Ich kann die Regel R auch so schreiben:
a + (1 + 1)
a + (x + 1)
a + ((x + 1) + 1)
=
(a + 1) + 1
(a + x) + 1        
S1

(a + (x + 1)) + 1
oder auch so:
              a + (b + 1) = (a + b) + 1, wenn ich R oder S als Erklärung oder Ersatz für diese Form nehme.      Wenn ich nun sage, in
u
v
w
       
       
       
a + (b + 1)
a + (b + (c + 1))
(a + b) + (c + 1)
=
=
=
(a + b) + 1
a + ((b + c) + 1) = (a + (b + c)) + 1        
B

((a + b) + c) + 1
seien die Uebergänge durch die Regel R gerechtfertigt, – so kann man mir drauf an[f|t]worten: “Wenn Du das eine Rechtfertigung nennst, so hast Du die Uebergänge gerechtfertigt. Du hättest uns aber ebensoviel gesagt, wenn Du
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uns nur auf die Regel R und ihre formale Beziehung zu u (oder zu u, v und w) aufmerksam gemacht hättest.”
           Ich hätte also auch sagen können: Ich nehme die Regel R in der und der Weise als Paradigma meiner Uebergänge.
           Wenn nun Skolem etwa nach seinem Beweis für das assoziative Gesetz übergeht zu:
a + 1
a + (b + 1)
(b + 1) + a
=
=
=
1 + a
(a + b) + 1)
C

b + (1 + a) = b + (a + 1) = (b + a) + 1
und sagt, der erste und dritte Uebergang in der dritten Zeile seien nach de[k|m] bewiesenen assoziativen Gesetz gerechtfertigt, – so sagt er uns damit nicht mehr, // so erfahren wir damit nicht mehr, // als wenn er sagte, die Uebergänge seien nach dem Paradigma a + (b + c) = (a + b) + c gemacht (d.h., sie entsprechen dem Paradigma) und es sei ein Schema u, v, w mit Uebergängen nach dem Paradigma u abgeleitet. – “Aber rechtfertigt B nun diese Uebergänge, oder nicht?” – Was meinst Du mit dem Wort “rechtfertigen”? – “Nun, der Uebergang ist gerechtfertigt, wenn wirklich ein Satz, der für alle Zahlen gilt, bewiesen ist.” – Aber in welchem Falle wäre das geschehen? Was nennst Du einen Beweis davon, dass ein Satz für alle Kardinalzahlen gültig ist? Wie weisst Du, ob der Satz (wirklich) für alle Kardinalzahlen
gültig
giltig
ist, da Du es nicht ausprobieren kannst. Dein einziges Kriterium ist ja der Beweis. Du bestimmst also wohl eine Form und nennst sie die, des Beweises, dass ein Satz für alle Kardinalzahlen gilt. Dann haben wir eigentlich gar nichts davon, dass uns zuerst die allgemeine Form dieser Beweise gezeigt wird; da ja dadurch nicht gezeigt wird, dass nur der besondere Beweis wirklich das leistet, was wir von ihm verlangen; ich meine: da hiedurch der besondere Beweis nicht als einer gerechtfertigt, erwiesen ist, der einen Satz für alle Kardinalzahlen beweist. Der rekursive Beweis muss vielmehr seine eigene Rechtfertigung sein. Wenn wir unsern Beweisvorgang
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wirklich als den Beweis einer solchen Allgemeinheit rechtfertigen wollen, tun wir vielmehr etwas anderes: wir gehen Beispiele einer Reihe durch, und diese Beispiele und das Gesetz, was wir in ihnen erkennen, befriedigt uns nun, und wir sagen: ﹖– ja, unser Beweis leistet wirklich, was wir wollten –﹖. Aber wir müssen nun bedenken, dass wir mit der Angabe dieser Beispielreihe die Schreibweise B und C nur in eine andere (Schreibweise) übersetzt haben. (Denn die Beispielreihe ist nicht die unvollständige Anwendung der allgemeinen Form, sondern ein anderer Ausdruck dieser Form // des Gesetzes // .) Und weil die Wortsprache, wenn sie den Beweis erklärt, erklärt was er beweist, den Beweis nur in eine andere Ausdrucksform übersetzt, so können wir diese Erklärung auch ganz weglassen. Und wenn wir das tun, so werden die mathematischen Verhältnisse viel klarer, nicht verwischt, durch die mehrdeutigen // [v|V]ieles bedeutenden // Ausdrücke der Wortsprache. Wenn ich z.B. B unmittelbar neben A setze, ohne Dazwischenkunft des Wortes “alle” // ohne Vermittlung durch den Ausdruck der Wortsprache “für alle Kardinalzahlen etc.” // , so kann kein falscher Schein eines Beweises von A durch B entstehen. Wir sehen dann ganz nüchtern, wie weit die Beziehungen von B zu A und zu a + b = b + a reichen und wo sie aufhören. // Wir sehen dann die nüchternen, (nackten) Beziehungen zwischen A und B, und wie weit sie reichen. // Man lernt so erst, unbeirrt von der alles gleichmachenden Form der Wortsprache, die eigentliche Struktur dieser Beziehung kennen, und was es mit ihr auf sich hat.
          Man sieht hier vor allem, dass wir
an
in
dem Baum der Strukturen B, C, etc. interessiert sind, und dass an ihm zwar allenthalben die Form
f(1) = g(1)
f(n + 1) = F(fn)
g(n + 1) = F(gn)
zu sehen ist, gleichsam eine bestimmte Astgabelung, – dass aber diese Gebilde in verschiedenen Anordnungen, und Verbindungen untereinander, auftreten, und dass sie nicht in dem Sinne Konstruktionselemente bilden // sind // , wie die Paradigmen im Beweis von a + (b + (c + 1)) = (a + (b + c)) + 1 oder (a + b)² =
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a² + 2ab + b². Der Zweck der “rekursiven Beweise” ist ja, den algebraischen Kalkül mit dem der Zahlen in Verbindung zu setzen. Und der Baum der rekursiven Beweise “rechtfertigt” den algebraischen Kalkül nur, wenn das heissen soll, dass er ihn mit dem arithmetischen in Verbindung bringt. Nicht aber in dem Sinn, in welchem die Liste der Paradigmen den algebraischen Kalkül, d.h. die Uebergänge in ihm, rechtfertigt.
           Wenn man also die Paradigmen der Uebergänge tabuliert, so hat das dort Sinn, wo das Interesse darin liegt, zu zeigen, dass die und die Transformationen alle bloss mit Hilfe jener – im übrigen willkürlich gewählten – Uebergangsformen zustande gebracht sind. Nicht aber dort, wo sich die Rechnung in einem andern Sinne rechtfertigen soll, wo also das Anschauen der Rechnung – ganz abgesehen von dem Vergleich mit einer Tabelle vorher festgelegter Normen – uns lehren muss, ob wir sie zulassen sollen oder nicht. Skolem hätte uns also keinen Beweis des assoziativen und kommutativen Gesetzes versprechen brauchen // sollen // , sondern einfach sagen können, er werde uns einen Zusammenhang der Paradigmen der Algebra mit den Rechnungsregeln der Arithmetik zeigen. Aber ist das nicht Wortklauberei? hat er denn nicht die Zahl der Paradigmen reduziert und uns z.B. statt jener beiden Gesetze eines, nämlich a + (b + 1) = (a + b) + 1 gegeben? Nein. Wenn wir z.B. (a + b)⁴ = etc. (r) beweisen, som könnten wir dabei von dem vorher bewiesenen Satz (a + b)² = etc. (s) [g|G]ebrauch machen. Aber in diesem Fall lassen sich die Uebergänge in r, die durch s gerechtfertigt wurden, auch durch jene Regeln rechtfertigen, mit denen s bewiesen wurde. Und es verhält sich dann s zu jenen ersten Regeln, wie ein durch Definition eingeführtes Zeichen zu dem primären Zeichen, mit deren Hilfe es definiert wurde. Man kann die Definition immer auch elliminieren und auf die primären Zeichen übergehen. Wenn wir aber in C einen Uebergang machen, der durch B gerechtfertigt ist, so können wir diesen Uebergang nun nicht auch mit u allein machen. Wir haben eben mit dem, was hier Beweis genannt wird, nicht einen Schritt // Uebergang // in Stufen zerlegt, sondern etwas ganz andres getan.
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Editorial notes

1) See facsimile; exclamation marks in left and right margins of table, indicating lines.