, von den wesentlichen, in der Natur ihres Zweckes gelegenen zu unterscheiden.

   
     Der Begriff der ‘Bedeutung’ wird in die Beschreibung der Wortverwendung einen neuen Gesichtspunkt einführen.

   
     Beispiel: Ein Verbum, das in der ersten Person schreiben bedeutet, in der zweiten lieben, in der dritten essen.

   
     Was kapriziös ist entscheidet die menschliche Natur.

   
     Aber die Natur Eines, der schon eine Sprache kennt, oder dessen, der noch keine kennt (z.B. also des einjährigen Kindes)?

   
     Ist es kapriziös, oder nicht, daß ein Wort an jedem Wochentag etwas anderes bedeutet? || , daß ein Name an jedem Wochentag einen andern Träger hat? oder in der ersten
111
Person etwas anderes, als in der zweiten? || , oder ein Zeitwort in der ersten Person eine Tätigkeit bezeichnet, in der zweiten eine andre?


   
∣ Steige immer von den kahlen Höhen der Gescheitheit in die grünenden Täler der Dummheit. ∣

   
     ‘Bedeutung’ ist ein primitiver Begriff. Es gehört zu ihm die Form die Verwendung || der Ausdruck: “Das Wort bedeutet das”; d.i., die Erklärung der || einer Bedeutung durch ein Zeigen. Dies funktioniert gut unter gewissen Umständen & bei gewissen Wörtern. Sowie man den Begriff auf andere Wörter ausdehnt gerät man in || entstehen aber Schwierigkeiten.

   
     Die Erklärung || Definition eines Worts ist nicht eine Analyse dessen, was in mir vorgeht (oder vorgehen soll) wenn ich es ausspreche.

   
     “Auf je zwei Meter stehen zwei Soldaten.”
     “Er saß in der Bank auf einer Bank.”

   
     “Für dieses Wort unser Sprache will ich zwei setzen; das eine erkläre ich so: … , das andere so: …” Ich hätte auch sagen können: Dieses Wort unserer Sprache hat zwei Bedeutungen: … || ; diese … & diese …” Hier könnte man nicht fragen: “Aber sind wirklich zwei Bedeutungen?” – Oder doch – wenn das heißen soll: “Ist diese Unterscheidung nicht ganz willkürlich, ganz zwecklos?”
“Warum unterscheidest Du sie, was ist der Witz dieser Unterscheidung?” || diese: … & diese: … ” – “Aber sind das wirklich zwei Bedeutungen?” – das könnte nun heißen: “Ist diese Unterscheidung
112
nicht ganz willkürlich, zwecklos?”


   
     “Ich sehe ihren Zweck nicht ein”. Wie schaut aber die Erklärung eines Zwecks aus? Ich kann darauf keine allgemeine Antwort geben.

   
     Du stellst Dir Aufgaben & löst sie dann, wie ein Mathematiker.
     Die Aufgabe: non & ne.

   
     Der welcher die Wortverwendungen naiv beschreibt, wird auch die von “non” & die von “ne” beschreiben, & er kann auch die Bemerkung machen, daß sie beinahe die gleichen sind. – Aber das ist nicht alles: Kann er nicht sagen, daß die beiden Wörter nur in sehr speziellen Sprachspielen verschiedene, & sonst die gleiche Verwendung haben?

   
     Muß er nicht sagen können, daß in einem bestimmten Sprachspiel ein Wort durch ein anderes ersetzbar ist?

   
     Wenn das Sprachspiel, die Tätigkeit, z.B. das Bauen eines Hauses (wie in № 2), die Verwendung eines Wortes fixiert, so ist der Begriff der Verwendung elastisch mit dem der Tätigkeit. Das aber liegt im Wesen der Sprache.

   
     Denken wir uns also diesen Gebrauch von “non” & “ne”: Die beiden Wörter werden wie unser “nicht” gebraucht; bei dem gleichen Anlaß wird einmal das eine, einmal das andre verwendet, sie verhalten sich darin ganz wie synonyme Wörter nur in dem seltenen Fall der Verdopplung wird unterschieden.
     Ich werde also versucht sein die
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ganzer Wortverwendung ‘als ganze’ von einer Teilverwendung zu unterscheiden. Ja, hier wird die Teilverwendung mir wichtiger scheinen als die ‘ganze’.

   
     Ich sage also: “Die Verwendung hier & hier ist dieselbe. In allen diesen Fällen kann man das eine für das andre setzen.” Aber was heißt das eigentlich?

   
      Der naive Beschreiber, – kennt er den Begriff ‘ein Wort durch ein andres ersetzen können’? – Er kennt gewiß den, der gemischten Verwendung zweier Wörter.

   
     Oder auch so: Der Reisende, welcher das Land, wo “non” & “ne” gebraucht wird bereist || erforscht & die Sprache in die seine zu übersetzen trachtet, wird keinen Grund haben, jedes durch ein besondres Wort seiner Sprache zu übersetzen, bis er einmal zu einem Fall der doppelten Verneinung kommt (dann mag er in seiner Sprache ein Äquivalent finden).

   
     Der Reisende könnte doch sagen: “Die Verwendung, soweit ich sehen kann, ist die Gleiche.”

   
     Der Begriff “‘ne’ & ‘non’” hat in allen diesen Fällen genau die gleiche Bedeutung.” Das könnte man z.B. sagen wenn in ihrer Sprache || von den Leuten selbst die Worte in diesen Fällen wie Synonyme behandelt werden. (& || Und wir wissen wie das ausschaut.) – Es könnte aber auch sein, daß sie || der Stamm sie zwar nicht wie Synonyme behandelt, sie nicht ‘vermischt’, & sie für den uns dennoch Synonyme wären.
   
29.11.
      ∣ Ich habe eines von diesen Talenten, das immer
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wieder aus der Not eine Tugend machen muß. ∣

   
∣ Tradition ist nichts, was Jeder aufnehmen || Einer lernen kann, ist nicht ein Faden, den Einer aufnehmen kann, wenn es ihm gefällt; sowenig, wie es möglich ist, sich seine || die eigenen Ahnen auszusuchen. || sich die Ahnen auszusuchen von denen man abstammen möchte.
     Wer eine Tradition nicht hat & sie haben möchte, der ist wie ein unglücklich Verliebter. & hat damit eine ganz besondere Aufgabe, dies Schicksal zu ertragen. Seine Gefahr wird sein zu träumen & zu liebäugeln.

   
      ∣ Der glücklich Verliebte & der unglücklich Verliebte haben jeder sein eigenes Pathos.
     Aber es ist schwerer gut unglücklich verliebt sein, als gut glücklich verliebt.

   

     Die größte Schwierigkeit in diesen Untersuchungen ist, eine Darstellungsweise für die Vagheit finden.

   
     Man kann von der Funktion des Worts im Satz, im Sprachspiel, in der Sprache, reden. Aber “Funktion” heißt in jedem dieser Fälle Technik. Bezieht sich also auf eine allgemeine Erklärung & Abrichtung.

   
     Wer einen ein Verneinungszeichen lehrt, richtet ihn so & so ab. (Die doppelte Verneinung braucht in der Abrichtung gar nicht zu erscheinen.) Nun kann er sie aber einmal gebrauchen, oder hören & sie dabei so, oder so auffassen. Die Auffassung müßte nicht mit seiner frühern Abrichtung in Zusammenhang stehen, obwohl sich so einer denken läßt. Soll ich aber sagen, || : die Abrichtung hat ihn den
113
Sinn der doppelten Verneinung gelehrt? Das || muß ich nicht sagen. Und hat sie mich gelehrt zwei Wörter in gleicher Weise als Negation zu gebrauchen, so gewiß nicht, zwischen ihnen dann im Fall der Verdoppelung zu diskriminieren.
     Diese Unterscheidung habe ich gewiß durch die Abrichtung nicht gelernt. Ich habe aber eine Bedeutung durch sie gelernt, & also die selbe.

   
     Man kann in einer Abrichtung (wieder) Abrichtungen unterscheiden. Und also in einer Wortverwendung Verwendungen.

   

30.11.
     So handelt die Psychologie vom Benehmen; nicht von den Erscheinungen des Seelenlebens? || nicht vom Seelischen?
     Was berichtet der Psychologe? – Was beobachtet er? Nicht das Benehmen der Menschen & insbesondre ihre Äußerungen? Aber die Äußerungen des Subjekts || diese handeln nicht von seinem || ihrem Benehmen.

   
     Der Arzt fragt “Wie geht es ihm?”. Die Krankenschwester sagt “Er stöhnt”. Ein Bericht über's Benehmen. Aber muß die Frage überhaupt auftauchen ob das Stöhnen echt sei? Kann es nicht sein, als ob diese Frage gar nicht existierte? Kann nicht z.B. der Schluß gezogen werden: “Wenn er stöhnt, so müssen wir ihm noch ein schmerzstillendes Mittel geben”? Kann in dieser Gedankenwelt der Bericht über das Benehmen nicht eben als Bericht über das Seelische verwendet werden. Kann es nicht zu diesem Dienst verwendet werden, & kommt es eben nicht auf den Dienst an? || Aber muß die Frage für die Beiden
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überhaupt existieren, ob dieses Stöhnen wirklich echt, ob es wirklich der Ausdruck von etwas ist? Können sie nicht z.B. den Schluß ziehen … ohne ein Mittelglied zu verschweigen? Kommt es denn nicht auf den Dienst an in welchen sie die Beschreibung des Benehmens stellen?


   
     “Aber diese machen dann eben eine stillschweigende Voraussetzung.” Dann ist die Technik der Verwendung unsrer Worte immer stillschweigende Voraussetzung.

   
     “Wir machen dabei immer eine Voraussetzung; wenn sie nicht stimmt, so ist natürlich alles anders.” Sagen wir das z.B., wenn wir Einen einkaufen schicken. Ist die Voraussetzung, daß er ein Mensch ist & das Geschäft keine Fata Morgana? Die Voraussetzungen haben ein Ende.

   
     Aber könnte, was hier nicht ‘Voraussetzung’ ist, dies || das in einem andern Falle nicht sein? Ist Voraussetzung nicht, wo ein Zweifel ist? Und der Zweifel kann gänzlich fehlen; & er kann im geringsten Grade & bis zum größten vorhanden sein. || Und der Zweifel kann gänzlich fehlen. Der Zweifel || Das Zweifeln hat ein Ende.

   
     Denk Dir, es sagte Einer “Es gruselt mir, es gruselt mir die ganze Zeit”, – er meint aber damit, er könne Schach spielen. Er gibt einer Fähigkeit einen Ausdruck eines Erlebnisses.
   
     Selbst || Auch wenn er || Einer nur dann & nur solange dies || das & das könnte, als er jenes || das & das fühlt, wäre das Gefühl nicht die Fähigkeit. || als er etwas bestimmtes fühlt.

   
1.12.
114
Wie vergleicht sich das Benehmen des Zornes, der Freude, der Hoffnung, des Erwartens, des Glaubens, der Liebe, des Verstehens? – Stelle einen zornigen Menschen dar! || den Zorn dar! Das ist leicht. Einen Freudigen || Die Freude, – da käme es drauf an: was für Freude? Die Freude des Wiedersehns, oder die Freude beim Hören einer Musik …? – Die Hoffnung? Das wäre schwer. Warum? Es gibt nicht Gebärden der Hoffnung. Wie drückt die Hoffnung sich aus, daß er wiederkommen wird?

   
     Es ist leicht sich ein Tier zornig || wütend, furchtsam, traurig, freudig, erschrocken vorzustellen. Aber hoffend?

   
     Hoffen || Hoffnung ist doch ein ruhiges, freudiges Erwarten. (Obwohl so eine Analyse etwas abstoßend hat.)

   
     Ein Hund kann seinen Herrn erwarten aber kann er erwarten, daß sein Herr übermorgen kommt || sein Herr werde übermorgen kommen? Und was kann er nun nicht? – Wie mache denn ich's? Was soll ich darauf antworten?

   

     Die ‘Bedeutung’ ist || Was man ‘Bedeutung’ nennt ist nicht das || ein Erlebnis beim Ansprechen || Sprechen oder Hören des Worts; || was man beim Ansprechen oder Hören des Worts erlebt, & der ‘Sinn’ des || eines Satzes nicht der Komplex von Erlebnissen || der Erlebnisse, die zu seinen || den Worten gehören || der Komplex dieser Erlebnisse.
     Wie ist z.B. der Sinn von || Wie setzt sich z.B. der Sinn des Satzes “Ich habe ihn noch immer nicht gesehen” aus den Bedeutungen der || seiner, Wörter zusammengesetzt? || zusammen? Der Satz ist aus den Wörtern zusammengesetzt, & das ist genug.

   
     Des Wortgefühl. Denk Dir, wir fänden einen Menschen der uns beim Sprechen über die Wortgefühle sagte für ihn hätte “wenn” & “aber” das gleiche Gefühl? || . Dürfen wir ihm das nicht
115
glauben? – Oder sollen wir einfach sagen er spiele nicht unser Spiel. Es wäre das ähnlich wie wenn es Menschen gäbe die || gewisse || jemand nicht mit jedem Vokal eine eigene Farbe verbände, sondern, sagen wir, eine mit a, e, i; & eine andere mit o & u. Vielleicht gibt es solche. || statt mit jedem Vokal eine eigene Farbe zu verbinden, eine, sagen wir mit … & eine andere mit … verbände.

   
     Sie wären, möchte man sagen von uns viel verschiedener, als die, welche gar keine Farben mit den Vokalen verbinden. Beinahe möchte man sie farbenblind nennen.

   
     Und würde jener darum in Gebrauch “wenn” & “daß” verwechseln?

   
     Kann nur der hoffen, der || wer sprechen kann? Nur der, der die Verwendung || Anwendung der Sprache beherrscht. Die Zeichen des Hoffens sind Modifikationen eines viel kompliziertern Lebensmusters. || D.h., die Erscheinungen des Hoffens sind Modifikationen dieses sehr komplizierten Musters. (Wenn ein Begriff seine Anwendung auf den Charakter der Handschrift hat, dann hat er keine Anwendung auf Wesen, die nicht schreiben.)



   
     Der Blick den das Wort uns in einem bestimmten Zusammenhang nur zuwirft.
     Die Art & Weise wie es uns anschaut hängt natürlich von der Umgebung ab in der es steht.

   
     Ist nicht das Wenn-Gefühl dieses Wort, in diesem Ton & dieser Umgebung?

   
     Das Wenn-Gefühl kann nicht etwas sein, was das Wort “wenn” begleitet.
115


   
     Sonst könnte es auch etwas anderes begleiten.

   
     Denk Dir ich redete von einer Wenn-Geste.
     Könnte ein anders Wort dieselbe Geste machen? – Oder ‘wäre es dann nicht dieselbe’?

   
     Zur Wenn-Geste gehört eben auch der Klang des Wortes “wenn”.

   
     Können zwei Gesichter den gleichen Ausdruck haben? (Ja & Nein.)

   
     Das Wenn-Gefühl müßte zu vergleichen sein dem besondern ‘Gefühl’, das uns eine musikalische Phrase || Wendung gibt. (Es könnte Einer von einem ‘Ganzschluß || Halbschluß-Gefühl’ reden (wollen))

   
     Aber kann man dies Gefühl von der Phrase trennen? Und doch ist es nicht die Phrase selbst, denn Einer kann sie hören ohne dies Gefühl.

   
     Ist es darin ähnlich dem ‘Ausdruck’ mit welchem sie etwa gespielt wird?

   
     Denn man meint nicht ein Gefühl, das sie begleitet, höchstens die Phrase mit dem Gefühl.

   
     “Er sah mich mit einem eigentümlichen Lächeln an.” – Mit was für einem? – Da || Zur Antwort muß ich vielleicht sein Gesicht zeichnen.

   
2.12.
     Das Wenn-Gefühl ist nicht ein Gefühl, das das Aussprechen des Wortes “Wenn” begleitet.

   
     Wir sagen, diese Stelle gibt uns ein ganz besonderes Gefühl. Wir singen sie uns vor,
116
& machen dabei eine gewisse Bewegung, haben vielleicht auch irgend eine besondere Empfindung. Aber diese Begleitungen – die Bewegung, die Empfindung – würden wir in einem andern Zusammenhang gar nicht wiedererkennen. Sie wären ganz leer ↑ || sind ganz leer ↓, & sind's nur nicht || & außer eben, wenn wir diese musikalische Phrase singen || außer || außer eben wenn sie nicht mit der || diesereinhergingen || verbunden sind.

   
     Sagen wir “Ich singe sie mit einem ganz bestimmten Ausdruck”, dann bezeichnet “Ausdruck” nicht etwas, was ich von ihr trennen kann.
     Man könnte sich schon denken, daß, in einem andern Sinne, ich eine andere Phrase mit demselben Ausdruck spielen könnte.

   
     Das besondre Gefühl, das mir die Stelle gibt, gehört zur Stelle, ja zur Stelle || zu ihr in diesem Zusammenhang.

   
     Ich kann doch von dem Ausdruck reden, mit welchem Einer eine Stelle spielt, auch ohne dran zu denken, daß eine andre Stelle den gleichen Ausdruck haben könnte. Der || Dieser Begriff dient hier nur zur Vergleichung von Wiedergaben dieser Stelle.
   

3.12.
     Daß wir einen Satz verstehen, zeigt uns daß wir ihn unter Umständen verwenden könnten (wenn auch nur in einem Märchen), aber es zeigt uns nicht was, & wieviel wir mit ihm anfangen können.

   

4.12.
     [non & ne] Es hat denselben Zweck, dieselbe Verwendung – bis auf eine Bestimmung.

   
     So gibt es also zwischen Wortverwendungen || Verwendungen
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wesentliche & unwesentliche Unterschiede? Erst wenn man vom Zweck des Wortes redet, taucht diese Unterscheidung auf.



   
     Meine kinästhetischen Empfindungen belehren mich über die Bewegungen & Lagen meiner Glieder.

   
     Ich bewege || lasse jetzt meinen Zeigefinger eine leichte Pendelbewegung vor- & rückwärts machen. Ich spüre sie kaum, oder gar nicht. Vielleicht eine wenig in der Fingerspitze, wie ein Spannen der Haut (gar nicht im Gelenk). Und diese Empfindung belehrt mich über die Bewegung? Denn ich kann sie genau beschreiben.

   
     “Du mußt die Bewegung eben doch fühlen, sonst könntest Du nicht wissen, wie sich der Finger bewegt.” Aber, es “wissen”, heißt nur: es beschreiben können. – Ich mag die Richtung aus der ein Schall kommt nur angeben können, weil er das eine Ohr stärker affiziert als das andre; aber das höre ich nicht. Es bewirkt nur: ich weiß von wo || aus welcher Richtung der Schall kommt, ich blicke z.B. in dieser Richtung.

   
     So geht es mit der Idee || Ansicht, ein Merkmal der Schmerzempfindung müsse uns über den Ort des Schmerzes belehren; || ihren Ort am Körper belehren; oder ein Merkmal des Erinnerungsbildes über die Lage eines Ereignisses in der Zeit || über den Zeitpunkt auf den es sich bezieht.

   
     Eine Empfindung kann uns über die Bewegung, oder Lage eines Gliedes belehren. Wer z.B. nicht wie der Normale, im Stande wäre mit geschlossenen Augen anzugeben || zu sagen, ob sein Arm gestreckt ist || sei, könnte durch einen Schmerz || ein Druckgefühl || sich durch ein Druckgefühl im Ellbogen
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darüber belehrt werden. || davon überzeugen. – Und es kann auch der Charakter eines || des Schmerzes uns über den Sitz der Verletzung belehren.

   
     Wie weiß ich, daß den Blinden sein Tastgefühl & den Sehenden sein Gesicht über die Gestalt & Lage der Dinge belehren?

   
     Weiß ich's nur aus eigener Erfahrung, & vermute es nur bei den Andern?



   
     Die Evolution der höheren Tiere & des Menschen & das Erwachen des Geistes, (des) Bewußtseins auf einer bestimmten Stufe || Erwachen des Bewußtseins auf || einer bestimmten Stufe. ¥
     Unsere Sprache beschreibt zuerst einmal ein Bild. Was mit dem Bild zu geschehen hat, wie es zu verwenden, bleibt im Dunkeln. Aber es ist ja klar, daß dies || es erforscht werden muß, wenn man den Sinn unsrer Aussage(n) verstehen will. Das Bild aber scheint uns dieser Arbeit zu überheben; es deutet ja schon auf eine (ganz) bestimmte Verwendung. Und dadurch || Dadurch hat es uns zum besten.

   
Das Bild aber ist etwa dies: Die Welt ist, trotz der || aller Ätherschwingungen die sie durchziehen, dunkel. Eines Tages aber macht der Mensch sein sehendes Auge auf, & es wird hell.

   

5.12.
     Was ist das Kriterium dafür, daß mich ein Sinneseindruck über die Form & Farbe belehrt?

   
     Welcher Sinneseindruck? Nun, dieser. || : Ich kann ihn beschreiben: “er ist derselbe, wie der, … ”, || oder ihn || den Andern an einem Bild zeigen || erklären.
     Und nun: was fühlst Du, wenn Deine
117
Finger in dieser Lage sind? – “Wie soll man ein Gefühl erklären? Man kann es nur in sich selbst kennen.” Aber den Gebrauch der Worte muß man doch lehren können!

   
     Ich suche nun nach dem grammatischen Unterschied.

   
     Farbe, Klang, Geschmack, Temperatur, diese haben eine subjektive & eine objektive Seite. Das heißt doch wohl: sie geben manchmal an, was ich fühle, manchmal beschreiben sie die Außenwelt. – Nun, das subjektive Zwischenglied scheint in meiner Kenntnis der Körperstellung zu fehlen.

   
     Man kann ein Gefühl nicht beschreiben? Freilich kann man es. Man tut es alle Tage. Aber wie? Nun, wir müssen uns auf die besondern Fälle besinnen.

   
     Wenn einer mir sagte, er hätte damals das gefühlt was man fühlt wenn man seine Finger in dieser Lage hält, oder so bewegt, so würde ich die Lage & || oder Bewegung nachahmen & ihn dann etwa || vielleicht fragen “Meinst Du das Gefühl in den Fingerspitzen, oder in den Muskeln, oder an dieser Stelle?” D.h., ich wäre mir noch nicht klar darüber || es mußte mir noch nicht klar sein, von welchem Gefühl er sprach || spricht; ja ich könnte ihm sogar sagen “Ich fühle jetzt gar nichts bei dieser Bewegung.” Bedenk, || : ich könnte ihn auch fragen “Ist es ein starkes Gefühl?” || , oder ein sehr schwaches?”! (Aber diese Bemerkung ist erst am Rande, noch nicht im Zentrum der Sache.)
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     Und was ist der Ort des kinästhetischen¤ Gefühls? Kannst Du auf ihn deuten? (Denn daß Rezeptoren in den Gelenken & Muskeln sind geht uns hier nichts an.) || (Denn die Lage der Rezeptoren geht uns nichts an.)

   
     Sehen wir einmal vom kinästhetischen¤ Gefühl ab! – Ich will einem ein Gefühl beschreiben, & sage ihm “Mach's so, dann wirst Du's haben.” dabei halte ich meinen Arm, oder meinen Kopf, in bestimmter Lage. Ist das nun eine Beschreibung eines Gefühls, & wann || in welchem Falle, würde ich sagen, er habe verstanden, was für ein || welches Gefühl ich gemeint habe? || , von welchem Gefühl ich rede? Er wird daraufhin noch eine weitere Beschreibung des Gefühls geben müssen. Und welcher Art muß die sein? – Angenommen, er sagt mir, “Ja, ich hab's. Es ist ein sehr eigentümliches Gefühl” Auf die Frage “Was für eins? Wo” sagt er, das könne er nicht sagen, – es sei ganz eigenartig. Wie wüßten wir, daß es ein Gefühl ist?

   
     Die ‘weitere Beschreibung’ wird das Gefühl mit andern Gefühlen in Zusammenhang bringen: Es wird einen Ort haben, es wird gleichbleiben, oder sich ändern, stärker oder schwächer werden.
   
     “Mach's so, dann wirst Du's haben” dabei hatte ich meinen Arm, oder meinen Kopf in bestimmter Lage. Kann da nicht ein Zweifel sein? muß nicht einer sein, wenn ein Gefühl gemeint ist?
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     Was würden wir sagen, wenn jemand uns mitteilt, er sähe an einem bestimmten Ding eine Farbe, die er nicht beschreiben könne? Muß er sich richtig ausdrücken? Muß er eine Farbe meinen?

   
     Das schaut so aus; das schmeckt so; das fühlt sich so an: “das” & “so” müssen verschieden erklärt werden.
   
6.7.12.
     Ein ‘Gefühl’ hat für uns ein ganz bestimmtes Interesse. Und dazu gehört z.B. ein || der ‘Grad des Gefühls’(, ein ‘Ort’) ¤, die Übertäubbarkeit eines Gefühls durch ein anderes.



   
     “Kummer” beschreibt eine Art wiederkehrendes Muster im Lebensteppich. Nun, zu diesem Muster gehört auch ein Verlauf. Wenn der Körperausdruck des Grames & der Freude bei einem Menschen, etwa mit dem Ticken eines Metronoms, wechselten, so ergäbe das nicht das Gram- & || oder das Freudemuster. (Das sagt || heißt nicht daß Freude oder Kummer ein Benehmen sei || Freude oder Kummer sei ein Benehmen.)

   
     Wer den eigenen Kummer beobachtet, mit welchen Sinnen beobachtet er ihn? Mit einem eigenen || besondern Sinn? Mit einem der den Kummer fühlt? So fühlt er ihn anders, wenn er ihn beobachtet? Und welchen beobachtet er nun, den welcher nur da ist, während er beobachtet wird? – ‘Beobachten’ erzeugt nicht das beobachtete. (Das ist eine begriffliche Feststellung.)

   
     Aber ich kann doch meinen Kummer beobachten. Ich frage mich z.B. “Bin ich heute so betrübt, wie gestern?” & antworte darauf.
119


   
     Ich sage (zu mir selbst) z.B.: “Vor einem Monat hätte ich noch nicht ohne Grauen daran denken können.”

   
8.12.
     Wen man abgerichtet hätte beim Anblick von etwas Rotem einen bestimmten Laut auszustoßen, beim Anblick von etwas Gelbem einen andern, & so fort für andere Farben, von dem würde man dennoch nicht sagen, er könne Gegenstände ihrer Farben nach beschreiben obwohl er uns zu einer Beschreibung verhelfen könnte. Von dem aber, der || Dazu muß er Um zu beschreiben, muß er nach irgend einer Projektionsregel ein Bild der || Bilder von Farbverteilungen im Raume machen können. (Sprachspiel ?)7

   
     Wer z.B. seinen Blick in einem Zimmer schweifen ließe, plötzlich fällt er auf einen Gegenstand von auffallender roter Färbung & er ruft aus “Rot!” – der hätte keine Beschreibung gegeben, auch wenn er eine geben könnte. || Ich lasse meinen Blick in einem Zimmer || Raum umherschweifen, plötzlich fällt er auf einen Gegenstand von auffallender roter Färbung & ich rufe aus || sage “Rot!” – damit habe ich nichts beschrieben; obgleich ich eine Beschreibung geben könnte.

   
8.12.
     Sind die Worte “Ich fürchte mich” eine Beschreibung eines Seelenzustandes?
     Es kommt drauf an, in welchem Spiel sie stehen.

   
     Wir setzen bei dem, den Ausdruck der höchsten Furcht gebraucht || der Furcht ausdrückt, natürlich gewisse physiologische Begleiterscheinungen voraus || denn er soll ja ein Mensch sein. Den schnellen Puls, den keuchenden Atem, vielleicht auch erhöhten Blutdruck &
119
eine Reihe feinere, schwerer beobachtbare Symptome || Erscheinungen des Nervensystems, alles das wieder begleitet von manchen charakteristischen Gefühlen. Wenn Einem der Angstschweiß ausbricht, dann hat er die charakteristischen Empfindungen des Schwitzens.

   
     Und ferner: es ist wohl möglich, daß der, welcher gewisse typische Mienen, Gebärden, Laute, etc. der Furcht nachahmt, & eben dadurch das eine oder andre typische Gefühl, welches diese Gebärden unmittelbar erzeugen, erhält, – daß dieser dadurch in seinem Körper andere der physiologischen Furchtsymptome || Furchterscheinungen induziert & mit diesen noch weitere Furchtempfindungen erhält.

   
     Ja, es kann auch sein, daß Furchtspielen Furcht erzeugt. (Es muß nicht sein, es liegt nicht im Wesen der Furcht.)

   

9.12.
     Das Sprachspiel der Meldung kann so gewendet werden, daß die Meldung nicht Auskunft über den Gegenstand der Meldung geben soll || uns nicht über den Gegenstand der Meldung unterrichten soll, sondern über den Meldenden.
     So ist es z.B. wenn der Lehrer den Schüler prüft. (Man kann messen um den Maßstab zu prüfen.)

   
     “Wenn mich meine Sinne nicht täuschen, so kommt er dort.”
     “Wenn ich mich nicht irre, so kommt er dort.”
     Wie heißt davon die Annahmeform?

   
     Man kann sehr wohl sagen “Mir scheint es, er käme, aber er kommt nicht.”

   
     Man kann seinen || den eigenen Sinnen mißtrauen aber nicht dem eigenen Glauben.
120


   
     Man kann sogar sagen: “Es macht auf mich den Eindruck er kommt, aber er kommt nicht.

   
     Angenommen, ich führte einen Ausdruck, z.B. “Ich glaube”, so ein: Er soll dort der Meldung vorgesetzt werden, wo sie dazu dient über den Meldenden Auskunft zu geben. (Hier || Es braucht dem ‘Ich glaube’ keine Unsicherheit anzuhangen.¥ )
     Was hieße dann: “Ich glaube, es ist so & es ist nicht so.”?
     Bedenke auch daß die Unsicherheit sich auch unpersönlich ausdrücken läßt: “Er dürfte heute kommen.”


   
     “Ich glaube … ” beleuchtet meinen Zustand. Es lassen sich aus dieser Äußerung Schlüsse auf mein Verhalten ziehen. Also ist hier eine Ähnlichkeit mit den Äußerungen der Gemütsbewegung der Stimmung etc.

   
     Gäbe es ein Verbum “Zu glauben scheinen” dann fehlte ihm eine sinnvolle erste Person im Indikativ Präsens. (Unserm Worte “träumen” könnte sie auch fehlen.)
   
10.12.
     Das beste Beispiel für einen Ausdruck in ganz bestimmter Bedeutung ist eine Stelle in einem Drama.


   
Moore hat mit seinem Paradox in ein philosophisches Wespennest gestochen; & wenn die Wespen nicht gehörig aufgeflogen sind, so ist es nur, weil wie zu träg waren.

   
     Die augenblickliche Bewegung. Wer eine
120
Bewegung sieht, sieht überhaupt nicht Lagen in Zeitpunkten || die Lage in einem Zeitpunkt. Er könnte sie nicht abbilden, nachahmen.



   
     “Ich glaubte damals die Erde sei eine Scheibe.” Ein Glaube hat einen Grund, die Erfahrungen, Berichte, Beziehungen auf denen er fußt. Er steht auf einem Boden.

   
     Die Linie “X ist (darüber) im Irrtum” hat keinen reellen Punkt für X = ich.
     Die Linie taucht hier in's Dunkel.

   
     Man kann ja || z.B. fragen: Ist der || ein Zustand, den ich aus menschlichen || den Äußerungen des Menschen entnehme || erkenne wirklich derselbe wie der, den einer auf diese Weise nicht erkennt? Und die Antwort ist eine Entscheidung.



   
     Das Phänomen, wovon wir reden, ist das Aufleuchten des Aspekts.

   
     Man sagt sich z.B. “Es könnte auch das sein” (gibt eine neue Deutung & der Aspekt mag aufleuchten.

   
11.12.
     Zwei Verwendungen von “sehen”. Die eine: “Ich sehe dies” – wobei ich auf eine Beschreibung anspiele, oder auf ein Bild, eine Kopie zeige. Die andre: Damit mag ich einem Andern mitteilen: dort, wo seine Blicke nicht hinreichen befinde sich das & das. || zeige. Die Meldung des Beobachters: dort wo die Blicke des Andern nicht hinreichen, befinde sich das & das. Ein Beispiel der andern Verwendung; “Ich sehe eine Ähnlichkeit in diesen beiden Gesichtern”. Der, dem ich die Mitteilung mache,
120
mag die Gesichter so deutlich sehen, wie ich.

   
     Der Eine könnte die Gesichter genau portraitieren, der Andre eine || ihre Ähnlichkeit in ihren Bildnissen sehen, die der erste nicht sah. || , der Andre in ihren || diesen Bildnissen ihre Ähnlichkeit bemerken, die der erste nicht sah.

   
     Ich mag zwei Gesichter, die sich nicht ändern, betrachten || Ich betrachte zwei Gesichter, (vielleicht auf einem Bild): auf einmal leuchtet ihre || eine Ähnlichkeit auf || in ihnen auf. Ich nenne diese Erfahrung das Aufleuchten eines Aspekts.

   
     Seine Ursachen interessieren den Psychologen, oder Physiologen, nicht mich.

   
     Uns interessiert der Begriff & seine Stellung in den Erfahrungsbegriffen. || Erlebnisbegriffen.

   
     Man kann das Aufleuchten des Aspekts hervorrufen, indem man z.B. gewissen Linien des Gesichts (mit dem Blicke) folgt.

   
     Was ist der charakteristische Ausdruck des Aufleuchtens? Wie weiß ich daß jemand diese Erfahrung hat? – Der Ausdruck ist ähnlich der der Überraschung.

   
     Ein Aspekt leuchtet auf & verhallt. Soll er uns bewußt bleiben, so müssen wir ihn immer wieder anschlagen.

   
     Ich sehe plötzlich die Lösung eines Vexierbilds. Wo früher Äste & Zweige waren hängt || ist jetzt ein Mensch || eine menschliche Gestalt. Mein Gesichtseindruck hat sich geändert, & ich erkenne jetzt daß er nicht nur Farbe & Form, sondern auch eine ganz bestimmte Organisation hatte & eine andre hat. || hat. – Mein Gesichtseindruck hat sich geändert; – wie war er
121
früher; wie ist er jetzt. – Stelle ich ihn durch eine genaue Kopie dar – und ist das keine gute Darstellung? – so zeigt sich keine Änderung.

   
     Und sag nur ja nicht “Mein Gesichtseindruck ist doch nicht die Zeichnung! er ist dies, was ich niemand zeigen kann.” Freilich ist er nicht die Zeichnung, aber auch nichts von der gleichen Kategorie, das ich in mir trage.

   
     Kann also die Kopie den Aspekt nicht wiedergeben? – Man nennt sehr verschiedenes “Kopie”. – Die Art des Kopierens könnte || kann den gesehenen Aspekt anzeigen. Sie kann z.B. ‘Zusammengehöriges’ zusammennehmen. Auch die besondern Fehler die Einer beim Kopieren macht können den Aspekt den er sah anzeigen.

   
     Der Begriff des ‘innern Bildes’ ist irreführend, denn das Vorbild dieses Begriffs ist das äußere Bild, & doch ist die Anwendung des ersten eine andere als die Anwendung des zweiten sind ihre Anwendungen ganz verschieden || ihre Anwendungen nicht näher verwandt || ähnlicher als die von ‘Zahlzeichen’ & ‘Zahl’. Wer die Zahl z.B. das ‘ideale Zeichen’ nennen würde || wollte könnte || würde eine ähnliche Verwirrung anrichten. || , & doch sind die Verwendungen dieser || einander nicht ähnlicher Begriffe so unähnlich wie die von ‘Zahlzeichen’ & ‘Zahl’. (Wer die Zahl etwa das ‘ideale Zahlzeichen’ nennen wollte, könnte damit eine ähnliche Verwirrung anrichten.)

   
     Wer die Organisation des Gesichtseindrucks mit Formen & Farben zusammenstellt, geht vom Gesichtseindruck als einem innern Gegenstand aus. Dieser Gegenstand wird
122
freilich dadurch || dadurch freilich ein Unding, ein seltsam unklares || schwankendes Gebilde. Denn die Ähnlichkeit mit dem Bild ist nun gestört.

   
     Wer eine Reihe äquidistanter Punkte als Reihe von Punktpaaren sieht deren innere Entfernungen kleiner sind als die äußeren, der kann sagen, er sieht die Reihe in besondrer Weise organisiert, denn das Bild, das || die Kopie, die er von der Reihe entwürfe hätte eben eine besondere Organisation. Es könnte sich ja hier auch um einen Irrtum handeln: er hält die Reihe für so organisiert.

   
     Die Organisation: das sind etwa die räumlichen Beziehungen. Die Darstellung räumlicher || der räumlichen Beziehungen im Gesichtseindruck sind räumliche Beziehungen in der Darstellung des Gesichtseindrucks.
     Die Änderung des Aspekts kann sich durch eine Änderung räumlicher Beziehungen in der Darstellung des Gesehenen darstellen. Beispiel: die Aspekte des Würfelschemas. Die gezeichnete Kopie ist immer die gleiche, die räumliche verschieden.

   
     Der Begriff der Darstellung des Gesehenen, der Kopie ist sehr dehnbar, & daher auch der || mit ihm der Begriff des Gesehenen. Aber die beiden hängen innig zusammen. (D.h. natürlich nicht, daß sie einander ähnlich sind.)

   
      ∣ Im Geistigen läßt sich ein Unternehmen meistens nicht fortsetzen, soll auch gar nicht fortgesetzt werden. Diese Gedanken düngen den Boden für neue Gedanken.| || für eine neue Saat.

   
     Wer bei der Betrachtung des Würfelschemas sich so ausdrückte: “Ich
122
sehe jetzt einen Würfel in dieser Lage, jetzt einen in dieser.” – der könnte sehr Verschiedenes meinen || sagen, wollen. Etwas Subjektives, & || ; oder etwas Objektives. Seine Worte allein lassen das nicht erkennen. – Der Bericht des Aspektwechsels hat wesentlich die Form eines Berichts über den wahrgenommenen Gegenstand. Aber seine weitere Anwendung ist verschieden. || Aber in der Anwendung gehen sie || die beiden auseinander.

   
     Ist der Aspekt eine Art Organisation, & die Organisation vergleichbar den Charakteristiken der Form & Farbe, dann ist || wäre der Wechsel des Aspekts wie der || ein Wechsel der scheinbaren Farbe.

   
     ‘Farbe’ & ‘Form’ muß || Die Farben & Formbegriffe müssen objektiv gelernt werden.
     Der Ausdruck des Aspekts folgt dann dem Ausdruck der Wahrnehmung, wie der der Vorstellung dem der Wahrnehmung. Aber hier muß man sich daran erinnern, daß die visuelle Vorstellung sich nicht immer durch die Beschreibung eines Gesichtseindrucks darstellen läßt. Ich stelle mir z.B. eine geschlossene Schachtel vor, aber das Bild der geschlossenen Schachtel könnte manches andere auch darstellen. (Es || Dies erinnert an den Ausdruck in der Traumerzählung: “Und ich wußte, daß …”)

   
     Das Sehen des Aspekts eine Willenshandlung. Man kann Einen auffordern: Schau es jetzt so an. Trachte die Ähnlichkeit
12.12.
wieder zu sehen. Hör das Thema so etc. Aber ist damit das Sehen eine Willenshandlung? nicht vielmehr die Art des Anschauens die dies Sehen hervorruft?
     Ich kann z.B. das Würfelschema so sehen, indem ich den Blick auf diese
123
Kanten besonders richte. Wenn ich es tue, dann folgt das Umschlagen des Aspekts. Hier weiß ich wie ich es herbeiführe. Anderseits, wenn ich so & so betrachte so bin ich mir dessen nicht bewußt.

   
     Der Aspekt ist vom Willen abhängig. Darin gleicht er der Vorstellung.

   
     Aber es ist doch auch die visuelle Wahrnehmung vom Willen abhängig! Schau ich genauer hin, so sehe ich etwas anderes, & ich kann den andern Gesichtseindruck willkürlich || nach Willkür hervorrufen. Das macht den Eindruck freilich nicht zu einem Aspekt – aber ist er nicht auch vom Willen abhängig?

   
     [Hier endet vielleicht diese gute Periode.]

   
     Wer eine Figur immer als ein Druck-F aufgefaßt hat, braucht nie die Erfahrung gehabt haben, die die || deren Ausdruck die Worte “Jetzt seh ich's als ein F” ausdrücken || sind.
     Dieser Aspekt mußte nicht ‘aufgeleuchtet’ haben.

   
     Wer das H.-E.-Bild betrachtet & über den Gesichtsausdruck des H. nachdenkt, etwa trachtet, das richtige Wort dafür zu finden, der sucht || betrachtet das Bild im H-Aspekt aber dieser H-Aspekt leuchtet nicht auf.
     Ist es aber richtig zu sagen dieser sehe das Bild die ganze Zeit in diesem Aspekt?
     Nun er beschreibt, was er sieht als
123
einen H-Kopf, denn so redet er z.B. über das was er sieht.

   
     Frage Dich nun nicht “Wie geht es mit mir?” Frage “Was weiß ich vom Andern?”

   
     Frage Dich nicht “Seh ich es in so einem Fall?” – sondern “Was macht mich sagen, er sieht es in so einem || diesem Fall?”.

   
     Hörte ich Einen über das H-E Bild reden, & jetzt in gewisser Weise über den besonderen Ausdruck des H-Gesichts, so würde ich sagen “Er betrachtet das Bild jetzt als H.-Kopf”, oder “im H-Aspekt”.

   
     Die größte Gefahr ist, hier sich selbst beobachten wollen.

   
     Wenn ich sage “Diese beiden Objekte || Formen schienen mir auch keine Ähnlichkeit miteinander zu haben”, kann ich einen stärkern Ausdruck dafür gebrauchen, daß ich jedesmal etwas andres sah?

   
     Er sieht z.B. zwei Bilder in dem einen den H.-E.-Kopf umgeben von Hasen, im andern von Enten. Er bemerkt die Gleichheit nicht. Folgt daraus daß er beidemale etwas andres sieht? – Dies gibt uns einen Grund, es zu sagen || Es gibt uns einen Grund diesen Ausdruck hier zu gebrauchen.

   
     Und wie ist es mit seiner || der Äußerung “Ich hab es ganz anders gesehen!”? Nun die zeigt etwa, daß einem dieser Begriff naheliegt || hier naheliegt & das ist auch begreiflich.

124


   
     Ich hatte es also so gesehen, || , – || ; obwohl dieser Aspekt nie aufgeleuchtet hatte.

   
     Und wie vergleicht sich nun dieses chronische || statische ‘so-sehen’ mit Farben & Formen? Hatte also mein Gesichtsbild immer: diese Farben, diese Formen, diese Organisation? Soweit ist es ja nur eine Ausdrucksform; aber wie ähnlich sind diese Begriffe?

   
     Du hattest gelernt: das ist ‘rot’; das ist rund, das ist ein Hase‘.



   
     Man kann natürlich sagen “Es gibt gewisse Dinge, die sowohl unter den Begriff ‘Bildhase’ als ‘Bildente’ fallen. Und so ein Ding ist ein Bild, eine Zeichnung. – Aber der Eindruck ist nicht zugleich der von einer Bildente & von einem Bildhasen.

   
     Ich lernte nun die Begriffe ‘rot’, ‘rund’, ‘Bildhase’, ‘Bildente’ – soweit sind sie ungefähr auf einer Stufe. Ich kann sie an Mustern lernen.

   
     Ein Bildhase ist so etwas: & nun zeige ich Beispiele. Eine Bildente ist also etwas anderes wenn auch im Beispiel das gleiche wäre || ist.

   
     Wenn ich also den H-E.-Kopf als H. sehe || sah so sah ich: diese Farbe, diese Form || Diese Form & Farbe (ich zeichne sie genau || gebe sie genau wieder – & außerdem noch so etwas: dabei nun zeige ich eine Menge verschiedener H.-Bilder. Das zeigt die || Diese Demonstration zeigt die Verschiedenheit der Begriffe.

   
     “Ich habe es ganz anders gesehen, ich hätte es nie erkannt!” Nun das ist ein Ausruf. Und er hat auch eine Rechtfertigung.

   
     Du hättest es all diese Zeit durch dieses Gesicht (die Imitation eines Hasen)
124
kopiert, also sahst Du es doch in einem Sinne so.

   
     Und wenn ich's nun einmal als H. (&) einmal als E. sehe so sehe ich's so, & so, || ( wobei ich jedesmal ein andres Tier nachmache & in andrer Richtung schaue.).

   
     Von wem sagt man er genieße den sprechenden Ausdruck dieses Bilds? Nun, wer es so anschaut so & so darüber redet, so darauf reagiert!

   
     Ich habe es immer als Haar gesehen könnte sogar heißen: es war für mich immer ein Hase, ich habe immer dazu wie zu einem Hasen gesprochen. Ein Kind tut dies.
     Ich hab es immer als Hasen behandelt heißt das.

   
     Wenn nun das Kind das Hasenbild als einen wirklichen Hasen behandelt, zeigt das etwas über die Organisation des Gesichtsbilds? Ist das ein Beweis, daß das Kind nicht nur Farben & Formen sieht?

   
     Und nun der Aspektwechsel. Das Erlebnis des neuen Aspekts. Oder: des Erscheinens des Aspekts. Und sein Ausdruck ein Ausruf. Ein H.! etc.

   
     “Du würdest doch sagen, daß sich das Bild jetzt gänzlich geändert hat!”

   
     Aber was ist anders: mein Eindruck? Meine Stellungnahme? – Kann ich's sagen? Ich beschriebe die Änderung, wie eine der Wahrnehmung; ganz als hätte sich der Gegenstand vor meinen Augen geändert.
125


   

     Denk Dir den H-E Kopf ausgeschrieben & ein Kind behandelt ihn als Puppe, einmal so, einmal so.

   
      Man zeigt mir einen Bildhasen & fragt mich was das sei; ich sage “Das ist ein H.” Nicht “Das ist jetzt ein H..”. Ich teile die Wahrnehmung mit. Man zeigt mir den H.-E. & fragt mich was das sei; da kann ich sagen “das ist der H-E Kopf”. Aber ich kann auch ganz anders drauf || auf die Frage reagieren. – Sage ich es sei der H.-E.-Kopf so ist es wieder die Mitteilung der Wahrnehmung; sage ich aber “Jetzt ist ein H., dann nicht. Hatte ich gesagt “Es ist ein Hase”, so hätte ich die Doppeldeutigkeit nicht bemerkt & hätte die Wahrnehmung berichtet.

   
     Ist aber nicht auch dann ein Unterschied zwischen dem ersten “Jetzt ist es ein Hase” & dem nun entstehenden Aspekt?

   
13.12.
     Eine fleckige Wand; & ich beschäftige mich damit, Gesichter in ihr zu sehen; aber nicht um die Natur des Aspekts zu studieren, sondern weil mich jene Gestalten interessieren & das Verhängnis, das mich von einer zur andern führt.
     Aspekte leuchten immer wieder auf, andre vergehen, manchmal starre ich wie blind auf die Wand.

   
     Unter dem Flecken könnte auch das Doppelkreuz & der H.-E.-Kopf sein & sie könnten wie die andern & mit ihnen in verschiedenen Aspekten gesehen werden.

   
     Der Aspekt scheint zur Struktur der innern Materialisation zu gehören.

125


   
     Wir lernen Sprachspiele. Wir lernen Gegenstände nach ihren Farben ordnen, die Farben von Dingen melden, Farben erzeugen, Formen vergleichen, messen, etc. etc. – Lernen wir nur sie uns vorstellen?

   
     Es gibt ein Sprachspiel: “Melde ob (auch “wie oft” & “wo”) diese Figur in jener vorkommt.” Was Du meldest ist eine Wahrnehmung.

   
     Man könnte also auch sagen: “Melde ob hier ein Spiegel-F vorkommt”, & es kann einem plötzlich auffallen. Dies könnte von großer Wichtigkeit sein.

   
     Die Meldung aber “Jetzt seh ich's als … ” meldet keine Wahrnehmung.

   
     “Du kannst dabei einmal an das denken, einmal an das, einmal es als das ansehen, einmal als das andre, & dann wirst Du's einmal so sehen, einmal so.” Wie denn? Es gibt ja keine weitere Bestimmung.

   
     Ich kann die Aspekte des F wechseln & mir keiner andern Willenshandlung dabei bewußt sein.

   
Es ist nützlich in diesen Betrachtungen den Begriff ‘Bild-Hase’ etc. einzuführen. || Ein sehr nützlicher Begriff ist in diesen Betrachtungen || dieser Betrachtung der Begriff des Bild-Hasen, des ‘Bild-Menschen’ etc. Ein Bild-Gesicht, z.B., ist die Figur


   
     “Ich sehe ja jetzt das” könnte ich sagen. Es ist die Meldung einer neuen Wahrnehmung. || Es ist die Form der Meldung einer neuen Wahrnehmung.

126
   
     Wie aber, wenn ich erst das Wahrgenommene genau zeichnete; dann sagte: “Ich sehe jetzt es ist ein Hase”, oder “Ach, es ist ein Hase!” Nun äußere ich ein Erlebnis zur Zeit des Ausrufs.
   
14.12.
     Das Wahrnehmen der internen Relation & das Aufleuchten des Aspekts der internen Relation.
     Wer den H.-E.-Kopf zuerst immer als H. gesehen hat & ihn dann einmal als E. sieht, der mag dadurch lernen daß ein H.-Kopf & ein E.-Kopf die gleiche Kontur haben können. Das kann unter bestimmten Umständen eine wichtige Entdeckung sein. (Ich denke an eine Chiffre in der ein Hasenkopf ein Zeichen ist.) – Aber das Aufleuchten des H-Aspekts ist nicht das Wahrnehmen jener Relation.
     Wäre es nicht möglich, daß Einer sie wahrnimmt, ohne das Umschlagen des Aspekts erleben zu können, oder das Aufleuchten?

   
15.12.
     Einmal heißt es: “Was ich vor mir habe, ist das [Kopie]. Ich kann es auch als einen Hasen beschreiben.” – Das andre Mal: Früher sah ich etwas andres, jetzt einen Hasen.

   
     Der Ausdruck des Aspektwechsels ist der Ausdruck einer neuen Wahrnehmung zugleich mit dem Ausdruck der unveränderten Wahrnehmung.

   
     Die Kopie beschreibt die Wahrnehmung || das Wahrgenommene gänzlich; das auf das || gänzlich. Das Modell, worauf ich außerdem || nebenher || auch noch zeige || deute || zeige, eine Art meiner Anschauung; man || Anschauung. Man könnte also auch sagen: das Seherlebnis. – Als eine Meldung der Wahrnehmung ist die Kopie dann genauer. als das Modell. Wenn aber der Aspekt aufleuchtet, dann ist der Ausdruck davon (das Zeigen aufs Modell z.B.) wesentlich der Ausdruck einer neuen Wahrnehmung.
126

     So also, als müßte diesem Ausdruck jetzt eine neue Kopie entsprechen. Was aber nicht der Fall ist.

   
     Ich frage: “Was siehst Du?” Der Andre fängt an zu zeichnen; dann gibt er's auf & sagt “Ich kann's nicht gut zeichnen; es ist ein sitzender Hase.” Darauf könnte ich vielleicht seine Zeichnung verbessern.

   
     “Ich sehe einen Hasen || Bild-Hasen. Und das ist genau, was ich sehe [& jetzt zeichne ich's]”.

   
     Ist nun die Kopie eine unvollständige || unvollkommene Beschreibung meines Seherlebnisses? Nein. Es kommt doch auf die Umstände an, welche näheren Bestimmungen ich zu machen brauche. Es kann eine unvollkommene sein; wenn eine Frage übrigbleibt. (Beispiel: Würfelschema.)

   
     Also mag das Zeigen auf's Modell, noch außer der Kopie, zur Beschreibung des Seherlebnisses gehören. Zur Beschreibung der visuellen Wahrnehmung gehört es dann nicht.

   
16.12.
     Wenn ich weiß, daß es verschiedene Aspekte des Würfelschemas gibt, kann ich den Andern, um von ihm zu erfahren, was er sieht, außer dies nicht nur zeichnen lassen || das Würfelschema nicht nur abzeichnen lassen, sondern ihn außerdem auch noch auf einen Würfel zeigen lassen; auch wenn er gar nicht weiß warum || wozu. Mir beschreibt es, was er sieht.8
      Beim Aspektwechsel aber verschiebt sich's. Es wird das der einzig mögliche Erlebnisausdruck, was früher vielleicht nach der Kopie eine unnütze Bestimmung schien.

127


   
     Wenn ich weiß, daß es verschiedene Aspekte des Würfelschemas gibt, kann ich den Andern, um zu erfahren, was er sieht, außer die || der Kopie auch noch ein Modell des Gesehenen herstellen, oder zeigen lassen; auch wenn er gar nicht weiß, was diese doppelte || zweifache Demonstration || Erklärung soll.
     Beim Aspektwechsel aber verschiebt sich's. Es wird das der einzig mögliche Erlebnisausdruck, was früher nach der Kopie vielleicht eine unnütze Bestimmung schien, oder (auch) war.

   
     Und das allein eliminiert für uns den Vergleich der ‘Organisation des Gesichtseindrucks’ & mit Farbe & Form. || Und das allein tut den Vergleich der ‘Organisation’ des Gesichtseindrucks’ mit der Farbe & Form im Gesichtsausdruck für mich ab.

   
      ∣ So bist Du also ein schlechter Philosoph, wenn, was Du schreibst, schwer verständlich ist. Wärest Du besser, so würdest Du das Schwere leicht verständlich machen. – Aber wer sagt, daß das möglich ist?! [Tolstoy.] ∣

   
      ∣ Ja, ich gestehe, nichts scheint mir möglicher, als daß die Menschen einmal zur bestimmten Ansicht kommen werden, dem einzelnen Gedanken, der einzelnen Vorstellung, oder Erinnerung, entspreche keinerlei Abbild im Physiologischen, im Nervensystem.

   
     Wie wäre es, wie sähe es aus, wenn der Aspekt gänzlich der Willkür entzogen wäre?

   
     Heißt “den Aspekt sehen”: die interne Relation wahrnehmen? Was spricht in mir
127
dagegen?

   
     Wer nach || in einer Figur (1) in der || nach einer andern (2) sucht, & sie dann findet, der sieht (2) nun anders, kann man sagen. || , der sieht (2) || (1) damit auf neue || in einer neuen Weise. Er kann nicht nur eine neue Art der Beschreibung von ihr geben, sondern jenes Bemerken war ein neuer Sinneseindruck. || ein neues Seherlebnis.

   
     Aber es muß nicht geschehen, daß er sagen möchte: “Die Figur (2) sieht nun ganz anders aus, sie hat auch keine Ähnlichkeit mit der frühern; obwohl sie mit ihr kongruent ist!”

   
     “Das innere Bild hat Farben, Formen, & überdies eine bestimmte Organisation.” Daraus würde folgen: es schaut so aus, & nicht so aus.

   
     Du bemerkst eine Organisation des Objekts (des Gegenstands der Wahrnehmung). Oder vielmehr: Du bemerkst etwas an seiner Organisation; einen Zug dieser Organisation.

   
     Das Bemerken ist ein Seherlebnis.

   
     Man kopiert die Farbe & die Form. Man zeigt ein Muster der Farbe & Form. Man zeigt kein Muster der Organisation || des Aspekts des Gesichtseindrucks.

   
     Aber man könnte etwa sagen: “Um den Eindruck zu erhalten, den ich habe, mußt Du auf diese Figur schauen, insbesondere auf diesen Teil, & so, daß Dir dies an ihr auffällt. Aber man tut das nicht. || , man beschreibt auch bei So etwas nennt man nicht “den Gesichtseindruck beschreiben”, wie man auch zu diesem Zweck nicht vorschreibt, wie die Augen || der Blick
128
des Andern über den Gegenstand zu wandern hat. Das zeigt uns “Gesichtseindruck” etwas wie “Gesichtsbild” bezeichnen soll, & dies etwas einem Bild verwandtes.

   
     Fragst Du mich, was ich gesehen habe, so werde ich vielleicht ein Bild || eine Skizze herstellen können, das || die es zeigt, aber daran, wie mein Blick gewandert ist, werde ich mich in den meisten Fällen überhaupt nicht erinnern.

   
     Der Farbe des Objekts entspricht die Farbe im Gesichtseindruck, der Form des Objekts die Form des Gesichtseindrucks || im Gesichtseindruck. Aber der Organisation des Objekts entspricht nicht der Aspekt des Gesichtseindrucks, denn der kann sich ändern, während die gleiche Organisation betrachtet wird. Im Aspekt bemerke ich einen Zug der Organisation.

   
     Der Farbe des Objekts entspricht die Farbe im Gesichtseindruck. (Dies || Gesichtseindruck (dies Fließpapier scheint mir rosa, & es ist rosa.) – der Form des Objekts die Form im Gesichtseindruck (es scheint mir quadratisch || rechteckig, & es ist rechteckig) – aber was ich im Aspekt sehe || im Aufleuchten wahrnehme, ist nicht eine Eigenschaft des Objekts, es ist eine interne Relation zwischen ihm & andern Objekten.

   
     Denk Dir den H.-E.-Kopf in einer Menge von Strichen versteckt. Einmal nun || aber bemerke ich ihn in dem Bild & zwar einfach als H.. Später einmal schaue ich das gleiche Bild an & bemerke die gleiche Linie, aber als E., & dabei brauche ich noch gar nicht zu wissen, daß es beidemale die gleiche || dieselbe Linie war || ist. Wenn ich später nun den Aspekt wechseln sehe, kann ich
128
sagen daß dabei die Aspekte H. & E. ganz anders gesehen werden, als da ich sie einzeln im Gewirr der Striche bemerkte || erkannte? Nein.
     Aber der Wechsel ruft ein Staunen hervor, den das Bemerken || Erkennen nicht hervorrief.

   
     (Ich mache scheinbar ‘Gedankenexperimente’. Nun, es sind eben keine Experimente. Viel eher Rechnungen.)

   
17.12.
     Der Aspekt leuchtet nur auf, bleibt (aber) nicht stehen || , er bleibt nicht stehn. Aber || Und das muß eine begriffliche Bemerkung sein, keine psychologische.
     Der Ausdruck des Sehens des Aspekts ist der Ausdruck der neuen Wahrnehmung.



   
     Der Ausdruck des Aufleuchtens des Aspekts ist: “Jetzt ist es das – jetzt ist es das. Der Ausdruck des Bemerkens des H.-Kopfes in dem Gewirr von Strichen || der Striche ist: “Es ist hier ein H-Kopf.” Wir hatten etwas nicht bemerkt & bemerken es jetzt; daran ist nichts Paradoxes. Wir wollen nicht sagen: das Alte sei verschwunden, – es sei etwas Neues da; & doch ganz das Alte.

   
     “Jetzt ist es das” sagt man nicht vor dem ersten Wechsel des Aspekts.

   

18.12.
     Die zaghafte Behauptung ist nicht eine Behauptung der Zaghaftigkeit.

   
     Denk an den zaghaften Befehl.

   
Und man muß sich davor hüten zu sagen: “Es dürfte regnen” heiße eigentlich “Ich glaube, es wird regnen”. Warum dann nicht umgekehrt? || Warum soll es dann nicht umgekehrt sein?

   
     Die Aristotelische Logik tabuliert || stempelt den Widerspruch als einen Unsatz, der aus
129
der Sprache auszuschließen ist. || ausgeschlossen wird. Diese Logik aber behandelt nur || Sie behandelt aber nur ein ganz kleines Gebiet der Logik unsrer Sprache. (Es ist, als wäre die erste geometrische Untersuchung || das erste System der Geometrie eine Trigonometrie gewesen; & als glaubten wir nun, (die) Trigonometrie sei der eigentliche Grundstock, wenn nicht vielleicht sogar die ganze Geometrie.)

   
     Betrachte nicht die zaghafte Behauptung als Behauptung der Zaghaftigkeit.



   
     “Ich bemerke die Ähnlichkeit der Beiden vielleicht fünf Minuten lang.” – Das hieße: sie fiel mir fünf Minuten lang auf, || Das sagt man etwa wenn sie sich andeuten, ich sie beschäftigten mich 5 Minuten lang, ich mußte während dieser Zeit immer wieder an sie denken.
     “Sie fiel mir nur für fünf Minuten auf, dann nicht mehr.” “Die Ähnlichkeit verblüffte mich fünf Minuten lang. Ich mußte immer wieder ausrufen …” Das heißt nicht: ich beobachtete sie 5 Minuten lang, dann verschwand sie.
     “The similarity struck me for 5 minutes
     “Die Ähnlichkeit verblüffte mich 5 Minuten lang. Danach bemerkte ich sie nicht mehr.” || vergaß ich sie.

   
     Ich beobachtete diese Ähnlichkeit für 5 Minuten” würde heißen: Ich beobachtete die sich ändernden Gesichter auf ihre Ähnlichkeit hin.

   
      ∣ ∣ Philosophy serves to remove misconceptions. ∣ [Die Rolle der Philosophie im Denken über die Religion.]

   
     Die Organisation des Gesichtsbildes: das gehört zusammen, das nicht. Organisiert wird also durch ein Zusammennehmen &
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ein Trennen. Nun, beim Zeichnen kann man das z.B. tun.

   
     Es gibt sehr verschiedene Arten der ‘Aspekte’. Eine Art könnte man “Aspekte der Organisation || “Organisationsaspekte” nennen.

   
     Die Linien hängen anders zusammen. Was früher zusammengehörte, gehört jetzt nicht zusammen.

   

20.12.
     Ich konnte also den H.E.-K. von vornherein als Bild-H. sehen. D.h. gefragt: “Was ist das?” oder Was siehst Du da?’ hätte ich geantwortet || die Antwort gegeben “Einen Bild-H.”. Hätte man mich weiter gefragt, was ein Bild-H. || das sei, so hätte ich zur Antwort || Erklärung auf verschiedene Hasenbilder, auch || & auf wirkliche Hasen zeigen können || müssen, hätte von dem Leben dieser Tiere reden, oder || & sie nachmachen können.

   
     Ich hätte nicht gesagt “Ich sehe das als Bild-H.” oder “Ich sehe das jetzt als Bild-H.” Ich hätte einfach die Wahrnehmung beschrieben; nicht anders als hätte ich gesagt || wären meine Worte gewesen “Ich sehe dort einen roten Kreis”. Dennoch hätte ein Andrer von mir sagen können “Er sieht diese Figur als H..”

   
21.12.
     Zu sagen “Ich sehe das jetzt als … ” hätte für mich sowenig Sinn gehabt als zu sagen || wie beim Anblick einer Flasche Wein || meiner hundert Semmel Messer & Gabel die Worte zu sagen “Ich sehe das jetzt als Flasche || Semmel”. Man würde diese Äußerung nicht verstehen.
     “Ebensowenig wie die Äußerung aus heiler Haut “Das ist jetzt || Jetzt ist es für mich eine Flasche” oder auch diese Das kann auch eine Flasche sein.”

   
     Man könnte auch normalerweise nicht sagen “Ich halte das für Messer & Gabel”.
130


   
     Ich halte bei Tisch sowenig etwas für Messer & Gabel, als ich beim Essen zu essen versuchte, oder trachte.

   
     Man hält auch nicht was man bei Tisch als Messer & Gabel erkennt, für Messer & Gabel; sowenig wie man beim Essen für gewöhnlich zu essen versucht, oder zu essen trachtet.

   
22.12.
      ∣ Das größte Glück des Menschen ist die Liebe. Angenommen, Du sagst vom Schizophrenischen: er liebt nicht, er kann nicht lieben, oder er will nicht lieben – wo ist der Unterschied?!

   
      ∣ “Er will nicht … ” heißt: es ist in seiner Macht. Und wer will das sagen?!

   
      ∣ Wovon sagt man denn “es ist in meiner Macht”? – Man sagt es wo man einen Unterschied machen will. Dies Gewicht kann ich heben will's aber nicht heben; jenes kann ich nicht heben.

   
      ∣ “Gott hat es befohlen, also muß man's tun können. Das heißt gar nichts. Hier ist kein ‘also’. Die beiden Ausdrücke könnten höchstens das gleiche bedeuten.

   
      ∣ “Er hat es befohlen” heißt hier ungefähr: Er wird strafen, wer es nicht tut. Und daraus folgt nichts über das Können. Und das ist der Sinn der ‘Prädestination’ || ‘Gnadenwahl.’.

   
      ∣ Das heißt aber nicht, daß es richtig ist zu sagen: “Er straft, obgleich man nicht anders kann.” – Wohl aber könnte man sagen: Hier wird gestraft, wo der Mensch nicht strafen dürfte. Und der Begriff der ‘Strafe’ überhaupt ändert sich hier. Denn die
130
alten Illustrationen lassen sich hier nicht mehr anwenden, oder müssen nun ganz anders angewendet werden. Sieh Dir nur eine Allegorie an wie “The Pilgrim's Progress” & wie hier alles – im menschlichen Sinne – nicht stimmt. – Aber stimmt sie nicht doch? d.h.: läßt sie nicht anwenden? Sie ist ja angewendet worden. (Auf den Bahnsteigen || Bahnhöfen gibt es Uhren || Zifferblätter mit zwei Zeigern, sie dienen dazu anzuzeigen || zeigen an, wann dort der nächste Zug abfährt. Sie schauen aus wie Uhren & sind keine; haben aber eine || ihre Verwendung) (Es gäbe hier ein besseres Gleichnis.)

   
      ∣ Dem Menschen, der bei dieser || jener Allegorie unwillig wird, könnte man sagen: Verwende sie anders oder kümmere Dich nicht um sie! (Aber Manchen wird sie weit mehr verwirren, als sie ihm helfen kann.)

   
23.12.
     Denkt der Hund an den Hasen, den er plötzlich gewahr wird?

   
     Wenn nun ein Mensch spazieren geht, & es läuft ihm plötzlich ein Tier über den Weg, || : ich sehe ihn überrascht schauen – was weiß ich von seinem Erlebnis?
     Gefragt, könnte er sagen “Es hat mich plötzlich etwas erschreckt; ich weiß nicht was.” Oder auch: “Ich sah plötzlich etwas vorbeihuschen – das war alles.” Oder: “Es wäre ein Hase!”

   
     Denk Dir, er hätte nie ein vierfüßiges Tier gesehen: Wäre sein Seherlebnis dann anders || ein anderes, als das eines, dem die Tiergestalt des Vorbeihuschenden vertraut ist? (Ich möchte gerne die Frage bejahen, weiß aber nicht warum.)

   
     Man kann die Frage auch anders stellen: Jemand sieht plötzlich einen Gegenstand || eine Erscheinung vor sich, den || die er nicht er kennt; (es
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mag ein ihm wohlvertrauter Gegenstand sein, aber in ungewöhnlicher Lage, oder Bedeutung); das || ein Nicht-Erkennen dauert vielleicht nur sekundenlang. Kann man sagen || Ist es richtig: er habe in einem Fall ein anders Seherlebnis, als der dem der Gegenstand gleich bekannt ist?

   
     Können wir || Könnte denn Einer uns denn nicht vorstellen, daß Einer die vor ihm auftauchende, ihm gänzlich unbekannte Form ebenso genau beschreiben || beschriebe könnte || kann, wie ich, dem sie vertraut ist? Und ist das nicht die Antwort? Freilich, im allgemeinen wird es so nicht sein. Auch wird seine Beschreibung ganz anders ausschauen || lauten. Ich werde z.B. sagen “Das Tier hatte lange Ohren” – er: “Es waren da zwei lange blattförmige Fortsätze.) || von dieser Form (er zeichnet sie) || “Es waren da zwei lange Fortsätze” & nun zeichnet er sie.”

   
     Man muß sich hüten, hier in den hergebrachten psychologischen Kategorien zu denken. Etwa das Erlebnis einfach in ein Sehen & ein Denken zu zerlegen; oder dergl..

   
     Man will die Frage stellen || fragen “Ist Erkennen ein Teil des Sehens? – & die Frage ist falsch gestellt.
     Was sind die Zeichen des Erkennens –? was sind die Zeichen des Sehens.
     Wer den Freund plötzlich in der Menge sieht & seinen Namen ausruft, wovon gibt der ein Zeichen?

   
     Oder ich sehe || treffe Einen, den ich jahrelang nicht gesehen habe, (ich) sehe ihn deutlich, erkenne ihn aber nicht. Plötzlich erkenne ich ihn, sehe in seinem veränderten Gesicht sein altes || früheres. Ich glaube || Es scheint mir, ich könnte ihn jetzt anders portraitieren.
131


   
     Es ist klar, es ist hier eine Verwandtschaft der Begriffe.

   
     Ist es nicht möglich, daß Einer ein ihm fremdes || ganz fremdes || neues Gesicht genauer beschreiben kann, als ich ein mir alt bekanntes?

   
     (Und hier muß man zwischen dem Erlebnis des Wiedererkennens unterscheiden & dem Erkennen, welches einfach ein Mir-Vertrautsein ist.)

   
     Versuche nicht, in Dir selbst das Erlebnis zu analysieren! || zu zerlegen!

   
24.12.
     Doch schaue auf ein Tier || blicke ein Tier an im Käfig. Man fragt mich: “Was siehst Du?” Ich antworte: “Einen Hasen” – Ich sehe || schaue in die Landschaft; plötzlich läuft ein Hase vorbei. Ich rufe aus: “Ein Hase!”
     Beides, die Meldung & den Ausruf, kann man den Ausdruck der Wahrnehmung & des Seherlebnisses nennen || der Ausruf, ist ein Ausdruck der Wahrnehmung & des Seherlebnisses. Aber der Ausruf ist es in anderm Sinn, als die Meldung; er entringt sich uns. Er verhält sich zum Erlebnis ähnlich, wie der Schrei zum Schmerz.

   
     Aber ist es nicht einfach so: Der Ausruf, d.h. der besondere Ton der Worte ist einfach ein Ausdruck der visuellen Wahrnehmung, etc.
     Die Überraschung hätte sich auch in einem bloßen Zusammenzucken, oder unartikulierten Laut ausdrücken können; gefragt “Warum bist Du erschrocken?”, sage ich dann: “Ein Hase ist über den Weg gelaufen.”

132


   
     Ein anderer Ausruf wäre gewesen: “Was war das?!”
     Aber ist es auch das gleiche Erlebnis, dessen Ausdruck der unartikulierte Laut, anderseits || dessen Ausdruck der Ausruf “Ein Hase!”, war? Wie soll ich's beurteilen? (Ich meinte nicht das gleiche.)

   
     Aber da er (der Anruf) die Beschreibung einer Wahrnehmung ist, kann man ihn auch den Ausdruck eines Gedankens nennen. Und man kann also sagen: wer || , daß wer den Gegenstand ausschaut & sieht, muß nicht an ihn denken || , nicht an ihn denken muß; wer aber das Seherlebnis hat, dessen Ausdruck jener || der Ausruf ist, der denkt auch an das, was er sieht.

   
     Und darum scheint das Erlebnis || Aufleuchten des Aspektwechsels || Aspekts halb Seh- halb Gedankenerlebnis. || Seherlebnis, halb Gedanke.

   
     Beim Sehen des Aspektwechsels muß ich mich mit dem Objekt beschäftigen || beschäftige ich mich mit dem Objekt.

   
     Mit dem; was ich jetzt bemerke, was mir auffällt, beschäftige ich mich. Insofern ist das Erleben des Aspektwechsels auch gleich einem Tun.

   
     Drückt der Ausruf “Was war das?” ein besondres Seherlebnis aus?

   
     Könnte man nicht sagen || antworten Ja & Nein?

   
     “Ich sah nur einen Schatten vorbeihuschen.” Ist das nicht der Ausdruck des Seherlebnisses?

   
     Ich sehe eine ‘fragwürdige’ Gestalt.

   
     Aber9 kannst Du wirklich sagen, daß die Fragwürdigkeit & die Gestalt gesehen wird?
132
   
     Frage: Was spricht dafür?
     Nun, daß die Beschreibung die ich von der Erscheinung gebe auch durch die Fragwürdigkeit gemodelt wird.

   
     Was ist das Kriterium des Seherlebnisses? Was soll das Kriteriums sein?
     Die Darstellung || Wiedergabe dessen, ‘was gesehen wird’.



   
     Kann ich nun beim Aufleuchten des Aspekts ein Seherlebnis von einem Denkerlebnis trennen? – Wenn Du es trennst, dann geht || scheint der Aspekt || das Aufleuchten des Aspekts verloren zu gehen. || dann geht das Aufleuchten verloren.

   
     Ich glaube man könnte es auch so sagen: Das Wesentliche des Aspektwechsels || Dem Aspektwechsel wesentlich ist ein Staunen. Und Staunen ist Denken.

   
     Aber ist denn das nicht nur meine Auffassung des Aspektwechsels?

   
     Was leuchtet denn auf? Der Aspekt des H., z.B.. Und darin, daß man es nur so ausdrücken konnte, lag der Gedanke.

   
     Etwas Vorbeifliegendes könnte mich überraschen, sozusagen körperlich überraschen, & ich doch nicht daran denken. D.h., ich könnte z.B. in einem Gedankengang fortfahren, obgleich ich zusammenzuckte.

   
     Denke nun aber an die Aspekte der rotierenden Trommel. Wenn sie wechseln ist es, als ob die Bewegung gewechselt hätte. Man weiß hier nicht & notwendigerweise ob die Bewegungsweise oder der Aspekt sich geändert hat. Hier haben wir also auch
133
nicht im gleichen Sinne das Erlebnis des Aspektwechsels.

   
     Denk Dir, zwei Lichter, blau & rot, wechseln vor meinen Augen ab. Es ist meine Aufgabe beim Aufleuchten des blauen auf einen Knopf zu drücken, bei Aufleuchten des andern, auf einen andern Knopf. Das könnte Einer doch gewiß ganz mechanisch tun. – Und nun denk Dir dies Spiel gespielt mit den beiden Aspekten des Schwarz-weiß-Kreuzes. Ist es denn unmöglich, daß es da ein ebenso mechanisches, gedankenloses, Reagieren gibt?

   
     Wenn ich nun diesen Menschen in der Menge erkenne, nachdem ich vielleicht schon längere Zeit in seiner Richtung geschaut habe, – ist es ein Sehen? ein Denken? Der Ausdruck des Erlebnisses ist “Schau, da ist die … ! – aber es könnte natürlich auch eine Skizze sein. Auch in der Skizze & im Skizzieren mag es sich ausdrücken, daß ich diesen Menschen erkenne. (Aber das plötzliche Erkennen drückt sich darin nicht aus.) || , – ist das ein besonderes Sehen? oder ist es ein Sehen & Denken? oder eine Verschmelzung der beiden – wie man || ich beinahe sagen möchte? – Die Frage ist: Warum will man || ich das sagen? Nun, wenn man so fragt, ist es nicht so schwer zu beantworten.

   
     Nimm an, das Kind erkennt plötzlich einen Menschen. Es sei das erste Mal, daß es jemand plötzlich erkennt. – Es ist als wären ihm plötzlich die Augen aufgegangen.
     [Keine rechte Fortsetzung] Man kann z.B. fragen: Wenn es den N.N. plötzlich erkennt, – könnte es dasselbe Seherlebnis haben, aber ohne ihn zu erkennen? Es könnte ihn doch z.B. falsch
133
wiedererkennen.

   
      ∣ Denk Einer fragte: “Tu ich denn das mit den Augen?” ∣



   
     Derselbe Ausdruck, der früher || sonst Meldung des Geschehenen war || Wahrgenommenen ist, ist jetzt Ausruf des Erkennens.

   
     Es läuft ein Hase über den Weg. Einer kennt ihn nicht & sagt: “Etwas Seltsames ist vorbeigesaust” & beschreibt nun die Erscheinung. Ein Andrer sagt || ruft “Ein Hase!” & kann ihn nicht so genau beschreiben.
     Und warum will ich nun dennoch sagen, daß der, der ihn erkennt ihn anders sieht, als der ihn nicht erkennt?

   
     Sieht Einer ein Lächeln, das er nicht als solches || Lächeln erkennt, oder || nicht so versteht, anders, als der es versteht? Er reagiert anders darauf. || macht es z.B. anders nach.
(Verstehen der Kirchentonarten.)


   
     Was ist dafür zu sagen || läßt sich dafür sagen daß er es anders sieht?

   
     “Wenn man weiß, was es ist, schaut's anders aus.” – Wieso?

   
     Wie wäre es wenn Einer das Vorüberhuschende zwar nicht kennt, sich aber gleich darin auskennt? Sieht er's dann wie der, der es kennt?

   
     Es ist eine Frage der Begriffsbestimmung.

   
∣ Ich erwähne diese Arten der Aspekte, nun zu zeigen, mit welcher Art der Vielheit man es hier zu tun hat. ∣

   
     Es gibt hier eine große Menge || Unmenge mit einander
134
verwandter Erscheinungen & möglicher Begriffe.

   
     Manchmal ist im Aspekt das Begriffliche vorherrschend. D.h.: Manchmal ist der Ausdruck des Aspekterlebnisses nur durch eine begriffliche Erklärung möglich. Und diese | kann wieder sehr verschiedener Art sein.

   
25.12.
     Die verschiedenen Arten der Aspekte.

   
     Das Hören einer Melodie & die Bewegungen, mit denen man sie in einer bestimmten Weise auffaßt, oder hört. || phrasiert & sozusagen den Eindruck formen hilft.

   
     Warum scheint hier Tun & Erleben so schwer zu trennen?

   
     Es ist, als ob Tun & Eindruck nicht nebeneinander hergingen, sondern das Tun den Eindruck modifizierte || formte.

   
     Ich höre es anders, || , ich kann es jetzt anders spielen. Also anders wiedergeben.

   
     Es gibt viele Arten des Aspekterlebnisses. Es ist ihnen gemeinsam der Ausdruck: “Ich sehe es jetzt als das”; oder “Ich sehe es jetzt so”; oder “Jetzt ist es das, – jetzt das”: oder “Ich höre es jetzt als das; || “Ich höre es jetzt als …”. Die Erklärung aber des “das” & “so” ist in verschiedenen Fällen denkbar verschieden. || Die Erklärung Erläuterung aber dieser “das” & “so” ist in verschiedenen Fällen die denkbarst verschiedene.

   
     Wie wäre es aber wenn ich im Freien plötzlich einen Löwen gewahr würde? Ich nehme an, ich sehe nur ein Stück seines Kopfes, erkenne
134
es aber sogleich & schreie “Ein Löwe!”. Das Stärkste in mir ist die Furcht. – Und nun frage ich wieder: Wie war es mit dem Gesichtseindruck? War er von andrer Art als der, den ich im Zoologischen Garten empfange? (Abgesehen davon, daß dieser viel vollständiger ist. –

   
     (Ich kann mich noch nicht über die Masse der Erscheinungen erheben.)

   
     Es ist hier schwierig zu sehen, daß es sich um Begriffsbestimmungen handelt.
     Dir || Ein Begriff drängt sich auf. (Das darfst Du nicht vergessen.)

   
Was der Leser auch kann, das überlaß dem Leser.

   
26.12.
     Der Gesichtseindruck scheint || schien sich zu dieser Form zu organisieren.

   
     Das heißt doch eigentlich: er änderte sich, & er änderte sich nicht.

   
     (Ich schreibe beinahe immer Selbstgespräche mit mir selbst) Dinge || Sachen, die ich mir unter vier Augen sage.)

   
     Als ich ihn plötzlich erkannte, schien aus meinen Gesichtseindruck plötzlich das zu werden.

   
     War es ein Verstehen? war es ein Sehen?

   
     Was, wenn überhaupt etwas, rechtfertigt mich, von einem Sehen hier zu reden?

   
     Denk, Einer erzählte mir: “Es war als ob sich mein Gesichtseindruck zu diesem Gesicht & seiner Umgebung plötzlich organisierte.” Ich würde ihn verstehen. Ich würde begreifen, warum er sich so ausdrückt.
135
D.h., ich wäre auch geneigt, das || dieses Bild zu brauchen.

   
     Diese Figur
ist die Umkehrung von
& || wie diese: [muß in Spiegelschrift geschrieben werden] die Umkehrung von

dieser: . Man ist geneigt zu sagen daß man das verkehrte Wort anders sieht als das aufrechte. Dieses kopiert man leicht, jenes schwer. || ist leicht zu kopieren, jenes schwer.

   
     Die Figur a) ist die Umkehrung der Figur b) , wie die Figur c die Umkehrung der Figur || von d). Aber zwischen meinem Eindruck von c & d besteht noch ein anderer Unterschied || , möchte ich sagen – als zwischen a & b, (d sieht z.B. ordentlich aus, c unordentlich. Vergl. Lewis Carroll “Looking glass”) d ist leicht zu kopieren, c schwer.

   
27.12.
Ehrgeiz ist der Tod des Denkens.

   
     Was früher im Gesichtseindruck auseinanderfiel, gehört jetzt zusammen.
   
28.12.
      ∣ Humor ist keine Stimmung; sondern eine Weltanschauung. Und darum, wenn es richtig ist, zu sagen, im Nazi-Deutschland sei der Humor vertilgt worden, so heißt das nicht so etwas wie, man sei nicht guter Laune gewesen, sondern etwas viel Tieferes & Wichtigeres.

   
Es wäre interessant meine Schrift in guten und schlechten Zeiten zu studieren. In guten Zeiten hat sie natürlich Schwung und das bloße Schreiben macht mir Vergnügen. In schlechten, d.i. unproduktiven, ist sie schwunglos und kleinlich. (Wie z.B. jetzt.) Und
135
das kommt nicht nur daher, daß ich lieber gute Gedanken aufschriebe || aufschreibe, als armselige, sondern ist, glaube ich, hängt mit dem Arbeiten des Nervensystems überhaupt zusammen.


   
29.12.
     Wie wäre diese Erklärung: “Ich kann etwas als das sehen, wovon es ein Bild sein kann”? – Aber ist das eine Erklärung, oder ein Pleonasmus? –

   
     Es heißt doch: Die Aspekte im Aspektwechsel sind die, die diese Figur unter Umständen statisch in einem Bild haben könnte.

   
     Ein Dreieck kann ja wirklich in einem Bild stehen, in einem andern hängen, in einem dritten etwas Umgefallenes darstellen. – So zwar, daß ich, der Betrachter, nicht sage || sagt “Das kann auch etwas Umgefallenes darstellen”, sondern “Dieser Krug || Dieses Glas ist umgefallen & liegt in Scherben” … So reagieren wir auf das Bild.

   
     Könnte ich sagen, wie ein Bild beschaffen sein muß, dann man so darauf reagiert? || um dies zu bewirken? Nein. Es gibt z.B. Malweisen, die mir nichts auf diese strikte || in dieser unmittelbaren Weise mitteilen, wohl aber doch einem Andern. Ich glaube, daß Gewohnheit & Erziehung etwas damit zu tun haben. || hier mitwirken können
   
30.12.
     Betrachte nun als Beispiel die Aspekte des Dreiecks. Das Dreieck
kann gesehen werden als dreieckiges Loch, als Körper, als geometrische Figur || Zeichnung; auf seiner Basis stehend, von seiner Spitze hängend; als Berg, als Keil, als Pfeil oder Zeiger; als ein umgefallener Körper, der (z.B.) auf der kürzeren Kathete gestanden war || stehen sollte, als ein halbes Parallelogramm, und anderes. || verschiedenes andre.



   
     Was heißt es nun, daß ich auf dem
136
Bild die Kugel schweben sehe?
      Liegt es schon darin, daß ich das Bild so beschreibe? Daß mir diese Beschreibung die nächstliegende, natürlichste ist? Nein; das könnte sie aus verschiedenen Gründen sein. Sie könnte z.B. einfach die herkömmliche sein.

   
     Was aber ist der Ausdruck dafür, daß ich das Bild nicht nur ‘z.B.’ so verstehe (weiß was es darstellen soll), sondern so sehe?
     Ein solcher Ausdruck ist: “Die Kugel scheint zu schweben”, “Man sieht sie schweben.”, oder auch in besonderem Tonfall “Sie schwebt!”
     Das ist also der Ausdruck des Dafürhaltens. Aber nicht als solcher verwendet.

   
     Wir fragen uns hier nicht was die Ursachen sind & was in einem besondern Fall diesen Eindruck hervorruft.

   
     Und ist es ein andrer Eindruck? – “Ich sehe doch etwas anderes, wenn ich die Kugel schweben sehe, als wenn ich sie bloß daliegen sehe.” – Das heißt eigentlich: Dieser Ausdruck ist gerechtfertigt! (Denn wörtlich genommen ist es ja nur eine Wiederholung.)

   
     (Und doch sehe ich auch nicht dasselbe, || ist mein Eindruck auch nicht der einer wirklichen schwebenden Kugel. Vergleiche verschiedene Arten des ‘räumlichen’ Sehens; gewöhnliche Photographie & Räumlichkeit der gewöhnlichen Photographie & dessen, was man durchs Stereoskop sieht.)

   
     “Und ist es wirklich ein anderer Eindruck?” Um es zu beantworten, möchte ich mich fragen ob wirklich etwas anderes in mir existiert. Aber wie kann ich mich davon überzeugen? || ‒ ‒ ‒ Ich
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beschreibe, was ich sehe, anders.

   
     Den Wechsel des Aspekts können wir hervorrufen, & er kann auch gegen unsern Willen eintreten.
     Er kann unserm Willen folgen, wie unser Blick.
   
31.12.
      ∣ Zwei Menschen die zusammen, über einen Witz etwa, lachen. Einer hat gewisse etwas ungewöhnliche Worte gesagt || gebraucht & sie brechen || nun brechen sie beide in eine Art von Meckern aus. Das könnte Einem, der aus anderen Umgebung zu uns kommt sehr sonderbar vorkommen. Während wir es ganz vernünftig finden.
     (Ich beobachtete diese Szene neulich in einem Omnibus & konnte mich in Einen hineindenken, der das nicht gewohnt ist. Es kam mir dann ganz irrational vor & wie die Reaktionen eines uns fremden Tiers.) ∣

   
     Wenn man bei nachts im Omnibus fährt & er eine Kurve macht & man schaut dabei die Vorderwand des Omnibusses an (die sich relativ zum Fahrgast nicht bewegt), so glaubt man, man sehe sie die Biegung machen. Man spürt natürlich, daß das Gefährt die Bewegung macht & möglicherweise sieht man auch irgend ein Anzeichen davon an der äußern Dunkelheit, die man noch aus dem Augenwinkel sieht, wenn auch unbewußt. Aber man meint, die Vorderwand die Kurve beschreiben zu sehen & zugleich natürlich sich nicht gegen uns zu verändern.

   
1.1.49.
     (Rhees) Wenn jemand seine gegenwärtige Stimmung beschreibt, z.B. sagt, sie gleiche einer grauen Wolke, – beobachtet er sie nicht, auch wenn sie vielleicht
137
durch dies Beobachten modifiziert wird? & gilt für diese Beschreibung, was ich von ‘Beschreibungen’ allgemein sagte?

   
     Schaue ich nicht in mich & sage: “Was ist nur das richtige Wort für dies Gefühl, diese Stimmung? – Und ist es klar daß sie durch mein Schauen nicht z.B. verstärkt wird?
     Kann ich nicht z.B. in einer Stimmung schwelgen? Und kann Selbstbeobachtung nicht zum Schwelgen gehören?

   
     Ist dem ähnlich, daß ich einen Körperschmerz (auf welche Weise immer) in mir hervorrufe & dann seinen Charakter genau zu beschreiben trachte.

   
      ∣ Der Begriff des ‘Festes’. Für uns mit Lustbarkeit verbunden; zu einer andern Zeit möglicherweise nur mit Furcht & Grauen. Was wir “Witz” & was wir “Humor” nennen, hat es gewiß in andern Zeiten nicht gegeben. Und diese beiden ändern sich stätig. || beständig. || sind in stätiger Veränderung begriffen.

   
     Denke, ich sage in so einen Fall: “Ja, dieser Schmerz ist wie eine lodernde Flamme”.

   
     In welcher Weise & in welchem Sinne beobachte ich den Schmerz? (Denn es scheint mir da keinen Unterschied zu machen, ob Einer seine Traurigkeit oder seinen eigenen Schmerz beobachtet.) Ich setze mich in den Stand, ihn zu fühlen. Aber welchen? den so gearteten, – oder den, der auf diese Weise hervorgerufen wird?
     Sage ich “Ich möchte wieder diesen selben lodernden Schmerz erzeugen, um zu, sehen, wie er ist? || was ich da fühle? Wozu soll ich ihn beobachten, wenn ich ihn so identifizieren kann? Nun, man könnte sagen: “Wenn ich nur diesen selben Schmerz wieder &
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wieder fühle, werde ich endlich das rechte Wort oder gar das rechte farbige Bild (etwa das einer Flamme) für ihn finden.”
     Und nun kann ich den Fall vereinfachen. Er braucht ja den Schmerz nicht absichtlich hervorrufen; sondern es sei ein andauernder Schmerz (im Kopf, oder Magen) & er denkt über die richtige Beschreibung seines Gefühls nach.

   
     Was ich sagen will, ist doch das, daß ich mit den Augen || durch's Schauen nicht den Gesichtseindruck beobachte, sondern das Angeschaute.

   
     Wenn ich also auf || in irgend einem Sinn auf meinen Kummer schaue, so beobachte ich nicht den Eindruck den ich so erhalte.

   
     Aber denk Dir, ich schaue starr auf einen roten Gegenstand & frage mich “Was für ein Rot sehe ich da?” Es interessiert mich dabei gar nicht die Farbe des Gegenstandes sondern ich suche (etwa) nur nach einem Namen für meinen gegenwärtigen Eindruck von ihm.
     Kann ich sagen: Über einen Eindruck nachdenken ist nicht ‘ihn beobachten’?

   
2.1.49.
     Was teilt uns der mit, der den gegenwärtigen Aspekt meldet? sagt “Jetzt seh ich es als …? Das heißt: Welche Folgen hat diese Mitteilung, welche Art von Verwendung kann sie haben? Sie könnte verschiedenerlei Folgen haben.
     Wer z.B. den H.-E.-Kopf als H. sieht, wird nicht den Ausdruck des E.-Gesichts beschreiben können.
     Raumvorstellung in der Darstellenden Geometrie. Wer das Würfelschema eben || jetzt flach sieht, wird verschiedene zeichnerische Operationen
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mit ihm nicht vornehmen können. [Stimmt nicht ganz.]

   
     Verbindung mit dem Spiel “Das könnte ein … sein”.

   
     Was teilst Du mir mit den || diesen || den Worten … || mit dem Wort … || durch die Worte mit? Was kann ich mit dieser Äußerung anfangen? Welche Folgen hat sie?

   
     Gewisse Zeichnungen sieht man immer, flach als Figur in der Ebene, andere manchmal, oder auch immer räumlich.

   
     Da möchte man nun sagen: Der Gesichtseindruck der räumlich gesehenen Zeichnungen ist räumlich; ist für's Würfelschema z.B. ein Würfel. (Denn die Beschreibung des Eindrucks ist die Beschreibung eines Würfels.)

   
     “Ich sehe es jetzt immer als …” Ich habe auf dem Bild dies früher fälschlich als … gesehen; jetzt aber nicht mehr. Ich sehe es jetzt immer, wie es gemeint ist. – Wie äußert sich das?

   
     Und es ist dann merkwürdig, daß unser Eindruck für manche Zeichnung etwas Flaches, für manche etwas Räumliches ist. Man fragt sich: “Wo kann || soll das enden?” [Das Bild eines Läufers]
   
3.1.
     “An was erinnert mich diese Farbe?” – Wer einen Gegenstand anschaut & sich das fragt, – beobachtet der den Gesichtseindruck? [Zur vorigen Seite]



   
     Was teilt mir Einer mit, der sagt “Ich sehe es jetzt als …”? Welche Folgen hat diese Mitteilung? Was kann ich mit ihr anfangen?

   
     Menschen assoziieren oft Farben mit Vokalen. Es könnte sein, daß für Manchen
die ‘Farbe eines Vokals’ || ein Vokal, wenn er öfters || mehrere Male hintereinander ausgesprochen wird, seine Farbe wechselt. Der Vokal a wäre ‘jetzt blau – jetzt rot’.
     Der Wechsel des Aspekts || “Ich sehe es jetzt als … ” könnte uns nicht mehr bedeuten, als der Wechsel jener Farben. || Der Vokal a ist rot” (gekuppelt mit physiologischen Beobachtungen könnte auch dieser Wechsel uns wichtig werden.)

   
     Wenn ich mich nach der Verwendung, nach dem Interesse, des Sehens der Aspekte || jener Mitteilung fragte, fällt mir ein, wie oft es in ästhetischen Betrachtungen || Anmerkungen heißt || in ästhetischen Betrachtungen || Anmerkungen gesagt wird: “Du mußt es so sehen, so ist es gemeint”, oder “Wenn Du es so siehst, siehst Du, wo der Fehler liegt”, “Du mußt diese Takte als Einleitung hören”, “Du mußt nach dieser Tonart hinhören”, “Du mußt das Thema so phrasieren” (& das kann sich auf's Hören & auf's Spielen beziehen). || , wie oft man in ästhetischen Betrachtungen sagt “Du mußt es so sehen, so ist es gemeint”, oder “Wenn Du es so siehst Du, wo der Fehler liegt”, “Du mußt diese Takte als Einleitung hören”, “Du mußt nach dieser Tonart hinhören”, “Du mußt das Thema so phrasieren” (& das kann sich auf's Hören & auf's Spielen beziehen). || , wie oft in ästhetischen Betrachtungen die Worte gebraucht werden: “Du mußt es so sehen, so ist es gemeint”, oder “Wenn Du es so siehst Du, wo der Fehler liegt”, “Du mußt diese Takte als Einleitung hören”, “Du mußt nach dieser Tonart hinhören”, “Du mußt das Thema so phrasieren” (& das kann sich auf's Hören & auf's Spielen beziehen).

   
     Die Figur
soll eine konkrete Stufe vorstellen, & zur || in der Demonstration gewisser || irgendwelcher räumlicher Vorgänge verwendet werden. Ich ziehe || Wir ziehen dabei etwa die Linie a durch die Mittelpunkte
der beiden Flächen. – Wenn nun Einer die Figur nur auf Augenblicke räumlich sähe, & auch dann vielleicht einmal || manchmal als eine konkave einmal als Stufe, so || dann könnte es ihm schwer werden, der Demonstration zu folgen. (Wie dem die Darstellende Geometrie schwer wird, der die Projektionen nicht räumlich zu sehen im Stande ist.) (Rolle der Anschauung in der Mathematik.) Und wenn für ihn der flache Aspekt mit einem räumlichen wechselt, so ist es nicht anders, als zeigte ich ihm während der Demonstration abwechselnd etwas Flaches & eines von zwei Modellen || abwechselnd gänzlich verschiedene Gegenstände einmal etwas Flaches, einmal ein Modell, einmal ein anderes.).

139


   
     Aber die Verwendungen in der Ästhetik & in der Darstellenden Geometrie sind doch grundverschieden. Ist es in der Ästhetik nicht wesentlich, daß das Bild, das Musikstück, etc., seinen Aspekt für mich wechseln kann? – denn für jene Darstellung räumlicher Vorgänge ist es das natürlich nicht.

   
     “Wenn ich es so sehe, so paßt es, aber wenn ich es so sehe, dann nicht.”

   
     Spiel: “Es kann auch … sein”.



   
     “Das ist doch kein Sehen!” – “Das ist doch ein Sehen!” – Beide müssen sich begrifflich rechtfertigen lassen.

   
     Die Frage ist: Inwiefern ist es ein Sehen?

   
     “Siehst Du dies Blatt immer grün solange Du es räumlich anschaust & auf die Frage, welche Farbe es hat, ohne zu lügen “grün” antworten würdest?” Hat diese Frage einen klaren Sinn? Eine Antwort wäre vielleicht: “Nun, ich sage mir beim Ansehen des Blattes nicht die ganze Zeit ‘Ach, wie grün!’”.

   
4.1.
     Was ist der Ausdruck davon, daß ich dies Bild als Bild beschneiter Bäume sehe? daß ich nicht nur weiß, daß es solche vorstellt, daß ich es nicht wie eine Blaupause lese? – Ich behandle es anders. (Kind & Puppe)

   
     Wenn ich in einem Bild ein Tier von einem Pfeil durchbohrt sehe, weiß ich nur, daß die Pfeilspitze mit den Federn zusammenhängt, oder sehe ich's? – Ich verhalte mich zu diesen Stücken, wie zu einem Pfeil, d.h.: ich sage nicht nur, als wär's die Zeichnung einer Maschine, die ich entziffere, “Diese
139
beiden Stücke gehören zusammen, es geht hier ein Stab durch”; sondern gefragt “was sahst Du auf dem Bild antworte ich gleich: “Ein Tier von einem Pfeil durchbohrt.”

   
     “Die Erscheinung nimmt einen zuerst Wunder, aber es wird gewiß eine physiologische Erklärung dafür gefunden werden.” –
     Unser Problem ist kein kausales sondern ein Begriffliches.

   
     Die Frage ist: Inwiefern ist es ein Sehen?

   
     Ich sehe oft eine Kontur weitergehen, wenn sie in der Zeichnung unterbrochen ist.

   
     Ich sehe, daß auf dem Bild der Pfeil das Tier durchdringt. Er hat es in den Hals getroffen & ragt noch beim Genick heraus. Denk Dir das Bild als || Das Bild sei eine Silhouette. – Siehst Du den Pfeil, – weißt Du nur, daß diese beiden Stücke Teile eines Pfeils darstellen (sollen)? || sein sollen??11

   
     Vergleiche Köhlers Figur der einander durchdringenden Sechsecke.

   
     Das ist doch ein Sehen! Inwiefern ist es ein Sehen?

   
Die Beschreibung, die ich von dem Bild || der Figur geben würde, wenn ich naiv an das Bild || sie herantrete, ist unzweifelhaft die. ∣ Würde mir das Bild für kurze Zeit || nur einen Augenblick gezeigt & ich sollte es beschreiben, wäre das die Beschreibung, sollte ich's danach zeichnen, so würde ich gewiß zwei gleiche einander durchdringende Sechsecke zeichnen & in dieser Beziehung würde ich in der Kopie nicht irregehen, wenn auch sonst manches an ihr falsch sein könnte.

140


   
     Ist es ein Wissen oder ein Sehen? – Wie wär's, wenn es bloß ein Wissen wäre? In welcher Fällen würde ich sagen, es sei bloß ein Wissen? Wenn ich eine Blaupause lese, etwa.

   
     Was heißt es, wenn ich, eine Zeichnung in der Darstellenden Geometrie betrachtend, sage: “Ich weiß, daß es hier weitergeht, oder ich kann es nicht so sehen”? Heißt es einfach, daß mir die Geläufigkeit des ‘Auskennens’ fehlt? Nun, diese Geläufigkeit ist gewiß eines unsrer Kriterien. Das Kriterium ist eine gewisse Art des sich Auskennens. (Gewisse Gesten z.B., die die räumlichen Verhältnisse andeuten. Feine Abschattungen des Verhaltens.)

   
     Du mußt an die Rolle denken, welche Bilder (im Gegensatz zu Werkzeichnungen.) in unserm Leben spielen. Und diese Rolle ist durchaus nicht etwas gleichförmiges.

   
     Von dem der die Zeichnung als … sieht werde ich mir andres erwarten als von dem, der nur weiß, was sie darstellen soll.

   
     [Bemerkung über die dritte Person.]

   
     Man hängt sich manchmal Sprüche an die Wand. Aber nicht Lehrsätze der Geometrie || Mechanik. Unser Verhältnis zu diesen beiden.

   
     “Wenn ich es so sehe, so paßt es zu dem Übrigen || wohl dazu, aber nicht dazu.” Dies ist ein ganz bestimmtes Sprachspiel mit dem Ausdruck “das als das || etwas so sehen”. Und das Kriterium des ‘so sehen’ ist hier ein andres als im Fall der Darstellenden Geometrie.

   
      ∣ “Le stile c'est l'homme” “Le stile c'est l'homme
140
même.” Der erste Ausdruck hat eine billige epigrammatische Kürze. Der zweite, richtige, eröffnet eine ganz andere Perspektive. Er sagt, daß der Stil das Bild des Menschen ist || sei. ∣

   
      ∣ Es gibt Bemerkungen, die säen, & Bemerkungen, die ernten. ∣

   
     Was ist das Kriterium dafür, daß er es so sieht, wenn er etwa sagt “Wenn ich es so sehe, so || dann paßt es zu diesem”? – Daß er z.B. gewisse Änderungen an dem Bild, Gebäude, etc., machen oder vorschlagen || beschreiben kann, die eine gewisse Wirkung auf den Beschauer haben. || Änderungen in der Struktur, die er betrachtet, machen oder versuchen kann ‒ ‒ ‒ || , –Daß er z.B. versuchen kann die Struktur, die er beobachtet || betrachtet so abzuändern, daß, was störte, verschwindet.
   
5.1.

     Wie ihnen Einer sagte: || , Die Traumerzählung || Traumillusion ist eine seltsame Gedächtnisstörung; sie nimmt eine Menge von Erinnerungen vom Vortag, aus früheren Tagen, ja aus der Kindheit zusammen & macht daraus eine Erinnerung an ein Ereignis während der Zeit des Schlafs.
     Wir alle kennen ja Fälle in denen wir die Erinnerungen mehrerer Tage zu einer vermischen.

   
     Wann würde ich's denn ein bloßes Wissen nennen? – Wenn || Etwa wenn Einer das Bild wie eine Werkzeichnung behandelte. Was || Das was es darstellt aus ihm herausläse. (Feine Abschattungen des Benehmens.) || ein bloßes Wissen, kein Sehen, nennen? – Wenn || Etwa wenn Einer das Bild wie eine Werkzeichnung behandelte. Was || Das was es darstellt aus ihm herausläse. (Feine Abschattungen des Benehmens.)
   
6.1.
     Ich erkenne die 6-Ecke gleich als solche. Nun schau ich sie an & frage mich: “Seh ich sie wirklich als Sechsecke?” – & zwar: die ganze Zeit, während welcher ich sie sehe? – Und ich möchte antworten: Ich denke nicht die ganze Zeit an sie als Sechsecke.
141


   
     Das erste, was an diesem Bild in die Augen springt, ist: es sind Sechsecke.

   
     Einer sagt mir: “Ich habe es sofort als zwei Sechsecke gesehen. Ja, das war alles, was ich daran gesehen habe.” Aber wie versteh ich das? Ich denke, er hätte auf die Frage “Was siehst Du?” gleich geantwortet “Zwei Sechsecke”. Er hätte diese Antwort auch nicht als eine von vielen möglichen behandelt. Sie ist darin gleich der Antwort “Ein Tier” – wenn ich ihm das Bild eines solchen gezeigt hätte; oder “Ein Gesicht” – wenn ich ihm die Figur
gezeigt hätte.

   
     Ich erkenne es sofort als Gesicht, bin bereit, es als das zu behandeln.

   
∣ Die Landschaft dieser Begriffsverhältnisse aus ihren einzelnen Stücken zusammenzustellen || zusammenstellen ist zu schwer für mich. Ich kann es nur sehr unvollkommen tun. || aus ihren unzähligen Stücken, wie sie die Sprache uns zeigt, zusammenstellen ist zu schwer für mich. Ich kann es nur sehr unvollkommen tun.

   
     Es hätte ja auch sein können, daß ich das Bild zuerst als etwas andres sah, & mir dann sagte “Ach, es sind 2 Sechsecke!” Aber dies geschah nicht. Der Aspekt hätte sich also geändert. Und beweist das nun, daß ich's tatsächlich in einem besondern Aspekt sah?
     (Nun, wie Du willst!)

   
     “Ist es ein echtes Seherlebnis?” Die Frage ist: In wiefern ist es eins?

   
     [Es ist schwer zu sehen …]
     [Das Auge “Sieh wie es schaut!”]
141


   
     “Es ist für mich ein Tier, vom Pfeil durchbohrt” Ich behandle es als das, dies ist meine Einstellung zur Figur. Das ist eine Bedeutung davon: || ; es ein Sehen zu nennen.

   
     Kann ich aber auch im gleichen Sinne sagen: “Dies sind für mich zwei Sechsecke”? Nicht im gleichen Sinne, aber in einem ähnlichen. –

   
     So seh ich es, in diesem Sinne, also nur so lange so, als ich diese Einstellung dazu habe? Man könnte es sagen.

   
     “Dieser Zug des Bildes fiel mir in die Augen.”

   
     Die beste Beschreibung die ich von dem Sehen kann, was mir auf einen Augenblick gezeigt wurde ist das: …
     “Der Eindruck war der von einem stehenden Tier” Es kam also eine ganz bestimmte Beschreibung. – War das das Sehen, oder war es ein Gedanke?
     Wie soll ich's entscheiden?

   
     Aber sehe ich also das Bild nur so lange in diesem Aspekt, als ich diese Einstellung dazu habe? – Man kann es sagen.

   
     Könnte man aber nicht auch sagen: “Ich sehe es immer als das, wenn ich's nie als etwas anderes sehe”?

   
     [Zu ‘Darstellende Geometrie’, etc.) “Er sieht es räumlich & kennt sich daher so gut in der geometrischen Zeichnung aus, als operierte er in dem räumlichen Modell.” Aber ist nicht eben sein besonderes Manipulieren in der Zeichnung das Kriterium dafür, das er's räumlich
142
sieht? (Denn was weiß ich sonst von seinem Eindruck?)



   
     Ich sehe es doch nicht nur als ein Tier, während ich dies sage.
     Ein Körper hat auch sein Gewicht nicht nur während er gewogen wird. (Begriffsbestimmung)

   
     Es ist für mich ein Löwe. Wie lange ist es für mich ein Löwe?

   
     Aber halt! Sage ich denn wirklich je von dem gewöhnlichen Bild (eines Löwen), ich sehe es als Löwen? Ich habe das doch noch nie gehört. [Dazu gehört die Bemerkung auf S. 733 Ts.]

   
     Und doch habe ich hier über so ein Sehen geredet!

   
7.1.
     Ich könnte von einem Bild von Picasso sagen, ich sehe es nicht als Menschen.
     Oder von manchem: ich hätte es lange nicht als das, was es darstellt, sehen können, tue || könne es aber jetzt. Das ist doch ähnlich dem: ich war lange nicht im Stande dies als Einheit zu hören, jetzt aber hör ich's so. Früher schien es nur wie lauter kurze Stücke, die immer wieder abreißen, – jetzt hör ich's als Organismus. (Bruckner.)

   
     Würdest Du's verstehen, wenn ich sagte “Wir betrachten die Photographie, das Bild an unsrer Wand, als die Menschen & || Menschengesichter & andere Dinge, ¤ als diejenigen Dinge die || welche auf ihnen dargestellt sind”?

   
     Dies müßte nicht sein. Wir könnten uns leicht Menschen vorstellen die zu den || unsern Bildern nicht dasselbe || dieses Verhältnis hätten. (Menschen z.B.
142
die unsre Photographien abstießen, weil ein Gesicht ohne Farbe unheimlich & häßlich sei.)

   
     Von dem konventionellen Bild eines Menschen sagen wir nicht “Ich sehe das als einen Menschen” “Ich sehe es als ein … ” geht zusammen mit … [S. 733 Ts.] (“Geht zusammen” im Sprachspiel || in der Technik des Sprachspiels.)

   
     Wenn ich nun sage “Wir betrachten ein Portrait als Menschen”, – wann & wie lange tun wir dies? Immer, wenn wir es überhaupt sehen (& es nicht etwa als etwas andres sehen)?
     Ich könnte dies bejahen, & dadurch würde ich den Begriff des Betrachtens bestimmen. – Die Frage ist || wäre, ob ein anderer Begriff || ob noch ein anderer Begriff des So-Sehens außer diesem für mich || uns wichtig wird: ein Begriff des So-Sehens, das nur statt hat, während ich mich mit dem Bild als || diesem Gegenstand beschäftige. || wird: eines So-Sehens, das nur statt hat, während ich mich mit dem Bild als diesem Gegenstand beschäftige.

   
     Der Begriff des Bemerkens. Ich kann sagen ich bemerke manchmal die Ähnlichkeit dieses Bilds mit … , & dergleichen; aber ich sage nicht ich bemerke manchmal daß diese Photographie ein Gesicht ist.
     Ich könnte sagen: Ein Bild lebt nicht immer für mich, während ich es sehe.

   
     Aber die Frage ist nun: Ist dies “Leben” ein “Sehen” oder: mit welchem Recht könnte ich es ein “Sehen” nennen? Was hat dieser Begriff mit einem Sehbegriff gemeinsam? || Welche Verwandtschaft besteht zwischen diesem Begriff & andern Sehbegriffen?

   
     Nun sagen wir || sagt man aber nicht, wir ‘sähen’ das konventionelle Bild, eines Löwen, z.B., als Löwen:

   
     “Ihr Bild lächelt mich von der Wand an.” Das muß es nicht immer tun, wenn ich es sehe.
143
Und dieser Ausdruck ist doch eine Rechtfertigung des Ausdrucks, ich sehe es dann anders.


     Ich strebe mit allen diesen Beispielen nicht irgend eine Vollständigkeit an. Kein Register || Verzeichnis aller psychologischer || Nicht eine Klassifikation aller psychologischen Begriffe. Ich will nur meinen Leser in den Stand setzen sich in begrifflichen Unklarheiten zu helfen. ||


     Aber dieser Ausdruck ist auch eine Rechtfertigung des andern, daß ich es nicht immer ‘so sehe.’


   
     Ich strebe mit allen diesen Beispielen nicht irgend eine Vollständigkeit an. Kein Register || Verzeichnis aller psychologischer || Nicht eine Klassifikation aller psychologischen Begriffe. Ich will nur meinen Leser in den Stand setzen sich in begrifflichen Unklarheiten zu helfen. ||
     Aber dieser Ausdruck ist auch eine Rechtfertigung des andern, daß ich es nicht immer ‘so sehe.’
   
      ∣ Wenn ich mich für eine Eventualität vorbereite, kannst Du ziemlich sicher sein, daß sie nicht eintreten wird. U.m.. ∣

   
8.1.
Es ist schwer etwas zu wissen, & zu handeln als wüßte man's nicht.

   
     [Protz nicht mit Deinem Reichtum.]

   
     Das Kind sagt “Jetzt ist es ein Haus.” – das kann auch in dem Spiel, in dem die Kiste ein Haus ist, in mancherlei Art & in mancherlei Situationen gesagt werden. Jemand kommt in's Zimmer während das Spiel im Gang ist; es wird ihm mitgeteilt “Jetzt ist es ein Haus”. Dies heißt nicht: “Jetzt würde es für mich ein Haus”. Dies heißt nicht das Aufleuchten des Aspekts. Damit es das ist, müssen Ton & Situation von besonderer Art sein & es handelt sich wieder um feine Unterschiede des Benehmens.

   
9.1.
     ‘Feine Abschattungen des Benehmens’ – Wenn sich mein Verstehen eines Themas darin äußert, daß ich es mit dem richtigen Ausdruck pfeife, so ist das ein Beispiel dieser feinen Abschattungen.
143



     Wenn aber “Jetzt ist es ein Haus” auch nicht das Aufleuchten des Aspekts ausdrückt, kann es nicht den stabilen Aspekt ausdrücken || berichten?

   
     “Er vergißt ganz, daß es eine Kiste ist; es ist für ihn tatsächlich ein Haus.” (Dafür gibt es bestimmte Anzeichen.) Von wem man das sagen würde, wäre es von dem nicht auch richtig zu sagen, er sehe sie als Haus?

   
     Und wer nun so spielen könnte & in einer besonderen || bestimmten Situation mit besonderm Ausdruck || besonderer Gebärde ausriefe “Jetzt ist es ein Haus!”, der würde || dessen Worte würden das Aufleuchten des Aspekts ausdrücken.

   
     Der Ausdruck der Stimme & Gebärde aber ist der gleiche, als hätte sich das Objekt geändert & wäre (nun endlich) zu dem & || diesem oder jedem geworden.

   
     Ich möchte sagen, daß dasjenige was hier aufleuchtet, nur so lange stehen bleibt, als eine bestimmte Beschäftigung mit dem Objekt dauert. (“Sieh, wie es blickt!”) (Das Bemerken der Ähnlichkeit || Familienähnlichkeit dieses Gesichts mit einem Abwesenden. || jetzt nicht anwesenden.) – ‘Ich möchte sagen’ – & ist es so? – Frage Dich: “Wie lange fällt mir etwas auf?” – Wie lange ist es mir neu?

   
     Wäre es richtig zu sagen, daß im Aspektwechsel der rotierenden Trommel die Wahrnehmung des Gleichbleibens des Objekts fehlt? Weil man hier ja wirklich zweifeln kann, ob sich nicht die Bewegungsweise geändert habe.

   
     Du mußt bedenken, daß die Beschreibung der wechselnden Aspekte in jedem Falle von andrer Art sind. || der mit einander abwechselnden Aspekte in jedem Falle von andrer Art sind.

Editorial notes

1) See facsimile; line connecting this sentence with the following one.

2) See facsimile; line connecting this sentence with the following one.

3) At this point, part of the page is clipped out and Wittgenstein's text replaced with a copy of it; see also the following note.

4) At this point, part of the page is clipped out and the following note by G.E.M Anscombe inserted: "What was here concerned a couple of Win[.]'s friends[.] I cut it out & gave it as something to help the one of them to whom it referred - soon after Win.'s death[.] GEMA" all written in caps.

5) See facsimile; line connecting this sentence with the following one.

6) See facsimile; line connecting this sentence with the following one.

7) There is a small draft of a table above "Sprachsp".

8) See facsimile; line connecting this sentence with the following one.

9) See facsimile; line connecting this remark with the previous one.

10) The top of the page contains a deleted graphic of three circles.

11) See facsimile; line connecting this remark with the following one.