124
Wenn die Aussage, dass wir nie einen genauen Kreis
sehen, bedeuten soll, dass wir
z.B. keine Gerade sehen, die den Kreis in einem Punkt
berührt (d.h., dass nicht in
unserm Sehraum die Multiplizität der einen Kreis berührenden Geraden hat)
dann ist zu
dieser Ungenauigkeit nicht ein beliebig hoher Grad
der Genauigkeit denkbar.
124
Das Wort “Gleichheit” hat eine andere Bedeutung, wenn
wir es auf Strecken im Sehraum anwenden, als, die es auf den physikalischen
Raum angewendet hat.
Die Gleichheit im Sehraum hat eine andere Multiplizität als die Gleichheit
im physikalischen Raum,
darum können im Sehraum
g' und
g'' Gerade
(Sehgerade)
sein und die Strecken
a' =
a'', a'' = a'''
etc. aber
nicht
a' =
a''''' sein.
Ebenso hat der Kreis und die Gerade im Gesichtsraum eine andere
Multiplizität als Kreis und Gerade im physikalischen Raum, denn ein
◇◇◇ kurzes Stück eines gesehenen Kreises kann gerade
sein; “Kreis” und “Gerade” eben im Sinne
der Gesichtsgeometrie angewandt.
Die gewöhnliche Sprache hilft sich hier mit dem Wort
“scheint” oder “erscheint”.
Sie sagt a' und
a'' scheinen gleich
zu sein, während zwischen
a' und
a''''' dieser Schein schon nicht mehr
besteht.
Aber sie benutzt das Wort “scheint” zweideutig.
Denn seine Bedeutung hängt davon ab, was diesem Schein nun als das Sein
entgegengestellt wird.
In einem Fall, ist es das Resultat einer Messung, im anderen eine weitere
Erscheinung.
In diesen Fällen ist also die Bedeutung des Wortes
“scheinen” eine verschiedene.