1
26.4.30
Ohne etwas Mut kann man nicht einmal eine vernünftige
Bemerkung über sich selbst schreiben.
Ich glaube manchmal
ich
leide unter einer Art geistiger Verstopfung. Oder ist das
nur eine Einbildung ähnlich der wenn man fühlt man
möchte erbrechen wenn tatsächlich nichts mehr drin
ist?
Ich bin sehr oft oder beinahe
immer voller Angst.
Mein Gehirn ist sehr
reizbar. Habe heute von der Marguerite Taschentücher zum Geburtstag
bekommen. Sie haben mich gefreut, wenn mir auch jedes Wort
noch lieber gewesen wäre & ein Ku
ß
noch viel lieber
als alles.
Von allen Menschen die
2
jetzt leben
würde mich ihr Verlust am schwersten treffen, das will ich nicht
frivol sagen, denn ich liebe sie oder hoffe daß ich sie
liebe.
Ich bin müde &
ideenlos das ist freilich immer so in den ersten
Tagen nach meiner Ankunft bis ich mich an das Klima
gewöhnt habe. Aber freilich ist nicht gesagt
daß ich nicht überhaupt vor einer leeren Periode
stehe.
Es ist mir immer
fürchterlich wenn ich denke wie ganz mein Beruf von einer
Gabe abhängt die mir jeden Moment entzogen werden kann.
Ich denke sehr oft, immer wieder, hieran & überhaupt
daran wie einem alles entzogen werden kann & man gar nicht
weiß was man alles
hat & das aller Wesentlichste
eben erst
3
dann gewahr wird wenn man es
plötzlich verliert. Und man merkt es nicht eben weil
es so wesentlich, daher so gewöhnlich ist. Wie man
auch nicht merkt daß man fortwährend atmet als bis man
Bronchitis hat & sieht daß was man für
selbstverständlich gehalten hat gar nicht so
selbstverständlich ist. Und es gibt noch viel mehr
Arten geistiger Bronchitis.
Oft fühle
ich daß etwas in mir ist wie ein Klumpen der wenn er
schmelzen würde mich weinen ließe oder ich
fände dann die richtigen Worte (oder vielleicht sogar eine
Melodie). Aber dieses Etwas
(ist es das
Herz?) fühlt sich bei mir an wie Leder &
kann nicht schmelzen. Oder ist es
daß ich
nur zu feig bin die
Temperatur genügend steigen zu lassen.