74.
Und wenn wir diesen
Vergleich noch etwas weiter führen, – so ist es klar,
daß der Grad, bis zu welchem das scharfe Bild
dem verschwommenen ähnlich sein
kann, vom Grade der Unschärfe dieses
abhängt. Denn denk Dir, Du solltest zu einem
verschwommenen Bild ein ihm ‘entsprechendes’
scharfes entwerfen! In jenem ist ein unscharfes rotes
Rechteck; Du setzt dafür ein scharfes.
Freilich – es ließen sich ja mehrere
solche scharfe Rechtecke ziehen, die dem unscharfen
entsprächen. – Wenn aber im Original die
Farben ohne die Spur einer Grenze
ineinanderfließen, wird es dann
nicht eine hoffnungslose Aufgabe werden, ein dem verschwommenen
entsprechendes scharfes Bild zu zeichnen? Wirst
Du dann nicht sagen müssen: “Hier
könnte ich ebenso gut einen Kreis,
als ein Rechteck, oder eine Herzform zeichnen; es
fließen alle Farben durcheinander.
Es stimmt alles, – und nichts.” – Und
in dieser Lage befindet sich z.B. der, der in
der Ästhetik oder Ethik nach
Definitionen sucht, die unseren Begriffen entsprechen.
Frage Dich in dieser Schwierigkeit immer,
“Wie haben wir denn die Bedeutung dieses Wortes
– ‘gut’ z.B. –
gelernt? An was für Beispielen; in
welchen Sprachspielen? Du wirst dann
leichter sehen, daß das Wort eine
Familie von Bedeutungen haben
muß.