2 | Wer etwa
vom
Gegensatz des Seins und des Nichts spricht und vom Nichts als etwas
gegenüber der Verneinung Primärem, der denkt, glaube ich,
etwa an eine Insel des Seins umspült vom unendlichen Meer des
Nichts. Was wir in dieses Meer werfen,
wird in seinem
Wasser aufgelöst, vernichtet. Es
selbst aber hat auch eine unendliche Tätigkeit, vergleichbar
den Wogen des Meeres, es existiert, es ist, und wir sagen:
“es nichtet”. In diesem Sinn würde
auch das Ruhen als eine Tätigkeit bezeichnet. Wie
aber kann man jemandem zeigen,
daß dieses Gleichnis nun das richtige
ist? Man kann es garnicht
zeigen. Aber wenn es ihn von seiner Verwirrung
erlöst, so haben wir ihm damit getan, was wir wollten.
Es mag uns seltsam vorkommen, durch welche
gleichsam trivialen Mittel wir
von tiefen philosophischen Beunruhigungen befreit
werden. Es ist seltsam, daß
man nichts tun muß als
z.B. in einem Fall ein Wort durch
zwei verschiedene zu ersetzen, das Wort
“ist” durch die beiden Zeichen 29 “ = ”
und “ε”, um die quälende Frage
los zu werden, in wiefern doch die Rose dasselbe sei,
wie rot. Aber daraus sehen wir nur, wie
tief eine Verwirrung ist, wenn
sie in der Sprache verkörpert ist.
Es ist seltsam, daß man einen
von der tiefen und in gewissem Sinn
geheimnisvollen Frage, was der Satz
“A = A” bedeutet, dadurch sollte
erlösen können, daß man eine
Notation einführt, in der sich dieser Satz nicht aufschreiben
läßt. Wie kommt es, so
könnte man fragen, daß wir uns dabei
beruhigen? Daß wir jene
Notation nun nicht ablehnen, indem wir sie als unvollständig
erklären? Aber wir tun es
nicht, sondern fühlen gleichsam:
Gott sei
Dank, daß wir davon befreit
sind? So seltsam es klingt:
daß, was uns an jenem Satz
“A = A” tief a priori
allem Denken zugrundeliegend erschien, erkennen wir wieder in
seinem Ausschluß aus der Sprache
durch das neue Zeichensystem. Das tiefe Problem lag
sozusagen gerade darin, daß wir uns in der
alten Ausdrucksweise ungemütlich fühlten
(und das Gefühl der Ungemütlichkeit,
wenn es sich auf unsere Sprache bezieht, ist ein
tiefes). |Wenn
jemand sagt “das Nichts
nichtet” so können wir ihm in der Art unserer
Betrachtungsweise sagen: Gut, was
sollen wir nun mit diesem Satz anfangen? Das
heißt, was folgt aus ihm und
woraus folgt er? Aus welcher Erfahrung
können wir ihn feststellen? Oder
aus gar keiner? Was ist seine Funktion? Ist
er ein Satz der Wissenschaft? Und welche
Stellung nimmt er im Haus der
Wissenschaft ein? Die eines
Grundsteins, auf welchem andere Bausteine
liegen? Oder etwa die eines
Arguments? Ich erkläre mich mit allem einverstanden,
nur muß ich dies
wissen. Ich habe nichts dagegen,
daß du an der Maschine der Sprache ein
leerlaufendes Rad anbringst, aber ich wünsche zu
wissen, ob es leer läuft oder in welche andere
Räder es eingreift.|
Hier denken wir daran, wie manchmal ein Physiker in der Vorrede
zu einem Buch über die Prinzipien der Mechanik sich etwa vor
dem Satz der Kausalität verbeugt, sagt,
daß dieser Satz ein Fundament der
Physik ist und seiner darauf im Text des Buches nicht
mehr Erwähnung tut. Hier
fragen wir: in welchem Sinn ist jener Satz ein Fundament der
physikalischen Betrachtung? Jedenfalls nicht im Sinn
eines derjenigen Sätze, aus welchen in diesen Betrachtungen
Folgerungen gezogen werden. Und wir wollen wissen,
handelt es sich hier um eine derjenigen
Höflichkeitsformeln, wie sie vor Beginn einer
geschäftlichen Unterhandlung ausgetauscht werden?
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