15.3.
Sich selbst zu erkennen ist furchtbar, weil man zugleich die
wesentliche || lebendige Forderung
erkennt, &, daß man ihr nicht genügt. Es
gibt aber kein besseres Mittel sich selbst kennen zu
lernen, als den Vollkommenen zu
sehen. Daher muß der Vollkommene einen Sturm der
Empörung in den Menschen wecken; wenn sie sich nicht ganz,
& gar demütigen wollen.
Ich glaube, die
Worte: “Selig, wer sich nicht
an mir ärgert”, meinen:
Einmal sagst Du nun: “Gott hat die Welt erschaffen” & einmal: “Dieser Mensch ist – Gott”. Aber Du meinst nicht, daß dieser Mensch die Welt erschaffen hat, & doch ist hier eine Einheit. Wir haben zwei verschiedene Vorstellungen von Gott: oder, wir haben zwei 215 verschiedene Vorstellungen
& gebrauchen für beide das Wort
“Gott”.
Wenn Du nun aber an eine Vorsehung glaubst: d.h., wenn Du glaubst, daß nichts, ohne Gottes Willen geschieht || was geschieht, anders geschieht, als durch den Willen Gottes; dann mußt Du also auch gewiß glauben, daß dies Größte, daß ein Mensch zur Welt kam, der Gott ist, durch Gottes Willen geschehen ist. Muß dann aber dies Faktum nicht für Dich ‘entscheidende Bedeutung’ haben? Ich meine: muß das dann nicht für Dein Leben Konsequenzen haben, Dich zu etwas verpflichten? Ich meine: mußt Du nicht in ethische Beziehungen zu ihm treten? Denn Du hast doch z.B. dadurch Pflichten, daß Du einen Vater & eine Mutter hast & nicht z.B. ohne sie auf die Welt gesetzt worden bist. Hast Du also Empfinde ich nun aber solche Pflichten? Mein Glaube ist zu schwach. Ich meine, mein Glaube an die Vorsehung, mein Gefühl: “es geschieht alles durch Gottes Willen”. Und dies ist nicht eine Meinung – auch nicht eine Überzeugung, sondern eine Attitude den Dingen & dem Geschehen gegenüber. Möge ich nicht frivol werden! Hast Du eine wertvolle Bemerkung 16.3. gefunden; & sei es auch nur ein Halbedelstein, so
mußt Du ihn jetzt richtig fassen.
Ich dachte heute: “Arrangiere ich nicht meine Gedanken, wie meine Schwester Gretl die Möbel in einem Zimmer?” Und dieser Gedanke war mir zuerst nicht angenehm. Ich dachte gestern an den Ausdruck: “ein reines Herz”; warum 217 habe ich keines?
Das heißt doch: warum sind meine Gedanken so
unrein! Eitelkeit, Schwindel, Mißgunst ist immer
wieder in meinen Gedanken. Möge
Gott mein Leben so lenken, daß es
anders wird. |
To cite this element you can use the following URL:
BOXVIEW: http://www.wittgensteinsource.org/BTE/Ms-183,213[3]et214[1]et215[1]et216[1]et217[1]_n
RDF: http://www.wittgensteinsource.org/BTE/Ms-183,213[3]et214[1]et215[1]et216[1]et217[1]_n/rdf
JSON: http://www.wittgensteinsource.org/BTE/Ms-183,213[3]et214[1]et215[1]et216[1]et217[1]_n/json