607. Wie schätzt man:, wieviel Uhr es ist? Ich meine aber
nicht, nach äußeren Anhaltspunkten, dem Stand der Sonne,
der Helligkeit im Zimmer, u. dergl.– Man fragt sich etwa
“Wieviel Uhr kann es sein?”, hält einen Augenblick inne,
stellt sich vielleicht das Zifferblatt vor; und dann
spricht man eine Zeit aus. – Oder man überlegt sich mehrere
Möglichkeiten; man denkt sich eine Zeit, dann eine
andre, und bleibt endlich bei einer stehen. So und ähnlich geht es vor sich. ‒ ‒ Aber ist nicht der Einfall von einem
Gefühl der Überzeugung begleitet; und heißt das nicht, daß er
nun mit einer inneren Uhr übereinstimmt? – Nein, ich lese die
Zeit von keiner Uhr ab; ein Gefühl der Überzeugung ist insofern da, als ich mir ohne Empfindung des Zweifels,
mit Ruhe und Sicherheit, eine Zeit sage. – Aber schnappt
nicht etwas bei dieser Zeitangabe ein? – Nichts das ich
wüßte; wenn du nicht das Zur-Ruhe-Kommen der Überlegung,
das Stehenbleiben bei einer Zahl so nennst. Ich hätte auch
hier || hier auch nie von einem ‘Gefühl der Überzeugung’
– 296 – geredet, sondern gesagt: ich habe eine Weile überlegt und
mich dann dafür entschieden, daß es viertel sechs ist. – Wonach
aber hab ich mich entschieden? Ich hätte vielleicht gesagt:
“bloß nach dem Gefühl”; das heißt nur: ich habe es dem Einfall überlassen. ‒ ‒ Aber du mußtest dich doch wenigstens zum
Schätzen der Zeit in einen bestimmten Zustand versetzen;
und du nimmst doch nicht jede Vorstellung einer Zeitangabe
als Angabe der richtigen Zeit! – Wie gesagt: ich hatte mich
gefragt “Wieviel Uhr mag es sein?” D.h., ich habe
diese Frage nicht, z.B., in einer Erzählung gelesen; noch
sie als Ausspruch eines Andern zitiert; noch mich im Aussprechen dieser Wörter geübt; u.s.f. Nicht unter diesen
Umständen habe ich die Worte gesprochen. – Aber unter welchen also? – Ich dachte an mein Frühstück und ob es heute spät damit würde. Solcherart waren die Umstände. – Aber
siehst du denn wirklich nicht, daß du doch in einem, wenn
auch ungreifbaren, für das Schätzen der Zeit charakteristischen Zustand, gleichsam in einer dafür charakteristischen
Atmosphäre warst? – Ja, das Charakteristische war, daß ich
mich fragte “Wieviel Uhr mag es sein?” – Und hat dieser
Satz eine bestimmte Atmosphäre,– wie soll ich sie von ihm
selbst trennen können? Es wäre mir nie eingefallen, der
Satz hätte einen solchen Dunstkreis, hätte ich nicht daran
gedacht, wie man ihn auch anders – als Zitat, im Scherz,
als Sprechübung, etc.– sagen könnte. Und da wollte ich
auf einmal sagen, da erschien es mir auf einmal, ich müßte
– 297 – die Worte doch irgendwie besonders gemeint haben;
anders nämlich, als || sie mit einem andern geistigen Vorgang begleitet haben, als in jenen andern Fällen. Es hatte sich
mir das Bild von der besondern Atmosphäre aufgedrängt;
ich sehe sie förmlich vor mir – solange ich nämlich nicht
auf das sehe, was nach meiner Erinnerung wirklich gewesen
ist. Und was das Gefühl der Sicherheit anbelangt: so sage ich mir manchmal “Ich bin sicher, es ist … Uhr”, und in mehr oder weniger sicherem Tonfall, etc. Fragst du nach dem Grund für diese Sicherheit, so habe ich keinen. Wenn ich sage: ich lese es auf meiner || einer innern Uhr ab,– so ist das ein Bild, dem nur entspricht, daß ich diese Zeitangabe gemacht habe. Und der Zweck des Bildes ist, diesen Fall dem andern anzugleichen. Ich sträube mich, die beiden verschiedenen Fälle anzuerkennen. |
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